STREITGESPRÄCH: DER ESKAPISMUS DER PIRATEN

Einladung und mehr - Streitgespräch zwischen Albrecht von Lucke (Blätter für deutsche und internationale Politik) und Andreas Pittrich (Piratenpartei Friedrichshain/Kreuzberg)

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Autonomes Seminar an der Humboldt-Universität zu Berlin – seit 1998 - Das Autonome Seminar wird ehrenamtlich organisiert und ist offen für alle.

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Berlin-Pankow, den 03. Dezember 2012

Einladung zum Streitgespräch zwischen Albrecht von Lucke (Blätter für deutsche und internationale Politik) und Andreas Pittrich (Piratenpartei Friedrichshain/Kreuzberg)

Streit-Thema: Flucht ins Reich der Freiheit: Der Eskapismus der Piraten

Mit Diskussion - Moderation: Wolfgang Ratzel (Initiative für eine Politische Plattform des Anderen Anfangs)

Termin: Donnerstag, 6.12.2012 - 18:00 c.t. bis 20:00 Uhr

Ort: Seminargebäude der Humboldt-Universität in der Invalidenstrasse 110, 10115 Berlin (bei U6-Bf Naturkundemuseum) – Raum 293

Albrecht von Lucke (Redakteur der www.blaetter.de )vertritt folgende Thesen:

Die Piraten verkörpern einen dramatischen kulturellen und generationellen Bruch, speziell mit der scheinbar naturwüchsigen Dominanz grüner Themen bei den Heranwachsenden. Aber mehr noch: Sie stellen die Wertigkeit der Themen insgesamt auf den Kopf. Im Ergebnis verheißen die Piraten eine Utopie im neuen, virtuellen Raum, ohne sich mit den Begrenzungen des alten, materiellen Raums auseinandersetzen zu müssen. Hinter dem Aufschwung der Piraten verbirgt sich somit auch eine Flucht aus den eigentlich entscheidenden Debatten der Gegenwart. Denn der Cyberspace – als die angebliche „digitale Heimat“ der Piraten – ist grenzenlos. Nur auf Erden ist alles endlich und damit ständigen Verteilungskämpfen ausgesetzt. „Alles ist durch die Digitalisierung verändert worden“, lautet der neue Totalitätsanspruch der Piraten. Dabei wird völlig verdrängt, dass sich die ökologische Begrenztheit des Planeten überhaupt nicht verändert hat, sondern heute im Gegenteil immer deutlicher wird.

Die Piraten als wichtigste parteipolitische Bewegung der jüngeren Geschichte sind damit ein explizites Gegenmodell zu den Grünen. Deren Gründung Ende der 70er Jahre war ja gerade auch eine Antwort auf das Versagen ihrer utopiefixierten Vorgänger. Während die alte, marxistische Linke auf das Reich der Freiheit als klassenlose Gesellschaft – und letztlich auf das Ende der Politik, das Absterben des Staates – zielte, stellten Friedens-, Frauen- und Anti-Atombewegung die linken Themen vom Kopf auf die Füße. Diese Neue Linke beschäftigte sich dezidiert mit den irdischen Fragen, nämlich der Überlebensfähigkeit des Menschen und seines Planeten, sprich: den Grenzen des Wachstums. Daher resultiert bis heute die Fortschrittsskepsis der Grünen, ja auch ihr inhärenter Konservatismus.

Die Piraten beschreiten nun den umgekehrten Weg: Als neues Entgrenzungsprojekt flüchten sie aus dem irdischen Reich der Notwendigkeit in das virtuelle Reich der Freiheit, das sie mit wilder Unbedingtheit verteidigen. Mit ihrer Technikbegeisterung beerben sie den naiven Fortschrittsoptimismus der alten Linken. Die sogenannten digitale natives, die angeblich in der digitalen Welt Geborenen, haben sich mental von der natürlichen Umwelt (als Lebensraum wie als originärem Produktionsmittel) genauso abgekoppelt wie der virtuelle Finanzkapitalismus vom produzierenden Kapital. Damit aber entziehen sie sich „der“ zentralen politischen Zukunftsfrage nach einem nachhaltigen Umgang mit den ökologischen Grenzen des Planeten. Werden sie dafür vom Wähler belohnt? Das ist die offene Frage.

Die Longversion seiner Argumentation kann nachgelesen werden unter:

http://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2012/august/die-verfluessigung-der-gruenen?print

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Nachlese zur Einführung von Franziska Henning: „Philosophieren mit Kindern – die Vielfalt des Nichts.“

- Anwesend waren 23 menschliche TeilnehmerInnen und erstmals 1 Hund (kynòs) – dazu kommen zwei entschuldigte Menschen - das ist Wintersemesterrekord.

- In der „Blauen Spendendose“ lagen 9,70 Euro.

In diesem Zusammenhang schreibt Petra Sch.: „Das schönste Buch, das ich dazu kenne, ist von Astrid Lindgren "Die Brüder Löwenherz".“

Uta schreibt: „Übrigens - die Philosophie für Kinder gestern war einzigartig gut.“

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Vorschau: Einladung zum Lektürekurs „Die Frage nach dem Nichts“. Wir lesen weiter im Text von Hisamatsu: „Die Fülle des Nichts – Vom Wesen des Zen.“

Wer einsteigen will, möge es mir bitte mitteilen, damit ich Text-Kopien mitbringen kann.

Zeit: Do, 13.12.2012, 18:00 – 20 Uhr – Ort wie oben.

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Empfehlungen von Listenmitgliedern

- Einladung von Wolfgang zum Gesprächsvortrag an der Volkshochschule Pankow:

Thema: „21.12.2012 – In 14 Tagen findet der Weltuntergang statt! Über die Faszinationskraft der Apokalypse“

Ich werde versuchen, die Faszinationskraft der Erzählungen und Bilder von Untergang und Anderem Anfang zu begründen. Warum war die Denkfigur der Apokalypse imstande, abermillionen Menschen und gerade auch politische und sozialrevolutionäre Bewegungen zu beflügeln? Für die TeilnehmerInnen des Offenen Seminars am SoSe 2012 wäre das eine kompakte Wiederholung.

Darüberhinaus frage ich nach dem Realitätsgehalt der spätmodernen Weltuntergangsvisionen, und zwar anhand des Buchs von

John Casti: „Der plötzliche Kollaps von allem. Wie extreme Ereignisse (X-Events) unsere Zukunft zerstören können“. Piper Verlag - 397 Seiten - 22,99 Euro.

Der Autor ist Mathematiker. Er beweist, dass plötzliche Zusammenbrüche (wie z.B. die Finanzkrise) aus der Überkomplexität von Systemen herrühren, die -weil sie überkomplex sind- nicht mehr vom Menschen gesteuert werden können: Nicht wir steuern es - es steuert uns! Die Rettung könnte im Herunterfahren der Komplexität, d.h in der "Rückkehr zu einer einfacheren Lebensweise" (Casti, S.70) bestehen. Ich werde seine Argumentation im Gesprächsvortrag vom 8.12.2012 vorstellen.

Wer dabei sein will, kann sich wie folgt anmelden:

Kurs Pa1018-H "In 14 Tagen findet der Weltuntergang statt!"

Freitag, 7.12.2012, 18:00 bis 21:00 Uhr - entgeltfrei

VHS-Haffner-Zentraum , Prenzlauer Allee 227, Raum 01 (Vorderhaus direkt an der Straße).

Anmeldung: www.vhspankow.de - Per Post: VHS Pankow, Schulstrasse 29, 13187 Berlin

(im Notfall auch direkt an mich: wolfgang.ratzel@t-online.de )

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Dazu passend noch ein Video und ein Artikel aus der Zeitschrift „Rolling Stone“:

Rolling Stones: Apokalypse im neuen Video zu "Doom And Gloom"

von Cathrin Schmiegel in: Rolling Stone vom 21. NOVEMBER 2012

Zombies, Drogen und Apokalypse im neuen Video zum schreddernden Uptempo-Song "Doom And Gloom". Hier kann man sich das Video ansehen (Leider können wir nicht sagen, ob es bald wieder gesperrt wird):

http://www.rollingstone.de/news/meldungen/article336680/rolling-stones-apokalypse-im-neuen-video-zu-doom-and-gloom.html

„Im Video zu "Doom And Gloom" […] dreht sich alles um das Motto Apokalypse, Tod und Verfall. Der Uptempo-Sound inklusive wie schreiend klingender Gitarren wird mit Bildern um das Thema Klassenkrieg, Crack und Chaos untermalt. Mit der ersten Vermutung liegt man ganz richtig: Es geht blutig zu. Als Erhabene über die Szenerie geben die Stones irgendwo abseits ein Konzert, wie es scheint für sich alleine. Einem fidelen Mick Jagger ist das egal. Die Rolling Stones als vielleicht letzte Überlebende? Gar nicht mal so falsch, wenn man das jetzt rockgeschichtlich betrachten möchte.

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- Und so wird der Weltuntergang durch die Tourismus-Industrie vermarktet:

Wer den bevorstehenden Weltuntergang am 21. Dezember überlebt, sollte sich am darauffolgenden Tag auf den Weg nach Crans-Montana (Schweiz) machen. Das Unterwalliser Skigebiet bietet seinen Gästen nach der Apokalypse gratis Skifahren an. Der Ferienort Crans-Montana bietet den Überlebenden am Tag nach der Apokalypse kostenlosen Zugang zu allen Anlagen im Skigebiet. Sogar die Busse sind gratis.

Fundstelle: http://www.1815.ch/wallis/aktuell/skigebiet-feiert-neuanfang-nach-dem-weltuntergang--84670.html

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- Film-Empfehlung der HUB-Fachschaft Philosophie: Am Dienstag, den 4. 12. 2012, zeigen wir um 20:00 Uhr im Raum 2014a (Hauptgebäude UL6) im Rahmen des Philosophischen Kinos den Film "π".

„Der in grobkörnigem Schwarzweiß gehaltene Film handelt vom paranoiden Mathematik-Genie Maximillian Cohen, der glaubt, alles in der Natur könne anhand von Zahlen verstanden werden.“ - Mehr: http://de.wikipedia.org/wiki/Pi

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- Empfehlung von Kirsten:

Filmpremiere: „Der Friedhofspark Pappelallee in Berlin Prenzlauer Berg" - Ein Film von Gertraud Krüger im Auftrag des Zentrums zur Erforschung der freireligiösen Bewegung - Am Dienstag, dem 8. Januar 2013, um 18 Uhr, in der ehemaligen Feierhalle der Freireligiösen Gemeinde Berlin, heute Ballhaus Ost, Pappelallee 15.

Fragen und Diskussion nach dem Film - Eintritt frei

Gertraud Krüger hat in Zusammenarbeit mit dem Zentrum zur Erforschung der Freireligiösen Bewegung eine informative und poetische Gesamtschau der Geschichte des 1847 angelegten ehemaligen Friedhofs der Freireligiösen Gemeinde Berlins geschaffen. Im Zirkel eines Jahres hat sie die Angelegenheiten des Friedhofsparks filmisch begleitet und auf diese Weise die Besonderheit dieses kulturhistorischen Ortes herausgearbeitet. Der ehemalige Dissidentenfriedhof ist seit 1995 ein Gartendenkmal. Der Film lässt anhand politischer, kulturhistorischer und biographischer Skizzen die Geschichte der politisch aufmüpfigen Freigeister anklingen. So nimmt der Film nicht nur Bezug auf die Geschichte der freigeistigen Bewegung, sondern bildet Elemente der Berlin-Geschichte und speziell auch Teile der Geschichte der Arbeiterbewegung ab.

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- Drei Empfehlungen von Oliver:

Erstens: Fernmeldeunion will Internet regulieren: Netztechnokraten unter sich!

Auf der Konferenz der Internationalen Fernmeldeunion wird diskutiert, ob Regierungen das Internet verwalten sollen. Google organisiert eine Kampagne dagegen.

http://www.taz.de/Fernmeldeunion-will-Internet-regulieren/!106088/

Zweitens: Iran: Internetzugang nur noch über den Check biometrischer Daten

Ziel ist die Totalüberwachung. Künftig sollen Bürger nur noch mit dem persönlichen Fingerabdruck durchs Internet. Der Iran will das durchsetzen. Auch im Netz soll niemand mehr unerkannt bleiben.

http://www.geolitico.de/2012/11/24/internetzugang-nur-noch-uber-den-check-biometrischer-daten/

Drittens: 532 Milliarden Dollar an Subventionen bekamen die fossilen Energieträger im Jahr 2011 weltweit.

Das ist nicht nur 30 Prozent mehr als im Jahr zuvor, sondern auch das sechsfache der Summe für erneuerbare Energien. Reden wir doch mal darüber.

http://www.heise.de/tr/blog/artikel/532-Milliarden-Dollar-1756392.html

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ciao, Wolfgang Ratzel

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Wolfgang Ratzel

Aus einem drängenden Endbewusstsein entsteht der übermäßige Gedanke an einen anderen Anfang.

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