Calle und der Pakt mit dem Teufel (dritter Teil)

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Auch in persona kommt Carl Schmitt der Diktatur näher. Er wird 1928 an die Handelshochschule der Hauptstadt berufen, einer Art "Gouvernance School" an der Schnittstelle von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Er verkehrt intensiv in nationalkonservativen Kreisen und - in anderem Sinne - im Berliner Tiergarten. Publizistisch wirbt er weiter für die "plebiszitäre Demokratie" des Mussolini-Faschismus, wie zahlreiche andere Wissenschaftler des juristischen Feldes. Die Assoziation Judentum-Liberalismus wird weiter entwickelt: "Jede Minderheit muss auf der Heiligkeit liberaler Prinzipien bestehen." Er macht sich einen Namen als rechtsphilosophischer Spezialist der Weimarer Verfassung und vor allem des berühmt-berüchtigten Artikel 48, 1, 2. Kurz: Schmitt wird der Referenzautor der nationalen Rechten.

Dabei sind seine Aussagen exegesewürdig. Was Schmitt meint, erklären seine Schüler, vor allem Huber und Forsthoff: "Verfassungsgebung ist bewusste Gesamtgestaltung.", schreibt Ernst Rudolf Huber und attestiert dem Meister eine "Wendung zum totalen Staat" und damit eine "neue Zuordnung von Herrschaft und Volk". Schmitts Netzwerk wird größer - auch dank der Gebrüder Jünger, die ihn den Vertretern der konservativen Revolution schmackhaft machen. Es gibt nur wenig Kritik an Schmitt. Wer es wagt, wird im Tagebuch so charakterisiert: "Dummer Artikel eines Juden ... frech und unverschämt."

Zum wissenschaftlichen Kapital kommt nach und nach das politisch-praktische. Nach 1930 optiert Schmitt für den Reichspräsidenten als "neuen Gesetzgeber": "Es gibt eine zweite Verfassung. Die Entscheidung (!) (muss) für das Prinzip der zweiten Verfassung und ihren Versuch einer substanzhaften Ordnung (!) fallen" (Legalität und Legitimität). Dies ist eine offene Parteinahme - für Hindenburg und dessen Präsidialkabinette. Schmitt arbeitet sich in den engen Beraterkreis des Generals von Schleicher vor. Er steht damit an der Front des juristischen Bürgerkriegs.

1932 verzeichnet die NSDAP schockartige Wahlergebnisse, auch im größten Reichsland Preußen, das mit 90000 Polizisten über die zweitgrößte bewaffnete Macht im Reich verfügt. Bis zu den Wahlen am 24.4.1932 wird das Land von einer typschen Weimarer Koalition unter Führung des Sozialdemokraten Otto Braun regiert. Bei den Wahlen erringen die Nazis 162 Mandate, die aber auch zusammen mit denen der DNVP nicht zur Mehrheit reichen. Die bisherige Regierung bleibt vorerst im Amt. Im Reich entlässt Hindenburg Brüning und ernennt auf Betreiben des Schmitt-Protektors von Schleicher den "Herrenreiter" von Papen ("Er braucht keinen Kopf, sondern nur einen Hut").

Die neue Reichsregierung bereitet eine Notverordnung vor. Hindenburg unterschreibt - mit offenem Datum (!) - die Bestellung des Kanlers als Reichskommissar für das Land Preußen. Mit Genehmigung des Großmagnaten Krupp wird der Essener Bürgermeister Bracht preußischer Innenminister und der Polizeichef Melcher Leiter der preußischen Polizei.Am 20. Juli 1932 wird der "Ausnahmezustand" verhängt (auch ein Zwanzigster Juli), wird Schmitt "praktiziert". Die Ideologen der Rechten sind über diesen "Preußenschlag" enthusiasmiert. Der zentrale Autor Zehrer spricht von der "Liquidierung des reinen Parteienstaates" und vom "wichtigsten Ereignis seit 1919".

Die bisherige preußische Regierung optiert - anders als beim Kappputsch - für "Ruhe und Ordnung" und verzichtet auf einen Generalstreik. Sie geht vor den Staatsgerichtshof. Schmitt ist gefragt. Er darf die Reichsregierung vertreten. Das Land Preußen vertritt Dr. Brecht. Präsident ist Dr. Bumke (auch er ein späterer Nazi). Es kursiert das Bonmot: "Brecht hat das Recht, Bracht die Macht." Irgendwie schmittianisch. Schmitt zieht alle Register: Die Macht des Reichspräsidenten sen von den "Verfassungsvätern"" ganz bewusst geschaffen", das Land Preußen nur ein "Glied" im Deutschen Reich. Er zieht die Geschichte heran und erklärt Hindenburg zum Bewahrer der "Dignität und der Ehre Preußens". Am 25 Oktober gibt Bumke beiden Recht: die Notverordnung ist verfassungskonform, die Landesvertretung Preußens durch die Reichsregierung nicht.

Schmitt ist nun der "Kronjurist". Die Universität Köln (inklusive Bürgermeister Adenauer) lockt ihn mit 27000 Mark Jahressalär (das Fünfzehnfache des damaligen Arbeiterlohns, bei Nichtarbeitslosigkeit, versteht sich). Im November 1932 - die NSDAP kriselt nach Waghlniederlagen - hält er Vorträge (auch vor Industrievereinen), etwa über "Gesunde Wirtschaft in einem gesunden Staat". Er wird von Papen empfangen. Am Jahresende schreibt er einen Aufsatz über die "Weiterentwicklung Deutschlands zu einem totalen Staat". Ziel ist die Unterstützung seines Protektors von Schleicher bei einer erneuten Reichstagsauflösung. Interessanterweise entdeckt er die neuen Medien, das "Rundfunk und Lichtspielwesen" als als Homogenisierungsinstrumente. Da bereitet sich etwas vor.

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