"Calle" und der Pakt mit dem Teufel (erster Teil)

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Nein, über Carl Schmitt mag ich nicht schreiben! Ist doch alles schon gesagt! Alles klar! Nach den Monographien Sombarts und Gross' sowie der neuen faktenreichen Biographie Mehrings gibt es kaum noch Zweifel. Wie aber ist es möglich, dass das Denken dieses Altnazis (damit das klar ist) immer wieder "neu entdeckt" wird?

Nein, zu Carl Schmitt fällt mir nichts mehr ein. Aber warum muss im noch jungen Jahr der Buchvorsteller des "Freitag" ausgerechnet auf Schmitt verfallen, wenn er einmal etwas "Relevantes, Politisches" lesen möchte? Warum muss er diesen so locker-flockig-flapsig wie ein spaßiger Autor der "Jungen Freiheit" als "Calle" bezeichnen? Für Mikael Krogerus "lohnt sich" die Lektüre des "Begriffs des Politischen" (1928), ist "Calle" "lesenswert", weil er sich über den "quaisreligiösen Technikglauben" lustig macht. 'Nen bisschen viele "krude Fremdwörter", aber ansonsten ein "Topschreiber"!

Und dann die luzide Kritik an den USA und deren "Humanität", die Schmitt als als "besonders brauchbares Instrument imperialistischer Expansion" analysiert. Und gibt Bush Schmitt etwa nicht Recht? Wahrscheinlich hat sich der "Topautor" auch deswegen so über den Vorwurf geärgert, in die "Crimes against humanity" der Deutschen involviert gewesen zu sein. Was Antiamerikanismus und Kritik des Liberalismus angeht, ist Schmitt unschlagbar. Finden auch andere wohl noch sehr junge Autoren. Zumal einige Referenzautoren der Postmoderne sich gerne auf Schmitt beziehen.

Also muss ich nolens volens wohl doch über Carl Schmitt schreiben. Allerdings werde ich einen kleinen autobiographischen Umweg über einen Ort machen, der in keinem Reiseführer eines Umwegs wert erachtet wird, der aber nach dem Zweiten Weltkrieg für bestimmte Kreise ein Geheimtipp war: Plettenberg.

Plettenberg, eine Kleinstadt im märkischen Sauerland, von mittelständischer Metallindustrie geprägt, war nämlich mein erster Dienstort. Mein erster (und letzter) Eindruck: kalt und ziemlich verregnet und viel zu weit von meinen Ruhrstädten entfernt. Wie die anderen jungen Kollegen, die mit mir ihren "Dienst" in Plettenberg begannen, hatte auch ich das Gefühl, "hinter den Bergen" leben zu müssen. Als "Fremde", die wir blieben, weil wir nicht in einen der zahlreichen Schützenvereine eintraten, auf deren Karnevalsfeiern es durchaus vorkommen konnte, dass zwei Jungschützen in SA-Uniformen auftraten. Und die sich als "Fremde" und wegen der langen Haare als "Terroristen" bezeichnen lassen mussten.

In Plettenberg war man aber auch im Vorhof des Vorhofes des Jahrhundertdenkers Schmitt. Im Kollegiumszimmer lag die sehr abendländische Zeitschrift "Universitas", in der ein stadtbekannter Kollege (es war jener "Studienassessor", an den Peter Szondi seinen berühmten Leserbrief in der "Zeit" adressiert hatte) über Lyrik und Glauben schrieb, derselbe Kollege, der in mir einen Marxisten vermutete und mir deshalb das dialektische Gesetz des Umschlags von Quantität in Qualität am Beispiel der "Gastarbeiter" erklären musste: "Irgendwann ist das Boot zu voll und geht unter." Ein Historikerkollege "kümmerte sich um den Alten", wie man sagte. - "Den Alten?" Erstaunter Blick von oben. "Sie kennen doch wohl Carl Schmitt!"

Ich kannte ihn eher sekundär, machte mir von nun an ein Vergnügen daraus, meine Schüler den Text des bekanntesten Sohnes der Stadt über die "Artgleichheit von Führer und Gefolgschaft" und andere Quellen analysieren zu lassen, was deren mittelschichtigen Eltern zum Teil weniger gefiel. Und so hörte ich: "Schmitt war nur in der Partei, um Schlimmeres zu verhindern" und - besonders häufig: "Manchmal muss man eben mit dem Teufel paktieren." Letzteres kam zumeist von den Juristen.

Aber irgendwie "druckste" man herum. Schmitt pflegte nämlich seine runden Geburtstage besonders begehen zu lassen und nun stand der neunzigste an. Mein damaliger Chef, gleichzeitig (sozialdemokratischer) Bürgermeister stand vor dem Problem, Schmitt öffentlich ehren zu müssen. Sollte er den Ehrenring der Stadt erhalten? Und wenn ja, mit welcher Begründung?

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