Tagebuch der Menschheitsdämmerung - 9.7.2012

Szenarios - Das Tagebuch versammelt wesentliche Nachrichten vom Untergang und Anderen Anfang und verbindet sie mit pragmatischen politischen Handlungsperspektiven.

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I. Die Verhältnisse beherrschen uns – nicht wir sie!

Über die Illusion, Subjekt, d.h. Maß aller Dinge zu sein

I.1. Unaufhaltsam kommt der Tsunami-Müll herangeschwommen!

Der Tsunami vom März 2011, ausgelöst durch das Tohoku-Erd- und Seebeben vom 11.März 2011 forderte 15.863 Tote und 2.949 Vermisste; dazu starben ungezählte Tiere. 120.000 Gebäude waren vollständig zerstört; 240.000 Gebäude stürzten teilweise ein; weitere 670.000 Häuser wurden teilweise beschädigt; 3.572 Straßen und 77 Brücken wurden beschädigt; nicht zu vergessen die drei menschenverursachten Kernschmelzen im Kernkraftwerk Fukushima Daiiichi (Fukushima I). Als Folge der Verstrahlungen mussten 100.000 bis 150.000 Einwohner das Gebiet vorübergehend oder dauerhaft verlassen. Hunderttausende in landwirtschaftlichen Betrieben zurückgelassene Tiere verendeten auf grauenhafte Weise.

Insgesamt wurden 4,5 Millionen Tonnen Trümmer ins Meer gespült, davon versanken zwei Drittel auf den Meersgrund. Ein Drittel des Mülls erwies sich als schwimmfähig.

15 Monate später: An Kanadas Pazifikküste, zum Beispiel an den Inseln von Haida Gwaii, aber auch an der US-Westküste, sammelt sich der Tsunami-Müll aus dem 9.000 km entfernten Japan, darunter ein „Geisterschiff“, Kühlschränke, eine Harley Davidson und ein kompletter Bootssteg. Es sind die Vorboten eines Müllteppichs, der 4.000 km lang und 1.000 km breit ist, und der im Moment nördlich von Hawai treibt. Darin schwimmen 1,5 Millionen Tonnen Müll, der aus dem Inventar der zerstörten Gebäude stammt. Man befürchtet, dass der heranschwimmende Müll radioaktiv verseucht ist. Diese ungeheuren Müllmassen werden einfach nicht wahrgenommen. Man schaut weg (wie immer). (BLZ, 4.7.12)

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I.2. Klimaerwärmung begünstigt Erdbeben

Im Buch „Waking the Giant“ entwickelt der britische Geologe Bill McGuire ein Szenario, „indem der Mensch durch die ungebremste Emission von Treibhausgasen schlafende Monster aufweckt. Erdbeben, Vulkanausbrüche, Hangrutschungen unter Wasser und auch Tsunamis könnten sich in Teilen der Welt in Zukunft häufen.“

Nur ein Beispiel von komplexen Wirkungszusammenhängen, die niemand berechnen oder steuern kann: Durch das Abschmelzen der Eispanzer dehnt sich die Erdkruste aus – sie federt nach oben und verändert die Spannungsverhältnisse in den geologischen Störungszonen. Je weniger Belastung der Erdkruste durch Eis, desto mehr Erdbeben.

Oder: Eine dicke Eiskappe über den Vulkanen wirkt sich auf die Magma-Produktion aus: Je dicker und schwerer, desto weniger Magmaproduktion – und umgekehrt. Mehr unter:

http://www.fr-online.de/wissenschaft/klimaerwaermung-schlafendes-monster,1472788,16546232.html

Politische Schlussfolgerung: Strikte Deckelung des CO2-Jahresverbrauchs pro Person auf 2 Tonnen. Das ist nach Auskunft des Weltklimarats die Menge CO2, die das Weltklima „verträgt“. Die Deutschen kamen 2011 aber schon auf zwölf Tonnen. Die SchweizerInnen verbrauchen gar 14,3 Tonnen (jeweils inklusive CO2-Folgen des Konsums von importierten Waren).

Mehr unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Länderliste_CO2-Emission

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I.3. Stell Dir vor, Dein Haus brennt und keine Feuerwehr kommt

Berlin: In der Nacht zum Sonntag, den 1.7.2012, wurden im Himmel über Berlin 8.000 Blitze gezählt, 3.000 Blitze allein in der halben Stunde zwischen 2:30 und 3:00 Uhr. Die Blitze lösten reihenweise Fehlalarme der automatischen Brandmeldeanlagen aus, vor allem nach Mitternacht. Aus Büros, Hotels oder Krankenhäuser kamen über 30 Fehlalarme. Die Feuerwehr war überfordert. In Tempelhof brannte ein Reihenhaus ab, weil die Löschzüge zu Fehlalarmen rasten. Gewitterblitze zucken mit 100 Megavolt (100 Millionen Volt) durch die Luft. Wahrscheinlich reagieren die Automaten auf die statisch aufgeladene Luft. (BLZ, 3.7.12)

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I.4. Die Zukunft - Artificial Intelligence! (Empfehlung von Annamaria)

http://youtu.be/bpzK45P8YLM -

Artificial intelligence! Mmm! Ten years from now, who knows? they might be sitting us on a chair!

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II. Steuerlast und Staatsschuldenkrise

II.1 Steuerlast wie nie zuvor

In Italien erreicht die offizielle Quote der Steuern und Zwangsabgaben knapp 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), wobei in Italien die Wertschöpfung der Schattenwirtschaft - immerhin 23 % des BIP- mitgerechnet wird. Da die Schattenwirtschaft keine Steuern bezahlt, liegt die Steuerquote schon jetzt weit über 50 % des BIP. Das durchschnittliche Jahresnetto-einkommen pro Haushalt liegt bei 22.027 Dollar (fallend); das durchschnittliche verfügbare Einkommen bei 19.495 Euro (fallend - mit starker Spreizung zwischen Nord und Süditalien) (NZZ 7.7.12)

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II.2. Deutsche Schulden bei über 2 Billionen Euro:

Die Schulden von Bund, Länder und Gemeinden summierten sich am 31.3.2012 auf genau 2.042 Billionen Euro. Das sind 42, 3 Milliarden Euro (2,1%) mehr als vor einem Jahr. Und das trotz Steuereinnahmen in Rekordhöhe und extrem niedrigen Zinskosten, teilweise sogar Null-Zinsen auf deutsche Staatsanleihen. Und es geht weiter so: Allein die Neuverschuldung des Bundes soll um 32,1 Milliarden Euro steigen.

Im Einzelnen: Verschuldung Bund: 1.286 Milliarden Euro; Verschuldung Länder: 622,7 Milliarden Euro; Verschuldung Gemeinden: 133 Milliarden Euro.

Die Bundesregierung hat also keinen Grund, sich als Vorbild für andere Schuldenstaaten herauszuputzen. Darüberhinaus gibt es Länder wie Berlin und die ostdeutschen Länder, die nur über den Länderfinanzausgleich überleben können. Griechenland ist längst hier angekommen.

Achtung: Die Verbindlichkeiten der Kommunalen Zweckverbände und der Sozialversicherungen sind in der Statistik NICHT enthalten. Und auch nicht die Leistungen, die in der Zukunft anfallen (z.B. Pensionslasten), und für die keine Rückstellungen gebildet sind. Die offiziellen Zahlen sind also nur die Oberfläche, unter der weitere Verschuldungen lauern.

Politische Schlussfolgerungen: Kurzfristiges absolutes Verschuldungsverbot. Einkommenssteuerreform, d.h. Deckelung der Bruttomonatseinkommen ab 100.000 Euro. Deckelung der Vermögen durch Vermögenssteuer.

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III. Lebensformen

III.1. An der Lebensform und am Lebensstil der Reichen und Mittelschichten geht Welt und Erde zugrunde!

Die Schweiz zählte am 31. Dezember 2011 genau 7'952'600 EinwohnerInnen, davon 1'814'800 (23 %) ausländischer Herkunft. (Zum Vergleich: 81,859 Mio Deutsche, 18.7 % mit Migrationshintergrund).

Die Schweizer Bevölkerung wächst jährlich um 1 Prozent der Wohnbevölkerung, das entspricht 80.000 Menschen (Deutschland wuchs von 2010/11 nur noch um 0,13 %).

Zwischen 1980 und 2010 wuchs die Wohnfläche pro Person von 34 qm auf 48 qm. Die Siedlungsfläche nahm zwischen 1983 und 2007 um 24 Prozent zu – bei einem Bevölkerungswachstum von 18,3 %. In dieser Periode wuchs die Wohnfläche um 32 %

Zugenommen haben auch die Distanzen zwischen Wohn- und Arbeitsorten: zwischen 1994 und 2010 von 31,8 auf 36,7 km pro Tag, und zwar nach der Formel: „Je höher das Einkommen, desto größer die Pendlerdistanz.“ Man kann sich leicht ausrechnen, wann das Schweizer Mittelland zwischen Jura im Westen und Norden und den Alpen im Süden zu einer einzigen Agglomeration zuwuchert. (NZZ, 7.7.2012)

Politische Schlussfolgerungen: Deckelung von Wohnraum- und Siedlungsfläche, insbesondere Stopp des Zweit- und Drittwohnungsbaus. Naturnahe Landschaftsplanung und Rück- und Umbau naturferner Räume.

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IV. Widerstand

IV.1. SeniorInnen besetzten ihre Begegnungsstätte „Stille Straße 10“ in Berlin-Pankow!

Die Besetzung war die Reaktion auf den Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Pankow, den Treff aus Kostengründen zu schließen. Unsere Alten sind nunmehr die einzigen PankowerInnen, die die Kürzungen voll treffen. Alle anderen Kürzungen wurden „abgefedert“.

Der Treff wird wöchentlich von ca. 320 älteren Frauen und Männern besucht. Sie sollen nach dem Willen der BVV in 29 Gruppen zwangsweise auf andere Einrichtungen aufgeteilt werden. Es geht um 50.000 Euro Betriebskosten, die der Bezirk nicht übernehmen will. Dazu soll Sanierungsbedarf bestehen. Die CDU, SPD, die Grünen und die Piratenpartei (Jan Schrecker) haben der Schließung zugestimmt; allein „Die Linke“ hat sie abgelehnt.

Die Nachbarschaft und SchülerInnen unterstützen die Besetzung. Der amtierende Bezirksbürgermeister, Jens-Holger Kirchner (Die Grünen), schließt „im Moment“ eine polizeiliche Räumung aus.

Die Ansprechpartnerin, Clubvorsitzende Doris Syrbe (72 Jahre), sagt: „Wir haben keine Angst und machen weiter wie bisher“ – Andere BesetzerInnen sagen: Wir bleiben bis zum bitteren Ende, noch haben wir die benötigte Kraft.

Anschrift für Briefpost: Freizeit- und Begegnungsstätte, Stille Straße 10 , 13156 Berlin,

Solidaritätsbekundungen unter Telefon 030 / 4851010

Erreichbar mit Tram M1, Haltestelle Hermann- Hesse-Straße/Waldstraße

Solidaritätsvideo: http://pankowsolidaritaet.wordpress.com/erklaerung/stille-strasse/

Noch ist Stille Straße nicht verloren!

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V. Inobhutnahme

V.1. Einstellungstopp beim Bundesfreiwilligendienst (BuFDi)

Alle Altersklassen, nicht nur Jugendliche, können im BuFDi gemeinwohlorientiert arbeiten. Aber die 35.000 Stellen sind besetzt. Es herrscht quasi Einstellungsstopp bis zum Jahresende.

Denn der Zuspruch war (zu) groß: Am 29.2.2012 waren 26.045 Bufdis unter 27 Jahre alt; 5.966 waren zwischen 27 bis 50 Jahre alt; 3.890 waren 51 bis 60 Jahre alt und 1.895 über 60 Jahre alt. Grund zur Freude: „Wir haben doppelt so viele Anfragen wie zu vergebende Stellen“, sagt Daniela Schönwälder, Pressesprecherin des deutschen Städtetags. Der Bedarf liegt bei 105.000 Stellen, finanziert werden aber nur 70.000 Stellen - je 35.000 Stellen im BuFDi und im Freiwilligen Sozialen und Ökologischen Jahr. Skandal: Die Bundesregierung will, unterstützt durch ALLE Bundestagsfraktionen, den Etat von 254 Millionen Euro NICHT aufstocken. Es gibt keine parlamentarische Kraft, die den Ausbau der Freiwilligendienste will!

Politische Schlussfolgerung: Gesetzliche Stellengarantie für Arbeit im Bundesfreiwilligendienst, dem Sozialen und Ökologischen Jahr sowie im Europäischen und Internationalen Freiwilligendienst!

Wer gemeinwohlorientiert arbeiten will, muss gemeinwohlorientiert arbeiten können!

.......................................... Finis .............................................


Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Wolfgang Ratzel

Aus einem drängenden Endbewusstsein entsteht der übermäßige Gedanke an einen anderen Anfang.

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