Wieviele Geschlechter hat der Mensch?

- Einladungen und Hinweis auf Orientierungs- und Vorbereitungstexte

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„tà megála pánta episphale - Alles Große neigt zum Fallen“ (Platon, Politeia)

SPUREN_SUCHE 2/2013 - Spurensuche nach einer Lebens- und Politikform jenseits des Wertdenkens - in memoriam Heidegger-Nietzsche-Arendt-Foucault-Agamben-Laotse-Zen

Verantwortlich und Infos: Wolfgang Ratzel, Tel. 030-42857090 - eMail: autonomes.seminar@t-online.de - http://autonomes-seminar-humboldt.webs.com/

Berlin, den 20.11.2013

Einladung zum Gesprächsvortrag:

Wieviele Geschlechter hat der Mensch?

Donnerstag, 21. November 2013 - 18:30 bis 20:30 Uhr - Seminargebäude der Humboldt-Uni, Invalidenstrasse 110, Raum 293 (beim U6-Bf Naturkundemuseum)

Die Anerkennung des 3. Geschlechts läuft über die Änderung des § 22 Personenstandsgesetz zum 1.11.2013 - in dürrsten Worten wird ein dritter Absatz eingefügt:

„Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne ein eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen.“

Methode: An die Frage „Wieviele Geschlechter hat der Mensch“ gehe ich phänomenologisch-historisch heran. Die Frage fragt nämlich nach der Wahrheit unseres Daseins in der Welt. Hinsichtlich des Wahrheits-Begriffs orientiere ich mich an Heideggers Auslegung, die wie folgt klingt:

„Die Aussage ist wahr, bedeutet: sie entdeckt das Seiende an ihm selbst. Sie sagt aus, sie zeigt auf, sie >lässt sehen< (apóphanasis) das Seiende in seiner Entdecktheit. Wahrsein (Wahrheit) einer Aussage muss verstanden werden als entdeckend-sein. Wahrheit hat also gar nicht die Struktur einer Übereinstimmung zwischen Erkennen und Gegenstand im Sinne einer Angleichung eines Seienden (Subjekt) an ein anderes (Objekt).“ (Martin Heidegger: Sein und Zeit, § 44 (a), S.218).

Wenn nun Wahrheit die Entdeckung und das Entdecktsein eines Sich-zeigenden meint, dann kann wohl kaum bestritten werden, dass sich das Menschliche u.a. in der Seinsweise des Geschlechts zeigt; d.h. der Mensch lebt sein Leben in der Welt auch als geschlechtliches Wesen.

Die Seinsweise des Geschlechts wiederum entbirgt sich in der Verfassung dessen,

- was als „männlich“ gilt,

- was als „weiblich“ gilt,

- was weder als männlich noch weiblich gilt.

- Und sie zeigt sich in der Abwesenheit von Geschlecht.

Wenn der Mensch ein Möglichkeitswesen ist, das in der Lage ist, sich selbst zu überschreiten, dann kann der Mensch aus dem, was als „männlich“, „weiblich“ usw. gilt, herausspringen. Er kann sich aus dem Gefängnis einer Geschlechtsidentität zu einer anderen oder offenen oder keiner Geschlechtlichkeit befreien.

Wenn der vom Willen der Macht geprägte Subjekt-Mensch aus eigener Machtvollkommenheit die Seinsweise des Geschlechts als zweigeschlechtlich bestimmt, dann gleicht er willkürlich und gewaltsam die Vielfalt der geschlechtlichen Seinsweisen an seine Vorstellung von Geschlecht an.

Summa: Die vielgeschlechtliche Seinsweise des Menschen kann nur erkannt werden, wenn wir den Standpunkt der Subjektivität verlassen und uns darauf einlassen, das zu sehen, was sich von sich aus sehen lässt.

Bezogen auf das Geschlecht bedeutet das: Das Dasein zeigt sich von sich aus als Geschlecht, und das Geschlecht zeigt sich von sich aus als vielgeschlechtliches Geschlecht.

Ergo: Eine Lebens- und Politikform, die sich der Wahrheit verpflichtet fühlt und das Wahre lebt, muss die Vielgeschlechtlichkeit des Menschen nicht nur zulassen, sondern alles tun, damit sie zur Entfaltung kommt.

(So oder so ähnlich werde ich morgen argumentieren – wenn jemand eine Gegenrede sagen will, ist das höchst willkommen)

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Davor um 17:00 – 18:15 Uhr ereignet sich Kirstens Übung „Osteopathisches Yoga“ – wie gehabt im Raum 293 – ehrenamtlich und offen für alle – Bitte Unterlage (und falls vorhanden auch Yoga-Blocks) mitbringen.

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Es folgt Material zur Orientierung- und Vorbereitung. Wegen des Umfangs der Texte bitte bei Interesse bestellen (kostenfrei) unter: autonomes.seminar@t-online.de

Material zur Orientierung- und Vorbereitung:

- „Das unbestimmte Geschlecht“ - Von: Gerhard Hafner - In: „der Freitag“

- „Geschlechter im deutschen Recht - Männlich, weiblich, unbestimmt“ - Von Heribert Prantl - In: Süddeutsche Zeitung

- „Intersexualität - Das dritte ist ein offenes Geschlecht“ - In: F.A.Z.- von Helene Bubrowski

- „Geschlechtsmerkmal unbestimmt: Mary-Welby ist ein Neutrum“

- „Weder Mann noch Frau“ - In: Kölner Stadtanzeiger vom 3.7.2013

- „Wichtig ist die Souveränität über den eigenen Körper - Sexualwissenschaftlerin kritisiert frühe Operationen bei Intersexuellen - Katinka Schweizer im Gespräch mit Matthias Hanselmann“

- „Weder Mann noch Frau – Intersexualität in Mainz und Rheinhessen“ – In: Rhein-Zeitung

- Dido kommentiert

- Pressemitteilung von Transgender Europe (TGEU) zum neuen Gesetz

- Kleine Übersicht über „Betroffenenorganisationen“ und Literatur

- Kommentar aus dem katholischen Spektrum: „Intersex: Deutschland führt ab 1. November "drittes" Geschlecht ein – Homo- und Genderideologen jubeln“ - Von Giuseppe Nardi – In: Katholisches.info - Magazin für Kirche und Kultur

- Über die Dreigeschlechtlichkeit im frühen Denken (Mythos): Der Kugelmenschen-Mythos

- Eine kleine Debatte im AutS-Blog

- Reaktionen aus der AutS-eMail-Liste auf die AutS-Kurzinfo vom 1.11.2013:

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ciao, Wolfgang Ratzel

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Wolfgang Ratzel

Aus einem drängenden Endbewusstsein entsteht der übermäßige Gedanke an einen anderen Anfang.

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