Deutschland schon wieder im Krieg!

- Der Untergang des Abendlandes geht weiter.

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Berlin, den 23. September 2014 – Tag-und-Nacht-Gleiche-Nachrichten

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Deutschland schon wieder im Krieg! - Der Untergang des Abendlandes geht weiter!

„An diesem Mittwoch soll die erste Maschine mit Panzerfäusten, Gewehren und Munition von Leipzig aus über Bagdad in das nordirakische Kurdengebiet fliegen. Dort sollen die Waffen für den Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) den Peschmerga übergeben werden. Insgesamt werden 10.000 kurdische Kämpfer mit Waffen im Wert von 70 Millionen Euro aus Bundeswehrbeständen ausgerüstet.“

Aber das niederländische Transportflugzeug, das in Leipzig abheben sollte, hat einen Defekt. Wann es starten kann, ist noch nicht klar. Und auch die sechs deutschen Fallschirmjäger, die als Ausbilder der kurdischen Kämpfer in den Kriegshandlungen eingreifen werden, sitzen weiter in Bulgarien fest. Sie hatten wegen einer Panne das Flugzeug tauschen müssen und haben für die neue Maschine noch keine Einfluggenehmigung in den Irak.

Schon zu Beginn also zwei Pannen: Mene, Mene, Tekel u Parsin – Seht die Zeichen an der Wand! (Die Bibel, Buch Daniel 5, 25ff.)

Nun - einen Tag nach der Tag-und-Nacht-Gleiche hat Deutschland zusammen mit 30 (!) anderen Ländern- dem „Islamischen Staat“ in der Levante den Krieg erklärt. Deutschland befindet sich somit in einem weiteren Kriegszustand.

Umgekehrt hat der Islamische Staat nicht nur den kriegführenden Staaten, sondern auch deren Bevölkerungen den Krieg erklärt und sofort Taten folgen lassen, indem sie den französischen Bürger und Wanderer Hervé Gourdel gefangen nahm und mit dessen Tötung drohte, falls die französische Regierung sich weiter an der Bombardierung der IS-Stellungen beteiligt.

Im Unterschied zum Hindukusch ist das Kriegsgebiet nur drei bis vier Flugstunden entfernt. Und im Unterschied zum Hindukusch errichtet der Islamische Staat seinerseits innerhalb Deutschlands (und aller kriegsführenden Ländern) die Front. Einer der IS-Wahlsprüche lautet nämlich: "'Wir kennen keine Grenzen, wir kennen nur Fronten!“ Und überhaupt ist der IS kein räumlich auf die Levante begrenztes Staatsgebilde, sondern wird überall dort gegründet, wo Einheiten des IS den Boden eines Landes besetzt halten – in Nigeria, jetzt auch in Algerien.

Da wir alle –Du und ich- als Ungläubige und GottesleugnerInnen Todeswürdige sind, kann es jeden und jede von uns treffen – überall, zufällig, willkürlich, einfach so. Die Front ist überall! Und niemand wird uns schützen können. Das ist die neue Art von Kriegen, denen wir als Folge eigenster Machtpolitik ausgesetzt sein werden.

Dazu kommt der zweite Weltanschauungskrieg im Osten Europas: Zwischen Neurussland im Bündnis mit Russland und der Ukraine im Bündnis mit der EU, USA und der Nato.

Die einen als Vertreter einer totalitären eurasiatischen Ideologie, zentriert um die Vorstellung eines überlegenen Russentums; die anderen als Vertreter einer extrem-nationalistischen ukrainischen Identität. Ein Krieg, in dem es keine Parteinahme für eine kriegführende Partei, sondern nur Solidarität mit den menschlichen und nichtmenschlichen Opfern und der Natur geben kann.

Was derzeit sich ereignet, ist nichts anderes als die Wiederkehr der Religions- und Weltanschauungskriege – als asymmetrische Kriege, als totale Kriege, geführt sowohl mit postmoderner als auch archaischer Brutalität.

Der Feind ist kein Gegner mehr, mit dem man sich auf Augenhöhe schlägt und zu gegebener Zeit Frieden schließt. Der Gegner wird zum absoluten Feind, zum Unmenschen, zum „Krebsgeschwür“, wie das Friedennobelpreisträger Obama treffend-offen sagte. Krebsgeschwüre aber werden erbarmungslos herausgeschnitten und vernichtet.

Beide Seiten werden so zu totalitären Varianten des Selben. Worin besteht der Unterschied zwischen einer punktgenaue Totalvernichtung durch einen Tomahawk-Marschflugkörper mit zahlreichen „Kollateralschäden“ und der archaischen Enthauptung?

Die Art und Weise, wie dieser Kriegseintritt Deutschlands erfolgt, ist zutiefst völkerrechtswidrig; ebenso die völkerrechtswidrige Bombardierung syrischen und irakischen Hoheitsgebiets durch US-Drohnen, Kampfflugzeuge und Tomahawk-Marschflugkörper (natürlich alles vom bequemen Steuerpult aus sicherer Entfernung und mit der Cola-Dose in der Hand). So wurden eine der größten Errungenschaften der abendländischen Moderne, das Völkerrecht und die Idee des völkerrechtlich gehegten Kriegs de facto außer Kraft gesetzt. Hinsichtlich der Völkerrechtsbeziehungen befinden wir uns im Ausnahmezustand. Dieser Ausnahmezustand wird auch den Binnenraum der kriegführenden Staaten erfassen und hat ihn auch schon erfasst. Wer weiß, ob und inwieweit die Organe des „Tiefen Staats“ längst schon das Kommando übernommen haben.

Die Bevölkerungen der westlichen Welt aber fühlen sich in ihren Erlebnis- und Konsumgesellschaften wohl – als ob nichts geschehen wäre. Aber schon bald wird uns das Lachen vergehen. The Party is nämlich over!

Und: Diesen neuen Krieg kommandieren erstmals in der Geschichte Deutschlands zwei Frauen: Ursula von der Leyen als Oberbefehlshaberin der Bundeswehr und Angela Merkel als oberste Oberbefehlshaberin.

Wir sollten im Wintersemester im Horizont unserer philosophischen Lektüren der Heidegger/Nietzsche-Texte nachdenken, was sich in diesen Wiederkehr der Religions- und Weltanschauungskriege zeigt, und wie wir auf diese neuen Bedrohungen reagieren können.

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Liebe Mitlesende und Interessierte,

die Tag-und-Nacht-Gleiche 2014 ereignet sich am 23. September, exakt um 04:29 Uhr – für die meisten von uns wohl in der Schlafenszeit. Sie war bei den Altvorderen Grund und Anlass für wochenlang dauernde Erntedankfeste und im vorchristlich-griechischen Kulturkreis für die Eleusynischen Mysterien - das waren orgiastische Feste in Erwartung des Dionysos.

Nachfolgend ein kleiner Ausflug in die Welt des Mythos, der vielleicht auch das Verstehen von Nietzsches „Geburt der Tragödie“ erleichtert. Ich fand die Geschichten unter Fundstelle: http://www.jahreskreis.info/files/herbstanfang.html

„Bei den Griechen gab es auch einen ganz bedeutenden Mythos, der mit dem Erntedank und diesem Jahreskreisfest verbunden war und der sehr ähnlich zu Mabon [= keltisches Erntedankfest, WR] ist. Und zwar die Geschichte von Demeter und ihrer geraubten Tochter Persephone (= Kore). Der Unterweltgott Hades/Pluto hatte sie geraubt, worauf Demeter sie überall verzweifelt suchte. Als Demeter sie nicht finden konnte, war sie so erzürnt und voller Trauer, daß sie auf der Erde nichts mehr wachsen ließ, keine Blumen mehr, keine Früchte, nichts mehr.

Daraufhin mußte Hades Persephone wieder freigeben. Er hatte ihr allerdings heimlich in der Unterwelt von den Granatapfelkernen zu essen gegeben, und aus diesem Grunde mußte sie jedes Jahr für ein Drittel des Jahres wieder in die Unterwelt kommen. Diese Zeit begann im Herbst und ging über den Winter, und im Frühjahr durfte sie wieder hinauf zu ihrer Mutter.

Und darum verfiel Demeter jeden Herbst wieder in ihre Trauer um ihre Tochter, ließ alles verblühen und verdorren. Und erst im Frühjahr, wenn ihre Tochter wiederkam, war sie wieder glücklich und konnte die Welt mit ihrer Freude überziehen, mit Blumen, Düften ...

In Griechenland fand das größte und weithin bekannteste Feste zu Ehren dieser Göttin Demeter statt, allerdings nicht im Frühling, sondern im Herbst: die Eleusinischen Mysterien.

Der Name De-Meter (=Dea-Mater) bedeutet "Gott-Mutter", das heißt eigentlich einfach Muttergöttin. Der Buchstabe für "D" (gesprochen: de) hat aber noch eine andere Bedeutungen: im griechischen ist es der Buchstabe Delta, der großgeschrieben wie ein Dreieck aussieht und ein Symbol für das weibliche Geschlechtsorgan ist. Im griechischen Alphabeth war er sogar als "Buchstabe der Vulva" bekannt.

Im Hebräischen (dwr), im Sanskrit (daleth) und im keltischen Alphabeth (duir) stand der Buchstabe D für die Pforte, die Pforte der Geburt, des Todes und des erotischen Paradieses.

So repräsentierte die Demeter das, was in Asien "das Tor des rätselhaft Weiblichen... die Wurzel, aus der Himmel und Erde entsprangen" genannt wurde.

In Mykenä, eine der frühesten Kultstätten der Demeter, repräsentierten die Kuppelgräber mit ihren dreieckigen Eingangspforten, ihren kurzen scheidenartigen Durchgängen und ihren runden Wölbungen den Mutterleib der Göttin, den Schoß der Wiedergeburt - ganz ähnlich wie im Mythos von Mabon und seiner Mutter. Diese Eingangspforten wurden bei den Sumerern sogar rot angestrichen, symbolisch für das "rote Blut des Lebens", das Menstruationsblut der Frauen. Und zu bestimmten Riten wurden diese Pforten auch tatsächlich mit echtem Blut beschmiert, siehe Ägypten und die Juden bei ihren Passhariten.

Einer der vielen Namen der Demeter war in noch früherer Zeit "PLUTO", was "Überfluß" bedeutete. Dieser Name wurde im Zuge der Patriarchalisierung einfach auf einen männlichen Unterweltgott übertragen. Und der spätere Mythos des Raubes von Demeters Tochter durch Hades/Pluto ist auch schon eine patriarchale Interpretation. Ursprünglich war Pluto weiblichen Geschlechts, und ihr "Reichtum" ergoß sich aus ihren Brüsten über die Welt.

Eleusynischen Mysterien und Demeter

Eleusis bedeutet "Advent". Die Hauptriten galten der Ankunft des göttlichen Kindes oder des Erretters, der verschiedene Namen trug. Der bekannteste ist Dionysos.

Wie das Korn wurde er von der Erdmutter Demeter geboren und in einen geflochtenen Binsenkorb gelegt. Die Teilnehmer aßen sein Fleisch in Form von Brot, das aus den ersten bzw. letzten Garben gebacken wurde. Und sie tranken sein Blut in Form von Wein.

Man sieht: immer wieder die gleichen Mysterien in den verschiedenen Kulten.

Wie Jesus wurde er zu Grabe gelegt und erstand wieder auf. Die Teilnehmer dieser Mysterienfeiern glaubten seiner Unsterblichkeit teilhaftig zu werden. Nach dem Tode wurden sie Demetreioi genannt, die Seligen der Demeter. Dionysos war das Urbild Christi. Im 5. Jahrhundert vor Chr. waren Dionysos und Jehovah auf beiden Seiten derselben Münze abgebildet. Sein Attribut war der Thyrosstab, ein Phallus-Zepter. Sein Totemtier war der Panther (griechisch Panthereos, Tier des Pan). Das alleine zeigt schon, dass sein Kult äußerst orgiastisch und erotisch war.

Da die eleusinischen Mysterien auch stark orgiastisch-erotisch waren, wurden sie im Zuge der Christianisierung natürlich ausgemerzt, die Tempel zerstört und die Göttin wurde als Demetra in die Heiligenriege mit aufgenommen.

Aber bei der Landbevölkerung besteht der Glaube noch heute, daß in der letzten Garbe der Geist der Demeter stecke. Sie bezeichneten diese Garbe als Demeter, das Korn der Mutter, das Alte Weib usw. Das letzte aller Rätsel wurde in Eleusis in "einer schweigend geernteten Getreideähre" offenbart - ein heiliger Fetisch, den die Juden Schibboleth nannten.

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Nochmals die Einladung zum Vortrag von Jan Köttner:

„...nur als ästhetisches Phänomen

ist das Dasein der Welt gerechtfertigt“

Ein Ausblick von Nietzsches Geburt der Tragödie auf Heideggers Ursprung des Kunstwerks (Teil II)

Das Zitat im Titel dieser Veranstaltung ist ein Grundgedanke aus Die Geburt der Tragödie, der Nietzsches Selbstkritik an seinem "wunderlichen" Erstlingswerk unbeschadet überlebt hat, mehr noch: den er als wegweisend für sein späteres Werk erachtete. Ähnlich wie Heideggers Satz "Werk sein heißt: eine Welt aufstellen" bestimmt dieser Gedanke das Verhältnis des Kunstwerks zur Welt, und zwar so, dass dieses Verhältnis in gewisser Weise auf den Kopf gestellt wird: Kunst ist nicht etwas, das neben anderen Kulturleistungen des Menschen in der Welt vorkommt, sondern die Welt hängt in schwindelerregender Weise an der Kunst.

Wir werden diesmal ohne längere Einleitung gemeinsam einen Textabschnitt lesen und diskutieren, der geeignet ist, einen Zugang zu Nietzsches "Artisten-Metaphysik" zu finden.

Text: Nietzsche, Die Geburt der Tragödie, Nr. 15 (Ausschnitt siehe Anlage)

Zeit: Do, 25. September 2014, 18:30 bis 20:30 Uhr

Ort: Seminargebäude der Humboldt-Uni, Invalidenstraße 110, Raum 293 (beim U6-Bf Naturkundemuseum)

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Vorher, um 16:45 Uhr, geschieht wie gehabt Kirsten Reuthers Osteopathisches Yoga (bis 18:15 Uhr). Bitte eine Unterlage mitbringen. Ort wie oben.

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- Annamaria empfiehlt (ein Text, der mich zutiefst verwirrt hat!):

Klaus Alfs: "Adolf-Hitler-Medaille" für Tierschützer - Nationalsozialismus und Tierschutz - eine innige Liebesbeziehung

Klaus Alfs ist ausgebildeter Landwirt und Diplom-Sozialwissenschaftler. Im November erscheint im Hirzel-Verlag das von ihm zusammen mit Udo Pollmer und Georg Keckl verfasste Buch 'Don't go Veggie' - eine umfassende, allgemeinverständliche Kritik vegetarischer und tierrechtlicher Ideologien. Fundstelle Deutscher Arbeitgeberverband – Text vom 20.09.2014 http://www.deutscherarbeitgeberverband.de/aktuelles/dav_aktuelles_2014_09_20_tierschutz.html

Der Philosoph Leonard Nelson (1882-1927) sah die Achtung vor den Rechten der Tiere als "untrüglichen Maßstab für die Rechtlichkeit des Geistes einer Gesellschaft" an. Mahatma Gandhi meinte: "Die Größe und den Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie die Tiere behandelt". Vegetarier und Veganer betrachten sich gerne als Avantgarde der Zivilisation; eifrig zitieren sie Behauptungen wie die von Nelson oder Gandhi, um als Vorboten einer besseren Welt zu erscheinen. Menschen, die ohne schlechtes Gewissen in Steaks, Bouletten oder Bratwürste beißen, gelten ihnen als rückständige Exemplare des Homo sapiens.

Doch solches Eigenlob stinkt zum Himmel. Dass sich die sittliche Qualität einer Gesellschaft daran messen lassen könne, wie pfleglich sie mit Tieren umgehe und wie stark deren rechtliche Stellung sei, ist ein historisch längst widerlegtes Ammenmärchen. Denn keine "Nation" zuvor hat Tiere rechtlich besser gestellt und besser behandelt als das nationalsozialistische Deutschland. Wie der in Harvard lehrende Historiker Daniel Jütte schreibt, war es das Ziel nationalsozialistischer Politik, den "Stand der Tierschutzgesetzgebung in einem Lande als Gradmesser für die Kulturstufe eines Volkes [...] etablieren."

Mit dem Reichstierschutzgesetz vom 24. November 1933 trat das bis dahin umfassendste Tierschutzgesetz der Welt in Kraft. Es "verbesserte die Rechtsstellung des Tieres mithin erheblich", resümiert der Rechtshistoriker Winfried C. J. Eberstein in einer vergleichenden Studie. Die Präambel legte erstmals gesetzlich fest, dass Tiere um ihrer selbst willen zu schützen seien. 1934 folgte das Reichsjagdgesetz, ein Jahr später das Naturschutzgesetz, 1937 wurden Tiertransporte rechtlich geregelt.

Diese Gesetze verschafften den Nationalsozialisten weltweites Ansehen. Hitler, der sich als oberster Tierschützer Deutschlands verstand, erhielt 1934 von der Eichelberger Humane Award Foundation in Seattle (USA) die Goldmedaille für seine besonderen Verdienste um den Schutz der Tiere. Der deutsche Botschafter in New York nahm im selben Jahr von einem Komitee gegen Tierversuche eine Ehrenurkunde für Hitler entgegen. 1935 wurde das Reichstierschutzgesetz bei der internationalen Tierschutzversammlung in Brüssel als Meilenstein gefeiert. Auch das Reichsjagdgesetz galt als das beste der Welt.

Nimmt man Gandhis Zitat ernst, müsste man "untrüglich" zu dem Schluss kommen, dass Hitlerdeutschland damals die größte und fortschrittlichste Nation der Erde war. Die Nazis werteten Tiere nicht nur juristisch höher, als es in anderen Staaten je üblich war; sie sorgten auch für die konsequente Umsetzung ihrer Gesetze auf allen gesellschaftlichen Ebenen. "Die Misshandlung und Quälerei von Tieren wurde bis tief in die Kriegszeit vom Staatsapparat streng verfolgt und geahndet. Teilweise befasste sich sogar das Militär mit dem Tierschutz", stellt der Rechtshistoriker Stefan Dirscherl fest.

Es gab damals Tieranwälte, die als Interessenvertreter der Tiere agierten; Blockwarte wurden bei Verstößen gegen den Tierschutz ebenso zur Denunziation angehalten wie Kinder, die jede Misshandlung ihren Eltern oder direkt der Polizei melden sollten. Für besondere Verdienste ums Tierwohl gab es die "Adolf-Hitler-Medaille" mit dem schönen Eintrag: "Adolf Hitler – ich bin ein entschiedener Gegner der Tierquälerei".

Den Nationalsozialisten war es sehr wichtig, den Tierschutz durch "Volksaufklärung" gesellschaftlich zu verankern, damit er aus innerer Überzeugung von allen "Volksgenossen" beherzigt werde. Mit Plakaten, Postkarten, Merkblättern, in Wochenschauen und Rundfunkbeiträgen wurde die "gute Sache" vorangetrieben. Für die Kinder gab es u.a. den "Reichstierschutzkalender", der bunte Bilder und Geschichten rund ums liebe Mitgeschöpf enthielt. Ab 1938 wurde der Tierschutz als Unterrichtsfach an Schulen eingeführt. "Da der Tierschutz für den Nationalsozialismus eine ethische Frage war und die kulturelle Stufe eines Volkes anzeigte, war der Tierschutz auch in der HJ besonders wichtig. Die Jugend sollte das Tier als ‚beseeltes Mitgeschöpf' erkennen, welches ‚keine Sache' sei", schreibt Dirscherl.

Fast alle Nazi-Größen sympathisierten mit dem Vegetarismus. Goebbels hielt den Fleischverzehr für eine "Perversion des modernen Menschen"; Heß, Himmler und Hitler waren praktizierende Vegetarier. Himmler ließ in Dachau Versuche an Häftlingen mit veganer Ernährung durchführen, um die Überlegenheit der Pflanzenkost zu beweisen. Die Jagdleidenschaft von Reichsjägermeister Göring stieß bei seinen Mitstreitern auf nahezu einhellige Ablehnung. Hitler hielt die Jagd schlichtweg für Mord und duldete sie nur aus "ökologischen" Gründen.

Das Wort "Konzentrationslager" tauchte öffentlich erstmals im Zusammenhang mit dem Tierschutz auf. Göring hatte 1933 als preußischer Ministerpräsident alle Tierversuche verboten. Wer sich nicht daran hielt, sollte unverzüglich in ein Konzentrationslager überführt werden. Hitler wollte ursprünglich alle Tierversuche im Reich verbieten lassen, musste dann aber Konzessionen an ökonomische und medizinische Notwendigkeiten machen. Versuche an höher entwickelten Tieren (Pferde, Hunde, Affen, Katzen) wurden jedoch nur gestattet, wenn "durch Versuche an anderen Tieren der beabsichtigte Zweck nicht erreicht werden kann." (§ 7 Abs. 5) Im Vergleich zum neuen Tierschutzgesetz der Bundesrepublik (1972) bedeutete dies eine strengere Reglementierung.

Die Tierliebe der Nazis war genauso echt wie ihr Rassenhass. Viele Historiker scheinen sich mit diesem Gedanken nicht abfinden zu können. Die Historikerin Edeltraud Klueting meint etwa, dass "die menschenverachtende Ideologie des NS-Staates unter dem Deckmantel des Tierschutzes versteckt wurde." Dies verfehlt jedoch den Kern der Sache: Die Nazis haben ihre Ideologie keineswegs unter dem Deckmantel des Tierschutzes versteckt, sondern letzteren mit ersterer verbunden. Dass der Tierschutz allein propagandistischen Zwecken gedient und nicht auch den Überzeugungen der Nazis entsprochen habe, ist angesichts der Fakten eine unhaltbare These, welche nur die Ratlosigkeit der Wissenschaftler widerspiegelt. Tier- und Naturschutz waren keine Fremdkörper, sondern integrale Bestandteile nationalsozialistischer Politik.

Der überwältigen Mehrheit der damaligen Tierschützer waren Blut-und-Boden-Ideologie und Judenhass entweder gleichgültig oder gerade recht. Ihr Widerstand nahm sich insgesamt ebenso gering aus wie bei den meisten anderen Gruppierungen Deutschlands. Bereits vor der "Gleichschaltung" ließen sie sich willig von den "schlagkräftigen" Nazis vereinnahmen. Spätestens nachdem Benito Mussolini 1930 ein Gesetz zur Einschränkung der Tierversuche erlassen hatte, "war ein Großteil der deutschen Tierschützer bereit, mit der NSDAP zusammenzuarbeiten und sich politisch von ihr vertreten zu lassen, um dadurch eigene Ziele zu verfolgen." (Dirscherl)

Die intensive "Volksaufklärung" in Sachen Tierschutz wirkt bis heute nach: Der deutsche Vegetarierbund (Vebu) zitiert z.B. den Kirchenkritiker Karlheinz Deschner mit dem Satz "Wer Tiere isst, steht unterm Tier", ohne zu erkennen, dass diese Formulierung der Nazi-Definition vom "Untermenschen" entlehnt ist. So wurden im Nationalsozialismus vor allem die "tierfeindlichen" Juden bezeichnet. "Untermenschen" standen moralisch nicht zwischen Mensch und Tier, sondern unterhalb des Tieres und konnten deshalb vernichtet werden. Deschner überbietet die Nazidefinition sogar noch, indem er sie von den Tierquälern auf alle Fleischesser ausweitet. Eine abscheuliche Entgleisung.

Milliarden Menschen sind weltweit von der Tierhaltung abhängig; vor allem in armen Regionen wie Afrika haben sie oft gar keine Alternative. Die Organisation "Tierärzte ohne Grenzen" stellt auf ihrer Homepage fest: "Weltweit leben viele Menschen von der Tierhaltung, allein in Ostafrika sind es 24 Millionen. Ackerbau ist dort in vielen Regionen aufgrund der klimatischen Bedingungen nur in sehr begrenztem Umfang möglich, sodass Nutztiere wie Rinder, Ziegen, Schafe, Kamele und Hühner den Menschen geben, was sie zum Leben brauchen. Häufig bilden Milch, Eier und Fleisch bis zu 60% ihrer täglichen Nahrung." All diese Menschen werden von Deschner und dem Vegetarierbund zu Untermenschen erklärt, weil sie Fleisch essen. Mehr Verachtung ist kaum möglich.

Der Vegetarierbund distanziert sich kraft seines Leitbildes zwar vollmundig "von allen extremistischen, wie z. B. von rechtsradikalen Positionen, Organisationen und Parteien." Zugleich prangt aber auf der Vebu-Homepage ausgerechnet unter der Rubrik "Tierschutz konsequent" jener Gandhi-Satz über die Größe und den Fortschritt einer tierlieben Nation. Konsequenz scheinen die Prediger des Fleischverzichts immer nur von anderen zu fordern; für die krassen Widersprüche ihrer einfältigen Obst- und Gemüsereligion sind sie hingegen gänzlich blind. Wenn nämlich Gandhi Recht hat, erscheint die verbale Distanzierung von "rechtsradikalen Positionen" unglaubwürdig. Dann müsste der Vegetarierbund das "Dritte Reich" loben und Neonazis willkommen heißen. Wenn aber Gandhi Unrecht hat, sollte der Vebu ihn nicht zustimmend zitieren. Dann müsste jegliche Selbstbeweihräucherung unterbleiben, weil es keinerlei menschliche Vorzüglichkeit bewiese, Blumenkohl statt Braten zu essen.

Um ihrer Selbsttäuschung nicht gewahr werden zu müssen, bedienen sich Vegetarier und Tierrechtler eines einfachen Tricks: Alles, was ihrem Selbstbild zuwiderläuft, wird als "nicht echt" bezeichnet. Hitler war gar kein "echter Vegetarier", weil er Eier aß; die Tierliebe der Nazis sei "unecht" gewesen, weil sie nur bestimmte Arten und Rassen bevorzugt hätten etc. etc. Dies trifft jedoch auf jeden x-beliebigen Vegetarier und Tierrechtler von heute zu. Alle sind in irgend einer Weise inkonsequent; alle bevorzugen bestimmte Arten. Ob man nun z.B. Ratten noch als Ungeziefer bezeichnet, wie Göring, oder ob man sie zu empfindsamen Wesen erklärt, wie es die Tierrechtler tun: Getötet werden müssen sie in jedem Fall. Gerade um die Lieblingsspeisen der Vegetarier (Getreide, Hülsenfrüchte) zu sichern, müssen Nagetiere massenweise vernichtet werden. Es kann den emsigen Nagern also herzlich egal sein, ob ihnen vorm qualvollen Vergiftungstod noch große Portionen Scheinheiligkeit in die Köder gegeben und Oden an die Mitgeschöpflichkeit gedichtet werden. Um die faktische Bevorzugung bzw. Benachteiligung bestimmter, auch hochentwickelter Arten kommen Tierethiker und Vegetarier genauso wenig herum wie Fleischkonsumenten, wollen aber davon partout nichts wissen.

Das tierethische Lippenbekenntnis, man wolle Menschen nicht abwerten, sondern lediglich Tiere aufwerten, gab es schon bei den Nazis. Auch heute ist diesem Bekenntnis nicht zu trauen. "Völker", welche nicht am Vegetarierwesen genesen wollen, gelten jener Logik entsprechend ebenso als "Untermenschen" wie schächtende Juden und Moslems. Angesichts ihrer entspannten Haltung zum Tier bemerkte der britische Popmusiker und Veganer Morrissey vor ein paar Jahren: "Man kann nicht anders, als das Gefühl zu bekommen, dass Chinesen Untermenschen sind".

Jäger, Landwirte, Metzger oder Wissenschaftler, die Tierversuche machen, stehen bei vielen "ethischen Vegetariern" inzwischen auf derselben Stufe wie Kinderschänder oder sogar noch darunter. "Es gibt nichts Widerlicheres als ordinäre Fleischfresser im Konzertsaal und Restaurant", tönt der populäre, vom Vegetarierbund hofierte Tierrechtler Helmut F. Kaplan. "Sie simulieren Moral, obwohl sie meilenweit unter jedem Kinderschänder und Massenmörder stehen." In der Simulation von Moral werden es die "ordinären Fleischfresser" jedoch niemals so weit bringen wie ordinäre Pflanzenfresser, die ihre Menschenverachtung mit Ethik verwechseln. Sie sind keineswegs die Avantgarde der Zivilisation, sondern Vorboten einer neuen Barbarei. Je mehr Menschen auf ihre Selbstinszenierung hereinfallen, desto schlimmer für die Gesellschaft.

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ciao, Wolfgang Ratzel

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Wolfgang Ratzel

Aus einem drängenden Endbewusstsein entsteht der übermäßige Gedanke an einen anderen Anfang.

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