Paul Kagame - effizient und grausam

Präsidentenwahl in Ruanda Heute lässt sich der ruandische Präsident Paul Kagame zu seiner 3.Amtszeit wählen, nachdem er 2015 extra die Verfassung ändern ließ, die nur zwei Amtsperioden vorsah.

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Kagame hat zweifellos große Verdienste bei der Modernisierung Ruandas. Im Westen glauben wir zudeman den Nimbus, Kagame habe den Genozid von 1994 zwischen Hutus und Tutsi in seinem Land beendet und den Frieden zwischen beiden Volksgruppen hergestellt. Dabei verwechseln wir möglicherweise den Brandstifter mit dem Feuerwehrmann. Dazu verleitet auch Kagames asketisches Aussehen, das mich irgendwie an Mahatma Gandhi erinnert. Aber ein Gandhi ist Paul Kagame ganz sicher nicht.

Kagame selbst begründet seine erneute Kandidatur damit, dass nur er in Ruanda in der Lage sei, das Wiederaufflammen der ethnischen und gesellschaftlichen Konflikte zu verhindern. Damit hat er sogar Recht, denn alle ernst zu nehmenden politischen Konkurrenten fielen in den letzten beiden Jahrzehnten entweder einem „bedauerlichen Unfall“ zum Opfer , verschwanden im Gefängnis oder wurden im Ausland von Unbekannten ermordet. Auf seiner Webseite macht Kagame sich gar nicht erst die Mühe, auf Argumente der Opposition einzugehen oder wenigstens Mitstreiter seiner eigenen Partei zu erwähnen. Es geht dort nur darum, dass er pausenlos das Land bereist und die Bevölkerung überall, wo er auftaucht, die materiellen Fortschritte preist, die Kagame bewirkt haben soll. Die Verfassungsänderung ermöglicht ihm noch etliche weitere Amtszeiten bis zum Jahr 2034.

Aus der Hauptstadt Kigali hat Kagame eine moderne, saubere Vorzeigestadt gemacht. Auf dem Land wurde investiert in Schulen, Gesundheitswesen und Glasfaserkabel. Allerdings war es dort auch nicht schwer, von einem äußerst niedrigen Niveau aus z.B. die Anzahl der Gesundheitsstationen innerhalb von 14 Jahren zu verdreifachen. Vermutlich hat das weiterhin andauernde Bevölkerungswachstum die ursprünglichen Relationen sogar fast wieder hergestellt. Bei der ungerechten Landverteilung zwischen Tutsis und Hutus gab es kaum Fortschritte. Warum auch? Kagame ist selbst Tutsi.

Das jährliche Wirtschaftswachstum beträgt 8%. Welchen Anteil daran die illegale Ausbeutung von Mineralien aus dem Ost-Kongo hat (sog. „Blutdiamanten“), interessiert Paul Kagame nicht. Der Tourismus ist mittlerweile der stärkste Devisenbringer. Kagame investiert in ein nationales Glasfasernetz. Ruanda soll zum zentralafrikanischen Internet-Hub werden. Gab es 1994 nur eine Universität in Ruanda, so sind es mittlerweile 29. Die Alphabetisierungsrate der Bevölkerung betrug im Jahr 2009 71%. Über 90% der Bevölkerung haben eine Krankenversicherung.

Auf der Liste von Transparency International über die Abwesenheit von Korruption rangiert Ruanda an Nr 66 von 178 Ländern in der Welt. Das ist für ein afrikanisches Land beachtlich. Ruanda ist Mitglied der Ostafrikanischen Staatengemeinschaft. Zusammen mit Burundi, Uganda, Kenia und Tansania besteht seit 2011 ein gemeinsamer Markt. 2009 trat Ruanda dem britischen Commonwealth of Nations bei. 2013 übernahm Ruanda vorübergehend die Präsidentschaft im UN Weltsicherheitsrat.

Die guten Beziehungen zu Großbritannien und USA kühlten 2012 ab, als es Hinweise gab, dass Kagame wieder Aufständische im Ost-Kongo unterstützt.

Seit 2005 engagiert sich China wirtschaftlich sehr stark in Ruanda. Chinas Hilfe beim Straßenbau und in anderen Projekten ist besonders willkommen, da sie nicht mit Forderungen nach Achtung der Menschenrechte verbunden ist. Den Westen kritisiert Kagame, weil er nur Entwicklungshilfe gebe, statt Ruanda als Wirtschaftspartner zu behandeln und weil er seine Märkte gegen afrikanische Waren abschotte.

Die heutige Situation in Ruanda erinnert an Jugoslawien unter Tito, wo es angeblich auch keine Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen mehr gab, weil so etwas ja im Sozialismus unvorstellbar sei. Kaum war Tito tot, kam es zu den grausamen Balkankriegen. Das kann Ruanda auch passieren, sobald Kagame das Land nicht mehr mit harter Hand regiert. Insbesondere, weil es ja im Nachbarland Burundi weiterhin zwischen genau den gleichen Bevölkerungsgruppen gärt.

Umstritten ist, ob es sich bei dem Konflikt zwischen Hutu und Tutsi um einen ethnischen Konflikt oder „nur“ um einen Klassenkampf zwischen einer privilegierten und einer unterprivilegierten Bevölkerungsgruppe handelt, der erst kurz vor den Massakern geschürt wurde. In allen Berichten über Ruanda wird ausgeklammert oder für bekannt unterstellt, um was für eine soziologische Kategorie es sich eigentlich bei den Tutsi und Hutu handelt.

Selbst die offiziellen UNO Berichte nennen das Gemetzel von 1994 einen "Genozid". Demnach hätte eine ethnische Gruppe versucht, eine andere ethnische Gruppe auszulöschen. ethnische Gruppen definieren sich in der Regel durch eine unterschiedliche Sprache, Hautfarbe oder Körperbau. Darüber wird nirgends etwas Brauchbares berichtet. Sprechen also die Tutsi Tutsisch und die Hutu Hutisch?

Offenbar war es lange Zeit so, dass die Tutsi Viehzucht betrieben und die Hutu Ackerbau. Um sich Kühe von den Tutsi ausleihen zu dürfen, mussten die Hutu ihre Äcker von den Tutsi pachten. Ich neige dazu, das Hutu-Tutsi Geflecht in Ruanda für ein Kastensystem zu halten. Schwer vorstellbar in unserer angeblich so modernen Zeit! Dasselbe gilt übrigens für das Nachbarland Burundi.

1935 bestimmte die Kolonialmacht Belgien, wer mehr als 10 Rinder besitze, sei Tutsi, wer nicht, sei Hutu. Hierzu sei ein kurzer Ausflug in das frühe 20.Jahrhundert gestattet: 1914 berichtete der Afrika-Forscher und kaiserliche deutsche Gesandte für Ruanda Urundi, Richard Kandt, über das Verhältnis von Hutu und Tutsi:

Die Wahutu benehmen sich recht sonderbar. In Gegenwart ihrer Herren ernst und reserviert und unseren Fragen ausweichend, sobald aber die Watussi unserem Lager den Rücken gekehrt haben und wir mit ihnen alleine sind, erzählen sie bereitwillig fast alles, was wir wünschen, und vieles, was ich nicht wünsche, denn ich kann den zahlreichen Mißständen, über die sie klagen, ihrer Rechtlosigkeit, ihrer Bedrückung doch nicht abhelfen. Ich habe sie einige Male auf Selbsthilfe verwiesen und leicht gespottet, dass sie, die den Watussi an Zahl hundertfach überlegen sind, sich von ihnen unterjochen lassen.

Und der protestantische Missionar Karl Röhl schrieb im gleichen Jahr: „Das Schwerste an der Lage der Hutu-Bevölkerung ist jedoch nicht dies, dass sie Knechte und unfreie Leute sind,(…) dass sie kein Eigentum erwerben können, nein das Schwerste an ihrer Lage ist, dass sie niemals sicher sind, auch die Früchte ihrer Arbeit zu genießen. Hat ein Hutu sich schöne Felder angelegt, steht die Ernte herrlich da, so möchte manch andere die Frucht des Fleißes dieses Mannes genießen. Und der leichteste und bequemste Weg dazu ist der der Verleumdung: er geht zum Herrn dieses Hutu hin und schwärzt den betreffenden als Zauberer an. Ist nun gerade bei den Tussi irgendetwas Böses passiert, sei es, dass er selber krank ist (…) wird das ohne weiteres der Zauberei dieses Mannes zur Last gelegt. (…) Nur eines bietet einen gewissen Schutz für den einzelnen Hutu (…) und das ist die Eifersucht der verschiedenen Tussi untereinander. Wenn der Bauer auch sonst kein Recht hat, so hat er doch das Recht, sich einen Herrn zu wählen.“

Zum Werdegang von Paul Kagame

Paul Kagame wurde im Alter von 6 Jahren mitsamt dem König Kigeri V und dessen Tutsi-Aristokratie, die Ruanda seit Jahrhunderten beherrschte, von der 84% Hutu Mehrheit aus dem Land gejagt. Schon bei dieser Vertreibung 1962 wurden 3.000 Tutsi niedermetzelt.

Im Exil in Uganda besuchte Paul Kagame die gleiche Schule wie Yoweri Museveni, der später Präsident von Uganda wurde und der heute ebenfalls glaubt, er sei im Präsidentenamtbis zu seinem Tode unverzichtbar. Kagame brachte er es bald zum Offizier der ugandischen Armee und gehörte mit dem Tutsi Fred Rwigyema zu den Mitbegründern der Tutsi Flüchtlingsorganisation Ruandische Patriotische Front RPF. Auf Druck des ruandischen Hutu-PräsidentenHabyarimana wurden beide aus der ugandischen Armee entlassen.

Während sich Paul Kagame im Jahr 1990 zu einem Lehrgang für Generalstabsoffiziere in den USA aufhielt (warum eigentlich?), überfiel Rwigyema mit 4.000 RPF-Kämpfern den Norden Ruandas. Die Tutsi Rebellen wurden, auch mit Hilfe französischer Elitetruppen, geschlagen und Rwigyema wurde dabei getötet. Kagame übernahm die alleinige Führung der RPF und überfiel 1991 erneut den Norden Ruandas, woraus sich ein zweijähriger Guerillakrieg entwickelte. Im tansanischen Arusha kam es 1993 zu einem Friedensvertrag, in dem die RPF eine Beteiligung an der ruandischen Regierung und Armee erzwang. Der Frieden zwischen den rivalisierenden Volksgruppen sollte durch eine UNO Friedenstruppe UNAMIR unter dem Kommando des kanadischen Generals Dallaire abgesichert werden und die RPF durfte ein Tutsi Bataillon in der ruandischen Hauptstadt Kigali stationieren. Hier ist ein Abstecher in die US-amerikanische Außenpolitik nötig:

Es ist nicht so, dass die USA erst seit 9/11 bzw. erst seit George W. Bush Jr. eine Phobie gegen den arabischen Islamismus entwickelt hätten. Nein, diese Phobie hatte bereits Bill Clinton bei seiner Amtseinführung 1993 vorgefunden. In Somalia waren US-Truppen als Teil einer UNO Friedenstruppe stationiert, die das vom Bürgerkrieg zerfressene Land befrieden sollte. Im Oktober 1993 wurden 18 US-Soldaten bei Kämpfen getötet und ihre Leichen durch die Straßen der somalischen Hauptstadt Mogadischu geschleift. Wer zu jung ist, sich daran zu erinnern, sollte sich den Film Black Hawk Down anschauen. Bill Clinton ordnete daraufhin an, dass alle US Truppen aus Afrika abgezogen werden.

Durch diese Entscheidung bekam Clinton aber ein anderes Problem: Er konnte keinen militärischen Druck mehr auf den Sudan ausüben, einem anderen Kandidaten aus dem Reich des islamischen Bösen. Die USA unterstützten in Somalia den Rebellenführer John Garang dabei, die rechtmäßige somalische Regierung zu stürzen. Garang kam jedoch bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben. Zudem brach plötzlich ein Krieg zwischen Äthiopien und Erithrea aus, so dass auch von dort kein Druck auf den Sudan ausgeübt werden konnte.

Als letzte Bastion gegen den Sudan verblieben Uganda und Ruanda. So kann man sich Clintons spätere Zurückhaltung 1994 während des Genozids von Ruanda und seine wohlwollende Förderung des zwielichtigen ruandischen Tutsi-Politikers Paul Kagame in der Folgezeit erklären.

Am 6.April 1994 wurde beim Landeanflug auf den Flughafen Kigali die Maschine des ruandischen Präsidenten durch zwei Boden-Luft Raketen abgeschossen. Alle an Bord befindlichen Personen wurden dabei getötet, darunter Präsident Habyarimana von Ruanda und Präsident Ntaryamana von Burundi (beides Hutu), deren hochrangige Begleiter und drei Franzosen. Dieser Abschuss gilt als Auslöser des Genozids, den die Hutus an den in Ruanda lebenden Tutsis mit Macheten und Spaten begingen. Wer sich an das Gemetzel nicht mehr erinnert, kann sich den (zugunsten der Tutsi frisierten) Film Hotel Ruanda ansehen.

Auf Betreiben der USA und Frankreichs verbot UNO Generalsekretär Kofi Anan nach dem Sieg der Tutsi in Ruanda seiner Chefermittlerin Carla del Ponte beim internationalen Strafgerichtshof in Arusha, die Schuldigen für den Flugzeug-Abschuss zu ermitteln. Erst 2010 kam es in Frankreich wegen der drei getöteten Franzosen zu einem Prozess, der anhand von Indizienmit dem Urteil endete, dass die Raketen aus einer Hutu-Stellung nahe des Flughafens abgefeuert worden sein sollen. Damit war aber weiterhin nicht klar, warum die Hutu ihren eigenen Präsidenten abgeschossen haben sollten. Es gibt zudem Zeugen, die gesehen haben wollen, dass Teile des Tutsi-Bataillons von Kigali so auf dem Flugfeld positioniert waren, dass die Präsidentenmaschine nur aus einem bestimmten Winkel einfliegen konnte, in dem dann die Raketen auf sie trafen. Außerdem ist kurz vor dem Abflug der Maschine aus Daressalam der kenianische Präsidenten Arap Moi mit weiteren afrikanischen Politikern von einem unbekannten Geheimdienst davon abgehalten worden, ebenfalls mit der Maschine von Präsident Habyarimana mit zu fliegen. Im Jahr 2006 erließ der französische Richter Bruguiere Haftbefehle gegen neun Vertraute von Präsident Kagame wegen des Verdachts, dass diese Leute am Abschuss des Flugzeugs beteiligt waren. Kagame brach daraufhin die diplomatischen Beziehungen zur französischen Regierung von Francois Mitterand ab. Kurz vor dem Machtwechsel zu Präsident Sarkozy wurden sie wieder aufgenommen. Der internationale Strafgerichtshof in Arusha fand keine Belege dafür, dass die gemeinsame Regierung von Hutu und Tutsi 1994 einen Plan hatte für den Genozid der Hutu an den Tutsi.

Innerhalb von 24 Stunden nach dem Flugzeugabschuss wurden alle wichtigen Tutsi- und gemäßigten Hutu Politiker in Kigali durch Hutu Extremisten umgebracht, darunter die Ministerpräsidentin Uwilingiyimana, eine Hutu. Ausgerechnet an diesem Tag soll sich ihre persönliche Leibgarde der UNO Truppe UNAMIR auf einem Ausflug in den Norden Ruandas befunden haben. Nach anderen Quellen sollen sich belgische Soldaten ihrer UNAMIR Leibgarde an ihrer Ermordung beteiligt haben. Diese zehn Soldaten sollendanach von Hutus umgebracht worden sein, woraufhin Belgien sein gesamtes Truppenkontingent aus der UNAMIR abzog. So auf 270 Mann abgeschmolzen,war die UNAMIR Truppe schon aus numerischen Gründen nicht fähig, in Ruanda noch irgendjemanden zu schützen.

In den folgenden hundert Tagen wurden 500.000 bis 1 Million Tutsis und gemäßigte Hutus durchHutu Milizen niedergemetzelt. Kagame verbot seinen Soldaten, den Tutsi-Zivilisten in Kigali zu Hilfe zu kommen und konzentrierte sich darauf, die ruandische (Hutu) Regierungsarmeeauf dem Lande zu bekämpfen. Da die UNO ein Waffenembargo gegen Ruanda erlassen hatte, die RPF aber weiterhin Waffennachschub aus Uganda erhielt, musste die ruandische Armee im Juli 1994 kapitulieren.

Kagame zog zunächst als Verteidigungsminister in einer formal von Hutu Politikern geführten ruandischen Regierung,die nach den Prinzipien des Arusha Vertrags von 1993 gebildet wurde, im Hintergrund die Fäden, Ministerpräsident wurde der Tutsi Twagiramundu, der sich 1995 mit Kagame überwarf und nach Brüssel emigrierte.

350.000 Hutu Flüchtlinge fanden zunächst Schutz im Süden Ruandas, der durch eine französische Truppe mit dem Namen Operation Turquoise militärisch gesichert wurde. Weitere 2 Millionen Hutus flüchteten aus Angst vor der Rache der Tutsi in den Osten des Kongos (Zaire), wo sie in der Umgebung der kongolesischen Stadt Goma an der Grenze zu Ruanda in UNO Flüchtlingslagern vegetieren. Unter den Flüchtlingen befanden sich selbstverständlich auch Täter aus den Hutu-Massakern an den Tutsi.

Kagame befürchtete 1996, dass die Hutu aus den kongolesischen Flüchtlingslagern nach Ruanda einsickern könnten und unterstützte daher militärisch eine Rebellion der Banyamulenge, eines kongolesischen Tutsi-Volkes im Osten der Republik Zaire. Sie besiegten die örtlichen kongolesischen Streitkräfte und drangen in die Hutu-Lager ein. Hunderttausende Hutu flohen in den Nordost-Kongo, andere kehren trotz der Angst vor der Rache der RPF nach Ruanda zurück.

Ruanda ist ungefähr so groß wie Rheinland-Pfalz und das Saarland zusammen. Das an der Westgrenze zu Ruanda liegende Zaire (Kongo) ist 100 Mal größer als Ruanda.

Unter dem Vorwand, die Hutu-Flüchtlinge im Ostkongo bekämpfen zu müssen, die vom kongolesischen Präsidenten Mobuto aufgewiegelt würden, beteiligte sich Kagame in Zaire an einem Feldzug aufständischer kongolesischer Truppen unter dem Kongolesen Laurent Désiré Kabila mit dem Ziel, Mobuto zu stürzen. Auch Musowenis ugandische Truppen nahmen im Nordostkongo an dem Feldzug gegen Mobuto teil. Dabei kam es zu Massakern an 220.000 Hutus, die vor den ruandischen Tutsi aus dem Lager Goma in den Nordosten des Kongo geflüchtet waren. 1997 eroberteKabila die kongolesische Hauptstadt Kinshasa und wurde neuer kongolesischer Präsident. Mobuto starb im gleichen Jahr in seinem marokkanischen Exil an Prostatakrebs.

1998 wollte auch Kabila die ruandischen RPF Truppen nicht mehr im Kongo dulden. Nun beschuldigte Kagame Präsident Kabila, die Hutu-Flüchtlinge im Ostkongo gegen Ruanda aufzuwiegeln und unterstützte einen kongolesischen Militäraufstand gegen Kabila. Die Einnahme der Hauptstadt Kinshasa gelang nur deshalb nicht, weil diese von Truppen aus Simbabwe und Angola gegen die RPF und deren Alliierte verteidigt wurde. Im Jahr 2000 kam es im Ost-Kongo sogar zu Kämpfen zwischen RPF Einheiten und ugandischen Truppen. Im Kongo entwickelte sich ein dreijähriger Krieg alle gegen alle, in dessen Verlauf nach UNO Schätzungen 3 bis 7 Millionen Menschen starben. Ende 2002 kam es zu einem Friedensschluss und 2003 hatten alle ruandischen Truppen offiziell den Kongo verlassen. Demobilisierte ruandische Soldaten unterstützten jedoch weiterhin lokale Rebellengruppen im Kongo. Dabei wurden nach Erkenntnissen der UNO die natürlichen Ressourcen des Ostkongo – Diamanten und Coltan -von den ruandischen Söldnern ausgeraubt und als ruandische Güter in die Welt verkauft. Ein geleakter UNO Bericht aus dem Jahr 2012 bezeichnet den ruandischen Verteidigungsminister James Kabarebe als Anführer dieser Verbrecherbande.

Von all dem weiß Paul Kagame – natürlich – nichts.

Im März 2000 trat der Hutu Bizimungu unter ungeklärten Umständen von seinem Amt als ruandischer Präsident zurück. Das Verfassungsgericht ernannte Kagame zum Übergangspräsidenten. Im April wurde Kagame ordnungsgemäß vom Parlament zum Präsidenten gewählt. Gleichzeitig traten die meisten Hutu Politiker zurück, darunter Ministerpräsident Rwigema. Als Bizimungu eine eigene Partei gründete, wurde er ins Gefängnis geworfen und erst 2007 von Kagame amnestiert.

Im Jahr 2003 wurde von der ruandischen Bevölkerung mit einer Stimmenmehrheit von 95% eine neue Verfassung angenommen. Diese Verfassung sah die Direktwahl des Präsidenten für eine Amtszeit von 7 Jahren vor, mit der Möglichkeit, sich für eine zweite 7-jährige Amtszeit zur Wahl zu stellen. Außerdem verbot die Verfassung politische Parteien, die sich auf Ausschlusskriterien wie Rasse, ethnische Gruppe, Clanzugehörigkeit oder Religion gründen. Was in der Theorie gut klingt, führte nach Erkenntnissen von Human Rights Watch in Ruanda zu einem Einparteien-Staat unter Kagames Partei RPF, der unter dem Vorwand, keine ethnischen Konflikte zulassen zu dürfen, keine anderen Parteien toleriert. Bei der heutigen Wahl dürfen immerhin „die Grünen“ einen eigenen Präsidentschaftskandidaten aufstellen.

Kagame gewann die Präsidentenwahl vom August 2003 mit 95% der abgegebenen Stimmen gegen zwei andere Kandidaten. Eine Wahlbeobachter-Gruppe der EU sah zwar Unregelmäßigkeiten, zweifelte aber nicht am Ergebnis.

2010, anlässlich der zweiten Präsidentenwahl, reiste die Hutu Politikerin Victoire Ingabire in Kigali ein, um gegen Kagame zu kandidieren. Sie wurde sofort verhaftet und von der Wahl ausgeschlossen. 2012 wurde sie zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Wahlkommission ließ nur Kandidaten zur Präsidentenwahl zu, die Kagames RPF nahe stehen. Im Lauf des Jahres kamen einige ruandische Politiker und Journalisten in mehreren afrikanischen Ländern unter Gewalteinwirkung ums Leben. Obwohl die UNO eine Untersuchung startete, war eine Verbindung der Morde zu Kagame nicht gerichtsfest herstellbar. Kagame gewann seine zweite Amtszeit mit 93% der Stimmen.

Letztendlich kann nur die ruandische Bevölkerung beurteilen und später vielleicht einmal aburteilen, was mehr wiegt: Paul Kagame als Erneuerer des Landes oder als Brandbeschleuniger der größten Tragödie, die Ruanda (und sein Nachbar Zaire) erdulden musste.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Querlenker

Zu den Problemen unserer Zeit stelle ich funktionierende Lösungen vor, die aber aus Gründen der Konvention, der Moral oder Faulheit niemand anpackt.

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