Ran an die Eigentümer

Rundfunk Medien nehmen einen immer größeren Teil unseres Lebens ein. Im Wahlkampf sind sie aber kaum Thema. Das muss sich ändern
Ausgabe 32/2021
Medienpolitik spielt eine erstaunlich geringe Rolle im Wahlkampf. Dabei spielen die Medien selbst eine erstaunlich große Rolle für ihn
Medienpolitik spielt eine erstaunlich geringe Rolle im Wahlkampf. Dabei spielen die Medien selbst eine erstaunlich große Rolle für ihn

Foto: Imago/Photothek

Mehr als zwölf Stunden pro Tag verbringen wir inzwischen mit Medien, vor allem mit Fernsehen, Radio und Internet. Immer dudelt, quatscht oder pingt es irgendwo. Medien prägen und strukturieren unser Leben.

Trotzdem spielt Medienpolitik eine erstaunlich geringe Rolle im Wahlkampf. Vordergründig mag das daran liegen, dass Medienpolitik Ländersache ist, den Bund also nichts angeht. In Wirklichkeit wird Medienpolitik ausgespart, weil sie die Interessen der Medieneigentümer tangiert. Die nämlich mögen es nicht, wenn ihre Geschäftsinteressen in aller Öffentlichkeit diskutiert werden. Schon im 19. Jahrhundert galt der Verleger-Grundsatz: „In der Zeitung nichts über die Zeitung!“ Auch Medienkritik fristet hierzulande ein Schattendasein.

Das ist bedauerlich, denn die Medienszene der Republik befindet sich gerade in einem gewaltigen Umbruch. Das war besonders an zwei Entscheidungen der vergangenen Wochen zu erkennen: dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur künftigen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dem Beschluss des Medienkonzerns Bertelsmann, das Verlagshaus Gruner + Jahr – einst größter Zeitschriftenverlag Europas – mit RTL, dem größten privaten Rundfunkanbieter Europas, zu verschmelzen. Von einem „Wachstumsbündnis“ spricht Bertelsmann-Chef Thomas Rabe, doch de facto beschleunigt sich hier ein Konzentrationsprozess, dessen Endziel – wie bei den Tech-Giganten Google, Amazon oder Facebook – die Monopolisierung des Angebots ist. Alles aus einer Hand! Der Bertelsmann-Chef kann sich sogar vorstellen, in zwei, drei Jahren RTL mit Pro7/SAT.1 zu fusionieren, das wäre die ultimative Elefantenhochzeit auf dem „Markt“ der kommerziellen Rundfunkanbieter.

Was dem Springer-Konzern vom Bundeskartellamt vor 15 Jahren noch verweigert wurde, ist nun offenbar möglich, dank einer Politik, die sich in Mediendinge ungern einmischt, sonst hagelt es schlechte Presse. Auch die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) scheint ihren Einfluss auf die Politik allmählich zu verlieren. Vor wenigen Monaten erhielt Springer für sein Ende August startendes Fernsehvollprogramm Bild Live eine „klassische“ Rundfunklizenz. All das vollzieht sich unter dem ehrenvollen Leitspruch, man müsse den US-Internetriesen Paroli bieten. Da haben Vielfaltsgedanke und Meinungsmacht-Begrenzung schon mal zurückzustehen.

Dabei hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rundfunkentscheidung vom 20. Juli (!) gerade den Vielfaltsgedanken und die Begrenzung von Meinungsmacht als zentrale Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen festgeschrieben. ARD, ZDF und Deutschlandfunk – das betonen die Richter in Karlsruhe mehrfach – sollen „ein Gegengewicht“ zur Marktmacht der Privaten bilden.

Kein Wunder, dass Springer & Co. das Urteil wütend in der Luft zerrissen haben. Die hochfliegenden TV-Pläne der ehemaligen Pressegiganten werden jetzt noch schwerer umzusetzen sein. Es bleibt ihnen nur die Alternative: Milliarden investieren oder geschluckt werden. Denn der Anteil des Gedruckten am täglichen Medienkonsum liegt mittlerweile unter sieben Prozent. Für diesen „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ braucht es einen politischen Ordnungsrahmen, das kann nicht das Bundesverfassungsgericht erledigen. Doch ein solches Unterfangen hat einen hohen Preis: Medienpolitiker werden nicht in Talkshows eingeladen.

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