Nachruf auf Andrea Nahles

Bätschi? Die Ankündigung von Andrea Nahles, sich aus allen politischen Ämtern zurückzuziehen, ist konsequent und richtig.

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Frau Nahles war nicht in der Lage, dem Aufgabenprofil einer Parteivorsitzenden gerecht zu werden. Auf dem Parteitag, der letztendlich zu ihrer Übernahme der Parteiführung führte, wirkte sie wie eine Dompteuse, welche die Partei durch ihre krawallige Stimme noch mal auf die Groko einschwor, aber nicht als Integrator, der die beiden auseinanderstrebenden Parteiflügel und die im Hintergrund intrigierenden Alt-Vorsitzenden zusammenführen konnte.

Die inhaltliche Erneuerung der Partei ist ihr bisher – zumindest nach außen erkennbar – nicht geglückt. Mit dem Beharren auf der nur netten aber profillosen Katarina Barley als SPD Spitzenkandidatin für die Europawahl hat Nahles das Wahl-Debakel mindestens mitzuverantworten. Mit einem Kandidaten, der einen glaubwürdigen Gerechtigkeitswahlkampf hätte führen können, wie z.B. Walter Borjans (dem Ex-Finanzminister von NRW, bekannt durch seine Ankäufe von Steuer CDs) als Wahlzugpferd hätte die SPD vermutlich mindestens 20% eingefahren.

Als Vorsitzende und damit Aushängeschild für Wahlen war Frau Nahles aufgrund ihres mal spröden, mal kindischen (Bätschi) Auftretens ungeeignet, die Bevölkerung für die SPD einzunehmen. Auch verkörperte sie für viele Wähler den Prototyp des Parteiapparatschiks, die außer dem SPD Parteimief keine Berufserfahrung vorweisen kann.

Wie soll es nun mit der in Agonie liegenden Partei weitergehen? Die rheinlandpfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer wird als Kandidatin für den Übergangsvorsitz gehandelt. Man kann ihr nur wünschen, dass sie das gesundheitlich nicht überfordert und politisch nicht beschädigt. Außerdem hatte die SPD nun schon 3 Mal mit Vorsitzenden aus Rheinland-Pfalz kein Glück: Rudolf Scharping, Kurt Beck und nun Andrea Nahles lassen grüßen. Und im Herbst stünden dann schon wieder Vorsitzendenwahlen an. Mit der dauernden Wahl von neuen Vorsitzenden kann keine Partei Wähler begeistern. Und auch der Umgangston der Spitzengenossen untereinander passt nicht zum Parteimotto des „Miteinander“.

Außerdem ist unklar, welche der wenigen übrig gebliebenen Persönlichkeiten in der SPD sich diesen Job noch antun wollen UND in der Lage sind, die potentiellen Wähler zu überzeugen, ihre Stimme der SPD zu geben. Walter Borjans wäre vielleicht so einer. Er könnte den Zusammenhang zwischen der Steuerflucht und der Sozialpolitik glaubhaft herstellen und die SPD langsam wieder in Richtung der 20% Marke führen. Fraglich ist natürlich, ob er das Amt überhaupt will und ob genügend SPD Funktionäre wollen würden, dass Borjans es macht.

Die SPD sitzt nun zwischen Baum und Borke. Kündigt sie die Koalition auf, stürzt sie Deutschland in politische Agonie, wie wir es gerade in Österreich erleben. Das kann sich das größte Land der EU eigentlich nicht leisten. Außerdem wären dann Neuwahlen im Herbst unvermeidlich, die vielen SPD Abgeordneten das Mandat kosten würden. Bleibt sie weiter in der Koalition, nehmen womöglich Kevin Kühnert und alle Funktionäre, die schon immer wussten, dass die Groko der Totengräber der SPD ist, Reißaus, ggfls. in Richtung Die Linke.

Die Rest-SPD kämpfte dann mit der 5%-Hürde und spielte für das politische Geschehen in Deutschland keine Rolle mehr. Sie wäre dann vermutlich sogar die kleinste Oppositionspartei.

Gewinner der heutigen Entscheidung ist sicherlich die kleine Tochter von Andrea Nahles. Wünschen wir Mutter und Kind also alles Gute im neuen Lebensabschnitt.

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Geschrieben von

Querlenker

Zu den Problemen unserer Zeit stelle ich funktionierende Lösungen vor, die aber aus Gründen der Konvention, der Moral oder Faulheit niemand anpackt.

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