Genau ein Jahr nach dem Beginn der Pandemie ist die Union zurückgeworfen in die Realität. Lag sie in Umfragen bis März 2020 konstant unter 30 Prozent, so kletterte sie nach der ersten Corona-Welle auf sagenhafte 40 Prozent, um jetzt, zu Beginn der dritten Welle, wieder auf unter 30 Prozent abzustürzen. Der feste Glaube an die Wiedergeburt der letzten Volkspartei und an die Unions-Kanzlerschaft von Gottes Gnaden ist am vergangenen Sonntag schwer erschüttert worden.
Am verwunderlichsten an dieser Entwicklung ist, wie lange es brauchte, bis die Bürger die Union wieder so sehen lernten, wie sie ist: überfordert, perspektivlos, verbraucht. Das zeigte bereits der zähe Kampf um den Parteivorsitz der CDU, das zeigte das grottenschlechte Beschaffungsmanagement der Unionsminister in der Corona-Krise, das offenbart jetzt der Korruptionsskandal um die „Masken-Raffkes“. Das so gern beschworene „christliche Menschenbild“ ist der Lächerlichkeit preisgegeben.
So war die Union schon immer, heißt es nun, hier zeige sich ein tieferliegendes strukturelles Problem: Die Union sei eine beinharte Lobbyorganisation für Wirtschaftsinteressen. Abgeordnetenmandate dienten vor allem als Karriere-Sprungbretter und Türöffner zu lukrativeren Jobs, Geschäft und Politik würden hemmungslos verquickt, der Wechsel einstiger Staatssekretäre und Minister in gut dotierte (Aufsichtsrats-) Jobs erfolge nahezu automatisch.
Kein Wunder, dass die alten Skandale der Union nun wieder ausgebuddelt werden. Nicht nur die von der Wirtschaft gut gefüllten „schwarzen Kassen“ des Helmut Kohl, der den „Bimbes“ nach Gutsherrenart unter seine Gefolgsleute verteilte. Auch der Flick-Parteispendenskandal mit seiner „Pflege der politischen Landschaft“ oder der mit Schmiergeldern gepolsterte Verkauf der Leuna-Werke oder die Barspenden des Waffenhändlers Karl-Heinz Schreiber an CDU-Schatzmeister Walther Leisler-Kiep und Wolfgang Schäuble oder die „Staatsbürgerliche Vereinigung“, jene vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und Konrad Adenauer installierte Spendenwaschanlage, die 214 Millionen Mark steuerbegünstigt in die Kassen von CDU, CSU und FDP spülte, zu dem alleinigen „gemeinnützigen“ Zweck, eine linke Regierung zu verhindern. Man könnte bis zu den Rüstungsgeschäften um den Schützenpanzer HS-30 und den Kampfjet „Starfighter“ zurückgehen. Dazu die ominösen „Beraterverträge“ des Flick-Konzerns für den CDU-Vorsitzenden Rainer Barzel sowie des Kirch-Konzerns für den CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl oder die regelmäßigen Großspenden der Milliardäre Arend Oetker und Stefan Quandt, der reichen Immobilienentwickler und Vermögensberater, der Chemie, der Metall- und der Elektroindustrie. All das könnte im Superwahljahr mit der Masken-Affäre hochkochen.
Damit das nicht passiert, damit sich das Schreckbild einer korrupten und ablösungsreifen Union im Zuge der Aufarbeitung der Corona-Skandale nicht verfestigt, müssen die Parteivorsitzenden Armin Laschet und Markus Söder rasch handeln. Weder mit der Kanzlerkandidatenfrage noch mit der Erstellung eines Wahlprogramms können sie weiter so bräsig verfahren wie bisher. Der „Weckruf“ vom Sonntag hat der Union vor Augen geführt, dass eine Regierungsbildung 2021 auch ohne die Union möglich erscheint. Ein solcher Machtverlust würde die Partei, wie 1969 und 1998, in eine Existenzkrise stürzen. Wie lässt sich das verhindern?
Markus Söder und Alexander Dobrindt haben bereits angedeutet, was zu tun ist. Erstens müsse die Union „eine Brandmauer“ zu den Grünen errichten, um nicht noch mehr Wähler an die neue Öko-Mitte zu verlieren. Zweitens müssten „neue Leute mit neuem Schwung neue Perspektiven“ aufzeigen, da die derzeitigen Unionsminister keine gute Figur machen und die Ministerpräsidenten der CDU über wenig Charisma verfügen. „Um das Kabinett herum“ wollen Söder und Dobrindt deshalb „Teams für die Zukunft bilden.“
Wie das gehen soll, woher sie die Teams nehmen wollen, wissen sie wohl selbst nicht, denn die Personalauswahl ist nach 16 Regierungsjahren in beiden Parteien bescheiden. Klar ist nur, dass Söder Leiter dieser Zukunftsteams werden will. Laschet wird ihm seinen katholischen Klüngel (der Freitag 45/2019) entgegensetzen.
Da weder der Klüngler Laschet noch der Windmacher Söder auf Anhieb als Kanzlerkandidaten überzeugen und beide ohne den wichtigen Kanzlerbonus gegen einen amtierenden Vizekanzler und selbstbewusste Grüne anzutreten hätten, müssen sie Angela Merkel einen letzten politischen Coup abringen. Dieser Überraschungscoup, zwischen österlicher Auferstehung und Christi Himmelfahrt in Szene gesetzt, wäre der Amtsverzicht Angela Merkels zugunsten ihres Nachfolgers. Der könnte dann mit einem „Zukunftsprogramm für die zwanziger Jahre“ und einem Kabinett, das den Aufbruch symbolisiert, ins Rennen gehen. Die wachsende Alarmstimmung in der Union könnte einen solchen Coup erzwingen, Laschet hat der Kanzlerin seine Aufwartung bereits am Sonntagabend gemacht, Söder wird mit allerlei Merkel-Elogen dagegenhalten. Bleibt die Frage, ob die SPD bei einem Rücktritt Merkels die GroKo platzen ließe? Sollten die Grünen andeuten, in einer Staatsnotlage pflichtbewusst bereitzustehen, könnte dies der flüchtenden SPD – wie 2017 Lindners FDP – zum Nachteil gereichen. Der Coup wäre also machbar. Vielleicht ist er die einzige Chance, den Machterhalt für die Union zu sichern.
Kommentare 13
Guter Artikel. Gerade jetzt muss man die ganzen Skandale erwähnen, damit die Leute trotz der ganzen Propaganda sehen was für einen Partei das ist.
"neue Leute mit neuem Schwung neue Perspektiven aufzeigen" lmao. Wer den? Und vor allem wer ist den in der Union *sauber*. Wenn ich da an neue, junge Leute denke fällt mir spontan Amthor ein...so jung und schon korrupt wie die Alten in der Partei.
Überhaupt haben die ja das Problem dass der Ruf der Partei Personal mit fragwürdigen Moralvorstellungen anzieht....
Hätten die anderen Parteien gutes Kanzler-Personal würde ich auch auf einen nicht-Unions Kanzler(in) hoffen. Dem ist bisher aber nicht so.
Problem beim "amtierenden Vizekanzler" Scholz is ja dass der auch korrupt ist und eigentlich im Glashaus sitzt (Warburg/CUM-EX). Dann tritt er auch noch für die unglaubwürdigste Partei an, die wir im Bundestag haben.
Die Grünen sind ja bisher immer zu feige gewesen, überhaupt Kandidaten aufzustellen! Ich würde es mir wünschen, anstatt sich einfach ins gemachte Bett der CDU Regierung zu legen.
Die Linken? Ja auch von denen will ich einen Kandidaten sehen...trotz 8%. Man könnte die mediale Präsenz die dieser/diese generiert dringend gebrauchen.
Sehr sympathischer Text, vor allem das mit dem „letzten politischen Coup“ der Dr. Angela Merkel.
Das »Parteienkartell aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEn« zur Konservierung der etablierten neoliberalen Politik verteilt die Pöstchen neu. Und mehr wird auch bei der Bundestagwahl nicht passieren. Der Klüngel mit den Lobbyisten und Kriegstreibern geht weiter. – So oder so!
Ich glaube NICHT, dass die Union in irgendeiner Weise festgestellt hat, das Kanzleramt sei in Gefahr.
Beleg: der brandaktuellste Coup der einschlägigen Gurkentruppe – diesmal wieder die Abteilung von der Leyen mit ihrem Plan, EU-weit einen »digitalen« Impfausweis auf die Beine zu bringen.
Also: Kaum aus dem Gulli herausgeklettert, bereits wieder hyperambitioniert wie immer. Obwohl mittlerweile hinlänglich bekannt ist, dass die Truppe es noch nicht mal fertigbringt, einen analogen Impfstoff von der Spritze aus halbwegs zielsicher in den Arm zu bringen.
Frage so: War bei der letzten Frisurföhnung der Frau im Föhn was drin? Falls ja, bin ich mir sicher, dass es diesen Stoff auch in anderer Form gibt. Die Hybris, der CDU könne keiner was – egal, wie viele Böcke in Serie sie schießt –, zieht sich quer durch die Reihen.
- die aufdeckung von amigo-kungeleien und machenschaften in der union
beschädigt die bisherige praxis des glauben-schenkens
gegenüber "demokratischen politikern" meinen unionisten.
- eine partei-spezifische, systematische schwach-stelle in christlichen,
unternehmer-affinen parteien sei aber nicht auszumachen*.
- die vorgänge erinnern mich auch an krisen mit abnehmender
organ-/blut-spende-bereitschaft nach aufdeckung von manipulationen/
dreisten geschäfts-ideen.
* so in dem sehenswerter markus-lanz-talk vom 16.3. mit csu-blume
(ab 54.min.)
Auch prächtig: mit der über Apotheken abgewickelten FFP-2-Maskenversorgung hat Jens Spahn selbigen Profitspannen beschert, die ein Apotheker mit den Worten charakterisierte: »Wir haben uns dumm und dämlich verdient.«
Quatsch mit Soße. Die Union ist viel zu bräsig für einen Coup gegen Merkel, sie haben derzeit weder Kandidatur noch Wahlprogramm geklärt. Eher lässt die SPD die Koalition jetzt platzen, die zoffen sich dermaßen, dass es mich nicht wundern würde. Das brächte der SPD eher Vorteile. Die SPD hat immer gesagt, die GroKo gibt es nur mit Merkel. Die würden doch nicht Laschet oder Söder zum 3-Monats-Kanzler wählen so kurz vor den Wahlen, das wäre nur nachteilig. Das würden sie nur mit Scholz als 3-Monats-Kanzler machen - und diese Option ist ja eher ausgeschlossen.
Die Alternative wäre Laschet/Söder mit FDP und grün, die Grünen alleine bringen ja nicht die Mehrheit. Weder die einen noch die anderen - und schon gar nicht zusammen würden sie jedoch einer untergehenden Union kurz vor Ende der Legislatur helfen wollen zu ihrem eigenen Nachteil. Welchen Sinn sollte das für sie machen statt Wahlen ein paar Wochen früher? Wenn die Union Merkel kippt, werden die Wahlen vorgezogen, was ja mit einem gescheiterten konstruktiven Mistrauensvotum ginge. Und das wäre nur zum Nachteil der Union.
Wenn auf den letzten Metern Merkel also fällt, dann nur weil die SPD sie stürzt. Da in der restlichen Legislatur von 6 Monaten (4 abzüglich Sommerpause) eh nicht mehr viel Gesetzgebung läuft, könnte es sein, dass sie davon einen Vorteil zieht. Die Bevölkerung ist mehrheitlich von der GroKo abgegessen und könnte so einen Schritt der SPD begrüßen. Merkel würde dann kommissarisch als lahme Ente bis zu den Wahlen rumverwalten, die dann halt ein paar Wochen früher stattfinden. Wäre eh kein Unterschied zum status quo heute. Und die Union wäre überrumpelt und müsste hektisch werden, stünde mit dem Rücken zur Wand. Denke auch die SPD will sich profilieren und hat kein Interesse an einer weiteren GroKo. Das spricht für dieses Szenario.
Gegen das Szenario spricht, dass die SPD mit CUM und Pornocard ebenfalls zwei fette Korruptionsskandale am Hals hat, die in einer Schlammschlacht ihr um die Ohren fliegen könnten.
Mein Tipp deshalb: bräsig geht es weiter in die Wahlen im September. Der Wahlkampf wird auch eher bräsig, da niemand zuviel Staub aufwirbeln will.
wie oft wurde die korrupte, machtopportunistische, bigotte cducsu schon "totgesagt". und sie wurde immer wieder gewählt.
betrachtet mensch schlands regierungen seit 1949 muss festgehalten werden, dass allerhöchstens die brandt-jahre keine cducsu-jahre waren. schmidt und schröder hatten viel mit cducsu gemeinsam.
die leute werden wieder cducsu wählen, weil sie seid 1949 cducsu wählen. dieses land ist stockkonservativ, versumpft und lahm. viele leute sind ängstlich und feige.
meine prognose: cducsu werden auch den/die nächste/n kanzler*in stellen.
Ja, die CDU wäre nur mit einem Coup noch ein Weilchen am Leben zu halten. Aber ein Rücktritt Merkels wäre - nur ein halbes Jahr vor der Wahl, mitten in der Pandemie - in der Öffentlichkeit kaum zu vermitteln, außer aus schwerwiegenden gesundheitlichen Gründen. Und Rücktritt als Wahlkampfhilfe, was ja offensichtlich wäre, käme wohl nicht so gut an. Ein Riesenskandal ...
Es wird anders laufen:
Laschet und Söder werden sich nach Ostern wie geplant treffen, um über die Kanzlerschaft zu sprechen. Beiden wird bewusst sein, dass das Risiko als Kanzlerkandidat zu scheitern, und damit die eigene politische Karriere zu gefährden, ziemlich groß ist.
Sie werden nach einer Marathon-Beratung vor die Presse treten und verkünden:
„Nach langer Beratung sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es in diesen Pandemie-Zeiten das Beste für das Land und die Bürger wäre, wenn Frau Merkel auch nach der Wahl das Krisenmanagement in ihrer Hand hätte. Kontinuität in der Krisenbewältigung ist nun gefragt. Daher werden wir auf eine Kanzlerkandidatur verzichten und Frau Merkel bitten, sich als Kanzlerkandidatin zur Verfügung zu stellen und schon jetzt mit einer Regierungsumbildung einen zukunftsweisenden Neuanfang einzuleiten. Wir halten es für wichtig, dass wir in diesen schweren Zeiten alle solidarisch zusammenstehen und wollen daher auf einen Wahlkampf verzichten und appellieren an die anderen Parteien, sich dem anzuschließen. Die Bürger werden es ihnen danken.“
Merkel ist immer noch die beliebteste Politikerin und war immer für eine Überraschung gut ...
Korr.:
"Laschet und Söder werden sich nach Ostern wie geplant treffen, um über die KANZLERKANDIDATUR zu sprechen."
Sehr gutes Szenario!
Wie das gehen soll, woher sie die Teams nehmen wollen, wissen sie wohl selbst nicht, denn die Personalauswahl ist nach 16 Regierungsjahren in beiden Parteien bescheiden.
Ach was. Die Union produziert stabile Genies am laufenden Band.
Im Ernst: ich glaube, Merkel ist herzlich egal, ob die Union nach ihr zu neuen Höhen aufsteigt oder im Körbchen zur Hölle fährt.
:))
>>Eher lässt die SPD die Koalition jetzt platzen, die zoffen sich dermaßen, dass es mich nicht wundern würde.<<
Vor der Wahl machen sie auf "Opposition". Trauen sich gar, zaghaft links zu blinken. Nur werden sie nach nach der Wahl wohl eher nicht wieder in die GroKo abbiegen können, denn die Umfragen sprechen eher für die Grüko. Man könnte also auch sagen: Sie üben schon mal die neue Rolle.
Danke. Hoffe nur, dass hier keine CDU-Wahlkampfstrategen mitlesen ...;)