Greenrock statt Blackrock

Politik Klima, Rezession, AfD: Folgt den Krisen dieser Zeit der ganz breite Zusammenschluss für die sozial-ökologische Wende?
Ausgabe 33/2019

Ein heißer Herbst steht bevor. Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Rezession. Der Ökonom Heiner Flassbeck sieht deren Beginn bereits 2017. Verschärft wird die Lage durch die schleichende Krise der Volksparteien, den Aufstieg der AfD und die Agonie der GroKo.

Die Grünen aber sind guter Dinge. Ihr Chef Robert Habeck sagte am Montag, die Grünen seien „quasi Regierungspartei im Wartestand“. Grünen-Chefin Annalena Baerbock redet von deutscher „Weltpolitik“ am Persischen Golf. Die Grünen inszenieren sich lustvoll als überparteiliche Staatspartei, die alle Gesellschaftsgruppen für ein großes nationales Projekt zusammenschweißt. Die Grünen-Spitze macht den Kaiser Wilhelm: Wir kennen keine Parteien mehr, wir kennen nur noch Klimaschutz.

Das grüne Hoch bewirkt, dass sich die Regierungsparteien einen skurrilen Wettlauf in Sachen Klimaschutz liefern. Jeden Tag präsentieren sie neue Vorschläge: Plastiktüten verbieten, Ölheizungen abwracken, Fleisch besteuern. Am 20. September will das „Klimakabinett“ den Entwurf seines Klimaschutzgesetzes vorlegen. Keine Frage: Es wird teuer werden.

Klimadebatte und aufkommende Wirtschaftskrise haben deshalb einen Streit um die schwarze und die grüne Null ausgelöst. Die einen wollen keine zusätzlichen Schulden. Die anderen keine CO2-Emissionen. Doch Schuldenbremse und Klimaziele widersprechen sich. Beides zusammen geht nicht. Deshalb fordern immer mehr Ökonomen, die Schuldenbremse auszusetzen.

Merkel und Scholz stemmen sich (noch) dagegen. Sie wollen die Krisen bei ausgeglichenem Haushalt überwinden. Das bedeutet: Die Geldbeschaffung müsste außerhalb des regulären Haushalts stattfinden. Vermittelt durch eine Art Schattenbank. In Form eines Schattenhaushalts.

Es werden ja nicht nur ein paar Milliarden benötigt, es braucht wahre Geldberge, um Energie-, Agrar- und Verkehrswende gleichzeitig zu finanzieren, um Firmen, Städte und Infrastruktur „sozial-ökologisch zu transformieren“, Ölheizungen auszutauschen, neue Stromtrassen zu verlegen, Millionen Elektrofahrzeuge zu bauen, Dämme zu verstärken und Wälder aufzuforsten.

Bereits im Juni haben die Grünen deshalb die Einrichtung eines Öko-Staatsfonds gefordert. In diesen Fonds sollen mittels CO2-Abgaben und anderer Steuern weit über 100 Milliarden Euro fließen. Wie die Finanzierung im Detail aussehen wird, wollen die Grünen erst nach den kommenden Landtagswahlen verraten. Da ihr Konzept aber auf einem Vorschlag des Potsdamer Instituts für Transformative Nachhaltigkeitsforschung basiert, kann man sich die Finanzierung leicht ausrechnen: Der von Potsdam empfohlene „Zukunftsfonds“ soll in den nächsten 30 Jahren rund 1,5 Billionen Euro einsammeln. Ein Drittel davon resultiert aus CO2-Abgaben, die sich alle zehn Jahre verdoppeln sollen, zwei Drittel stammen aus einer Nachlasssteuer von 25 Prozent auf alle Erbschaften über 500.000 Euro. Das ist eine gewaltige Summe, wie sie zuletzt zur Rettung der Banken eingesetzt wurde.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, meinte denn auch, dass der Klimaschutz die deutschen Steuerzahler mehr kosten werde als die Wiedervereinigung. Nur ein nationaler Kraftakt könne eine solche „Generationenaufgabe“ bewältigen. Denn der „Green New Deal“ der Grünen werde die sozialökologische Transformation unumkehrbar machen. Mit anderen Worten: Ein prall gefüllter Staatsfonds, eine „gute Heuschrecke“, die nach demokratisch festgelegten Kriterien in die ökologische Umwandlung von Unternehmen investiert, soll das Weltklima retten. Greenrock statt Blackrock! Verglichen mit diesem Megaprojekt staatlicher Investitionslenkung sind sämtliche Investitionsprogramme der Linken ein Fliegenschiss in der Wirtschaftsgeschichte. Ein solcher Green New Deal würde einer grün-rot-roten Koalition gut zu Gesicht stehen.

Da nimmt es sich fast putzig aus, wenn SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil nun ebenfalls einige Milliarden lockermachen will, um die kommende Krise sozial abzufedern. Stolz verkündete Heil, auch er werde die schwarze Null nicht antasten. Der erwartete Anstieg der Kurzarbeit solle, wie 2009, über die Rücklagen der Arbeitsagentur finanziert werden. Entlassungen würden dadurch vermieden, die Betroffenen könnten auf neue Berufe in der digitalen Wirtschaft umgeschult werden. Das ist, wie häufig bei der SPD, zu klein gedacht.

Die Doppel-Krise des Klimas und der Wirtschaft wird die Parteien – auch angesichts der anhaltenden Bedrohung von rechts – erst mal zusammenrücken lassen und den alten Korporatismus wiederbeleben: Staat, Parteien, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften könnten Gefallen an einer neuen „konzertierten Aktion“ finden. Denn die große Koalition allein ist überfordert, ihr Wille zur sozial-ökologischen Wende nicht wirklich spürbar. Sollte sie vollends erschlaffen, wäre eine „übergroße Koalition“ unter Einschluss der Grünen eine typische Steinmeier’sche Notlösung.

Es geht freilich auch ganz ohne die SPD. Erzwingen Führungskrise und Richtungsstreit der Genossen am Ende doch noch Neuwahlen, wird die SPD im nächsten Wahlkampf keine Rolle mehr spielen. Dann kämpfen Grüne und Union um die Vormachtstellung. SPD und Linke hätten aber die Chance, im Stillen aufeinander zuzugehen. Zwei machtlose Sozialdemokratien braucht das Land nun wirklich nicht.

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Wolfgang Michal

Journalist; Themen: Umbrüche & Entwicklungen

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