Krisengespräch und Heidegger-Tribute-Date

Einladung - NO MORE EXCUSES

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Autonomes Seminar an der Humboldt-Universität zu Berlin – seit 1998 - ehrenamtlich, offen und entgeltfrei für alle

Kontakt: autonomes.seminar@t-online.de - Berlin, den 17. Februar 2015

Liebe Interessierte und Lesende,

(1) Einladung zum Krisengespräch!

An unserem ersten Krisengespräch vom 12.2.2015 beteiligten sich 14 KollegXinnen*. Das Gespräch verharrte in einer mehr-oder-weniger emotionalen „Erörterung“ der gegenseitigen Kränkungen, weshalb folgender Konsens zustande kam:

(*Anmerkung WR: Ich versuche künftig das Dritte Geschlecht in der Anrede mit einem X sichtbar zu machen

- Konsens: Das Krisengespräch wird am Do, 19. Februar 2015, 18:30 Uhr im Raum 293 des Seminargebäudes der Humboldt-Universität in der Invalidenstraße 110 (nahe U6-Bf Naturkundemuseum) fortgesetzt und zwar in Gestalt eines Planungstreffens, d.h.: Wir versuchen, die Zukunft des Autonomen Seminars hinsichtlich der zu bedenkenden Themen und der anzuwendenden Methoden (dem WAS und WIE) zu besprechen. In diesem zukunfts-gerichteten Zusammenhang werden die Unterschiede zwischen den beiden Papieren sachlich diskutiert.

(Wer die "Vorschläge zur Reform des Autonomen Seminars" und "Grundsätze des Autonomen Seminars" noch nicht hat, möge sie unter der Kontaktadresse anfordern)

- Die Fortsetzung des Gesprächs über die erlittenen Kränkungen und Verletzungen wird hiervon abgetrennt. Die Betroffenen treffen sich dazu mittwochs vor dem Planungstreffen.

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(2) Kirsten Reuthers Osteopatisches Yoga findet trotz alledem vorher um 16:45 bis 18:15 Uhr ebenfalls im Raum 293 statt.

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(3) Schwarze-Hefte-Debatte-Reloaded: Heidegger-Demontage geht weiter!

Fast ein Jahr nach Veröffentlichung der Schwarzen Hefte (die auf Heideggers eigenem Wunsch als Abschluss der Gesamtausgabe geschah) brechen jetzt alle Dämme:

- Im Januar erschien eine Sonderausgabe des „Philosophie-Magazins“ mit dem Titel „Die Philosophen und der Nationalsozialismus“ mit einem Heidegger-Schwerpunkt;

- Die Vereinnahmung des Seinsdenkens durch die Neu-Rechten von der Zeitschrift „Sezession“ zeigt sich im Themenheft: „Martin Heidegger“;

- Im Januar 2015 trat der langjährige Vorsitzende der Heidegger-Gesellschaft und „Inhaber“ des Husserl-Heidegger-Lehrstuhls an der Universität Freiburg, Prof. Günter Figal, von seinem Amt zurück (siehe AutS-Rundschreiben vom 27.1.2015); ihm folgen weitere nicht näher bezeichnete Vorstandsmitglieder;

- Dann folgte die Heidegger-Konferenz in Paris unter dem Thema "Heidegger und die Juden". Heidegger wird danach von Jürg Altwegg (F.A.Z.) als Nazi und ausgekochter Antisemit bezeichnet - siehe Interview mit Jürg Altwegg in:

http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/swr2-am-morgen/die-franzoesische-debatte-ueber-heideggers-antisemitismus-heidegger-daemmerung-in-frankreich/-/id=660124/did=15003398/nid=660124/1tbtcrc/index.html

Und nun das:

- In Meßkirch wird überlegt, Heidegger die Ehrenbürgerschaft der Stadt abzuerkennen;

- In Meßkirch wird überlegt, das "Heidegger-Gymnasium" umzubenennen. Der Schulleiter, der als Schriftführer im Vorstand der Heidegger-Gesellschaft sitzt, hält den Namen für "nicht unproblematisch" und wird nicht mehr für den Vorstand kandidieren;

Fundstelle: http://www.swr.de/landesschau-aktuell/bw/bodensee/streit-um-martin-heidegger-in-messkirch-antisemit-und-ehrenbuerger/-/id=1542/nid=1542/did=15091290/18rb2wk/

- Die Heidegger-Gesellschaft scheint in eine Schock-Starre gefallen zu sein - Die letzte Nachricht unter „Aktuelles“ datiert auf den Juli 2014; im Vorstandsverzeichnis steht allerdings unter Vorsitzender das N.N. (=nomen nominandum=noch zu nennender Name)

http://www.heidegger-gesellschaft.de

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Vorschlag: Heidegger-Tribute-Date

Warum diese Demontage des Autors Martin Heideggers samt seines Denkens? Warum gerade jetzt? Warum und worumwillen geschieht das? Was ist der Sinn von det Janze?

Jedenfalls werde ich diese Demontage nicht mitmachen und biete kurzfristig einen Heidegger-Tribute-Date an, der Partei ergreift für das Heideggersche Werk, das für mich nichts geringeres ist als eine Fundamentalkritik der technisch-kapitalistischen Verhältnisse, der vielgestaltigen Systeme des vollendeten Nihilismus, des mörderischen Subjektivismus und des Denkens in der tödlichen Logik der Wert- und Unwertsetzung eines Denkens in Werten. In der Tat ist Auschwitz EIN (aber nicht das einzige) Ergebnis der abendländischen Aufklärung, die logische Folge eines subjektivistischen Denkens in Wert- und Unwertsetzungen.

Neben der offiziellen Aufklärung gibt es aber auch –verdeckt und untergründig- die Traditionslinie der Anderen Aufklärung! Denn nicht die Vernunft gebiert Ungeheuer wie Auschwitz (und Hiroshima, Tschernobyl, Fukushima, Terrorkrieg und Kriegsterror, ökosoziale Katastrophen, gigantische Ungleichheit, Artensterben u.v.m.), sondern das losgelassene rechnende Denken gebar Auschwitz (das sich im NS-Deutschland als arisch-artgemäßes Denken begriff).

Und Auschwitz wird in noch schrecklicherer, wenngleich anderer Gestalt, wiederkehren, wenn "eines Tages das rechnende Denken als das einzige in Geltung und Übung bliebe." (Gelassenheit, S.25).

Diese schreckliche Aus-Sicht gilt es mit unseren kleinen Kräften aufzuhalten! -

Vier Thesen liegen dem besagten Heidegger-Tribute-Date zugrunde:

1. Wenn sich das Sein unseres Daseins in der Welt und auf der Erde als Sorge entbirgt (vgl. Heidegger: Sein und Zeit, §39, S.182), dann ist diesem Sich-um-sich-und-seine-Mit-und-Umwelt sorgenden Dasein sein Geschlecht, seine Hautfarbe, Volkszugehörigkeit, Klassenzugehörigkeit und sexuelle Orientierung gleich-gültig.

Die von Heidegger benannten Existenzialien sind somit Strukturmerkmale eines Daseins, dem sein Geschlecht, seine "Rasse", Volks-, Klassen-Zugehörigkeit und sexuelle Orientierung vollkommenst gleich-gültig sind!

(Anmerkung: Die wichtigsten Existenzialien sind das In-der-Welt-sein, die Sorge, die Befindlichkeit (und Stimmung), die Angst, das Verstehen, die Verfallenheit und die Rede).

2. Ebenso ist dem Dasein, das auf das Sein hört und ihm gehört und das sich als Hirt und Treuhänder des Seins versteht, sein Geschlecht, seine Hautfarbe, seine Volks- und ethnische Zugehörigkeit, seine Klassen-, Schicht- und Milieu-Zugehörigkeit und seine sexuelle Orientierung gleich-gültig!

3. Wenn nun Heidegger in seinen „Schwarzen Heften“ dem Judentum eine „betont rechnerische Begabung“ zuschreibt; wenn er behauptet, dass die leere Rationalität und Rechenfähig sich im Judentum eine „Unterkunft im ‘Geist‘“ schaffte – dann spricht hier ein Autor, der –indem er das niederschreibt- von antisemitischen Ressentiments und Denkfiguren beherrscht wird. Aber: Heidegger schreibt das im stillen Kämmerlein für sich nieder. Diese Zuschreibungen dringen nicht in sein Werk ein! Niemensch, der Heideggers Gesamtausgabe liest, käme auf die Idee, dass solche Ressentiments –instruments of darkness?- ihn im stillen Kämmerlein zeitweise im Griff hatten.

4. Die selbstgerechte Kritik an Heideggers antisemitischen „Stellen“ verlangt auf ihrer Kehrseite die Anforderung der Reinheit und absoluten philosophisch-politischen Korrektheit des Denkens und der DenkerXinnen.

Die Maxime der Reinheit aber ist eine totalitäre Denkfigur. Denn es gibt keine Reinheit des Denkens und Handelns. Alles Denken und Handeln ist immer auch unrein, verdorben, böse, destruktiv, weil das Nichts im Sein als nichtenden Nichts da ist: „Mit dem Heilen zumal erscheint in der Lichtung des Seins das Böse“ (Über den Humanismus, S.51)

Deshalb sind wir alle und damit auch ich TrägerXinnen von rassistischen und/oder antisemitischen und/oder sexistischen und/oder homophoben Ressentiments, Vor-Urteilen und Denkfiguren. Wer es nicht ist, der werfe den ersten Stein.

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Und das sind die von der F.A.Z. vor einem Jahr zusammen-gestellten Stellen, die Heidegger als Nazi und Antisemiten „entlarven“: Die sechs Stellen enthalten explizit antisemitische Denkfiguren und transportieren antisemitische Ressentiments. Eine (geschrägte) Stelle transportiert anti-amerikanische Denkfiguren und Ressentiments. (im Text hervorgehoben durch WR)

Fundstelle:

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/martin-heideggers-schwarze-hefte-beweisen-den-antisemitismus-des-philosophen-12844017.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

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„Was jetzt geschieht, ist das Ende der Geschichte des großen Anfanges des abendländischen Menschen, in welchem Anfang der Mensch zur Wächterschaft des Seyns berufen wurde, um alsbald diese Berufung umzuwandeln in den Anspruch der Vor-stellung des Seienden in seinem machenschaftlichen Unwesen. (. . .) Sobald das Geschichtslose sich ,durchgesetzt‘ hat, beginnt die Zügellosigkeit des ,Historismus‘ -, das Bodenlose in den verschiedensten und gegensätzlichsten Gestalten gerät - ohne sich als gleichen Unwesens zu erkennen - in die äußerste Feindschaft und Zerstörungssucht. Und vielleicht ,siegt‘ in diesem ,Kampf‘, in dem um die Ziellosigkeit schlechthin gekämpft wird und der daher nur das Zerrbild des ,Kampfes‘ sein kann, die größere Bodenlosigkeit, die an nichts gebunden, alles sich dienstbar macht (das Judentum).“ (Überlegungen VIII, 1938/39)

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„Die höchste Form der Erklärung und deshalb immer noch Erklärung ist die Verklärung. Denn dieser geschichtslose, aber durch und durch historische Mensch ist keineswegs ein nüchterner Rechner, in ihm feierte die Romantik ihren höchsten Triumph; die Musik, das Wort- und Wahrheitslose, aber durch und durch Gerechnete und doch an das ,Leben‘, den Leib gehende, wird ,die‘ Kunst, die alle Künste in sich und um sich versammelt; d.h. die Kunst wird zur téchne im Sinne der Technik, politisch bestellt und berechenbar, ein Mittel unter anderen zur Handlichmachung des Vorhandenen und zwar in der Weise der Verklärung. ,Lohengrin‘ und immer wieder ,Lohengrin‘ und Panzerwagen und Flugzeuggeschwader gehören zusammen, sind dasselbe.“ (VIII)

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„Die ,Kultur‘ als Machtmittel sich anzueignen und damit sich behaupten und eine Überlegenheit vorgeben, ist im Grunde ein jüdisches Gebaren. Was folgt daraus für die Kulturpolitik als solche?“ (X)

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„Man predigt ,Blut und Boden‘ und betreibt eine Verstädterung und Zerstörung des Dorfes und des Hofes in Ausmaßen, wie sie vor kurzem noch niemand zu ahnen vermochte.“(XI)

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„Warum ist der ,Pragmatismus‘ eine ,Lehre‘ und ,Weltanschauung‘, die besonders in ,Amerika‘ ihre Ausbildung und Anhängerschaft fand? Nicht weil die Amerikaner besonders auf das ,Nützliche‘ erpicht sind, sondern weil sie das Menschentum auf der rationalen Sicherung und Berechnung und weitgespannten Einrichtung und Planung aufbauen.“ (XII)

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„Die zeitweilige Machtsteigerung des Judentums aber hat darin ihren Grund, daß die Metaphysik des Abendlandes, zumal in ihrer neuzeitlichen Entfaltung, die Ansatzstelle bot für das Sichbreitmachen einer sonst leeren Rationalität und Rechenfähigkeit, die sich auf solchem Wege eine Unterkunft im ,Geist‘ verschaffte, ohne die verborgenen Entscheidungsbezirke von sich aus je fassen zu können. Je ursprünglicher und anfänglicher die künftigen Entscheidungen und Fragen werden, um so unzugänglicher bleiben sie dieser ,Rasse‘.“ (XII, 1939)

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„Die Juden ,leben‘ bei ihrer betont rechnerischen Begabung am längsten schon nach dem Rasseprinzip, weshalb sie sich auch am heftigsten gegen die uneingeschränkte Anwendung zur Wehr setzen.“ (XII)

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„Gleich wahnwitzig - d.h. Verkehrung innerster Wesensverhältnisse - ist es, den Bolschewismus durch das Rasseprinzip bekämpfen zu wollen (als ob nicht beide in grundverschiedener Gestalt doch dieselbe metaphysische Wurzel hätten) und das Russentum durch den Faschismus zu retten trachten, (als ob nicht beides durch einen Abgrund verschieden, jede Wesenseinheit ausschlösse.) (XII)

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„Die Spitze der Technik ist nicht erreicht in der vollendeten Einrichtung von Maschine und Motor, sondern dann, wenn der ,Mythos‘ und was man so nennt, zum Gegenstand der Berechnung gemacht wird und das Tragische der dramaturgischen Errechnung ausgeliefert wird.“ (XIV, 1940/41)

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„Die Frage nach der Rolle des Weltjudentums ist keine rassische, sondern die metaphysische Frage nach der Art von Menschentümlichkeit, die schlechthin ungebunden die Entwurzelung alles Seienden aus dem Sein als ,weltgeschichtliche‘ Aufgabe übernehmen kann.“ (XIV, 1940)

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„Das Weltjudentum, aufgestachelt durch die aus Deutschland herausgelassenen Emigranten, ist überall unfaßbar und braucht sich bei aller Machtentfaltung nirgends an kriegerischen Handlungen zu beteiligen, wogegen uns nur bleibt, das beste Blut der Besten des eigenen Volkes zu opfern.“ (XV, 1941)

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Ciao, Wolfgang Ratzel

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Wolfgang Ratzel

Aus einem drängenden Endbewusstsein entsteht der übermäßige Gedanke an einen anderen Anfang.

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