Auch wenn‘s schwerfällt

GroKo Der Maaßen-Komplex ist die nächste folgenlose Koalitionskrise, die Angela Merkels Machterhalt sichert
Ausgabe 38/2018
"Sei fest wie Eisen und weich wie Wachs, So zwingst du schließlich den frechsten Dachs!" (Friedrich von Bodelschwingh)
"Sei fest wie Eisen und weich wie Wachs, So zwingst du schließlich den frechsten Dachs!" (Friedrich von Bodelschwingh)

Foto: imagp/epd

Schade! Hätte Hans-Georg Maaßen als künftiger Staatssekretär in Horst Seehofers Innenministerium auch die Zuständigkeit für die Geheimdienste erhalten, wäre das – satiretechnisch – das Sahnehäubchen seiner „Entlassung“ gewesen. So aber steigt Maaßen nur
um zwei Gehaltsstufen nach oben. Alle Beteiligten haben gewonnen. Und die Große Koalition kann nach wochenlanger Krise endlich weitermachen.

Wobei „machen“ die falsche Wortwahl ist. Denn von den 137 Vorhaben, die im Koaliti­onsvertrag stehen, sind bislang erst fünf umgesetzt, 78 wurden noch nicht einmal angefangen. Wie soll man auch arbeiten, wenn Seehofer und Merkel sich ständig zoffen!?

Die Union ist zerstritten, aber trotz aller Wut reicht es bislang nur zur geballten Faust in der Tasche. Erst nach den Landtagswahlen in Bayern wird es im Richtungsstreit richtig laut werden. Denn auf der Suche nach den Ursachen für das grottenschlechte Wahlergebnis der CSU wird nicht nur Horst Seehofer als Sündenbock herhalten müssen, es wird erneut um Angela Merkels „selbstmörderischen Linkskurs“ gehen. Die Kanzlerin, so Springers Welt über das Bauernopfer Maaßen, „hat sich für Kevin Kühnert und gegen Horst Seehofer entschieden“. Das ist die Stoßrichtung aller rechten Merkel-Kritik, und zwar von der konservativen Werte-Union in der CDU bis zum AfD-Rechtsaußen Gott­fried Curio. Merkel werde von Linken gesteuert, ergo: Merkel muss weg!

Eine Folge könnte sein, dass den Konservativen in der Union tatsächlich der Geduldsfaden reißt. Ihr Rechtsaußen-Flügel könnte sich abspalten und künftig der Sammlungsbewegung von Alexander Gauland folgen. Doch der rechte Flügel der Union ist kleiner, als es die ihn befeuernden Medien vorgaukeln.

Zwischen den Zeilen

Der Missmut über Merkels Führungsstil reicht freilich inzwischen bis weit in die Mitte hinein und breitet sich im ganzen Land aus. Selbst liberale Geister wie Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung rufen verzweifelt: „Es fehlt an Halt in einer haltlosen Zeit!“ Die CDU-Chefin weigere sich anzuzeigen, wo es langgehen soll, sie habe keine Idee für Europa, keine gegen Donald Trump, ja keinerlei Präferenz für irgendwas. Diese besorgten Liberalen brüllen zwar nicht „Merkel muss weg!“, aber sie schreiben es zwischen den Zeilen.

Die Besonnenen in der Union registrieren die nachlassende Unterstützung sehr wohl, aber sie wissen noch immer nicht, wie sie Angela Merkel loswerden sollen. In Koalitionskrisen ist es doppelt schwer, den eigenen Laden infrage zu stellen, deshalb sind Koalitionskrisen die beste Versicherung für Merkels Machterhalt. Je schlechter die GroKo dasteht – und sie steht in Umfragen enorm schlecht da –, desto folgenloser enden ihre Krisen, siehe Asylstreit, siehe Hans-Georg Maaßen. Solange bei Neuwahlen allen Beteiligten Verluste drohen, bleibt man zusammen, auch wenn‘s schwerfällt.

Ein Putschversuch – wie 1989 gegen Helmut Kohl – scheidet aus, weil das Karriererisiko unkalkulierbar ist. Also macht man sich hier und da ein wenig bemerkbar, durch eine lieb gemeinte „Kampfkandidatur“ gegen den ewigen Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (Ralph Brinkaus) oder durch einen ,frechen‘ Auftritt in der Bunten (Jens Spahn).

Gemäß dem chinesischen Sprichwort, das Vizekanzler Olaf Scholz auch der SPD als Verhaltensrichtlinie empfiehlt, werden alle GroKo-Beteiligten so lange am Fluss sitzen bleiben, bis die Leiche des Feindes vorbeischwimmt. Wobei die Leiche – wenn man lange genug wartet – auch die Demokratie sein kann.

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