Vergangene Woche wollte die Große Koalition demonstrieren, dass sie die notwendigen Lehren aus den Enthüllungen von Edward Snowden gezogen hat. Die Regierungsfraktionen beschlossen zwei Reformen für die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste und der Massenüberwachung durch den BND. Mit diesen Gesetzen will Angela Merkel den Streit um menschenrechtswidrige und massenweise Spähaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA und seines willfährigen Helfers BND nun endgültig zu den Akten legen. Rechtzeitig vor der Bundestagswahl und vor dem Abschluss des NSA-Untersuchungsausschusses soll der Öffentlichkeit vorgegaukelt werden, dass mit den beschlossenen Gesetzesänderungen die Missstände abgeschafft werden und der BND zukünftig gründlicher kontrolliert wird. Beides ist nicht der Fall.
Die Spielräume des Geheimdiensts werden nicht beschnitten. Dies hatte auch schon der für die Nachrichtendienste zuständige Kanzleramtsminister Peter Altmaier bei der Amtseinführung des neuen BND-Präsidenten Bruno Kahl gesagt: „Es war nie die Absicht, den BND an die kurze Leine zu legen“, so Altmaier. Gleich danach betonte er: „Ein Hund an der Leine kann seine Aufgaben nicht erfüllen.“ Folgerichtig hat der Bundestag nun ein Gesetz beschlossen, mit dem er die bislang illegale Massenüberwachung kurzerhand legalisiert hat. Allein das ist schon ein Skandal.
Man kann nur hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht dieser Chuzpe einen Riegel vorschiebt. Und die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Denn der Gesetzesbegründung ist keine Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entnehmen, die für solche Regelungen gelten. So erfüllt das Gesetz zum Beispiel nicht den verfassungsrechtlich gebotenen Grundsatz der Normenklarheit. Danach müssen Gesetze, die in Grundrechte eingreifen, so eindeutig sein, dass sich aus ihnen ohne Weiteres ergibt, was erlaubt und was verboten ist. Gummiparagrafen, die endlos ausgedehnt und interpretiert werden können, sind verfassungsrechtlich untersagt. Genau das macht aber das neue BND-Gesetz.
Foto: Fred Tanneau/AFP/Getty Images
Personenbezogene Daten können nun bereits dann erhoben werden, wenn sie erforderlich sind, um „die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland zu wahren“ oder „sonstige Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung“ zu gewinnen. Mit diesen Begründungen lassen sich alle Datenerhebungen rechtfertigen. Eine rechtsstaatliche Grenzziehung zwischen dem, was erlaubt und was verboten ist, findet erkennbar nicht statt. So wird das Recht „entgrenzt“ und die Bürger werden mit dem Schein des Rechts betrogen.
Auch die versprochene gründlichere Kontrolle des BND erweist sich als leeres Geschwätz. Das zeigt sich insbesondere an dem neuen „Unabhängigen Gremium“, das sich aus zwei Bundesrichtern und einem Bundesanwalt zusammensetzt und bestimmte Späh-Aktionen des BND kontrollieren soll. Für die Berufung in dieses Gremium ist die Regierung zuständig. Mit anderen Worten: Der zu Kontrollierende entscheidet über den Kontrolleur. Merkel hat also nichts zu befürchten: Im Parlamentarischen Kontrollgremium hat die Regierung eine verlässliche Mehrheit und beim „Unabhängigen Gremium“ haben sie es in der Hand, wer berufen wird. Damit bleibt die Kontrolle das, was sie bislang war – ein makabrer Witz.
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