Kann es sein, dass die Bundesregierung schon bald die Frage beantworten muss, warum sie einer Armee Waffen, Ausbildungskapazitäten und Geld in zweistelliger Milliardenhöhe zur Verfügung stellt, wenn diese Armee als Dank für die großzügige Hilfe die deutsche Energieversorgung in die Luft sprengt?
Diese heikle Frage legt ein Exklusivbericht nahe, der am Dienstag in großer Aufmachung in der Washington Post erschien. Laut den Recherchen des renommierten US-Blatts verdichten sich die Hinweise, dass die Sprengung der Nordstream-Pipelines im vergangenen September ein von der ukrainischen Armeeführung abgesegneter Operationsplan einer militärischen Spezialeinheit war. Ja, mehr noch: dass die westlichen Geheimdienste die Planungen für eine derartige
s im vergangenen September ein von der ukrainischen Armeeführung abgesegneter Operationsplan einer militärischen Spezialeinheit war. Ja, mehr noch: dass die westlichen Geheimdienste die Planungen für eine derartige Operation bereits drei Monate vor der Sprengung kannten.Die Bundesregierung sei informiert wordenEin in der Ukraine stationierter Informant eines europäischen Geheimdienstes, so die Washington Post, habe im Juni 2022 detaillierte Angaben über das geplante Vorhaben an seine Zentrale durchgegeben. Da der Informant als glaubwürdig galt, reichte der (nicht genannte) europäische Geheimdienst (der als enger Verbündeter der USA bezeichnet wird) die brisanten Informationen an die CIA weiter. Diese wiederum setzte ihre europäischen Partnerdienste ins Bild, mithin auch die deutschen Kollegen. Die Bundesregierung und die für die Geheimdienste zuständigen Abgeordneten wurden laut Washington Post ebenfalls informiert. Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Nachrichtendienste sind etwa Konstantin Notz (Grüne), Ralf Stegner (SPD), Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Roderich Kiesewetter (CDU) und André Hahn (Die Linke).Entdeckt wurde der geschilderte Informationsringtausch der Geheimdienste zum Thema Nordstream im Zuge der Durchforstung jener US-Dokumente, die der 21-jährige Nationalgardist Jack Teixeira verbotenerweise an sich genommen und in seiner Chatgruppe auf der Spiele-Plattform Discord verbreitet hatte. Jedenfalls decken sich die von der Washington Post am Dienstag enthüllten Einzelheiten weitgehend mit den „Exklusivberichten“ von Zeit und ARD, die Anfang März in Deutschland für großes Aufsehen und gleichzeitig für großes Kopfschütteln sorgten. Wie, fragten sich damals viele Skeptiker, soll ein kleines sechsköpfiges Team mit einer in Deutschland gemieteten Segelyacht ein derart komplexes Manöver durchführen? Sie hielten die Story deshalb für eine plumpe Desinformationskampagne, die von den wahren Tätern – den US-Amerikanern beziehungsweise den Russen – ablenken sollte.Information und LügeGenau das könnte auch jetzt der Fall sein. Wer sagt denn, dass das Ganze nicht ein ausgefuchstes Geheimdienst-Verwirrspiel ist, in dem die Washington Post, die New York Times, die ARD und die Zeit als nützliche Idioten fungieren? Es wäre nicht das erste Mal, dass Geheimdienste zweckdienliche Lügengeschichten per Medien verbreiten, denn lügen und Verwirrung stiften zählt neben dem Sammeln von Informationen zu ihrem Kerngeschäft.Doch mehrere Gründe sprechen gegen ein solches Verwirrspiel: Erstens würden westliche Geheimdienste, deren Regierungen sich als enge Verbündete der Ukraine begreifen, nicht ausgerechnet die Ukraine als Tatverdächtigen benennen, sondern Russland (siehe den Bruch des Kachowka-Staudamms). Zweitens haben die erwähnten Leitmedien einen internationalen Ruf zu verlieren. Und drittens müssten die Geheimdienste dann auch jenes Datenleck, das als Discord-Leaks bekanntgeworden ist, mit inszeniert haben. Denn von dort stammen die Informationen, die die Washington Post nun genüsslich ausschlachtet.Eine Terrorplanung ohne Konsequenzen Politisch ist die Enthüllungsstory aber bereits jetzt eine brisante Angelegenheit. Die Washington Post mutmaßt, dass sich Teile der US-Regierung von ihrem unberechenbaren und eigenwilligen Schützling Ukraine abwenden wollen und deshalb Zug um Zug auf Distanz gehen. Aber das ist pure Spekulation mit Blick auf den kommenden US-Präsidentschaftswahlkampf.Für die deutsche Regierung könnte es dagegen richtig ungemütlich werden. Denn wenn man rechtzeitig wusste, dass ein Anschlag auf die Energieversorgung der heimischen Bevölkerung geplant war, warum hat man dann nicht vorgesorgt und drastische Schutzmaßnahmen ergriffen? Warum wurde die Überwachung der Ostsee nicht intensiviert? Warum hat man der ukrainischen Regierung nicht unmissverständlich zu verstehen gegeben, welche Konsequenzen ein solcher Terrorakt gegen einen Verbündeten hätte? Oder hat man die Informationen, die von der CIA und einem europäischen Partnerdienst kamen, nicht ernst genug genommen, weil – wie schon Palmström wusste – nicht sein kann, was nicht sein darf? In jedem Fall reicht die bloße Unterlassung gebotener Abwehrmaßnahmen für einen handfesten politischen Skandal.