Manchmal ist sogar die CSU gegen die Obergrenze. Dann nämlich, wenn es um Geldzuwendungen geht. An diesem Freitag will die Große Koalition die gesetzlich festgelegte Obergrenze für staatliche Zuschüsse an Parteien von 165 auf 190 Millionen Euro erhöhen. Das wären auf einen Schlag 15 Prozent mehr. Während der Regelsatz von Hartz IV am 1. Januar gerade mal um 1,7 Prozent stieg, reicht den Regierungsparteien der jährliche Inflationsausgleich nicht aus.
Ihren Mehrbedarf begründen sie mit den „horrenden Kosten“, die ihnen durch neue Medien und teure Mitgliederentscheide entstehen. Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssten sie künftig rund um die Uhr auf allen digitalen Plattformen präsent sein. Eine selbstbewusste Mitgliederschaft verlange immer häufiger Mitsprache bei Koalitionsverträgen und Spitzenkandidaten. Mehr Demokratie kostet.
Doch in Wirklichkeit geht es den Regierungsparteien nicht um den ehrenwerten Versuch, die internen und externen Willensbildungsprozesse zu verbessern. Die ganz im Geheimen vorbereitete Geldbeschaffungsaktion ist die erste Vorsorgemaßnahme für den nächsten Bundestagswahlkampf. Die Union weiß, dass sie für den Aufbau und die Durchsetzung eines Merkel-Nachfolgers oder einer Merkel-Nachfolgerin viel Geld in die Hand nehmen muss. Und die SPD lässt in ihrer soeben veröffentlichten „Fehler-Analyse“ des Schulz-Wahlkampfs durchblicken, wofür sie die zusätzlichen Millionen benötigt: Sie will das altmodisch und fehlerhaft arbeitende Willy-Brandt-Haus in ein „kommunikatives Kraftzentrum“ umbauen und mit den „notwendigen personellen Ressourcen ausstatten“. Sie will „die Besten-der-Besten-Campaigner“ einkaufen können und den „digitalen Bereich massiv ausbauen“. Den Parteiführungen geht es also weniger um Demokratisierung als um Zentralisierung.
Damit die Parteimitglieder und „die Menschen draußen im Lande“ aber nicht schon wieder zu murren beginnen, soll der dreiste Geldvermehrungsplan in Rekordzeit durchgezogen werden. Am 5. Juni hatten Kauder, Dobrindt und Nahles ihren Gesetzentwurf den Abgeordneten erstmals vorgelegt, in den Morgenstunden des 15. Juni wird ihn die GroKo-Mehrheit abnicken. Um 20 Uhr, wenn Spanien gegen Portugal kickt, soll alles vergessen sein.
Kommentare 12
Um den Staat den Parteien wieder zu entreißen, braucht es endlich eine Verfassungsgebende Versammlung wie es im GG von vor 1990 für den Fall der Wiedervereinigung vorgeschrieben war.
Die Selbstermaechtigung der Parteien kann nicht Verfassungskonform sein... ( fürs GG reicht es scheinbar)
was die WM nicht vergessen macht,
wird der angekurbelte alk-konsum platt machen:
der alk-anpfiff durch die discounter ist un-überseh-bar.
Es ist doch gut, daß wir diesen Selbstindikator der politischen Korruption haben. Man sollte ihn nur mehr ins öffentliche Licht rücken. Selbstverständlich ist die öffentliche Parteienfinanzierung im Prinzip gerechtfertigt. Es gibt zwar grundsätzliche Einwände gegen die repräsentative Demokratie (siehe den Kommentar von SaveTimE), wenn man diese politische Organisationsform für hochkomplexe Gesellschaften für unumgänglich hält, gibt es aber keine Alternative zum Parteienstaat. Dann macht es durchaus Sinn, die Parteien zu stärken, von Privatinteressen unabhängiger zu machen. Nur die Methode „wer hat, dem wird auch noch gegeben“ ist abwegig.
Da könnte man die öffentliche Parteienfinanzierung so reformieren, daß sie die lebendige, kritische Demokratie stärkt: Jede zugelassene Partei, die die x%-Hürde überspringt (sinnvoll wäre x<5%), erhält die gleiche Förderung, man könnte sogar bei großen Parteien die Förderung um einen gewissen Prozentsatz der Einnahmen aus Mitglieder- und Spendenbeiträgen kürzen. Solch ein Vorschlag ist allerdings unrealistisch, die großen Parteien werden sich gegen die Abschaffung ihrer Privilegien entschieden zur Wehr setzen, und sie haben die Mehrheit. So bleibt es wohl bei der demokratiepervertierenden Selbstbedienung.
Ja, alk, pardon Brot und Spiele – und im Hintergrund gute Geschäfte. Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins.
pardon: ich hätte schreiben sollen "die (un)erträgliche Leichtigkeit des Seins".
bei spon, faz.de, sueddeutsche.de ist es schon von der startseite verschwunden. die zeit erwähnt auf ihrer immerhin noch, dass die linke klagen will. stand 11.30 uhr, 14.6.
unfair! da fängt die spd endlich an, sich zu erneuern, und prompt kehren die freien medien es unter den rasen. oder so.
Frau Nahles zu erneuern ist eben eine ausgesprochen kostenintensive Angelegenheit!
Die großen Parteien teilen sich jetzt eben mal eigenhändig noch üppigere Rationen zu ... um die "bösen" Kleinen wegzuboxen. Anstatt konturierte politische Programmatik auszurufen, für oder gegen die man sich beim Wählen entscheiden kann, bieten sie jede Menge gummiartige Scheinüberzeugungen, die für die (überwiegend leider) unbedarfte Masse in der Wahlkampfrhetorik irgendwie noch gut klingen. Dabei sind sie beide, SPD und Union, klar neoliberal bestimmt. Dort werden fast bloß noch pseudopolitische Parolen gedroschen. "Dann-ist-das-aber-nicht-mehr-mein-gut-und-gerne-Land"-Merkel ist immer noch die bemerkenswerteste und bei weitem erfolgreichste Gallionsfigur dieser Art von Politikerkaste - noch, denn schon länger dämmert einer zunehmenden Zahl von Wählerinnen und Wählern der kolossale Beschiss. Die Linke hingegen kommt auch wieder nicht aus dem Quark. Und was kommt von sowas, wie war das nochmal vor 85 Jahren?
Im GG für den Fall der Wiedervereinigung "vorgeschrieben"? - Ist mir neu. Hieße dann aber, dass es sich entweder nicht um eine Wiedervereinigung gehandelt hätte oder dass man den damaligen Regierenden mit rechtsstaatlicher Verfolgung oder dem Widerstandsrecht beikommen könnte. Für mich beides abwegige Vorstellungen.
Die Bundestagsdrucksache 12/6000 bietet hierzu nicht nur relevante zeitgeschichtliche Einblicke, sondern auch eine mehrheitsdemokratische Erklärung: All die netten Vorschläge der Ostler wurden demokratisch korrekt und in seltener Einmütigkeit (damals waren große Koalitionen noch Ausnahmesituationen) von den Westabgeordneten niedergestimmt.
Na, auf diesen Selbstindikator würde ich gerne verzichten!
Meine Vorschläge dazu sind nicht neu, aber vielleicht wiederholenswert: Bindung der Abgeordnetenentschädigung an den Sozialhilferegelsatz durch Festlegen eines Vielfachen, im Gegenzug Abschaffung aller sonstigen Parteifinanzierungen einschließlich Fraktions- und Mitarbeiterfinanzierungen und Kostenpauschalen - Spenden und Mitgliederbeiträge sind selbstverständlich weiterhin erlaubt, dürfen aber nur von natürlichen Personen geleistet werden und müssen ab 1000 Euro veröffentlicht werden. Das gibt Abgeordneten die Rolle, die ihnen nach dem GG zukommt und stutzt die Rolle der Parteien auf Organisationen zurecht, die bei der politischen Willensbildung mitwirken - nicht dominieren und das lässt sie nicht zu Karriereorganisationen für Berufsfunktionäre werden.
Kann man das durchsetzen? Außerhalb der Parteien nicht: Volksbegehren auf Bundesebene sind nicht zulässig (und es gibt gute Gründe dafür) und über Finanzen darf sowieso nicht abgestimmt werden. - Da schützt sich der Parteienstaat vor seinen Bürgern ...
aber wie soll die SPD denn sonst die mit wähler-verlusten
einhergehenden ein-nahme-lücken stopfen?
und mit 15% sind kommende verluste bestimmt nicht zu decken!
Alleine das man es noch "Demokratie" nennt, zeigt wie indoktroniert eine Mehrheit im Westen ist.