Die Union ist offenbar fein raus. Angela Merkel hat es wieder einmal geschafft, die eigenen Versäumnisse wegzulächeln. „Ich kann nicht erkennen“, sagte die CDU-Vorsitzende angesichts des Verlustes von 8,6 Prozentpunkten trocken, „was wir jetzt anders machen müssten.“ Mit dieser Bemerkung stellte sie klar, dass die „schonungslose Analyse“ des schlechtesten CDU-Wahlergebnisses seit 1949 nicht stattfinden würde.
Acht Wochen nach der Wahl gilt vielmehr der spöttische Satz von Jens Spahn, dass in diesem Land nur noch eine Partei den Mut besitzt, wirklich regieren zu wollen – die CDU. Die anderen würden zaudern, opponieren oder sich trotzig verweigern. Der Spott des CDU-Vizes verdeckt freilich die Tatsache, dass man sein Bonmot auch ganz anders lesen kann: Dass in diesem Land keine Partei mehr freiwillig dazu bereit ist, mit Merkel zu regieren. Und dieser Umstand ist für die Union weitaus gefährlicher, als es in der flapsigen Bemerkung zum Ausdruck kommt.
Spahn im Busch
Denn die, die nicht mehr mit Merkel regieren wollen, sitzen zuallererst in der Union. Seit dem Wahldesaster vom 24. September fordern sie den Wechsel an der Spitze, manche ungehobelt wie die Düsseldorfer Junge Union oder der „Freiheitlich-Konservative Aufbruch in der CDU“, manche eher hintenrum wie der Wirtschaftsrat der CDU, die meisten hasenfüßig und verklemmt wie jene Hoffnungsträger in der Partei, die sich zwar gern als „junge Wilde“ titulieren lassen, aber jeden Machtkampf auf offener Bühne scheuen. Das Schicksal Christian Lindners, der über Nacht vom genialen Strategen zum Quertreiber und Politclown hinuntergeschrieben wurde, hat ihnen gezeigt, dass ein echter Putsch gegen Merkel derzeit nicht ratsam ist. Die Angst vor dem eigenen Karriere-Aus lähmt ihre Tatkraft.
Schon die „Viererbande“ um Heiner Geißler und Lothar Späth, die 1989 Helmut Kohl wegputschen wollte, scheiterte an der eigenen Unentschlossenheit. Der Respekt vor Kohl war zu groß. Vera Lengsfeld, die rechte Flügelfrau der Ost-CDU, schimpft denn auch über die feigen „CDU-Rebellen“ Jens Spahn und Julia Klöckner, die sich nach dem Scheitern von Jamaika erst mal in die Büsche geschlagen hätten. Dort warten sie nun auf günstigere Gelegenheiten.
Und die könnten bald kommen. Die CDU, schreibt Alexander Marguier vom konservativen Zeitgeist-Magazin Cicero, steuere „auf die schwerste Krise seit der Spendenaffäre zu“, und die angeschlagene SPD werde diese Krise auslösen. Denn die Sozialdemokraten würden sich das von der Union „erpresste“ Bündnis „teuer bezahlen lassen“. Das sei „weiten Teilen der CDU“ bewusst und verstärke noch die innerparteiliche Frustration. „Angela Merkel ist zu einer Gefahr für die eigene Partei geworden.“
Sind das bloß markige Sprüche? Oder wagt hier ein „konservativer Revolutionär“ eine offene Kampfansage? Die Junge Union, die ein Viertel der CDU-Mitglieder vertritt und unter ihrem ehrgeizigen Vorsitzenden Paul Ziemiak oft Merkel-kritische Töne spuckt, hegt ganz ähnliche Ausverkaufsängste: „Für uns steht fest, dass wir nicht um jeden Preis eine GroKo eingehen dürfen“, sagt Ziemiak. „Wenn wir auf Teufel komm raus auf die SPD angewiesen sind, ist die Möglichkeit, einen guten Kompromiss zu finden, sehr, sehr schlecht für uns.“
Die FAZ denkt ebenso: Eine Große Koalition werde „teuer“ für die CDU. In Umlauf gebracht werden solche Alarmrufe meist von Merkel-Skeptikern wie der CDU-Mittelstandsvereinigung oder dem CDU-Wirtschaftsrat. Dessen Generalsekretär Wolfgang Steiger warnte schon mal vorsorglich, die Union dürfe eine SPD-Regierungsbeteiligung „nicht mit überteuerten Sozialgeschenken erkaufen“. Steiger fürchtet eine Ausweitung der Mütter- und die Einführung einer Mindestrente sowie die weitere „unkontrollierte Zuwanderung“ von Ausländern „in die Sozialsysteme“.
Im Präsidium des Wirtschaftsrats sitzt auch ein gewisser Friedrich Merz. Ihn hatte die aufstrebende Angela Merkel vor 15 Jahren als CDU-Fraktionsvorsitzenden ausgebootet. Der heute als Aufsichtsratschef der deutschen Filiale des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock tätige Lobbyist meldet sich in letzter Zeit wieder häufiger zu Wort, am liebsten mit unverhohlener Kritik an Merkel. Ministerpräsident Armin Laschet will Merz bald zum Brexit-Beauftragten Nordrhein-Westfalens machen.
Es braut sich etwas zusammen in der CDU. Und die SPD-Sondierer für die Große Koalition könnten sich schon bald in der absurden Situation wiederfinden, als letzte Schutzheilige der Kanzlerin aufzutreten: Je mehr die Sozialdemokraten verlangen, je höher sie ihren Preis treiben, desto stärker wird die Kanzlerin in der eigenen Partei unter Druck geraten. Umgekehrt gilt: Je billiger sich die SPD verkauft – und Martin Schulz damit innerparteilich unter Druck setzt –, desto besser läuft es für Merkel. Der Reform-Flügel der CDU und der Seeheimer Kreis der SPD sind politisch aufeinander angewiesen, sie werden sich gegenseitig stützen und die jeweils andere Seite nicht mit überzogenen Forderungen in die Bredouille bringen. Merkel ist ihre gemeinsame Kanzlerin. Je weniger ambitioniert die nächste GroKo den politischen Betrieb verwaltet, desto stabiler wird sie erscheinen.
Wie lange würde ein so zerbrechliches, auf politischen Stillstand angelegtes Gebilde aus zwei halben Parteien halten, wie stark würden sich die Ränder innerhalb und außerhalb der Koalition vergrößern? Wenn es etwa um hohe Mehrausgaben für Europa geht. Wenn Entwicklungen eintreten, die nicht vorhersehbar sind: ein plötzlicher Konjunktureinbruch, eine neue Eurokrise, Terror in den Städten, neue „Flüchtlingsströme“, Krieg im Nahen oder Fernen Osten. Die AfD setzt und Lindners FDP spekuliert auf eine Zuspitzung der Verhältnisse. Das werden der linke Flügel der SPD und der rechte Flügel der Union nicht lange aushalten – und jeweils aufbegehren.
Ob es dann noch gelingen kann, die jetzt schon in sich zerrissenen Parteien zu erneuern oder ob sie zerfallen wie in Italien, Frankreich, Spanien und den Niederlanden und von neuartigen Sammlungsbewegungen abgelöst werden, ist fraglich. Aber die Voraussetzungen für beide Entwicklungsmöglichkeiten werden jetzt geschaffen.
Kohls Los droht
Angela Merkel glaubt vielleicht, den Richtungsstreit in ihrer Partei noch moderieren oder aussitzen zu können. Aber das wird ihr nicht gelingen. Denn sie selbst ist zum Symbol dieses Konflikts geworden. Sie ist bereits so sehr Reizfigur, dass sie als Moderatorin nicht mehr taugt. Das Moderieren selbst ist durch sie in Verruf geraten, weil man es mit einer Politik des Hinhaltens und Einschläferns verbindet. Christian Lindner hat sich dieser Machttechnik trotzig widersetzt. Daraufhin formulierte die Zeit die Titelzeile „Er oder sie?“. Es ist kein Zufall, dass Kritiker die Probleme der CDU allein auf die Person Merkel projizieren und verächtlich oder staunend von der „Merkel-CDU“ und der „Machtarroganz des Systems Merkel“ sprechen.
Wie der von ihr verdrängte Helmut Kohl hat Angela Merkel den idealen Zeitpunkt für einen geordneten Rückzug verpasst. Sie wird also mühsam demontiert werden müssen. Aber noch traut sich niemand in der CDU ins Offene. Vera Lengsfeld beschreibt die prekäre Lage der Union höhnisch so: „Die spannende Frage ist, ob die Hoffnungsträger der CSU, Söder und Dobrindt, sich ebenso wegducken wie Spahn und Klöckner, oder ob sie sich an Christian Lindner ein Beispiel nehmen.“
Erste Demontageversuche haben schon begonnen. Nach der bewusst herbeigeführten, mit der Kanzlerin nicht abgesprochenen CSU-Entscheidung für das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat wird sich die SPD genau überlegen, ob sie sich zusätzlich zu den eigenen auch noch die Probleme der Union aufhalsen will.
Kommentare 36
a)die kanzler-wahl-partei pflegt und immunisiert ihre säulenheiligen.
denn sie sorgen für mehr-heiten, die sich auszahlen.
b) zuzeiten von führer-schwäche, bröckelnder (wähler-)gefolgschaft,
un-garantierter positionen: raschelts im busch-land.
aber wer aus der deckung kommt, unzufriedenheit manifestiert,
die kredit-würdigkeit der union anzweifelt, wird gespießt:
bis ein neuer heros der glaub-würdigkeit gekürt ist.
c)der wechsel des zug-pferdes der union geschieht im formel-eins-tempo:
mit minimaler zeit-einbuße in der boxen-gasse....
Schön,daß Frau Lengsfeld sich auch mal wieder meldet.Für mich ist diese Frau untragbar aber für machtpolitische Zwecke läßt sie sich gerne vor den Karren spannen.Frau Lengsfeld hat aus ihren tragischen Lebensgeschichten nichts gelernt.Ja-Angela Merkel hat den Absprung verpaßt und sich um keinen Nachfolger oder Nachfolgerin gekümmert, da fehlte wohl Vertrauen,im Machtbereich ist nicht nur die Luft dünn sondern auch das Vertrauensarreal praktisch lahmgelegt.Nach ihr aber kommt die Glücksritterriege und das sind solche Zweibeiner vom Schlage eines Herrn Merz.Die SPD sollte auch den Absprung nicht verpassen, denn Deren Glücksritterkreise sind auch gut unterwegs.
In Zeiten zunehmender Personalisierung des politischen Diskurses ist der vorliegende Artikel ein weiteres wenig rühmliches Beispiel.
Die Frage, wie lange sich Angela Merkel oder Horst Seehofer sich noch halten können, ob Söder, Dobrindt, Hermann, Weber, Von der Leyen, Spahn, Klöckner oder wer auch immer Nachfolger werden könnte oder sollte, ist für die Leiharbeiter, Armutsrentner, Pflegekräfte usw. wohl völlig uninteressant.
Interessant ist sie hingegen für alle diejenigen, die glaubten und glauben, dass Angela Merkel die mächtigste Frau der Welt, die Retterin des Euro oder gar Europas, die Klima- und Bildungskanzlerin sei.
Weg von den Karrieren und Karrieristen, hin zu den politischen Inhalten!
Der Artikel ist eine interessante Analyse, die allerdings - wie die meisten dieser Art - zu viele aus persönlichen oder übernommenen Beobachtungen erarbeitete Interpretationen enthält. Weil Interpretationen, auch wenn sie eine gewisse Plausibilität aufweisen, immer auch die Wahrscheinlichkeit des Irrtums in sich tragen, kann der Inhalt des Artikels wie folgt bewertet werden: So könnte es sein oder kommen. Es könnte aber auch nicht so sein oder kommen.
Ich wünsche mir auch, dass die CDU/CSU abgewählt wird, doch trotzdem ist mir diese Art von agitatorischem Kommentar unangenehm.
Denn trotz allem habe ich Respekt vor dem nüchternen und moderaten Politikstil, der viel dazu beigetragen hat, dass es in Deutschland noch nicht so zugeht wie in vielen anderen Staaten, wo das politische Klima immer mehr vergiftet wird.
Auch noch Benzin ins Feuer zu schütten und gegen diese Art von Politik zu polemisieren, ist ein gefährliches Spiel. Denn, was man sich in den USA vor 2 Jahren nicht vorstellen konnte, kann auch schnell hier in Deutschland passieren.
Gute Analyse.
Tatsächlich sind die Demontageversuche bereits im Staatsfunk angekommen. Das ZDF-heute-journal hat gestern vier ehemalige CDU-Größen (Jürgen Rüttgers, Ole von Beust, Klaus Töpfer, Bernhard Vogel) zu Wort kommen lassen, die sehr unverhohlen Merkel kritisiert haben - Jürgen Rüttgers für die "unsägliche Demobilisierung" mit ähnlichen Worten, wie sie Martin Schulz im Wahlkampf benutzt hat ("das war schon immer undemokratisch"). Ole von Beust sagte, dass es aus seiner Sicht ganz unabhängig von Angela Merkel sinnvoll wäre, die Amtszeiten von Ministerpräsidenten und des Bundeskanzlers auf zwei Legislaturperioden zu begrenzen. Bernhard Vogel sprach sich gegen eine Große Koalition aus. Klaus Töpfer will mehr Streit in der Partei um politische Fragen und einen starken Generalsekretär, der strategisch denkt.
Der Kommentar zu all dem von Mathis Feldhoff war offen merkelkritisch, während die ehemaligen CDU-Granden diplomatisch aber für jeden Politikkenner genügend deutlich sprachen.
Irgendjemand muss ja wohl auch organisiert haben, dass nicht nur eine Person in diese Kerbe geschlagen hat, sondern gleich vier im gleichen Einspieler. Dieser oder diese "Irgendjemand" muss in der CDU beheimatet sein. Ich denke nicht, dass Mathis Feldhoff aus eigener Initiative und völlig ungeleitet vier Leute dieses Kalibers gefunden hat, die dann derart deutlich Stellung genommen haben.
"Denn trotz allem habe ich Respekt vor dem nüchternen und moderaten Politikstil"
Den hatte ich zwei Legislaturperioden auch, obwohl die CDU nie meine Partei war. Aber zuletzt war es kein nüchterner und moderater Politikstil mehr. Wer es noch als solchen sieht, hat sein Merkel-Bild nicht mit ihrem Agieren seit etwa Anfang 2014 abgeglichen.
Egal. Ich würde es aber begrüßen wenn keine Ostdeutschen mehr in der Bundespolitik ihr Unwesen treiben.
Die Kritik an der zu starken Personalisierung ist teilweise berechtigt. Allerdings ist der politische Richtungsstreit in der CDU - und das gab es unter früheren CDU-Vorsitzenden nicht - untrennbar mit der Person Merkel verbunden. Sie ist das Symbol des inhaltlichen Konflikts, die Reizfigur. AfD, FDP und ihre Sympathisanten reden nicht zufällig bewusst (und meistens abfällig) von der "Merkel-CDU".
Die der Personaldebatte zugrunde liegenden inhaltlichen und strukturellen Konflikte, also die Konflikte zwischen den so genannten Reformern in der CDU und ihren innerparteilichen Gegnern habe ich erst vor kurzem hier beschrieben: https://www.freitag.de/autoren/wolfgangmichal/merkels-union-steuert-in-eine-zerreissprobe
Für eine neuerliche große Koalition bedeutet das, dass sich deren Erfolgsaussichten grundlegend verändert haben: Zwei innerparteilich durch erhebliche Wahlverluste unter Druck stehende Parteien in eine Koalition zu zwingen, um damit die innerparteilichen Konflikte weitere vier Jahre ruhig zu stellen (anstatt sie endlich auszutragen), das kann nicht gut gehen. Es ist deshalb heute wesentlich riskanter für CDU und SPD, sich erneut für eine große Koalition zu entscheiden, als dies 2005 oder 2013 der Fall war.
wie gesagt: spürbare kritik an der unions-spitze
kann sich nur leisten, wer seine karriere hinter sich hat.
aber der anfang vom ende ist gemacht.
das wackere klee-blatt, das die eiche kerbt,
ist nicht durch zufall zusammengekommen.
aber ein offener rütli-schwur ist von kalkulierenden kantonisten
auch nicht zu erwarten: sie bleiben in deckung, solang es opportun ist.
zum vorwurf der zu starken personalisierung,
die doch die strukturellen bedingungen vergißt:
das regierungs-handeln, die ausgestaltung, inszenierung der politik
ob mehr auf konfrontation oder mehr auf kalmierung angelegt,
kann nicht von einzelnen gesteuert werden :
merkels flüchtlings-integrations-kurs ist an objektiven neo-liberalen
gegebenheiten in staat und gesellschaft gescheitert.
ihren ausdruck hat das scheitern in der afd-zunahme gefunden
und in der darauffolgenden rechts-kurs-korrektur der union.
ob die kommende führung aussichten hat,
durch eine inklusions-strategie die opposition zu dämmen,
oder sich mit härte in scharfem wettbewerb beweisen muß,
werden die königs-macher der union zu bedenken haben.
die umarmungs-strategie hatte ihre zeit...
oda?
Guuute Analyse.
Niemand muß Merkel demontieren, das hat sie bereits selbst getan.
In der CDU hat nur niemand die Chuzpe, das auszusprechen, weil
die Union wie ein Geisterschiff auf politsch hoher See dahinschlingert.
Da darf der Lotse nicht von Bord gehen!
Sonst erkennt ja jeder, daß der Steuermann seinen Kompass verloren
hat. Die CDU ist konzeptionslos, verwirrt, entkernt.
Ist Merkel weg, erkennt jeder das Vakuum.
Alles gelaber. Es geht darum, ein konsistentes Programm zu haben.
Hat die CDU aber nicht mehr. Euro kaputt, Exportland gefährdet,
Autokartell ohne Zukunft, sozialer Frieden gestört.
Welche Antwort hat die CDU?
>>Weil Interpretationen, auch wenn sie eine gewisse Plausibilität aufweisen, immer auch die Wahrscheinlichkeit des Irrtums in sich tragen, kann der Inhalt des Artikels wie folgt bewertet werden: So könnte es sein oder kommen.<<
These: Jede Interpretation ist ein Irrtum, auch deine.
>>Alles gelaber. Es geht darum, ein konsistentes Programm zu haben.<<
Diese Behauptung geht an die Grenze des Lächerlichen. Seit wann lesen potenzielle Wählerinnen und Wähler die Parteiprogramme? Seit wann haben Parteien, insbesondere die bürgerlichen, jemals auf ihr Parteiprogramm rekurriert, wenn die Dynamik der Praxis darin nur partiell vorkam?
Der Abgas-Skandal, um nur ein Exempel herauszugreifen, diente den regierenden Parteien keineswegs dazu, in ihren Programmen nachzuschauen, um die dort formulierten wohlfeilen Thesen zur Umwelt hervorzukramen. Im Gegenteil: Die Grenzwertüberschreitungen waren und sind geduldet und wurden in Brüssel hauptsächlich mit dt. Einfluss festgezurrt.
Programme sind höchstens Schaufensterauslagen, die nach Bedarf verramscht werden. - Grüezi.
Im Falle einer GroKo und einer AFD, die von rechts an einer CDU zieht, die sozialdemokratische Zugeständnisse an die SPD macht, wird es den Gemäßigten in der CDU möglich sein einen Deckel auf die innerparteilichen Konflikte zu setzen? Ich hätte glatt meine Zweifel, dass man dies ruhig stellen könnte, denn für die Hardliner ist die Kritik an der Union durch die AFD doch eine ständige Verführung. Die innerparteilichen Kritiker werden doch mit der Zeit immer mutiger werden. Und für die SPD gilt das ebenso, nur von links.
Ich denke die Konflikte werden unausweichlich sein, auch in einer GroKo.
Es ist doch nicht verwunderlich, dass bei einem Wahlergebnis, wie es bei der letzten Bundestagswahl zustande kam, die Parteispitze - in diesem Fall Frau Merkel - auch in der eigenen Partei in die Kritik gerät. Das ist jedenfalls eher normal als ungewöhnlich. Ob es sachlich gerechtfertigt ist, spielt dabei leider meist eine untergeordnete Rolle. In solchen Situationen ist die Gelegenheit für aus welchen Gründen auch immer frustrierte Mitglieder besonders günstig, den vielleicht schon länger bestehenden Missmut - z. B. bezüglich der von Merkel eingeleiteten sogenannten Sozialdemokratisierung der Partei - nun endlich mal auch deutlich zum Ausdruck bringen zu können; und diese Gelegenheit wird eben auf verschieden “subtile” Weise genutzt. In einer Volkspartei, in der immer unterschiedliche Interessen und politische Ansichten unter einen Hut gebracht werden müssen, sind Auseinandersetzungen eigentlich nichts Besonderes, sondern eher fast alltägliches Geschäft. Meist dringt dieser Streit allerdings nicht nach außen, weil er vielleicht weniger lautstark stattfindet, oder weil er von den Medien nicht so begierig aufgegriffen und erfolgsträchtig verarbeitet wird, wie gerade jetzt. Daraus nun tiefe Zerstrittenheit, bevorstehende partei-interne Umwälzungen, damit verbundene Politik- und Regierungsunfähigkeit zu konstruieren oder gar einen Merkel-Abgesang zu komponieren, mag eine reizvolle Aufgabe für eifrige Beobachter und Geschehensdeuter sein. Dass sie damit näher an der Wirklichkeit liegen, als dabei behilflich zu sein, einen medial aufgeblasenen Ballon zu erzeugen, darf bezweifelt werden.
Programme sind höchstens Schaufensterauslagen, die nach Bedarf verramscht werden. - Grüezi.
Das haben schon viele Parteien bzw. Politiker auch so gesehen -
und sind dann in der Versenkung verschwunden.
Postideologie ist nun mal nicht der Ende der Geschichte.
"Welche Antwort hat die CDU?"
Keine, was ihr aber nur auf die Füsse fällt, weil sie schon so lange an der Macht ist. Wäre sie in der Opposition, so wäre das Fehlen von Antworten bedeutungslos. Man sieht das an der AfD.
Genauer gesagt, sieht man es an allen Oppositionsparteien.
Der Euro allerdings, ist einer von den Totgesagten, die dann länger leben.
Postideologie ist nun mal nicht DAS Ende der Geschichte.
Im Grunde hat die Union in der Merkelzeit mehr oder weniger das Lager gewechselt und angefangen, linke Politik zu machen. Früher war sie das Hassobjekt der Progressiven, so wie das heute die AfD ist. Das wieder zu werden ist, die Benchmark der Nachmerkelzeit, wenn die CDU jemals nochmal in Höhen wie unter Adenauer oder Kohl kommen will. (Ich halte das für ausgeschlossen).
Allerdings kann man, wenn man die AfD einfangen will nicht gleichzeitig lagerübergreifend nach links koalieren wollen (was auch die SPD in Lindnermanier nach Pseudogesprächen für die Galerie torpedieren wird) und schon gar nicht mit dem Merkel-Schredder. Eine CDU, die nicht vollkommen irre ist, würde nicht FDP und SPD plattmachen, sondern die AfD, die es ohne ihr eigenes Fehlverhalten gar nicht gäbe.
Vor dem Sündenfall war die CDU die mit Abstand stärkste politische Kraft der Bundesrepublik.
Insofern war der "Modernisierungskurs" natürlich ein Euphemismus, ein Tarnbegriff, hinter dem sich nichts anderes ist als der sachllich fragwürdige Versuch verbarg, eine mitterechts-konservative christdemokratische Partei mit einer bestimmten Geschichte auf einmal im linksliberalen Städterspektrum Wahlen gewinnen lassen zu wollen - unter Aufgabe, Verachtung, und zuletzt bei großen Willkommenshappening Beschimpfung der eigenen Stammwähler - aber groteskerweise gleichzeitigem Festhalten am Straußschen Diktum, es dürfe rechts von der Union keine parlamentarische Kraft geben. Wenn die Union dieses Ziel ernstlich verfolgt, muss sie dafür etwas tun. Derart links blinken, dass man von den Grünen ins Nachtgebet geschlossen wird gehört nicht dazu.
Das musste schiefgehen und ist schiefgegangen, aber weil sie mit ihren neuen Freunden auch noch umgegangen ist wie Sau steht die Merkel-CDU jetzt bezeichnend alleine da.
Das Problem der CDU besteht auch nicht in der Frage, wie sie die SPD ins Koalitionsbett zieht. Das muss man ganz klar sehen. Diese wird sich da nämlich nicht hineinlegen. Das einsetzende Ringen in der CDU besteht in der Frage, ob sie die Merkeljahre rückgängig machen oder den eingeschlagenen Kurs weiterführen soll. Oder ob sie den Milieuwechsel beibehalten, aber sachpolitisch wieder wie früher handeln soll. Das ist es, was sie im Moment versucht.
Der Kumbayaausflug einer Mitterechtspartei musste Scheitern (analog zum Anbandeln der SPD mit dem Wirtschaftsliberalismus in der Schröderzeit) und man reibt sich im Grunde die Augen, wie es möglich war, dass die Unionsgranden Angela Merkel, die es als CDU-Vorsitzende fertig gebracht hat, bei der CSU ausgepfiffen und von den Grünen beklatscht zu werden, all die Jahre gewähren ließen. Im linken Spektrum liebt man Merkel natürlich, so wie das rechte einst den schneidigen Offizier Helmut Schmidt bewunderte, bei dem es jeden Juso grauste. Die Kanzler der anderen. Nur ist es bei Merkel nicht allein der Habitus, sondern der vorsätzliche Milieuwechsel - der, wie nicht zuletzt Thomas Oppermann feststellte, "Millionen Menschen in Deutschland politisch heimatlos gemacht" hat - die sich Schritt für Schritt und zeitlich von rechts außen zur Mitte hin von der Union abwenden.
Der Unionsspitze dämmert immer noch nicht, dass es für sie nicht mehr bloß um Sachpolitik geht, sondern dass das deutsche Mitterechtsspektrum gerade umsattelt, von christdemokratisch auf deutschnational. Das muss inhaltlich, in politischen Sachfragen gar keinen so großen Unterschied machen, in Stilfragen, Tonalität, "politischem Habitus" macht es einen. Die AfD ist jetzt die Partei, neben der es rechts keine andere gibt (weswegen sie grenzwertigen Höcke auch an Bord behält) und sie hat durch den bizarren Kurs der Union mehr Raum im politischen Spektrum als jede andere Partei im Bundestag, weswegen sie aufgeht wie ein Dampfnudel.
Die Union kostet, was Zustimmung bringen sollte, inzwischen Stimmen, einfach weil sie mit dem "Modernisierungskurs" spätestens beim Grundgesetzbruch im Herbst 2015 (der berühmte Artikel 16a) den Bogen überspannte. Wo man in der Union den Merkelkurs durchschaut, namentlich in Sachsen und Bayern, sind die Bemühungen, für die Partei zu retten, was zu retten ist, inzwischen fast schon panisch.
Es wird der Union nicht mehr viel nutzen, de Glaubwürdigkeit in weiten Teilen des ursprünglichen Spektrums dahin (die janusköpfige AfD und die Lindner-FDP stellen zusammen fast ein Viertel der Bundestagsabgeordneten). Der Volkspartei-Zug ist inzwischen auch für die CDU abgefahren, und das mit mehr Waggons als da einst von der SPD mit WASG-Aufschrift zur Linkspartei abdampften.
Als jüngste und pseudokonservative Mittelinkspartei fährt die "modernisierte" CDU selbst im Moment der Erkenntnis ohne inneren Streit und mit Angela Merkel vermutlich sogar besser, mittelfristig, als wenn wenn sie einen verzweifelten Ringkampf aufführt, wie Seehofer und Söder das tun. Die CSU mag das zwar langfristig als starke Partei retten (das einzige Land wo ich nicht sicher bin, dass die AfD sich etabliert, ist Bayern), aber erst nach einem Tal der Tränen, in das der Wähler sie schicken wird, der keinen Streit mag. Mit dem fast schon sowjetmerkelschen "Alles richtig gemacht" ist die Zukunft der CDU absehbar, der Weg dahin aber angenehmer für die Partei: ohne Zoff langsam abschmilzen in Harmonie in Richtung der SPD (deren Siechtum die Union damit natürlich noch befördert), Richtig "auf die Fresse" bekommen die Unionsparteien im Moment nicht von Frau Nahles, sondern vom Wähler, und interessanterweise dort, wo Verbände versuchen, einen Kurswechsel gegen Merkel zu erzwingen.
Es spricht ohne Ironie einiges dafür, der CDU ein Sterben in Würde anzuempfehlen.
Selbst wenn sie es nach einer Palastrevolution, über die man da raunt (von wem denn?) wollte: Sie kann nicht auf einmal dem linksgrünen Milieu den Fehdehandschuh hinwerfen, nachdem sie über Jahre dessen Lieder gesungen hat (was die CSU, die eher dazu schwieg, nicht getan hat).
Nicht zufällig sind die Stimmen in der CDU, die sich nun ach so merkelkritisch äußern, allesamt von vorgestern. Würde Rainer Barzel noch leben, er hätte sich bestimmt auch kritisch geäußert.
Die Funktionärsschicht der CDU hat sich in 17 Jahren unter der Parteivorsitzenden Merkel enorm verändert. Auch das muss man sehen. Der Mittelbau der Union besteht heute sehr wesentlich aus Linksliberalen. mit Kirchenmitgliedschaft. Und diese Partei auch als Koalitionsschredder gegen die eigentlich linksliberalen Parteien zu benutzen (oder benutzt zu haben, es klappt ja nicht mehr), ist natürlich der nächste schlimme Fehler gewesen. Die CDUmüsste eher die AfD zu schreddern versuchen. Aber sie zu verteufeln und zugleich auf ihre Stichworte zu schielen, während man mit den Grünen in den Armen liegt, damit macht sie den nächsten Fehler. Sie will everybody´s darling sein und ist demnächst everybody´s depp. "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß" scheint das Motto der Strategieabteilung im Adenauerhaus zu sein.
Der SPD hat der Merkeltrip das Kreuz gebrochen (war es das wert?), für die AfD war es Dünger, für die Unionsparteien sehr gefährliches Gift.
Selbst ein sofortiger Merkelrücktritt würde die CDU nicht retten. Sie steckt in einer "Milieu-Sackgasse". Wie sieht er nochmal aus, der typische CDU-Wähler des Jahres 2017? Genau. Und was treibt ihn um? Genau.
Die an einer gedachten Wahlstreet gehandelte Aktie der CDU hat einen "Zielkurs" von vielleicht noch 20%. Die Empfehlung lautet eindeutig: SELL. Greife nie in ein fallendes Messer.
>>Postideologie ist nun mal nicht der Ende der Geschichte.<<
Eine solche Aussage ist gehaltsfrei. Mit dem Marker "Postideologie" und dem Benutzen eines Nichtbegriffes "Ende der Geschichte" brauchst du in keine Diskussion einzusteigen. Diese Phrasen kannst du in deinem Schatzkästlein lassen.
Sie sind für mich heute der "König" der Analyse.
Sie beschreiben trefflich die Gründe dafür, warum Union und SPD als sog. Volksparteien (> 30% / gar > 40 %) verspielt haben.
Und dass es deshalb ein Weiter-so, in welcher Konstellation auch immer, vor allem inhaltlich nicht geben kann und wird.
Inhaltliche Bündnisse schmieden
Ob nach den Parteitagen Mitte Dezember und ggf. nach Weihnachten mit Beginn des neuen Jahres die Aficonados von R2G, die in den vergangenen Jahren zusammen saßen, Vertrauen begründeten und auch gegen ihre jeweiligen Parteispitzen die große Linien der Probleme lösenden Kooperation andachten, gar an-schmiedeten, erkennen, dass das erneute Aufgreifen dieser Bündnis-Initiative angesichts einer Verschiebung der Bundestagsmehrheit Richtung Union-FDP-AfD (z.Z. numerisch, aber mittelfrist auch als Koalition?) das weitere "GEBOT DER STUNDE" sein mag?
Gar wenn über Artikel 63 GG der Bundespräsident das Kanzler-Wahl-Prozedere per Aufruf mit Start 2018 beginnt, was binnen 48 Stunden zu befolgen wäre. Am Ende stünden doch Neuwahlen und wir sind nach Ostern immer noch in dem gleichen Ungefähren?
Wer die Bücher von Prof. von Arnim (Deutschlandakte...) gelesen hat, wird erkennen: Jenseits des nur schmalen Auftrags aus Artikel 21 GG (die Parteien wirken an der Willensbildung des Volkes NUR mit) haben sich die Parteien den Staat quasi "einverleibt". Die eigentliche Aufgabe der Parlaments, Gesetze zur Verbesserung des Lebens der Menschen zu erlassen und die Regierung zu kontrollieren, wurde jenseits der Verfassungslage abbedungen. Diese Verfassungswirklichkeit zu bekämpfen, wäre ein erster Schritt, um wieder Vertrauen zwischen dem Souverän, den ca. 61 Millionen Wählern, und ihren "Angestellten", den gewählten Parlamentariern herzustellen.
Francis Fukuyama sagt dir aber was, oder?
Ich würde eher argumentieren, dass die Idee der Postideologie nicht stimmt. Was meint das denn?! Der Markt ist die objektiv richtige Art Alles zu regeln. Wir haben die Zeit überwunden, in der man noch darüber streiten musste, was im Großen zu machen ist. Die Antwort ist gefunden, es ist alternativlos, TINA. Das finde ich super-ideologisch :P
>>Francis Fukuyama sagt dir aber was, oder?<<
Ja, das Ende der Geschichte. Er bezog sich als Kulminikationspunkt wohl zuallerst auf die Auflösung des Ostblocks.
Er hat 2012 auch gesagt:
>>Die deutschen Sozialdemokraten haben den Arbeitsmarkt flexibler gemacht und den Sozialstaat wettbewerbstauglich. Das alte Mantra "Mehr Staat" existiert in dieser Form in Deutschland nicht mehr. Das ist schon eine Leistung...<<.
Im Grunde sind das nervende Schlagwörter. Wer "Postideologie" in die Welt setzt, um mitzuteilen, dass sein Denken und Handeln jenseits ideologischer Ansätze angekommen sei, verbreitet die Ideologie der Ideologiefreiheit.
Danke für das Lob! Machen wir in Deutschland viel zu wenig... :)
"Sie beschreiben trefflich die Gründe dafür, warum Union und SPD als sog. Volksparteien (> 30% / gar > 40 %) verspielt haben."
Was die Union angeht, von der ja der Artikel oben handelt, war das mein Bemühen. Hinsichtlich der SPD habe ich jedoch allenfalls einige wenige der Gründe für deren Niedergang gestreift und auch nur die, die mit dem Verhalten der Union zu tun haben. Es gibt aber schon selbstverschuldete Gründe innerhalb der SPD, die mit der Union nichts zu tun haben.
Um mal die a.m.S. wichtigsten drei zu nennen:
(a) der Verlust des sozialpatriotischen Flügels, Stichwort Guido Reil. Aus der Sicht der heutigen Linken darf der kleine Mann am Wohlergehen des eigenen Gemeinwesens kein Interesse haben, um der politischen Vertretung würdig zu sein und das ist natürlich eine Rechnung, die nicht aufgeht, insbesondere, wenn man sie auch noch mit politischer Fernstenliebe zugunsten von Kriminellen verbindet (das Vertuschen der Domplattenereignisse durch die damalige NRW-Landesregierung). Eine Partei, die dann auch entgrenzende globalistische Hochfinanz- und Entgrenzungsstanzen nachplappert, aber vom kleinen Mann in D gewählt werden will, schlägt sich Sargnägel sein. Stichwort: regressive Linke. In diese Falle ist die SPD ein gutes Stück weit gelaufen. Nicht ganz so weit wie die französischen Sozialisten, die es faktisch nicht mehr gibt. Aber weit genug, um auf Kriegsfuß mit dem Mitbürger in akuter politischer Lebensgefahr zu sein.
(b) Damit verbunden: Die gleichzeitige politische Primärsetzung von (bestenfalls) Quartärproblemen. All das, was unter Schröder, der Wahlen zu gewinnen wusste, noch als "Gedöns" galt.
(c) Damit wiederum verbunden der Weg von der kernigen Malocher- zur Soziologen- und Gefühldusel und Moralbekenntnispartei. Mit Schulz ist der Tiefpunkt erreicht: er ist sogar weder noch. Kein Ruß im Gesicht, aber auch kein abitur und kein Abschluß in Soziologie. Inzwischen steht da weder die alte SPD noch ihre Karikatur von der Universität Bielefeld, sondern das passende 100%-Symbol einer überkommenen Organisation, die im fortwährenden Bröckeln verzweifelt irgendeinen Sinn für ihr verrinnendes Daseins sucht, Freund und Feind nicht mehr zu unterscheiden weiß und entsprechend nicht zufällig gerade am liebsten die Zeit anhalten würde, in der Hoffnung, das sie so überfordernde zu verstehen. Dieses "Stop - macht mal ohne uns weiter" ist ein deutliches Symbol dafür, vollkommen aus der Zeit gefallen zu sein. Diese steht aber nicht still. Was aus solchen Parteien wird, kann man in Frankreich oder den Niederlanden beobachten, wo der Zustand sozialdemokratischer Splittergruppen der eines Museums ihrer eigenen Geschichte ist, in dem man sich einredet, die große Zeit komme noch.
Bei der SPD ist es denkbar, dass sie in einigen Jahrzehnten vielerorts buchstäblich verschwunden ist. Das ist von den christdemokratischen Parteien so krass nicht zu erwarten. Politische Milieus basieren nämlich auf kulturellen Faktoren (was Marxisten bestreiten würden, für die alles Ökonomie ist, was aber Unsinn ist) und das Kreuz wurzelt doch erheblich tiefer wurzelt als die rote Fahne. Es ist kaum übertrieben zu sagen, dass die Union auf 2000 Kultur-, die SPD hingegen nur auf 150 Jahren Wirtschaftsgeschichte aufbaut und die technische Entwicklung viel rasanter abläuft als die kulturelle. Die Sozialdemokraten ringen in Europa entsprechend um ihre buchstäbliche Existenz, die Christdemokraten erst einmal nur um ihre Bedeutung.
Dass die Zeit über einen Abschnitt der Wirtschaftsgeschichte erheblich schneller hinweggeht als über eine ganze Hochkultur hat für die SPD existenzielle Bedeutung. Deswegen sind die Fehler, die eine christdemokratische Partei machen muss, bis es existenziell gefährlich für sie wird, sehr viel zahlreicher verglichen mit nur wenigen Selbsttoren, die es bei einer sozialdemokratischen Partei braucht, bis die Existenzkrise da ist.
"Ob nach den Parteitagen Mitte Dezember und ggf. nach Weihnachten mit Beginn des neuen Jahres die Aficonados von R2G, die in den vergangenen Jahren zusammen saßen, Vertrauen begründeten und auch gegen ihre jeweiligen Parteispitzen die große Linien der Probleme lösenden Kooperation andachten, gar an-schmiedeten, erkennen, dass das erneute Aufgreifen dieser Bündnis-Initiative angesichts einer Verschiebung der Bundestagsmehrheit Richtung Union-FDP-AfD (z.Z. numerisch, aber mittelfrist auch als Koalition?) das weitere "GEBOT DER STUNDE" sein mag?
Naja, ob eine Bahamas-Regierung das Gebot der Stunde wäre, das mag man so sehen oder nicht. Die Aficionados von R2G werden das verneinen. Aus mindestens parteitaktischer Sicht der Union wäre es eigentlich zu bejahen, zumal die Deutschen jetzt schon zum zweitenmal und deutlicher als 2013 rechts gewählt haben, aber immer noch links regiert werden (Funktionsstörung der Demokratie?).
Allerdings wird das nicht passieren. Die deutsche Linke hat ihre R2G-Mehrheit nicht genutzt, weil die Linkspartei ja angeblich so furchtbar ist. Die Rechte wird ihre Mehrheit auch nicht nutzen, weil ja die AfD ja so furchtbar ist.
Kein politsystemisch gedacht hätte die SPD es natürlich versuchen müssen mit R2G. Und genau verhält es sich mit der Union und der Bahamasregierung. Man war in Jamaika auf der falschen Karibikinsel unterwegs. Wenn man es per se ausschließt, die Flügelparteien einzubinden (die ja keine Monster aus dem Weltraum sind, sondern sehr wesentlich die eigenen Leute, die man links mit den Hartzgesetzen, rechts mit dem Grundgesetzbruch verloren hat), macht man es natürlich immer schwierig, in der enger werdenden "Mitte" (herrschen dort wirklich Maß und Mitte?) noch eine Regierungsmehrheit zu finden, besonders wenn die Furcht vor dem in der Tat widerlichen Politikstil einer Angela M. umgeht. Es ist kein Zufall, dass allein die naiven Grünen unbedingt regieren wollen. Die waren noch nicht "Koalitionspartner"...
"Gar wenn über Artikel 63 GG der Bundespräsident das Kanzler-Wahl-Prozedere per Aufruf mit Start 2018 beginnt, was binnen 48 Stunden zu befolgen wäre. Am Ende stünden doch Neuwahlen und wir sind nach Ostern immer noch in dem gleichen Ungefähren?"
Wenn Merkel in geheimer Wahl im Parlament eine Mehrheit findet, ist sie wieder die gewählte Kanzlerin, selbst wenn sie ohne Koalition oder Kooperationsvereinbarung (etwa zur Tolerierung einer Minderheitsregierung) dasteht. Das ist nicht einmal unwahrscheinlich, weil (a) keine Mehrheitskoalition in Sicht ist (auch die SPD wird nicht koalieren und türmt zwecks Gesichtswahrung gerade für die Union gerantiert Inakzeptables auf wie die Bürgerversicherung) und (b) niemand Neuwahlen will. Da sind gar nicht so wenige Abgeordnete im Parlament, die nicht mit Merkel regieren wollen, aber eine Neuwahl fürchten, die durch Wahl Merkels zu erneuten Kanzlerin effektiv verhindert würde.
Aber selbst ohne Mehrheit als einzige Kandidatin könnte und würde Steinmeier sie wohl ernennen, weil er vermutlich selbst ein schwache Unionsminderheitsregierung, die sich irgendwie Mehrheiten sucht, der Neuwahl vorziehen würde.
Es gibt entweder ein formale Koalition wie die Groko (sehr unwahrscheinlich).
Oder die festvereinbarte Tolerierung einer Minderheitsregierung (Schwarz/Grün, Schwarz/Gelb oder rein Schwarz) durch die SPD (die ersten beiden unwahrscheinlich, denn die FDP will nicht regieren und mit den Grünen will die CSU nicht, eine reine Unionsregierung vielleicht).
Oder eine Minderheitsregierung der Union ohne Tolerierungspartner, einfach resultierend aus Merkelwahl und Neuwahlangst der anderen Parteien, mit dann wechselnden Mehrheiten im Parlament und vielleicht dem ein oder anderen Fachminister einer anderen Partei, um die Mehrheitsfindung zu erleichtern.
Die Minderheitsregierung allein der Union, ob mit oder ohne tolerierende SPD halte ich inzwischen für am wahrscheinlichsten (vielleicht im März?), allerdings muss erst alles andere Scheitern.
Oder natürlich es gibt Neuwahlen, aber das glaube ich nicht. Die gibt es erst, wenn die nicht mal ein Tolerierungsabgkommen hinbekommen habende Not-Minderheitsregierung der Union vor die Wand fährt und die an ihrem Sessel klebende Angela M. DANN dieVertrauensfrage stellt (als reguläre Kanzlerin darf sie das dann auch wieder), um von ihrem Bild in den Geschichtsbüchern noch irgendetwas zu retten.
Merkel wird nicht zurücktreten, solange sie noch irgend eine Chance hat, im Amt zu bleiben.
Den Tag, an dem sie das Kanzleramt endgültig verlässt, würde ich angesichts dessen, wie viele Schritte noch gangbar sind bis wirklich nichts mehr geht (zumal die SPD ja verständlicherweise keinen Zeitdruck verspürt), vielleicht so im August oder September 2018 vermuten. In den Sommer bekommt sie es wohl noch verschleppt.
Schade, dass es den Tatbestand der politischen Insolvenzverschleppung nicht gibt. ;)
Ja, krass. Habe das Interview gelesen und könnte lange darüber reden, was mir an Francis Fukuyamas Argumentation nicht passt bzw. ich für fehlerhaft halte. Aber es ist nicht das erste Mal, dass ich vom Ausland gesagt kriege, es "ginge Deutschland so gut, weil es seine Manufaktur gehalten hat". Was Agenda 2010 gemacht hat ist, die reale Arbeitslosigkeit durch Niedriglohn und "Maß"nahmen zu kaschieren. Und dadurch werden Probleme verdrängt.
Das mit der "Ideologie der Ideologiefreiheit" kann ich voll unterzeichnen.
Das ist eine sehr gute Analyse. Tatsächlich findet sich das ursprüngliche CDU-Milieu eher von der AfD vertreten und wird damit nationalismusvirulent. Die Funktionärsschicht der CDU passt mehrheitlich zu schwarz-grün, zu urbanen Milieus und zu Intellektuellen. Zu Dörfern, Kleinstädten und "einfachen Leuten" passt sie nicht.
Insofern löst eine Ablösung von Merkel das mittelfristige Problem der CDU nicht. Das naheliegende Problem der Bildung einer handlungsfähigen Regierung aber vielleicht schon.
Langfristig hätte die CDU eine Regierungsperspektive nur, wenn schwarz-grün mehrheitsfähig wäre. In diese Richtung bewegt sich der Zeitgeist gerade nicht. Vor allem scheint der Zenit einer solchen Entwicklung hinter uns zu liegen (September 2015). Eine Umkehr ist unwahrscheinlich.
Es könnte dennoch 2021 noch einmal für eine Kenia-Koalition reichen. Das wäre dann aber wohl das letzte Aufgebot dieser Seite. Denkbar ist auch, dass es 2021 schon nicht einmal mehr dafür reichen wird.
"dass das deutsche Mitterechtsspektrum gerade umsattelt, von christdemokratisch auf deutschnational"
Man kann dafür nicht einmal nur die CDU verantwortlich machen. Diesen Trend zurück zum Nationalen gibt es ja in den meisten westlichen Ländern. Die Kräfte der Globalisierung und Europäisierung haben jahrelang stur an ihren Fehlern festgehalten. Jetzt werden diese Projekte einseitig mit den Fehlentwicklungen identifiziert. Das wird schwer zu korrigieren sein, denn den Proponenten dieser Projekte vertrauen sehr viele Leute nicht mehr.
Selbst in der Nationalökonomie geht die Entwicklung weg von der Behauptung "Freihandel ist immer vorteilhaft".
Es ist noch gar nicht absehbar, wie stark der Umschwung in gesellschaftspolitischen, ökonomischen und internationalen Fragen gehen wird.
Vielen Dank!
"Tatsächlich findet sich das ursprüngliche CDU-Milieu eher von der AfD vertreten und wird damit nationalismusvirulent."
Virulent würde ich nicht unbedingt sagen, aber es verschiebt sich in jedem Fall die Dimension, aus der politisches Handeln Bedeutung erhält.
Was ist damit gemeint?
Ernst Jünger schrieb mal irgendwo "Das Volk hat Heimat, die Nation Gebiet."
In diesem genau Sinne, vom Qualitativen ins Quantitative, Messbare, Rationale, Abgrenzbare, kurzum: moderne (der Nationalist ist schon Rationalist, der Konservative noch Romantiker) verschiebt sich die Sache. Die Leute werden nicht auf einmal ihre Meinung eskalieren. Aber wenn bspw infolge des Lieblingsproblems, dass sich zu viele straffällige Asylbewerber im Land befinden, entweder der Herr Herrmann oder der Herr Höcke Innenminister wird, wird ein und diesselbe politische Angelegenheit im Ergebnis ganz anders interpretiert werden. Die Bedeutung wird eine andere sein, entsprechend Dimension. Der eine wird die Heimat bewahren wollen und Rechtsmißbrauch bekämpfen, der andere auf dem kompletten Staatsgebiet flächendeckend Illegale jagen. Und in diesem Sinne ist das eine Verschärfung, während der Wählerwille derselbe ist.
Blick nach England, wo wohl Wahlen für 2018 anstehen, mit einer bei derzeit 66% reusierenden Labour-Partei unter der Führung von Corbyn
Der vorstehende Ausblick über den künftigen potentiellen Werde- und Niedergang der ehemaligen Volksparteien in unserer Republik trägt den Keim unsicherer politischer Verhältnisse mit einem Trend nach rechts, immer weiter rechts in sich. Das kann eine emanzipatorische Entwicklung, den weiteren Ausgang aus der Unmündigkeit nicht fördern.
Dass es auch anders geht, gehen könnte, zeigt Corbyns stringente Poltik "for the many, not the view".
Der Link dokumentiert, wie auch und gerade in Deutschland die Reichen (mit ihrem "Krieg gegen die Armen"; Warren Buffett) immer reicher werden.
Ein Signal der Wähler, des Souveräns, der 61 Millionen Deutschen, dass es so nicht weiter gehen kann, könnte bei künftigen Neuwahlen auch hier im Jahr 2018, u.U. nach frühem Scheitern einer Merkel´schen Minderheitsregierung, das "Gebot der Stunde" sein; hierfür muss sich ABER mitte-links, angeführt von den fortschrittlichen Kräften der SPD, VIELES tun, innerparteilich und was die Kooperationsfähigkeit und - willigkeit aller Parteien angeht, die sich gegen rechte Regierungsverhältnisse wenden und für die "Vielen" im Lande verwenden wollen, um deren Lebensqualitäten schrittweise unter Erneuerung der gesellschaftlichen Teilhabe zu verbessern.
Das ist es, worauf alles ankommt.
Man nehme sich ein Beispiel am glaubwürdigen Handeln des Sozialdemokraten Corbyn.
Einzelheiten, sehr zu empfehlen
https://leftgate.org/2017/12/03/corbyn-government-inevitable-by-mid-2018/
Angela Merkel ist im Amt versteinert. Und solange nur Groko möglich ist, wird sie auch keiner abtransportieren.
Ein sehr interessanter Rundblick, den Sie hier anbieten, "Banana King"! Ich habe mir daraufhin Ihre anderen Kommentare unter anderen Beiträgen angesehen. So ganz schlau werde ich aber nicht aus Ihnen. Wie würden Sie Ihre eigene Position denn beschreiben? Wollen Sie zurück zur Malocherpartei SPD und zur angeblich einheitlichen christlichen Unionskultur? Back to the Fifties? Ist das nicht unmöglich?
Sie bewundern, so viel habe ich verstanden, die beiden Niedersachsen Schröder und Gabriel.
https://www.freitag.de/autoren/wolfgang-michal/links-ist-geschichte
Das sind in Ihren Augen political animals, Vollblutpolitiker. Dagegen, ich will nicht sagen hassen, lehnen Sie Angela Merkel mit einer Spur Bewunderung im Unterton heftig ab.
Am gegenwärtigen Zustand der Parteien lassen Sie kein gutes Haar, nur die AfD, das war jedenfalls mein Eindruck, beschreiben Sie ungewöhnlich milde (es kann aber auch sein, dass Sie diese Partei so verachten, dass sie sie gar nicht für satisfaktionsfähig halten). Sie erwähnen/bedauern z.B. den Verlust des "sozialpatriotischen Flügels" bei der SPD (am Beispiel des Essener Konflikts um Guido Reil).
https://www.waz.de/staedte/essen/essener-guido-reil-in-den-afd-bundesvorstand-gewaehlt-id212722089.html
Was die gegenwärtigen Regierungsbildungsprobleme angeht, so tippen Sie auf eine Art "Konkordanzlösung" für die nächste Regierung. Dieser Wetteinsatz ist ziemlich hoch (würde Ihnen aber viel Anerkennung einbringen, wenn Sie damit richtig liegen). Das würde bedeuten: ein CDU/CSU-Kabinett Merkel IV mit einigen bunten Einsprengseln aus Fachleuten sowie einzelnen Ministern aus SPD und Grünen, vielleicht sogar der FDP (Kubicki bietet sich bereits an, nein, doch wohl eher nicht).
Ich glaube, das ganze Szenario ist ein bisschen zu schlau ausgedacht. Auch die SPD als Partei wäre nicht so schlau, sich auf eine Merkelsche Macron-Lösung einzulassen. Vielleicht wäre der gewitzte Gabriel dazu bereit, da haben Sie Recht, aber gegen den Willen seiner Partei? Wohl kaum. Nein, die heutige CDU taugt - trotz Tauber, Altmaier und Kinnert - nicht als Sammlungsbewegung a la République en Marche.
Vermutlich braucht es diese komplizierten Sandkastenspielchen auch gar nicht. Wenn das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Union und SPD einigermaßen vertretbar ist (auch für die opponierenden Jusos und für das Duo Schwesig/Dreyer; die CSU unter dem Nur-noch-Parteivorsitzenden Seehofer wird ohnehin mitmachen), dann wird es doch eher auf die bewährte, nun etwas kleinere GroKo hinauslaufen. Gabriel hat ihr heute schon die Grundsatzrede gehalten: ein deutsch geführtes Europa in der Welt.
http://www.tagesschau.de/inland/gabriel-rede-103.html
Vielen Dank!
Dieser Tage bin ich mal wieder aus dem Kontemplieren - führe so ein primär denkreligiös orientiertes "Wohnungsphilosophenleben" wie Spinoza oder Schopenhauer - abgerutscht ins historisch-kontingente und dort habe ich immer das Bedürfnis, uu diskutieren. Dafür ist diese Plattform gar nicht so schlecht. Freut mich, wenn Sie meine Kommentare lesenswert finden. :)
"So ganz schlau werde ich aber nicht aus Ihnen."
Sie würden mich gerne verorten, sagen können: das ist ein XY?
Aber kein typischer. ;)
Also:
(a) Weltanschaulich: „Euro-Taoist“? Aber innerhalb einer neuplatonischen Metaphysik. Wir sind hier nicht an der Uni, aber können zumindest festhalten, dass das Stichwort Harmonie als sich "durchziehendes" Prinzip für mich auch im Untergeschoss der Ewigkeit bei Themen wie Politik und Geschichte eine bedeutende Rolle spielt.
Das "an sich". (Jeder Europäer hält ja stets irgendwas abstrakt für wahr und ist auf Eindeutigkeit aus, auch wenn er es besser ließe…)
(b) Innerhalb der europäischen Zusammenhänge
Eher moderneskeptisch. (Ist es nicht bspw. in diesen Jahren ein bisschen albern, wenn Fortschrittsmenschen mit ihrem linear-teleologisch gedachten höher-schneller-weiter auf das Klima retten wollen, mit denselben Methoden, mit denen sie es höchstselbst ruinieren?). Rationalismusskeptisch. Humanismusskeptisch (sie Selbstabsolutsetzung des Menschen hinterfragend). Usw.
Eher heidnisch (nicht zu verwechseln mit atheistisch) als christlich.
Entsprechend eher konservativ als progressiv. Letzteres ist fast nicht möglich, ohne in die Sackgassen der Moderne zu laufen. Allerdings mit sozialistischen (nicht marxistischen, kollektivistischen) Gedanken.
Und wenn sie es nun umbedingt auch noch auf Wahlsympathien herunterbrechen wollen, dann kann ich eigentlich mit keiner heute existierenden Partei etwas anfangen, weil da keine Harmoniepartei ist (wie es sie bspw. in Buthan gibt) und kein Sozialismus ohne Marx. Allerdings ist mein intuitives Kopfschütteln über streng progressiv-rationalistisch-ökonomistische Weltbilder (vor allem das von Liberalen, deren größter Betrug darin besteht, den Menschen weißzumachen, es habe vor Ihnen kein Recht gegeben) stärker als das bei Konservativen und Christdemokraten, wo mitunter noch feinste Spuren des verschütteten Eigentlichen erahnbar sind und der ein oder andere Mensch unterwegs ist, der bspw. noch versteht, warum man die Seele nicht mit dem Hirnscanner suchen sollte.
"Wollen Sie zurück zur Malocherpartei SPD und zur angeblich einheitlichen christlichen Unionskultur?"
Nein, aber da ich vielleicht ein klein bisschen verstehe, wie meine Landsleute so ticken (es gibt keine Menschen außerhalb von Kulturzusammenhängen, was man heute auch kaum noch begreift), kann ich doch sagen, dass die alte, kernig-autoritäre Arbeiterpartei (man sprach mal vom Arbeiterkaiser Bebel) - mental, psychologisch - zu unserer Form, zu unserem Muster von Volksherrschaft in Deutschland besser passt(e). Den Ton besser traf in ihrer Zeit.
Die heutige SPD trifft den Ton nicht mehr. Und das ist kein verschulden des Zeistrahls.
Das spezifisch deutsche Form von „Volksherrschaft“ – das ist ein kollektives Muster, wenn man den Begriff ernst nimmt - besteht nun einmal, ich spreche hier rein deskriptiv, weniger in Parlamentsdebatten, als vielmehr in Geschlossenheit und Pflichterfüllung, auch wenn man glaubt, dieser Umstand ändere sich, wenn man den Kopf davor in den Sand steckt.
Die Ereignisse und auch die Leistungen rings um die Willkomenspolitik geben ein aufschlußreiches Beispiel: Parlamentsdebatte: Null, die politische Spitze befahl (!), weithin akzeptiert, und es klappte auch mit etwas Anstrengung durch schließen der Reihen. Das ist sehr deutsch und daran ändert sich auch nichts, wenn man Westminster spielt.
Und die Sozialdemokratie macht vor diesem Hintergrund auf ihrem konservativen Flügel einfach mehr Sinn - in Deutschland wohlbemerkt. Vergleichen Sie doch mal das armselige Häuflein vom linken Flügel, das das auf der IG-Metall-Demo unter dem Vorzeichen von verkapptem Klassenkampf und im den engen Horizonten des seichtesten Materialismus mit Trillerpfeifen irgendwo verloren im Regen steht, neuerdings mit Plakaten mit Asterisk und Binnenmajuskel - mit dem beseelten Massenkristall (es sind dieselben Leute!) abends im Fanblock von Dortmund oder Schalke. Was ist wohl die wahre politische Form dieser Menschen?
Hierhin passt Ihr Satz "Sie erwähnen/bedauern z.B. den Verlust des "sozialpatriotischen Flügels" bei der SPD (am Beispiel des Essener Konflikts um Guido Reil)" ganz genau.
Und in diesem Sinne, also outside the study, außerhalb der Harmoniephantasie Asiens, in Europa, im Germanenland "Germany", erst recht in Gebieten, die preußisch-fritzisch imprägniert wurden, finde ich eine bestimmte Form eines konservativen "Sozialismus" im eben skizzierten Sinne etwas genuin Normales. Er ist nicht wahr, aber er ist da.
Die Einschätzung "Ich bin ein Rechtssozialist" liegt mir fern, weil ich keiner bin, das hat keinen Wahrheitswert und weil die einzige politische Organisation, der ich theoretisch beiträte, Harmoniepartei hieße. Aber weil man mit den Mädchen tanzen muss, die da sind und politische Formen nicht abstrakt entworfen werden, wie die Fortschrittsfraktion glaubt, die ja selbst in den Stammesgebieten Afghanistan vom Westministergenderismus träumt, erachte ich alles, was im Stile eines Guido Reil tickt als - bei uns - vollkommen normal.
Und ich fände es besser, wenn die „Fraktion Steigerlied“ in der SPD Glück auf rufen würde (mache mir aber über den Befall der SPD durch liberalregressive Linke, die die Partei in den Abgrund reißen werden, keine Illusionen).
Entsprechend ist hier der Platz, auf die AfD zu sprechen zu kommen - deren Wahlergebnis ich unter Harmoniegesichtspunkten natürlich positiv bewerte – nicht „an sich“ (wodurch sich die Dummköpfe auszeichnen) sondern im Moment – einfach weil sie die ‚Lage‘ des nach Backbord schiefliegenden Staatsschiffs harmonisiert (eine Schieflage nach Steuerbord ist genauso falsch) und zumindest die Union erkennbar wieder in die Spur bringt. Seit der Bundestagswahl sind jene in der CDU, die den Wahnsinnplan ausgeheckt haben, das Grüne Parteiprogramm zu kapern, abgemeldet und spätestens in München sagt man zu allem aus dieser Richtung: njet.
Und mit Blick auf diese ganz bestimmte politische „Eigentlichform“ in diesem Land ist es natürlich keine so große Überraschung, dass der "sozialistische" Flügel in der AfD stärker ist als die ordoliberalen Nadelstreifler. Der Herr Gauland hat ja recht, wenn er den Journalisten in Blöcke diktiert, dass das die Seele der Partei sei. Wie immer man darüber denkt, zutreffend ist es.
Nur muss man halt aufpassen, dass das nicht in die Mißbrauchsvariante deutschen Wesens mündet, die man in der historischen Hitlerpartei spätestens ab so etwa 1937 exakt besichtigen kann. Und somit erhellt auch, warum ich die SPD-Rechten (nicht zu verwechseln mit SPD-Liberalen wie Steinbrück) mag - denn die pass(t)en auch zu Deutschlands politischem Charakter und politischem Instinkt, laufen andererseits aber garantiert nicht in die Nazi-Falle.
Und den Leuten, die die AfD „an sich“ zum Teufel wünschen (also nicht sonderlich helle sind) muss man doch sagen: Wenn man sich überlegt, welche Milieus der AfD in welchen anderen Parteien „beheimatbar" wären, so ist Der "Flügel" von Christdemokraten definitiv nicht absorbierbar, so wenig wie die DNVP oder der linke Flügel der Nazis das durch die Zentrumspartei gewesen wäre. Durch die FDP ebensowenig, dorthin passt nur der kühle Alice Weidel-Typus. Aber für rechte Sozialdemokraten ist der "Flügel" erreichbar. Ein Kurt Schumacher oder ein Helmut Schmidt hätte deren Ton durchaus getroffen.
"Sie bewundern, so viel habe ich verstanden, die beiden Niedersachsen Schröder und Gabriel"
Nunja, bewundern ist ein bisschen viel. Aber vor allem außenpolitisch haben beide etwas verstanden. Gabriels Grundsatzrede: Großartig!
Es ist, dazu noch ein paar Takte zu sagen, doch ein in diesem Land gefährlich verdrängtes Thema, dass die Bundesrepublik sich zu den USA ziemlich exakt in demselben Verhältnis steht (bei allen „systemischen Unterschieden“) wie die DDR zu den Sowjets. Nachkriegsstaat West. Und das ist sie bis heute, auch in um DDR-Gebiet ergänzter Form.
Das eine war ein Sowjet-Deutschland. Das andere ist ist ein US-Deutschland (jaja, die Briten und Franzosen…) Und ein US-Deutschland zu sein, das trägt auf Dauer ebenfalls ein nicht begründbares Vorzeichen, auch wenn die resultierenden Probleme sich nicht in leeren Regalen bemerkbar machen.
Stichwort Souveränität. Ströbele hat dieser Tage aus dem Geheimdienstausschuss, dem er ja kommissarisch noch angehört, durchgesteckt, dass Anis Amri auf Geheiß der Amerikaner trotz heißesten Anschlagsplänen nicht verhaftet wurde, weil das eine Islamistengruppe, die sie in Libyen bombardieren wollten, und mit der er in Kontakt stand, hätten warnen können.
Das ist ein gutes Beispiel für das Problem. So etwas ist kein Zustand, erst recht kein dauerhafter. Sowjetdeutschland ist Geschichte. US-Deutschland drohnende Wirklichkeit.
Es wird Zeit, das zu ändern und dieses Thema, das nicht ganz nebensächlich ist für die deutsche Staatlichkeit, hört man exklusiv (leise) aus der SPD und (lauter) aus der AfD. Im Sinne des zuvor gesagten ist es mir lieber, die SPD bringt es voran und würde die Aber irgendeiner muss und wird es tun. Es ist falsch, sich wünschen dass bestimmte Parteien regieren. Es richtig, sich zu wünschen, dass bestimmte Dinge passieren.
"Das sind in Ihren Augen political animals, Vollblutpolitiker. Dagegen, ich will nicht sagen hassen, lehnen Sie Angela Merkel mit einer Spur Bewunderung im Unterton heftig ab."
Natürlich. In der DDR fehlsozialisiert, in der Bundesrepublik fehlregierend. Es ist, bei dem Beispiel zu bleiben, ja kein Zufall, dass die Regierung Merkel für die Amri-Opfer nur Verachtung übrig hatte und hat. Es ist der projizierte Selbsthass einer fehlloyalen Elite, die genau weiß (oder in den schlichteren Fällen: ahnt) was sie tut. Ich kann mich auch milder ausdrücken, sehe es aber tatsächlich so. (Und der Promi Gabriel ja auch, sonst würden sie mich womöglich für verrückt halten. ;)
Dieser serviltransatlantische Politikertypus hat noch exakt soviel Ehre wie die Sowjetpuppen der SED in den 1980er Jahren. Nichts dagegen freilich, dass die beiden Volksparteien ihn austauschen. Wohlbemerkt. Es kommt nicht auf bestimmte Parteien, wie die SPD noch schmerzhaft lernen wird. Es kommt darauf an, das zu tun, was getan werden muss. Gerne im Harmoniesinne. Den nächsten Amri verhaften dürfen (!) auf eigenem Staatsgebiet ist zweifelsohne ein Stück Harmonisierung.
"Am gegenwärtigen Zustand der Parteien lassen Sie kein gutes Haar, nur die AfD, das war jedenfalls mein Eindruck, beschreiben Sie ungewöhnlich milde"
Natürlich. Sie ist ihren Wählern ein großes Hinweisschild des Bürgers, und wenn man sich zu Lesen weigert, auch ein Weg. Nicht der beste Weg, siehe oben, aber es ist einer. Es wird in Deutschland von den Bürgern quasi gefordert, Probleme zu verschleppen und auszublenden, damit „die Falschen“ sie nicht lösen. Das wird so nicht funktionieren. Von gestern ist die AfD nicht. Ihre Wirkung liegt in der Zukunft. Sie dürfte mindestens die Agenda Setten. Und wenn die anderen über Jahre so weitermachen wahrscheinlich auch die Agenda Realizen.
"Was die gegenwärtigen Regierungsbildungsprobleme angeht, so tippen Sie auf eine Art "Konkordanzlösung" für die nächste Regierung."
Ja. Allerdings nicht, weil man das vereinbaren würde. Sondern, weil es kommen könnte und kommen dürfte, wenn man nichts vereinbart bekommt. J Und Angela Merkel partout nicht zurücktritt und Steinmeier Neuwahlen ablehnt.
"Ich glaube, das ganze Szenario ist ein bisschen zu schlau ausgedacht. Auch die SPD als Partei wäre nicht so schlau, sich auf eine Merkelsche Macron-Lösung einzulassen."
Wobei die Unterschiede a.m.S. überwiegen. Macron hat eine "Bewegung", eine Nichtpartei gegründet gegen alle Parteien. Merkel ist hingegen eine typische Parteipolitikerin, deren Zeit aus verschiedenen Gründen vorbei ist, und die sich nach 12 Jahren verzweifelt an ihr Amt klammert, während Macron von außen kam und Rückenwind hatte (ja, er war mal kurz Minister, aber er hatte in keinster Weise fertig).
Man mag manches vergleichen, sollte es aber nicht gleichsetzen. Ich finde, die Unterschiede überwiegen deutlich. Vielleicht klang Konkordanz auch zu nett. Gemeint war eine sich an die Regierung klammernde Merkel-Union, die mit allen Koalitions- und Tolerierungsideen scheitert, mangels einer Mehrheit gegen sie aber auch nicht abgewählt wird und dann (!), um legislativ irgendwas auf die Beine stellen zu können anfängt, die anderen Parteien (auch) exekutiv zu locken. Die SPD muss sich ja nicht locken lassen. Mit politischen Positionen, die mit dem Landesinteresse zu tun haben muss sie Neuwahlen auch nicht fürchten. Mit „wir wollen jünger, weiblich, bunter werden und uns in der Opposition vor dem Wähler verstecken“ ist sie auf Suizidkurs. Schauen Sie sich an, was Marco Bülow hier so schreibt. Wer soll so eine Partei den anderen Parteien vorziehen? Außerhalb der freundlichen älteren Herrschaften im Dortmunder Knappschaftsaltenheim natürlich.
Konkordanz? Bedeutet Eintracht… Merkelarretierte Unionsminderheitsregierung im Verzweiflungsmodus sollte man vielleicht besser dazu sagen.
Die Gefahr, die darin liegt, Merkel zu retten, sei es durch Koalition oder Tolerierung, ist – rein parteitaktisch gesehen und ohne Korrektur von Tonalität und politischen Zielen - für die SPD viel größer, als wenn sie langsam ertrinken lässt. Die SPD spielt in der Frankreichanalogie nur die Rolle als ausgelaugte und verrannte Sozialdemokratie, das Analogon zum Parti Socialiste. Die Rolle der isoliert-verklebten Regierungspartei entspricht der Union.
Was ich da als „Konkordanz“ beschrieben habe ist indes kein „Plan“, den irgenjemand haben könnte, insofern auch kein schlauer, sondern ein Effekt. Das was übrigbleibt, nachdem man unter den Prämissen "Neuwahlvermeidung um jeden Preis" und "kein Merkel-Rücktritt" anschließend Möglichkeit für Möglichkeit ausfällt. Erst irgendeine Koalition, dann die Minderheitsregierung mit Tolerierungsvereinbarung... Und dann steht man am Ende eben an dem Punkt, an dem Steinmeier sich fragt, ob er Merkel trotz totaler Isolation mangels irgend einer Alternative dem Parlament trotzdem als Kanzlerin vorschlägt - und das natürlich tut. Sie wird dann eine Mehrheit finden (durch neuwahlängstliche Abgeordnete der SPD) oder nicht. Aber selbst wenn nicht, wird Steinmeier sie nach drei Versuchen erkennen, denn die Alternative hieße ja Neuwahl. Was er ablehnt. Merkel wieder reguläre Kanzlerin. Und dann überlegt sie sich: Wen mache ich jetzt zum Minister? Und kommt auf die Idee, sich nicht nur in der Unionsfraktion umzusehen. Denn es müssen ja auch Sachen durchs Parlament, für die es nicht die geringste Vereinbarung einer Koalition oder Tolerierungspartnerschaft gibt…
Natürlich muss das nicht so kommen, aber dann müssen Sie irgendeine Variable ändern.
Ein plötzlicher Merkel-Rücktritt? (der an Oppositionslust der Liberalen wenig und an der der Sozialdemokraten auch nicht viel ändern würde...) Ein Sinneswandel Steinmeiers, hin zu Neuwahlen? Eine plötzliche Mehrheit an der SPD für eine Groko? Für eine Tolerierung? Schwarz-Grün würde die SPD vielleicht tolerieren. Aber diese Konstellation wird die CSU verhindern wg. Familiennachzug und AfD-Effekt. Schwarz-Gelb wird die SPD ganz sicher nicht tolerieren, allerdings will die FDP ja ohnehin nicht regieren.
Und eine schwarze Minderheitsregierung nur der Union tolerieren? Das ist noch die interessanteste Frage: Würde die SPD das tun? Ihre Rolle als staatstragende Partei spricht dafür und es wäre ein Kompromiß aus Opponieren und trotzdem Verantwortung wahrzunehmen. Andererseits: Wie will denn die SPD bei den nächsten Bundestagswahl - bis dahin will sie sich ja neu aufgestellt haben - wieder in guter alter Manier, mittelinks gegen mitterechts gegen die CDU/CSU zu Felde ziehen, wenn sie eine abgetakelte Unionsregierung, die isoliert, ohne Machtoption und mit einer überkommenen Regierungschefin dasteht, der nicht zufällig nichts mehr gelingt und die ihr Bild vor den Historikern nur noch verschlechtern kann – freiwillig jahrelang über Wasser hält? Wo sie sie doch ablösen will!
Außer allenfalls der Angst vor dem Wähler bei Neuwahlen hat die herzallerbunteste SPD schlicht keinen Grund, der Union auch nur einen Millimeter zu helfen.
"Nein, die heutige CDU taugt - trotz Tauber, Altmaier und Kinnert - nicht als Sammlungsbewegung a la République en Marche."
In der Tat nicht. Aber sie taugt als das perfekte Beispiel für das politische Paradoxon, dass es eine zeitlang möglich ist, sich unter Verlust sämtlicher Machtoptionen, ja sogar deswegen, im Zentrum der Macht festzusetzen.
"Vermutlich braucht es diese komplizierten Sandkastenspielchen auch gar nicht. Wenn das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Union und SPD einigermaßen vertretbar ist (auch für die opponierenden Jusos und für das Duo Schwesig/Dreyer; die CSU unter dem Nur-noch-Parteivorsitzenden Seehofer wird ohnehin mitmachen), dann wird es doch eher auf die bewährte, nun etwas kleinere GroKo hinauslaufen.
Diese Einschätzung teile ich nicht. Ist Ihnen erinnerlich, welche Kraft es - den damaligen Parteivorsitzenden! - Gabriel vor 4 Jahren gekostet hat, die SPD nochmals in eine Große Koalition unter Merkel zu lotsen? (es war die zweite, nach der ersten unter Müntefering)
Und wie die SPD es damals zähneknirschend geschluckt hat?
Das war VOR dem historischen Kolbenfresser der Kanzlerin. VOR einer historischen Wahlniederlage der SPD. VOR dem Aufkommen der AfD. VOR einem Parteivorsitzenden Schulz, der schlicht in keine Koalition will und nach dem Anpfiff durch den Bundespräsidenten inzwischen nun bloß so tut, als würde er es zumindest prüfen - um prompt die für die Union inakzeptable Bürgerversicherung hervorzukramen.
Wer außer den SPD-Liberalen im Umfeld der geschäftsführenden Regierung will denn in die Groko im Winter 2017? Vor vier Jahren brauchte es einen Gabriel, der es unbedingt wollte, in der Position war, es durchzusetzen und es gerade so hinbekam, die SPD nochmal in einer Groko zu bugsieren, wobei es vor allem die Basis, weniger aber die Funktionäre zu überreden galt. Es war auch VOR einem mehrheitlichen Nein im Mittelbau der SPD. Das ist die Situation heute.
Und heute ist es ein Martin Schulz, der ein ungleich schlechterer (ungeschickterer) Politiker ist als Gabriel, der Basis und Funktionäre kippen müsste, wobei das Tischtuch zu letzteren fast schon zerschnitten ist - und der vor allem selbst nicht will.
Somit halte ich es schon für einschätzungsmutig, eine Große Koalition zu erwarten. Hinzu kommt noch, dass Regieren mit Merkel inzwischen kein „Projekt“ mehr ist, von dem irgend eine andere Partei sich etwas verspricht, sondern eher einem Abstieg in die Gruft gleich, wo sich die Koalitionsvampirin versteckt, während das Land langsam die Silberpfeile sortiert und der linke Flügel der SPD die Buzzwords.
Natürlich ist es trotzdem möglich mit der Groko. Im Sinne von denkbar. Aber gilt das nicht auch für die Marsmännchen? Stellen Sie sich vor, hier wäre eine Sportwette und sie bekommen einen Polit-Toto-Tip gratis. Würden Sie den Gewinn - die wesentlichen Faktoren eingerechnet - wirklich hinter Merkelgroko 3 vermuten?
"Gabriel hat ihr heute schon die Grundsatzrede gehalten: ein deutsch geführtes Europa in der Welt."
Ja, nur ist auch das keine Werberede für eine Neuauflage der Großen Koalition gewesen. Denn was er da gesagt hat, ist für die Außen- und Verteidigungspolitiker der Union, sprich: die Transatlantiker (sprich: die "US-Deutschland" als Normalzustand ansehenden Politiker) ein ebensolches “No-Go“ wie die Forderung nach der Bürgerversicherung für die Gesundheitspolitiker.
Was in der Unionsfraktion Kopfschütteln auslöst (Bürgerversicherung) und zugleich irgend etwas zwischen Fassungslosigkeit und einem Vorgefühl von Angst (Gabriel-Rede), macht eine Große Koalition nicht wahrscheinlicher.
Was Gabriel gesagt hat, ist keine eigenwillige Idee in der Gesundheitspolitik, sondern ist in der Bundesrepublik staatspolitisch etwa so programmwidrig wie sich in der DDR des Jahres 1985 hinzustellen und die Ankündigung auszusprechen, sich von den Sowjets lösen zu wollen.
Was die SED "drüben" war, ist "hüben" bei allen systemischen Unterschieden die CDU. Es DIE staatstragende Partei. Denen quasi ihre außenpolitisch Weltanschauung um die Ohren zu schlagen ist kein Schritt auf sie zu, sondern von ihnen weg. Natürlich wird auch die Union hier irgendwann etwas dämmern, aber dazu braucht es noch ein paar Amri-Äquivalantvorfälle.
Ich halte die Gabriel-Rede (so richtig sie mir inhaltlich erscheint) deswegen sogar für einen ungleich stärkeren Groko-Killer als bloß fragwürdige Gesundheitspolitik. Denn diese Rede sorgt nicht bloß für Kopfschütteln bei der Union, sie verbreitet zugleich subtile Angst, und zwar Angst vor dem Wegfall des imperialen Protektors als verdecktem innenpolitischem Realfaktor. Angst vor einer zweiten "Wende" gewissermaßen, innerhalb der bundesrepublikanischen Innenpolitik. Gabriels Rede hat zwar Außenpolitik zum Thema, aber er hat sie „inhouse“ gehalten…
Versetzen Sie sich doch mal in die Lage eines servilen Weihnachtsmarktverräters aus dem Umfeld von Altmeier und de Maiziere, der wie selbstverständlich in verantwortlicher Position die eigenen Mitbürger über die Klinge springen lässt, weil eine ferne Macht das so will. Würden Sie Gabriels Ideen - deren Realisierung Ihnen auf den harten Feldern der Politik den Teppich unter den Füßen wegzöge – dann wirklich als eine freundliche Geste Ihnen gegenüber ansehen? Als netten Ideenbeitrag für die so unglaublich naheliegende weitere Zusammenarbeit? Ich gesteht: ich sehe das nicht so. Eher wüchse die Angst bei den Servilen, in einem ganz anderen Deutschland für weitere solche Nummern womöglich vor Gericht zu landen.
Es war in Wahrheit ein koalitionspolitischer Sprengsatz, den Gabriel da gezündet hat, mit dem Nebenziel, die SPD auch auf ernstlicheren Feldern als dem Selbstbild des „bunter und weiblicher“ vor dem Wähler zu positionieren. Aber von der Union Stand Winter 2017 zu erwarten, dass sie da mitmacht, hieße mit der SED rote Fahnen verbrennen zu wollen.
Sorry, es hat ein bisschen gedauert, aber ich brauchte 4 Tage, um Ihren klugen Kommentar zu lesen ;-)
Als "Linkskonservativen" würde ich Sie nun am liebsten in die Sloterdijk-Schublade stecken, aber Sie mögen Schubladen natürlich - wie wir alle - überhaupt nicht. Also lassen wir erst mal das einordnen (Sie wissen wenigstens, wen Sie vor sich haben) und harren der Dinge.
Bis Mai/Juni soll es ja eine neue Regierung geben (sagt jedenfalls der neue SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil). Dann werden wir sehen, wohin die Gespräche, die ja zu Vorsondierungen führen sollen, die wiederum Sondierungen einleiten könnten, die eventuell zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen führen, Union und SPD bringen werden. Da kann noch viel passieren...