Die erste "Tour" findet am 10 . April 2022 statt. Es gilt, den „Monarchen auf Zeit“ zu wählen, jenen Überirdischen dessen Rolle der Nachfolger De Gaulles, Georges Pompidou, so beschrieb:
Als oberster Chef der Exekutive und Hüter und Verwalter der Verfassung ist er gleichzeitig Schiedsrichter und Träger der höchsten Verantwortung im Staat.
Das entspricht nicht gerade dem Prinzip der Gewaltenteilung, aber der französische Demos hat sich daran gewöhnt, und tatsächlich gibt es auch konstitutionelle Schranken absoluter Macht. Der gegenwärtige Bewohner des Elysée-Palastes zeigt allerdings den direkt gewählten Mitgliedern der Nationalversammlung und den indirekt gewählten Senatoren mit geradezu unerträglicher Leichtigkeit, wer die politische Macht in der Republik innehat. Zur Not könnte er die Nationalversammlung sogar auflösen. De Gaulle, Mitterrand und Chirac haben dies praktiziert. Emmanuel Macron bisher noch nicht. Es gibt auch keinen Anlass. Macron verfügt über eine betonierte Mehrheit im Parlament, die es noch nicht einmal stört, dass der Präsident alle relevanten Corona-Entscheidungen mithilfe des geheim tagenden „Verteidigungsrats“ trifft. Das Parlament bleibt außen vor. Pschtt! Gehen Sie weiter! Le président règne et gouverne. Der Präsident herrscht und regiert.
Immerhin stehen jetzt die Namen der Kandidaten fest. Eric Zemmour hat sich endlich erklärt und gibt damit jenen Hoffnung, die wissen, dass Marine Le Pen im zweiten Wahlgang keine Chance gegen Macron hat (zu schlecht war ihre Performance im ersten Duell). Da muss ein echter Mann her. Valéry Pécresse hat mit dem glücklichen Händchen des Schicksals die „Primaires“ der Républicains gewonnen, Vorwahlen, in denen die Kandidaten sich einen Wettbewerb in der Disziplin „Wer ist das Rechteste unter uns Republikanern?“ leisteten. Pécresse verkündete im Fernsehen, mehr Autorität als Madame Le Pen zu haben. Dass Macron kandidiert, ist allen klar. Dass er seit über 4 Jahren im Wahlkampf ist, auch.
Mit Zemmour sind noch düstere Wolken aufgezogen, erlauben wir uns trotzdem einige Fragen: Sind sie wirklich nicht mehr möglich, die „glücklichen Tage“ der Zukunft, die die Résistance 1944 auf die Agenda nahm? Wird die bleierne Zeit der Sarkozy, Hollande und Macron fortgesetzt? Einfach so? Trotz der Gelbwesten und alledem? Nimmt nicht nur Covid kein Ende? Man mag es nicht glauben.
Bitte keine Panik. Vieles deutet darauf hin..., dass es noch schlimmer wird. Das garantieren die KandidatInnen des „Bloc bourgeois“, also die mit den größten Chancen. Und die werden – hélas! - von den Umfrageunternehmen produziert. Die Sondages sind zwar mit Pinzetten anzufassen, aber trotz ihrer wissenschaftlichen Fragwürdigkeit sind sie doppelt ernst zu nehmen. Bei allen Verzerrungen geben sie die Tendenzen von Wahlentscheidungen an, die sie gleichzeitig mit produzieren – im Interesse ihres Business und dem ihrer Auftraggeber. „Structura structurata et structurans“ (soviel Bourdieu muss sein). Und manchmal muss „man“ eben „nach-strukturieren“. Einen Tag nach ihrer Designation sprang Pécresse mit einem magischen Zuwachs von 4 Millionen Wählern auf 20 Prozent – und damit hop in den zweiten Wahlgang. Aber bleiben wir bei der ersten Tour.
sondages, sondages, sondages...
Es treten an (von rechts nach links, Umfragewerte der letzten Woche):
Marine Le Pen (RN, extreme Rechte, 15-18%)
Eric Zemmour (Bewegung „Rückeroberung“, extreme Rechte und rechtsextreme Républicains, 12-14%)
Nicolas Dupont-Aignan („Debout la France“, Rechtsgaullist, 2%)
Valérie Pécresse (Les Républicains, 14-20%)
Emmanuel Macron (LREM, noch nicht erklärt, 23-25%)
Anne Hidalgo (PS, 3-5%)
Arnaud Montebourg (Bewegung „Remontada“, 1,5-2%)
Yannick Jadot (EELV= Europe Ecologie Les Verts ,5-7%)
Jean-Luc Mélenchon (l'Union populaire, 8-11%)
Fabien Roussel (PC, 2%)
Philippe Poutou (PAC=Parti anticapitaliste, 1-2%)
Nathalie Arthaud (Lutte ouvrière, 1%)
Schockstarre. Die extreme Rechte vereinigt ein knappes Drittel der Wahlabsichten, die liberale und autoritäre „Mitte“ über 40%. Die einst so stolze Linke (inklusive Ecolos und PS) müsste sich über ein Viertel der Stimmen noch diebisch freuen. Das unerfreuliche Fazit lautet: Die übergroße Mehrheit der Franzosen ist ziemlich stramm rechts.
Bekannt ist dies schon seit langem, aber nicht immer erkannt. Die Macronie trägt dabei eine beträchtliche Mitverantwortung. In seiner Aufbruchsphase 2016/2017 verbarg sie ihren inhärenten Autoritarismus unter dem Glanz des jungen Jupiter. Er schien geradezu als antifaschistisches Projekt: (Progressismus versus Populismus). Der Praxistest fiel anders aus: brutale Unterdrückung der Gelbwesten, Ausgrenzung der Muslime und Migranten, steigende Armut. Es zeigte sich, dass der Rassismus im 21. Jahrhundert noch immer ein Herrschaftsmittel ist. Der (einst sarkozystische) Innenminister Darmanin bezeichnete Marine Le Pen öffentlich als zu „weich“. Der bourgeoise Extremismus ist ein Déjà-vu für den Historiker Pierre Serna:
Der Macronismus ist die extreme Mitte, so wie seine Vorgänger 1795, 1799, 1815,1830,1849-51. Innerhalb von 2 Jahren ist Macron vom „Heroismus“ (einer Art Wahlurnen-Bonapartismus) zur Errichtung eines Staates im permanenten Ausnahmezustand übergegangen.
Lange Zeit schien alles klar. Im zweiten Wahlgang, so das gouvernementale Szenario, sollten die braven Citoyens wieder die Wahl zwischen einem neoliberalen autoritären Rechten oder einer autoritären neoliberalen Radikalrechten haben. Der strahlende Sieger hieße dann, na klar, erneut ... . Aber: So einfach ist die Chose nun doch nicht. Auch in den Umfragen des Dezember 2016 (also vor der Wahl Macrons 2017) war die Linke mit knapp 30% nicht gerade stark (wenn man einen Manuel Valls denn zur Linken zählt). Das Zentrum erreichte knapp 50% der Wahlabsichten, (mit schwachen 13% für Macron und überragenden 27% eines gewissen François Fillon), während die extreme Rechte „nur“ bei 26,5% lag. Das heißt, die „Linke“ ist in fünf Jahren „nur“ so schwach geblieben, wie sie schon war. Die Tendenzen auf der Rechten scheinen dramatischer. Im Kandidaten Zemmour vereinen sich traditionell rechte und faschistische Ideologeme. Damit schwächt er allerdings sowohl „les Républicains“ als auch den „Rassemblement national“. Es wird wirklich kompliziert.
Ein (schwacher) Trost ist: Die Erhebungen sind nicht so repräsentativ, wie sie vorgeben (und die Medien es nachplappern). Gerade die „Classes populaires“ sind oft unterrepräsentiert, was die Institute mit dubiosen Hochrechnungen oder -schätzungen zu kompensieren versuchen. Zudem gehen sie von einer Wahlenthaltung von bis zu 50% aus und nehmen nur die sicheren Wähler in ihrer Auswertung auf. Und dies sind wiederum die Mittel- und Oberklassen, sprich die Wähler von Macron, Pécresse, von Hidalgo und Jadot, aber auch von Le Pen und Zemmour. Eine Klientel im Wortsinn (die Teilnehmer der Panels der Online-Umfragen bekommen kleine Treue-Geschenke). Von den dominierten Klassen sind sich nur die RN-Wähler sicher. Vor der Kandidatur Zemmours beabsichtigte fast ein Drittel der Arbeiter (in der weiten Bedeutung), Marine Le Pen wählen. Aber auch hier ist zu differenzieren: schon in den Hochzeiten der kommunistischen Partei wählte ein Drittel der Arbeiter bürgerlich (der Aufstieg der Le Pens erfolgte später). Übrigens kommt das interdisplinäre Meinungslaboratorium „Cluster 17“ (gegründet am 9. Nov. 2021) mit einem gänzlich anderen Ansatz am 10. Dezember zu folgenden Ergebnissen: Le Pen 16%, Zemmour 15%, Pécresse 16%, Jadot 5%, Hidalgo 3% und Mélenchon 13%. C'est un peu différent.
Sicher ist einzig der enorme Anteil der unsicheren, der gleichgültigen und der überzeugten Abstentionisten. Und das ist nach Jahrzehnten neoliberaler „Reformen“ erklärlich. Wie sollen sie denn zusammenkommen, die Kandidaten der Arbeitsplatzabbauer und die ohnmächtigen Objekte des Arbeitsplatzabbaus, die Krankenhausschließer und die Menschen, die 'zig Kilometer bis zum nächsten Hospital fahren müssen? Viele Menschen haben schmerzhaft gelernt, den Ankündigungen der Politiker zu misstrauen. Und dieses Verdikt trifft auch linke Kandidaten (oft nicht unverdient). Hinzu kommt ein für entwickelte Demokratien fast unglaubliches Defizit. Bei den Wahlen von 2017 waren über 10 Millionen Millionen Franzosen haben sich gar nicht oder falsch in die Wahllisten eingetragen, d.h. zum Beispiel: 37% der 26-29jährigen sind von der Wahl ausgeschlossen. Die Eintragung ist relativ einfach (Internet). Aber anders als bei der (fast) obligatorischen Impfung unternimmt die Regierung diesbezüglich nur sehr wenige "pädagogische" Maßnahmen.
Aber schauen wir uns die Bewerber genauer an. Wollen sie alle wirklich eine möglichst große Wahlbeteiligung?
Enarques, Berufspolitiker und ein Malocher
Der gegenwärtige Champion ist bekanntlich einer wohlhabenden Medizinprofessor-en-Familie der Provinzhauptstadt Amiens entsprossen. Das garantierte den Genuss von Privatschulen, intensiven Klavierunterricht, Rhetorikwettbewerbe beim Rotary-Club, Theater-AGs, Vorbereitung für die „Grandes Ecoles“, SciencePo, Besuch der prestigiösen ENA (Ecole nationale d'Administration): Der gut vernetzte und noch besser protegierte junge Mann ging seinen Weg, „Inspecteur de finances“, Bankier (mit einem Festgehalt von 600.000 Euro und einer millionenstarken Provision für einen erfolgreiche „Deal“ - den Verkauf von Teilen des Nestlé-Imperiums an ... Pfizer), Regierungsberater und Wirtschafts- und Finanzminister Hollandes. Macron hat mit seinem in Watte gepackten Aufstieg keine Probleme: Für ihn ist es ein erfolgreiches Beispiel der „verdienten Selektion“. Seine erste Maßnahme als Präsident war die Rücknahme der (geringen) Vermögenssteuer. Es folgten Restriktionen des Arbeitsrechts, die (vorerst auf Eis gelegte) Rentenreform, kürzlich die Reform der Arbeitslosenversicherung. Macrons Beitrag zum Klimawandel ist neuerdings das „Projekt“ eines neuen „Nuklearparks“. Geht es noch „bourgeoiser“als Macron? Vielleicht.
Valérie Pécresse, die Kanditatin von "Les Républicains", kam in Neuilly, einer der reichsten Städte Frankreichs zur Welt. Ihr Vater hatte den bescheidenen Posten des Generaldirektors von Bolloré-Télécom inne. Pécresse ist mit dem Bankier und späteren Generaldirektor von Alsthom (heute „GE Renewable Energy“) verheiratet. Auch sie absolvierte die besten Privatschulen und - natürlich - die ENA. Die streng katholische Politikerin diente ihrem Vaterland als Beraterin, Deputierte, Hochschulministerin unter Sarkozy und ist seit längerem Präsidentin der Region Ile-de-France) . Fest wie ein Atommeiler steht sie für die Umwandlung der Universitäten in Unternehmen und die Reduktion des Öffentlichen Dienstes zugunsten privater Anbieter. Diesmal möchte sie in den 5 Jahren ihrer erstrebten Präsidentschaft 200.000 Stellen abbauen. Die Kandidatin besteht – ihren Worten zufolge – aus „zwei Dritteln Merkel und einem Drittel Thatcher“. Ihre „Marke“ ist die meisterhafte Beherrschung der „Lingua Capitalismi Neoliberalis“ (Frédéric Lordon) und ihre völlige Intransigenz. Ein kurzes Beispiel: In einer Fernsehdiskussion zu den Primaires der Républicains verweist sie auf ihre Erfolge als Ministerin:
Ich habe der Straße 9 Monate widerstanden. Und ich habe mich durchgesetzt.
Dann kommt sie zum neoliberalen Dauerläufer Schulden:
Die Regierung hat 8 Milliarden Neuschulden gemacht und...
Der Moderator wagt eine kleine Unterbrechung: „Wegen Covid!“. Pécresse fährt unbekümmert fort:
Das rechtfertigt keine Milliarden Schulden.
Eine „eiserne Lady“, „une Dame de fer“ . Und eine „Feministin“:
Ich bin eine Frau, eine Gewinnerin und Macherin. Haben Sie den Mut, eine freie Frau zu wählen!
Das erinnert natürlich an das Diktum ihres VorbildsThatcher:
Wenn Sie in der Politik eine Rede haben wollen, fragen Sie einen Mann. Wenn Sie Taten wollen, fragen Sie eine Frau.
Als „freie Frau“ sieht sich auch die Rechtsanwältin Marine Le Pen, erneute Kandidatin des Rassemblement national. Sie und ihr Bruder im Geiste und Konkurrent Eric Zemmour müssen hier nicht mehr detailliert vorgestellt werden. Beide sind in kulturellem und ökonomischem Kapital weit von den „Classes populaires“ entfernt.Zemmour kann allerdings den Habitus des Aufsteigers nicht ganz ablegen. In der Regel entspricht das Wirtschaftsprogramm der Rechtsextremen den Forderungen der Unternehmerverbände. So wie die dünnen wirtschaftspolitischen Aussagen Zemmours: Abbau des Schuldenbergs, Senkung der Steuern und der Sozialbeiträge, weniger Kollektivverträge, längere Arbeitszeit, späterer Renteneintritt. Le Pen gibt sich weniger marktradikal. Für viele extreme Rechte ist sie jedoch mit der „De-Diabolisierung“ des Front national und dem Verzicht auf den Frexit zu weit gegangen. Zemmour springt in dieLücke. Seine Zielgruppen sind explizit die „rechte Bourgeoise“ und die rechtsaffinen Teile der „Classes populaires“. Zu seinen Unterstützern zählen mittlerweile auch zwei prominente Gelbwesten – zum Entsetzen anderer Gilets jaunes.
Nicolas Dupont-Aignan ebenfalls ENA-Absolvent. Der Vertreter eines „sozialen Gaullismus“ war lange Zeit in den rechten Präsidialparteien tätig, bevor er „Debout la France“ gründet. Im letzten Wahlkampf noch mit Le Pen verbündet, näherte sich der Parlamentsabgeordnete in den Regionalwahlen 2021 wieder den Republikandern an. Angesichts der Konkurrenz hat er trotz (sehr) konservativer Positionen noch nicht einmal eine Außenseiterchance (um im Pferdewettenjargon zu bleiben).
Die linken Kandidaten stehen eher für die progressive Fraktion (der Großstädte), deren kulturelles Kapital größer als ihr ökonomisches ist. Anne Hidalgo ist Tochter einer Näherin und eines Elektrikers. Sie ist erstes „Akademikerkind“ der Familie, hat ein Diplom in Arbeitsrecht und arbeitete als Arbeitsinspektorin. Ihren langen Aufstieg bis zur Bürgermeisterin von Paris verdankt sie ihren Funktionen und Netzen in der Sozialistischen Partei. Yannick Jadot ist Lehrerkind. Nach seinem Studium (internationales Handelsrecht) engagierte er sich in NGOs und wurde schnell Direktor bei Greenpeace. Der einstige Sozialist (er verteilte mit seinem Vater Flugblätter für den PS) trat im Gefolge Cohn-Bendits 1999 den Grünen bei,und brachte es als Abgeordneter des europäischen Parlaments zum Vizepräsidenten der Kommission für internationalen Handel. Jadot gilt als ehrgeizig und eigensinnig. In der Welt der Medien ist er auch durch seine Lebensgefährtin, einer prominenten (Ex-)Journalistin von RTL, gut vernetzt. Gegen das Votum seiner Partei EELV nahm er im Mai 2021 an einer von rechten Polizeigewerkschaften organisierten Demonstration teil. Auch Aussagen, wie „Ökologie ist weder rechts noch links“ oder die Klarstellung vor dem Unternehmerverband Medef, es sei eine Karikatur,
die Ökos, Hippies und Träumer den Patrons, Ausbeutern und Raubtieren gegnüberzustellen... Die ökölogische Transition wird es nicht gegen, sondern mit den Unternehmen geben … oder gar nicht,
verstören nicht wenige Grüne in Frankreich, die sich – anders als ihre deutschen Pendants eher antikapitalistsich sehen. Bezüglich der sozialen Frage bleibt er – von einigen Direktmaßnahmen abgesehen – vage. Es ist nicht verwunderlich, dass Jadot sich in den EELV-Primaires nur knapp gegen die Ökosozialistin und Feministin Sandrine Rousseau durchsetzen konnte.
Jean-Luc Mélenchon muss den Lesern des Freitag nicht mehr ausführlich präsentiert werden. Es ist die letzte Kandidatur eines der „letzten Sozialisten“. Bis heute kann (oder will) der langjährige Berufspolitiker seinen Lehrerhabitus nicht ablegen. Als „Tribun du peuple“ ist er der Meister der Großversammlungen. Covid hat ihm diesbezüglich ein echtes Handicap beschert. Mélenchon scheut vor provokanten Aussagen nicht zurück und ist auch vor kleineren und größeren Affekten nicht sicher. Dies wird ihm immer wieder vorgeworfen, zunächst von den bürgerlichen Medien und im Netz. Das Image macht der France insoumise schwer zu schaffen. Mélenchon selbst betont, dass das Programm der „Union populaire“ wichtiger ist als seine Person. Und dies beinhaltet- unter vielem anderen die Bildung einer Konstituierenden Versammlung als Fundament einer demokratischen Sechsten Republik, Volksabstimmungen, Revokationsrecht, realer Abbau der enormen Ungleichheiten, eine „grüne Regel“ in der Klimapolitik und die Abschaffung der Atomkraftwerke bis 2045, eine Forderung, die im Land der 56 AKWs noch immer Stimmen kostet. Man könnte diesen Mut als Zeichen von Ernsthaftigkeit deuten.
Der Kommunist Fabien Roussel ist kein zorniger Sprecher der Arbeiterklasse wie einst Thorez, Duclos oder Marchais, auch wenn er seinen Vornamen dem kommunistischen Résistanceführer „Colonel Fabien“ verdankt. Roussel arbeitete– wie sein Vater – als Journalist.Seit 2017 ist er Abgeordneter.der Nationalversammlung (sein Gegenkandidat war Mitglied des FN). Ein Jahr später wurde er Generalsekretär der FKP. Seine kleine Fraktion hat oft mit der France insoumise kooperiert, vor allem in der parlamentarischen Abwehrschlacht der Rentenreform. Nicht wenige waren deswegen über seine Kandidatur überrascht, die andere Motive haben muss, als die Divergenzen in der Ordnungs- und Nuklearpolitik. Roussel weiß, dass er mit seiner Kandidatur Mélenchon dringend benötigte Stimmen nimmt. Versucht er, seine Partei vor dem endgültigen Ende zu bewahren? Liegt es daran, dass die France insoumise bei den Regionalwahlen 2021 eine andere Kandidatin vorzug? Es ist wohl bezeichnend für das allgemeine politische Klima, dass auch Roussel auf die sicherheitspolitische Karte setzt. Viele politische Freunde hat seine Präsenz auf einer sehr rechten Polizeidemonstration befremdet.
Bleiben die beiden trotzkistischen Kandidaten. Sie leben nicht in und von der Politik und tragen wirklich ihre Haut zum Arbeitsmarkt. Arthaud ist Lehrerin und Poutou ist tatsächlich – entlassener – Arbeiter in der Automobilindustrie. Die Medien nehmen sie so gut wie nicht zur Kenntnis.
Es kann nur eine(n) geben
Die heiße Wahlkampfphase hat also schon vor Weihnachten begonnen. Spieltheoretiker werden das Ganze mit Vergnügen verfolgen. Wer hat die besten Karten? die übelsten Tricks? Wer beherrscht die Kunst des Instrumentalisierens am besten? Vor allem: Wer mobilisiert die Reservearmee der Unentschlossenen und bewussten Abstentionisten? Wer verfügt über welche Medien? Es deutet sich ein Medienkrieg zwischen CNEWS (Bolloré, 7,5 Mrd. schwer) und BFMTV (Arnault, ungef. 200 Mrd. superschwer) an. Wie entwickeln sich die Umfragewerte? Wie reagieren die Kandidaten auf diese?). Erst ab 5% der Wählerstimmen gibt es eine Erstattung der Wahlkampfkosten. Werden also Dupont-Aignan auf der Rechten und Arnaud, Poutou und sogar Roussel auf der Linken noch aufgeben? Wer bekommt eigentlich die notwendigen 500 Patenschaften zusammen? Wie verlaufen die Duelle im jeweils „eigenen“ Feld: Le Pen – Zemmour, Zemmour – Pécresse, Pécresse – Macron, Jadot – Mélenchon?
Am 4. Dezember konnte eine frisch designierte Valérie Pécresse ihren Handschuh in den Ring werfen. Einen Tag später hielt Mélenchon sein erstes großes Meeting in Paris ab. Wichtiger als seine Rede war diesmal vielleicht die Gründung eines „Parlements de l'Union populaire“ , das zur Hälfte aus zum Teil prominenten Nicht-Insoumis besteht. Zu letzteren gehören der bekannte Schauspieler Bruno Gaccio, die ehemalige Attac-Chefin Aurélie Trouvé , die Schriftstellerin Annie Ernaux und die Philosophin Babara Stiegler.
Am selben Tag hatte auch Zemmour seine erste Großveranstaltung (vor über 10.000 ziemlich begeisterten meist jungen männlichen Zuhörern, darunter Mitglieder faschistischer Gruppen. Zemmour hielt quasi die Gründungsrede für seine Bewegung „Reconquête“ (Wiedereroberung), ein Begriff, der an die katholische „Reconquista“ die Spaniens erinnern soll, die 1492 bekanntlich mit der Vertreibung der Muslime und Juden endete. Natürlich hat Zemmour nicht die Führerstatur des „Cid“, aber seine Rede hatte viele Elemente des faschistischen Diskurses im Frankreich der 30 und 40er Jahre, auch, wenn er vor der Parole Vichys „Arbeit-Familie-Vaterland“ (noch?) zurückschreckte. Vielleicht wird der Wahlkampf ihm die Hemmungen nehmen. So wie den Mitgliedern der „Génération identitaire“, die im Saal einige Demonstranten von „SOS-Racisme“ ziemlich brutal verprügelten, unter dem Applaus des zemmouristischen Publikums.. Auch vor dem Saal gab es Proteste. Hier räumte die Polizei auf.
Nur vier Tage später sorgten zwei linke Kandidaten für eine Sensation. Zunächst kündigte der Sozialist Arnaud Montebourg (mit 1,5% ohne jede Chance) seinen Rücktritt von den Wahlen an, falls sich die „Linke“ doch noch zu Primaires zusammenfinden würde. Wenige Stunden später schloss sich Anne Hidalgo dem Aufruf an und suspendierte ihre Kandidatur. Sie stehe zu ihrer Verantwortung, erklärte sie. Hat auch sie die Aussichtslosigkeit ihrer Kandidatur erkannt? Rettet sie sich in ihr gegenwärtiges Bürgermeisteramt, um als strahlende Gastgeberin der Olympiade 2024 ihre Kandidatur für 2027 vorzubereiten? Wie auch immer, Roussel , Jadot und Mélenchon winkten dankend ab. Würde kein sozialistischer Kandidat antreten, wäre dies für den PS der GAU (Ségolène Royal hat indes schon angekündigt, „disponible“ zu sein). Im Fall des endgültigen Rückzugs des Parti socialiste hätte Jadot wohl stärkere Zugewinne als Mélenchon, aber auch Macron könnte profitieren. Das schlanke Elektorat Hidalgos besteht halt nicht nur aus Sozialisten.
Jupiter droht übrigens das erste Mal Ungemach: Kämen er (was sicher scheint) und Pécresse (was man nicht so recht glauben mag) in den zweiten Wahlgang, hätte Frankreich ihre erste Präsidentin. Das behauptet wenigstens das Umfrageinstitut Elabe, beauftragt vom „Parisien“ und „France-Info“. Gut, dass das Konkurrenzunternehmen Odoxa das schnell korrigiert hat. Nach einer vom „Nouvel Observateur“ beauftragten Umfrage würde würde wohl doch Präsident bleiben. Sehr knapp allerdings. Ist das real? Wer weiß? Aber die Botschaft bleibt: Jupiter ist ein Sterblicher. Ist das Leben nicht schön?
Kommentare 25
14. Dez. 2021.
Nach der"freiwilligen" Suspension der Kandidaten Montebourg und Hidalgo erscheint wunderbarerweise Christiane Taubira, emblematische Abgeordnete (nach der da "Gesetz Taubira" benannt ist, das die Sklaverei als Verbrechen gegen die Menschheit definiert, die als Ministerin Hollandes die "Heirat für alle" initiiert hat, die aber auch alle restriktiven Sozialgesetze der Regierung unter der Regierung Valls mitgetrgen hat) als Dea ex machina der Linken. Sie hat sich noch nicht zu einer Kandidatur geäußert. Das Institut Ipsos veröffentlicht jedoch Umfragen (eh oui!), nach denen 73% der "Linken" Primaires wünschen, aus denen dann wohl Taubira als - aussichtslose - Kandidatin hervorgehen würde. Die Wahlchancen stehen danach, so das Institut, auf dem NIveau Mélenchons.
Taubira hat schon einmal kandidiert und 2,32 % der Stimmen bekommen - und mit anderen linken Kandidaten dafür gesorgt, dass nicht der Sozialist Jospin in denWahlgang gegen Chirac kam, sondern ... Jean-Marie Le Pen.
Das Vergessen im Wahlkamp - nicht nur eine französische Spezialität.
14. Dez. 2021.
Nach der"freiwilligen" Suspension der Kandidaten Montebourg und Hidalgo erscheint wunderbarerweise Christiane Taubira, emblematische Abgeordnete (nach der da "Gesetz Taubira" benannt ist, das die Sklaverei als Verbrechen gegen die Menschheit definiert, die als Ministerin Hollandes die "Heirat für alle" initiiert hat, die aber auch alle restriktiven Sozialgesetze der Regierung unter der Regierung Valls mitgetrgen hat) als Dea ex machina der Linken. Sie hat sich noch nicht zu einer Kandidatur geäußert. Das Institut Ipsos veröffentlicht jedoch Umfragen (eh oui!), nach denen 73% der "Linken" Primaires wünschen, aus denen dann wohl Taubira als - aussichtslose - Kandidatin hervorgehen würde. Die Wahlchancen stehen danach, so das Institut, auf dem NIveau Mélenchons.
Taubira hat schon einmal kandidiert und 2,32 % der Stimmen bekommen - und mit anderen linken Kandidaten dafür gesorgt, dass nicht der Sozialist Jospin in denWahlgang gegen Chirac kam, sondern ... Jean-Marie Le Pen.
Das Vergessen im Wahlkampf - nicht nur eine französische Spezialität.
„jungen Jupiter. Er schien geradezu als antifaschistisches Projekt:“
Wie steht es um Macrons Außenpolitik? Stichwort Ungarn? Da verhält er sich wie einst die CSU resp. EU-Politiker Manfred Schröder.
Macron & Stichwort Australien, GB, USA/Ukraine?
Wie stehen die Kandidaten zu Deutschland, der EU, zur Nato?. Das würde mich Ihre Einschätzung sehr interessieren. Im Übrigen, wieder sehr lesenswert Ihr Beitrag. Mein Dank! am
https://www.spiegel.de/ausland/eric-zemmour-und-sein-politischer-erfolg-rechts-rechter-frankreich-a-5d15ef5a-d591-4280-b42d-3314cc6eb94d
Querdenker - gefasel...
Britta Sandberg ist natuerlich nur eine kleine Leuchte...
----- verhält er sich wie einst die CSU resp. EU-Politiker Manfred Schröder. ----
also bei csu-eu komme ich da zunächst auf manfred weber ...
Ich fürchte, so krasse Wahlfälschungen sind gar nicht nötig. Dafür sorgen schon die Umfragen, die Medien, die "eingeimpfte" Aversion gegen die so notwendige radikale Gesellschaftsveränderung und die allgemeine "Müdigkeit", von der Macron in Bezug auf Corona spricht, ohne zu merken, dass auch seine unerträgliche Performanz die Menschen "weichgekocht" hat.
Gestern (15. Dez.) produzierte ja TF1 (Buygues) die fast zweistündige Sendung: Hofjournalisten fragen, und der König hält Monologe. Es gab unter anderem eine Sequenz, die einen fassungslos macht: Macron berichtet in falschem Betroffensein aus der Zeit des strengen Lockdowns. An einem Abend habe er ein so genanntes "Viertel" besucht und mit Rührung das Absingen der Marseillaise in den kleinen engen Wohnungen wahrgenommen. Er dachte an die vielen Kinder in diesen schlechten Wohnungen, die nichts aßen (!), deren Eltern sie am Morgen verlassen (!) würden, um zu arbeiten. In dieser Situation (dramaturgische Pause) habe er sich entschieden, die Schule wieder zu öffnen.
Da freut man sich fast, Kanler wie Merkel oder Scholz zu haben, obwohl...
sorry, genau! :)
17. Dezember.
Da sich die Ereignisse "überschlagen"eine zusätzliche Information in dieser Kommentarspalte.
Den Mainstreammedien war es seit gestern abend bekannt. Heute wissen es alle Interessierten: Christiane Taubira überlegt ernsthaft ("envisage"), sich als Kandidatin zu präsentieren. Es gehe um die "Union". Sie wolle aber keine "weitere" Kandidatin auf der Linken sein. Näheres erfahren wir aber erst Mitte Januar (!), d.h.3 Monate vor der ersten Wahl.
Hidalgo ihrerseits gibt nicht auf und fordert eine Fernsehdiskussion mit anschließender Primaire (von wem? der FI, die sich schon entschieden hat, den Ecolos, die sich auch schon festgelegt haben, den Kommunisten, die schon festgelegt sind, wohl nicht. Bleibt - der Parti socialiste). Jadot fordert die Sozialisten auf, sich ihm anzuschließen, Roussel ebenso. Mélenchon ist auf Wahlkampftour in Guyane, Gouadeloupe und Martinique. Der FI-Deputierte Alexis Corbiere ironisiert:
"Es ist seltsam. Nur vier Monate vor der Wahl gibt es Leute, die von einer imaginäre Kandidatur ohne Programm träumen."
Links vom Parti socialiste wird auf das desaströe Wahlergebnis Taubiras 2002 verwiesen (gut 2%). Sie habe ihren großen Verdienste (das Gesetz zur Anerkennung des Sklavenhandels als Verbrechen gegen die Menschheit, Ehe für alle etc.), aber "die" Linke verkörpere sie wahrlicht nicht. Wirtschaftlich und sozial vertrete sie eher neoliberale Positionen (Steuersenkung für Reiche, REduktion der sogenannten Sozialkosten der Unternehmer etc.). Viele Kommentatoren sind momentan perplex. Was soll dieses Theater? Auch überzeugte Kämpfer gegen Verschwörungsideologien fragen sich, wer denn hier die Fäden zieht?
Die Rechte jedenfalls, von Macron über Pécresse, Marine Le Pen und Zemmour, kann Weihnachten genießen. Wenn nichts dazwischen kommt.
"Wenn nichts dazwischen kommt."
das ist ja eine frage der bewertung, was denn überhaupt den rechten weihnachtsgenuß erst stören könnte.
die pünktlich zur industriellen weihnachtsruhe "entdeckten" schweißnahtrisse in 4 der "modernsten" gigant-akws mit sofortiger abschaltung b.a.w. gehört offenbar nicht dazu.
äh: gehören
Natürlich nicht.
Das sind doch "nur" Probleme, die zu "lösen" sind. Instrumentelle Vernunft: Probleme schaffen "Solutions", neue Probleme neue Lösungen... Wo ist da Problem?
Macron ist für die nächsten Monate "Président" der EU. Er wird dafür "sorgen", dass die Atomkraft zur ökologischen Energiequelle, weil "CO2 neutral", eingestuft werden wird.
Spannend wird die Frage: Wie reagiert die neue deutsche Regierung, die ja immerhin die hegemoniale Macht in der EU vertritt, aber auch ihre ökonomischen Abhängigkeiten hat (RWE etc.)?
da tippe ich eher auf "vertagung" durch verschleppung, prüfungs- u. verfahrens-pirouetten, überlagerung durch krisen/andere fragen usw. als auf macrons durchsetzung qua seiner eu-amtszeit.
und weder der us-hegemon noch sein russ. prätendent/teil-nachfolger in spe/ haben ein verschärftes interesse an franz. dominanz per hochsubventioniertem strom-angebot. ist aber natürlich auch alles eine frage von polit. u. kommerz. "geschäft" u. gegen-geschäft unter den eu-staaten, was wir hier, und vermutlich auch scholz, a.b. & co. derzeit u. b. a. w. noch, kaum hintersteigen können, da ist m. vermutlich noch im vorteil längerer erfahrung u. aktiver verankerung auf der eu-(hinter-)bühne.
Toller Beitrag! Vielen Dank, wwalkie!
Ich finde es mal interessant, einen Überblick über die Kandidaten, deren Positionen und eine ausführliche Einordnung des Wahlkampfs zu lesen. Das findet sich in dieser Form leider nicht in den Medien.
Übrigens: Das Sprachbild des Jupiter gefällt mir, weil es zu 100% zu Macrons größenwahnsinnigem Politikstil passt.
Ich hoffe ja immer noch, dass- wundersamerweise- ein JL Mélenchon es noch in die Stichwahl schafft, weil er eine echte inhaltliche Alternative zu Macrons Neoliberalismus repräsentieren würde. Wer weiß. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Das hoffe ich auch.
Mélenchon könnte sich ja demonstrativ mit dem frischgebackenen Wahlsieger in Chile, Gabriel Boric, treffen.
Ein starkes Signal wäre es, wenn Macron gar nicht in die Stichwahl kommt. Ob ihn seine Bank dann als Versorgungsfall wieder aufnimmt?
Ein Treffen mit Boric wäre sicherlich ein gutes Signal! Fände ich super!
Und ich glaube, dass Macron keine Probleme haben wird, wieder ins Finanzwesen zurückzukehren. Seine Kontakte reichen weit zurück- über seine Politkzeit hinaus-, und er ist ja bestens vernetzt. Die Frage ist, ob Frankreich nochmal 5 Jahre Macron ertragen kann?
5.1.2o22.
Der Präsident hat gestern Worte gefunden, die den Wahlkampf prägen könnten. Ich zitiere sie schnell in dieser Kommentarzeile, damit in den deutschen Medien wenigstens am äußeren Rande wahrgenommen wird, welche leuchtende Gestalt dieser 'Emmanuel Macron ist. Es geht um eine Vorveröffentlichung eines Interviews mit "Le Parisien". Macron sagte unter anderem dieses:
"In der Demokratie sind der schlimmste Feind die Lüge und die Dummheit. Wir setzen die Nicht-Geimpften unter Druck und begrenzen für sie den Zugang zu den Aktivitäten des sozialen Lebens... Es ist eine kleine widerspenstige Minderheit. Ich will die Franzosen nicht piesacken ("emmerder"). Aber im Fall der Nicht-Geimpften habe ich große Lust sie zu piesacken. Also (sic!) werden wir fortfahren, bis zum Ende... Ein Nicht-Geimpfter ist ein Unverantwortlicher und damit kein Bürger ("Citoyen") mehr."
Ein Diskurs, der die oppositionellen Parlamentarier verständlichermaßen dermaßen in Rage brachte, dass sie während der nächtlichen (!) Diskussion des neuen Gesetzes über den "Pass vaccinal" den Ministerpräsidenten sofort in die NV beriefen, der allerdings nicht erschien. Am 2 Uhr morgens, nach einigen Tumulten, musste die Versammlung abgebrochen werden.
Wer profitiert von diesen zutiefst unrepublikanischen Sätzen des präsidialen Monarchen? Möglicherweise die Kandidatin der Republicains, Valéry Pecresse, die bezüglich der zu "emmerdierenden" Minderheit stärker als Macron auf die Muslime zielt. Möglich wäre aber auch, dass nicht wenige Abstentionisten doch noch wählen werden, nur um diesen Präsidenten los zu werden. Und das würde die gesamte Geschäftslage verändern. Wir werden sehen.
>>...wenn Macron gar nicht in die Stichwahl kommt. Ob ihn seine Bank dann als Versorgungsfall wieder aufnimmt?<<
Ich kann mir vorstellen dass er die Beziehung zur Bank nie abgebrochen hat.
tja, nicht jedes land/wahl-volk ist mit einem scholz gesegnet,
dem repektierliches umgehen mit anders-meinenden:
über alles ! geht...
Immerhin. Die "Tagesschau" hat gestern berichtet. Titel:
"Klare Ansage an Ungeimpfte".
Ja, so kann man es auch formulieren.
Danke fuer den Artikel wwalkie, immer wieder schoen Sie zu Lesen.
Ein schoenes neues Jahr.
Gruss
14. Januar 2022 .Ergänzung
Die Paten
Weitere Überraschungen sind möglich. Es könnte tatsächlich der Fall eintreten, dass Mélenchon, Zemmour und/oder Marine Le Pen nicht zur Wahl zugelassen werden, weil ihnen die „Parainages“, die Patenschaften, fehlen. Nach dem Wahlgesetz von 1976 brauchen die Kandidaten nämlich die „Présentation“ ihrer Kandidatur durch mindestens 500 „Gewählte“, also durch Parlaments- oder Senatsabgeordnete, Bürgermeister, Räte von Paris und Lyon, Regionalräte u.a.m, insgesamt 42000 „Paten“. Es gibt eine bestimmte Frist, vom Aufruf der Wähler (10 Wochen vor der ersten Wahl) bis zum 6. Freitag vor derselben. Wer jetzt an die Festlegung der Kirchenfeiertage, liegt nicht ganz daneben. Das Gesetz hat den Geruch ständischer Tradtion und ist alles andere als demokratisch.
Vor allem Mélenchon hat Probleme, Paten zu finden. Er steht zwar in den Sondages nicht so schlecht da (mit über 10% viel besser als alle anderen linken Kandidaten), kann aber bisher nur über etwas über 400 Patenschaften verfügen, anders als der PCF-Kandidat Roussel, der zwar nur auf maximal 2% kommt, aber aufgrund der politischen Verankerung seiner Partei schon mit über 500 Paten auftrumpfen kann. Die fehlen - anders als 2017 - Mélenchon. Die eventuellen kommunistischen Unterstützer Mélenchons müssen mit Folgen rechnen (politische Karriere, Anfeindung, Verratsvorwürfe etc.).
Zemmour hat bisher noch weniger Paten als der Insoumis. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass nicht wenige republikanische Gewählten ihn protegieren werden, damit er Le Pen so viele Stimmen abnimmt, dass die Kandidatin der Republikaner, Valérie Pécresse, zumindest in die Stichwahl gegen den Göttlichen kommt.
Marine Le Pen muss ebenfalls um jeden Paten kämpfen. Die Kandidatur Zemmours hat sie schon jetzt in die Bredouille gebracht. Auch wenn sie auf der extremen Rechten in den Sondages führt, bleibt der Vertreter des „wahren Frankreich“ sehr nützlich, zum Beispiel als Lebensversicherung des (immer-noch-nicht erklärten) Kandidaten Macron.
Es kann also zum GAU des Ausfalls von drei Kandidaten kommen, die - nach den Umfragen - zusammen weit über 40% der Wähler repräsentieren. Was dies bei der ohnehin zu erwartenden hohen Abstention bedeuten würde, ist kaum vorstellbar. Immerhin hat der Senatspräsident mittlerweile eine Art dringenden Appell an die Gewählten gerichtet. Es gehe um nichts Geringeres als die Demokratie. Vor allem, so möchte ich bescheiden ergänzen, geht es um eine neue Republik.
Interessant ist sicherlich das Verhalten des kommunistischen Kandidaten, Fabien Roussel, der vor Kameras das Ganze mit einen Schulterzucken kommentiert: "Wenn sie ein Problem mit den 500 Patenschaften haben, haben sie wohl ein Problem mit der Republik. Sie können die Menschen halt nicht überzeugen." Roussel steht bei 2%, programmatisch trennt ihn- mit der gewichtigen Ausnahme der Atomkraftsfrage - nicht so viel von Mélenchon. Wer berät eigentlich den Kandidaten der kommunistischen Partei? Geht es wirklich um eine andere, eine demokratische und soziale Republik? Oder doch eher um einige Parlamentssitze und regionale Pöstchen? Erklärt dies die manchmal ziemlich rechten Äußerungen und Aktionen des kommunistischen Kandidaten? Das wäre nicht ganz neu. Aber diese Frage muss nicht an Roussel gerichtet werden.
Kurzes Update, 21. Februar.
So spannend wird es dann vielleicht doch nicht. Die absurde Regelung der Verfassung der 5. Republik will, dass die Kandidaten 500 "Gewählte" (Bürgermeistern, Regionalräten etc.) als "Paten" vorweisen können. Die Frist läuft am 4. März ab.
Bisher haben Le Pen 366, Mélenchon 370 und Zemmour 241 Patenschaften erbettelt. Die Trotzkistin Arnault (Sondage o,5%) hat ihre Paten schon. Macron, obwohl noch nicht offizieller Kandidat, verfügt über mehr als 1000 Paten (hat nichts mit Vatergefühlen zu tun).
Was passiert, wenn 3 der 4 ernstzunehmenden Gegenkandidaten des Präsidenten an der Parrainage scheitern?
C'est dingue, absolut verrückt.
Nachtrag. 22.3.22
Ein kurzer Blick auf die letzte Umfrage zur Präsidentschaftswahl. Elabe, 20-21.3. 22
Poutou (PAC) 1,5%, Roussel (PCF) 3,5%, Mélenchon 15%, Hidalgo (PS)1,5%, Jadot (ELV), Macron 27,5%, Pécresse (Républicains) 10%, Le Pen 20%, Zemmour 10%.
Das eröffnet tatsächlich Perspektiven für die Linke, was den zweiten Wahlgang angeht. Aber Vorsicht! Sehr viel hängt von Roussel ab, von dem man immer noch erfährt, warum er überhaupt kandidiert. Er wird wahrscheinlich nicht zugunsten Mélenchons verzichten, schließlich braucht er 5%, um die nicht geringen Wahlkampfkosten erstattet zu bekommen, und der PCF verfügt nicht über den Reichtum der Macronie. Gleiches gilt für Jadot (dessen Wahlkampf unerwartet blass gerät). Dessen Wähler würden eher mehrheitlich für Macron stimmen.
Deutlich wird, dass weder Pécresse noch Zemmour die nötigen Stimmen erreichen werden. War Zemmour nur ein Strohfeuer? Eine Drohgeste gegen Macron, die mit der ökonomischen Versöhnung des Zemmour-Förderers Bolloré und Macrons obsolet geworden ist? Viele Zemmouristen werden sich allerdings wieder Le Pen zuwenden, der Lebensversicherung Macrons.
Aber: Wenn die Abstentionisten sowie die Kommunisten und Ökologisten doch intelligenter sind, als ihre Führer, gäbe es eine minimale Chance für die Sechste Republik. Ein anderes Leben scheint möglich. Immerhin.
ach "ein anderes leben" begleitet doch alle,
deren phantasie nicht von brutaler realität erdrückt wird.
im moment geraten viele schöne imaginationen
zwischen die walzen eines walz-werks, das
stahl-blöcke zu blech ausrollen kann...
2. April. Noch 8 Tage bis zum ersten Wahlgang.
Der Milliardärssender BFMTV (Bernard Arnault, Mäzen Macrons) hat das Institut ELABE mal wieder mit einer Sondage beauftragt. So sieht's aus (soll es aussehen?):
Mélenchon 15%, Macron 28,5%, Le Pen 22%. Pécresse (8,5%) und auch Zemmour (9,5%) scheinen out zu sein.
Im 2. Wahlgang würden sich also Macron und seine "Lebensversicherung" Le Pen gegenüberstehen. Aber, aber: laut ELABE würden nur noch 53% für Macron und 47% für Le Pen stimmen. On verra.
Die Alternative ist schrecklich genug. Mélenchon hat dies mit diesen Worten umschrieben. Macron wäre der Kandidat des "ökonomischen Programms von Le Pen plus Klassenverachtung" und Le Pen die Kandidatin des "ökonomischen Programms von Macron plus Rassenhass". Wenn das keine Aussichten sind.
9. April.
Das Institut Ipsos (Macron-affin) veröffentlichte gestern letzte Umfragewerte (immerhin über 7000 Befragte):
Arthaud 0,5 % ,Poutou 1 % ,Roussel (PC) 3 %, Mélenchon 17,5 %, Hidalgo (PS) 2 % Jadot (Ecolos) 5 %, Macron 26,5 %, Pécresse 8,5 %, Dupont-Aignan 2 %, Lassalle 2,5 %, Le Pen 22,5 %, Zemmour 9 % .
Wenn also Macron und Le Pen wieder einmal zu hoch geschätzt werden, Zemmour zu niedrig (er wird an der Wählerschaft Le Pens knabbern), wenn vielleicht doch eine größere Anzahl von Wählern der Kommunisten, Ecolos und Trotzkisten (die wenigen Sozialisten fallen kaum noch ins Gewicht und tendieren eher zu Macron) den "vote efficace" und damit Mélenchon vorziehen, wenn sich eine größere Anzahl Abstentionisten der "classes populaires" doch noch zum Wahlbüro bewegen könnte, dann, und nur dann, könnte der Bann Le Pen endlich gebrochen werden. Der zweite Wahlgang wäre dann die Situation einer echten Entscheidung für oder gegen die 6. Republik.
Es ist so verdammt mühselig. Wer zum Beispiel als KommunistIn zur Wahl Mélenchons aufruft, muss zum einen mit seinem immer noch funktionierenden Parteigewissen fertig werden, vor allem aber mit den "netten" Kommentaren der "Genossen", bei denen die Partei(führung) halt immer noch immer recht hat.