An der Westgrenze des Hochsauerlands liegt der kleine „Verkehrslandeplatz“ Arnsberg-Menden. Im Hangar stehen zwei Flugzeuge des Politikers und Geschäftsmanns Friedrich Merz. Das eine (Listenpreis: 920.000 Euro) fliegt er selbst, das andere (Listenpreis: 3,7 Millionen US-Dollar) vermietet er über seine Firma Volatus an die Arnsberger WEPA Industrieholding des Familienunternehmers Martin Krengel, den man auch den „König des Klopapiers“ nennt, weil er seine „Hygienetücher“ inzwischen in alle Welt verkauft. Bei der WEPA ist Merz außerdem Vorsitzender des Aufsichtsrats, aber eine Interessenkollision sieht er darin nicht.
Der kleine Flugplatz gehört dem sauerländischen Familienunternehmer Ulrich Bettermann, den man bisweilen den „Kaiser der Kleinteile“ nennt, weil er seine Kabelklemmen inzwischen in alle Welt verkauft. Bettermann weiß, welche Sorte Politiker eine gesunde Marktwirtschaft braucht, und so hat er seinen Männerfreund Merz schon im September 2018 als Kanzlerkandidaten empfohlen. Mit Frau Merkel befinde sich Deutschland leider „am Rand der Regierungsunfähigkeit“. Nur Merz könne das Land und die CDU jetzt noch retten. In diese wunderbare Welt der Provinz mit ihren Hidden Champions (den global erfolgreichen Mittelständlern) wurde Friedrich Merz 1955 geboren, hier hat er sich die ersten Sporen als Politiker verdient, etwa als Vorsitzender der Jungen Union in der Kleinstadt Brilon, wo schon sein Großvater 20 Jahre lang Bürgermeister für die katholische Zentrumspartei war. Erst später wechselte Opa – „gezwungenermaßen“ – in die NSDAP.
Friedrichs Lernkurve verlief steil. Der bockige Sitzenbleiber bekam ein Stipendium der Adenauer-Stiftung und hatte als katholischer Bundesbruder vom Start weg die richtigen Verbindungen. Sein Talent als Anwalt der Wirtschaft führte ihn zuerst zum Verband der Chemischen Industrie (wo auch Helmut Kohls Karriere begann); von 1994 an gewann er den Bundestagswahlkreis Hochsauerland jeweils direkt. 1998 stieg er zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden auf, zwei Jahre später übergab ihm sein Ziehvater Wolfgang Schäuble den Vorsitz. Doch die protestantische Ostfrau Angela Merkel stoppte beider Karriereplanung abrupt. Im Februar 2007 warf Merz endgültig hin.
Friedrich Merz zieht es stets dorthin, wo das Geld sitzt
Seine Resignation führte in der Familie zu heftigen Eruptionen. Vater Joachim Merz, Ex-Richter und Mitglied des CDU-Kreisvorstands, trat nach 51 Jahren aus der Partei aus. Er könne die „Mittelmäßigkeit“ der Merkel-CDU nicht länger ertragen. Die Partei wähnte er auf dem Weg in den Sozialismus. Viele Konservative in der Union warnten damals vor der Bildung einer rechtskonservativen Alternative. Auch Friedrich Merz mahnte, es gebe „ein wachsendes politisch heimatloses Bürgertum“, doch die spätere Anti-Merkel-AfD unterstützte er nie. Er blieb, was er war: Anwalt der Wirtschaft.
Schon als Abgeordneter hatte er zu denen gehört, die sich als Lobbyisten eine goldene Nase verdienen. Verbissen kämpfte er gegen die Offenlegung seiner Nebentätigkeiten. 2005 trat er in die global agierende Wirtschaftskanzlei Mayer Brown ein und sammelte gut dotierte Mandate in Aufsichts- und Verwaltungsräten. Die Welt erlebte er vor allem in Elitenetzwerken, wo Politiker auf Wirtschaftsbosse treffen: im lokalen Rotary Club in Arnsberg oder in den noblen „Denkfabriken“ der Großbanken, in Rockefellers Trilateraler Kommission und in Warburgs Atlantikbrücke. Merz zieht es stets dorthin, wo das Geld sitzt. 2009 wird er Aufsichtsrat der feinen Düsseldorfer Geschäftsbank HSBC Trinkaus, gegen die später wegen Cum-Ex-Betrugs ermittelt wird, ebenso wie gegen den US-Vermögensverwalter Blackrock, dessen Deutschlandgeschäft Merz ab 2016 „beaufsichtigt“.
Im Juni 2010 betrauen ihn die CDU/FDP-Regierung in NRW und der staatliche Bankenrettungsfonds SoFFin (zuständiger Finanzminister: Wolfgang Schäuble) mit dem Verkauf der WestLB. Das Honorar aus der Staatskasse beträgt sensationelle 5.000 Euro am Tag. Obwohl die Verkaufsgespräche nach kurzer Zeit scheitern, fließt das Honorar einfach weiter, 396 Tage lang, für nichts. Schäuble erhält 2019 vom Wirtschaftsrat der CDU (Vizepräsident: Friedrich Merz) die Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold.
Friedrich Merz verliert 2018 gegen Annegret Kramp-Karrenbauer
Schäuble ist es auch, der Merz in die Politik zurücklotst. Bei der Beerdigung Kardinal Lehmanns soll die Entscheidung gefallen sein. Da trafen sich, laut Spiegel, die Mitglieder des Andenpakts, einer einflussreichen westdeutsch-katholischen Männerloge der CDU, um die „Operation Merkelsturz“ einzuleiten. Schäuble, Thomas Strobl, Günther Oettinger, Roland Koch und Christian von Stetten sollen Merz ins Rampenlicht bugsieren. Am 28. Oktober 2018 verliert die CDU bei der Hessenwahl 11,3 Prozentpunkte, Merkel verzichtet auf den CDU-Vorsitz – und sofort meldet Friedrich Merz seine Kandidatur an. Schäuble lobt ihn über den grünen Klee, doch gegen Annegret Kramp-Karrenbauer reicht es nur zu 48,25 Prozent.
Um das lästige Etikett, Lakai des Kapitals zu sein, endlich loszuwerden, legt Merz seither ein Aufsichtsratsmandat nach dem anderen nieder. Im Kandidaten-Endspurt zieht er alle Register: mit ihm keine Vermögensabgabe wegen Corona, keine weitere Aufnahme von Flüchtlingen, Rückkehr zur Schuldenbremse, Aufrüstung der NATO, harte Haltung gegen China, Sozialleistungen auf den Prüfstand, schnelle Schulöffnungen trotz Lockdown. Hochnäsige mögen spotten, Merz sei die perfekte „Fettnäpfchen-Suchmaschine“, Oberschlaue unken vom „deutschen Trump“. Beides ist abwegig. Mit Merz hätte Schwarz-Gelb einfach wieder eine Chance. Wie in alten Zeiten. Das Finanzkapital würde aufatmen, der König des Klopapiers und der Kaiser der Kleinteile wären hochzufrieden.
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