Quora – die ganze Welt als Publikumsjoker -

mit Suchtpotential: In der Sendung „Wer wird Millionär“ von Günter Jauch verfügen die Kandidaten über einen Publikumsjoker. Wer auf eine Frage keine Antwort weiß, fragt das Publikum.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Und meist findet sich dort jemand, der tatsächlich die richtige Antwort weiß. Also ein typischer Fall von Schwarmintelligenz. Dieses Prinzip macht sich die Webseite quora.com aus Mountainview im Sillicon Valley zunutze und legt uns die ganze Welt als Publikumsjoker zu Füßen.

Und das funktioniert so:

Sie müssen sich auf der Webseite mit Ihrer E-Mail Adresse anmelden und aus einer vorgegebenen Themenauswahl neun Themen ankreuzen, für die Sie sich besonders interessieren. Außerdem können Sie aus 20 Sprachen diejenigen auswählen, in denen Sie mit den anderen Teilnehmern kommunizieren möchten. Nun können Sie selbst eine Frage posten oder Fragen anderer Teilnehmer von Quora beantworten. Falls Ihnen eine Antwort, die schon ein anderer Teilnehmer abgegeben hat, gefällt, können Sie diese Antwort „upvoten“. Falls Sie die Antwort falsch oder unpassend finden, können Sie downvoten. Außerdem können Sie ihre eigene Ansicht zu einer Antwort mit eigenen Gedanken kommentieren.

Dafür, dass Sie nicht einen ausführlichen Autorentext schreiben, sondern nur eine kurze Frage stellen, erhalten Sie erstaunlich viele sehr unterschiedliche, meist sehr fundierte Sichtweisen zu Ihrer Frage. Außerdem können Sie aus einer Liste von Autoren auswählen, von welchen Mitgliedern der Community Sie eine Antwort erbitten. In der Liste erkennen Sie, aus welchem Land ein potentieller Beantworter kommt und ob er einen Background hat, der zu Ihrer Frage passt. Oder Sie fragen das gesamte Publikum.

Im Vergleich zu einer Blogseite wie dem Freitag ergeben sich folgende Vorteile:

Ihre Leser sind nicht die üblichen Verdächtigen aus der Leser- und Autorenschaft des Freitag, sondern potentiell die ganze Welt. Es kommt schnell zu Interaktionen zwischen Personen aus der ganzen Welt. Es werden nicht vorwiegend nur linke Positionen diskutiert.

Im Vergleich zu Wikipedia ergeben sich diese Vorteile:

Auf Wikipedia finden Sie meist verlässliche Antworten auf eine Fragestellung über Fakten. Z.B. auf die Frage: Wie lange regiert Queen Elisabeth in Großbritannien? Auf Quora sind Sie bei der Auskunft nicht nur auf das Wissen des einen Menschen angewiesen, der sich bei Wikipedia als Experte für das Thema hält. Auf Quora erhalten Sie zusätzlich Antworten auf Fragen, für die es keine alleinige objektive Antwort gibt, sondern über die man unterschiedlicher Meinung sein kann. Z.B. auf folgende Frage: Warum glauben Sie, dass Großbritannien diesmal den Brexit schafft?

Ich hab es gleich selbst mal ausprobiert. Meine erste Frage (auf Englisch) lautete: Könnte es sein, dass das britische Unterhaus John Bercow (derzeitiger Speaker des Unterhauses) als Interims-Premierminister wählt um Boris Johnson zu ersetzen? Wobei ich im Hinterkopf hatte, dass Berkow angekündigt hatte, demnächst von seinem Posten zurückzutreten, so dass er danach ein Kandidat für den Posten des Premierministers werden darf, falls ihn eine Partei nach einem Misstrauensvotum gegen Boris Johnson dafür aufstellt. Ich erhielt in kurzer Zeit 10 verschiedene Antworten von Befürwortern und Gegnern eines Brexit mit Informationen, auf die ich selbst nicht gekommen wäre und die in einem respektvollen Ton gehalten waren.

Dann habe ich selbst die Frage eines Pakistaners beantwortet, der wissen wollte, ob er mit seiner 3-köpfigen Familie in Berlin mit einem Jahresgehalt von 45.000 Euro gut leben könne. Nach meiner Antwort weiß der Pakistaner jetzt, dass es in Deutschland einen beträchtlichen Unterschied zwischen Brutto- und Nettogehalt gibt. Ich bekam auch sogleich zwei Upvotes für meine Antwort.

Dann entdeckte ich die Frage eines Engländers, warum es die Deutschen nicht schaffen, den Flughafen BER fertig zu bauen. Ich sah, dass schon vor mir ein Deutscher diese Frage sehr detailliert und sachkundig beantwortet hatte. Ich sah der Frage aber an, dass sie auch ein wenig ironisch gemeint war und entschloss mich zu einer teilweise spaßigen Antwort. Ich erklärte, dass jede Nation ein großes Ziel verfolge: Die Amerikaner wollen, dass ihr Land wieder great again wird. Die Briten wollen beweisen, dass man tatsächlich aus der EU austreten kann. Und die Deutschen wollen die Welt vor der Klimaerwärmung retten. Deshalb wurde in BER ein Flughafen gebaut, bei dem die Abgase der Flugzeuge unter die Erde geblasen werden. Weil noch nie jemand so einen Flughafen gebaut hat, konnten die verantwortlichen Politiker keinen kompetenten Projektmanager finden und beschlossen, die Bauleitung selbst in die Hand zu nehmen. Außerdem sei das kleine Bauamt des Landkreises Dahme-Spreewald, in dem der Flughafen BER liegt, nicht in der Lage, die Baugenehmigung für so ein futuristisches Projekt zu stemmen und die Abgasanlage technisch abzunehmen. Der Flughafen BER werde aber bestimmt im jahr 2025 unter dem Kürzel WWW (Wowereit International) in Betrieb gehen. Ich schloss mit den Worten: Sorry Greta, dass du die Unbequemlichkeit auf dich nehmen musstest, mit dem Segelboot zum Climate Masters in New York zu reisen, nur weil wir es nicht geschafft haben, den Flughafen rechtzeitig fertig zu stellen.

Für diese Antwort erhielt ich mehrere Upvotes, was zeigt, dass Humor bei Quora durchaus gewürdigt wird.

Wer viele Upvotes hat, der wird häufiger als Beantworter einer Frage angefragt. So füllte sich mein E-Mail Postfach nach zwei Tagen mit unzähligen Anfragen wildfremder Menschen aus aller Welt. Glücklicherweise kann man in den Datenschutzeinstellungen von Quora recht detailliert einstellen, in welchen Situationen man Anfragen per E-mail erhalten möchte. Z.B. kann ich festlegen, ob mir andere Autoren überhaupt E-mails zusenden dürfen und ob ich jedes Mal per E-Mail benachrichtigt werden will, wenn mir jemand ein Upvote hat zukommen lassen und wer das war. So bemerkte ich auch bald, dass ich immer mehr neue Fragen von Personen bekam, die irgendwann eine meiner Antworten mit einem Upvote bedacht hatten. Ich kann auch Follower bestimmter Beantworter werden, deren Antworten ich toll finde, oder Leser können Follower von mir werden. Dann sehen die jede Antwort, die ich auf irgendeine Frage gebe und jede Frage, die ich selbst stelle. Man kann auch ein bestimmtes Thema abonnieren, z.B. das Thema „Brexit“. Dann werde ich jedes Mal benachrichtig, wenn jemand eine Frage zum Thema Brexit stellt.

Ich kann auch bestimmte Personen sperren, die mir dann keine Fragen mehr zuschicken können. Das ist zuweilen ganz nützlich, wenn ich mit Fragen belästigt werde, die der Anfrager leicht selbst hätte googeln können. Z.B. die Frage „wie übersetzt man „woman“ ins Deutsche?“

Das Ganze finanziert sich durch online-Werbung, Sie müssen also mit Werbeeinblendungen rechnen. Dafür ist Ihre Teilnahme an der Community kostenlos. Die AGB versprechen, dass Ihre persönlichen Daten nicht an Dritte weitergegeben werden. Na ja – wer’s glaubt?

Der Gedankenaustausch auf Quora hat mir Spaß gemacht und beinhaltet ein gewisses Suchtpotential. Probieren Sie es doch einfach mal aus!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Querlenker

Zu den Problemen unserer Zeit stelle ich funktionierende Lösungen vor, die aber aus Gründen der Konvention, der Moral oder Faulheit niemand anpackt.

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