Mit seiner Behinderung wird der zwanzigjährige Franck bis zum Ende leben müssen. Der Zeitschrift „Marianne“ berichtet er, wem er sie verdankt. Der Teilnehmer der großen Pariser Gilets-Jaunes-Demonstration vom 1. Dezember 2018 versuchte gerade seine Mutter per Telephon zu beruhigen, als ihm ein Polizist eine „Verteidigungskugel“ 40 ins Gesicht knallte. Ein anderer Hüter der Ordnung warf kurz eine Überlebensdecke über den Verletzten und entfernte sich. Zwei Gilets jaunes eilten herbei und riefen seine Mutter und die Ambulanz an. Im Krankenhaus wurde klar: Franck hat ein Auge verloren.
"Sie sind im Krieg"
Es sollte fast 10 Wochen dauern, bis sich auch die großen Medien der Tatsache annahmen, die aufgrund der zahlreichen Videos im sozialen Netz wirklich allen bekannt (und erkannt) sein musste: Bei der Bekämpfung der (relativ wenigen) aggressiven Demonstranten setzt die Führung der Polizei auf brutale Gewalt. Zwar sind laut Innenminsterium sind 1000 Polizisten verletzt worden, doch über das wirkliche Ausmaß der Verletzungen erfährt man wenig, und wenn, dann verweisen sie zumeist auf Harmloses. Überprüft ist jedoch, dass mindestens 1700 Demonstranten verletzt wurden. 94 von ihnen erlitten schwere Beschädigungen: Verlust eines Auges wie Franck, abgerissene Gliedmaßen, mehrfache Brüche, klaffende Kopfwunden, riesige Hämatome, von den psychischen Dauerschäden nicht zu reden. Schon nennt man sie „Gueules cassés“ (kaputte Schnauzen), wie die Gezeichneten nach dem Ersten Weltkrieg bezeichnet wurden. Noch anfang November hatte der Präsident mit Tremolo an ihr Schicksal erinnert.
Wer sich eine der GJ-Demonstrationen im Fernsehen angeschaut hat, fragt sich irgendwann entsetzt: Welcher Teufel reitet denn diese Flics und ihre Chefs? Da werden mehr als 80.000 Polizisten mobilisiert. Da werden Tausende Gilets jaunes vor den Demos in Gewahrsam genommen. Da galoppiert eine Kavalleriestaffel durch die Straßen von Paris, als gelte es, die Commune zu niederzuhauen. Es fehlt nur der gezückte Säbel. Da werden die Demonstranten auf der Place de l'Etoile am Triumphbogen regelrecht eingesperrt, mit Tränengasgranaten beworfen, bevor der Platz schließlich per Wasserkanonen brutal von Menschen „gereinigt“ wird (um den Polizeijargon aufzunehmen). Da lauern im Hintergrund die gepanzerten Fahrzeugungeheuer, eigentlich für den Krieg vorgesehen, die alles niedermachen können, was sich in den Weg stellt. Und da ist dieses schreckeneinflößende Waffenarsenal, das sich hinter technischen Abkürzungen verbirgt:
die Granate GLI-FU, eine kleine Bombe, die 25 g TNT enthält. Ihr Einsatz hat bisher 4 abgerissene Hände, ein Auge und einen Fuß gekostet. Sie soll von der „humaneren“ M2L ersetzt werden, wenn die Lagerbestände der GLI-FU erschöpft sind,
der LBD 40, der „Lanceur de balles de défense, calibre 40“, eine in der Schweiz produzierte, sehr präzise Waffe. Sie hat den Vorteil „reduzierter Letalität“. Diese „Flash-Balls“ haben bisher mehr als 70 schwere Verletzungen verursacht. Es gibt schon Nachbestellungen des Modells. Man sorgt also für die Zukunft.
Dass die Polizei und die Gendarmerie neben diesen kriegsähnlichen Waffen auch über das „normale“ Arsenal verfügen, muss kaum erwähnt werden. Aber auch hier überrascht der massive Einsatz der Wasserkanonen und – natürlich – der Matraques, dieser allgegenwärtigen euphemistisch Gummiknüppel genannten Nahkampfwaffen. Auch Frauen und ältere Personen werden offenbar ohne Skrupel dem „matraquage“ unterzogen. Und immer wieder werden Demonstranten mit Gas besprüht.
Für den Historiker Mathieu Rigouste ist es keine Überraschung, dass
die französische Polizei regelmäßig das militärische und koloniale Repertoire nach innen, gegen die unterdrückten Klassen, anwendet. Das Machtwissen zirkuliert zwischen den Kolonialkriegen, der Segregation der so genannten Viertel und der Repression undisziplinierter Demonstrationen.
Der Einsatz der LBDs zum Beispiel beginnt in kolonialen Konflikten (Nordirland, Palästina). Die Hartgummigeschosse werden in den neunziger Jahren von französischen Einheiten im Kampf gegen Terrorismus übernommen und nach 2000, vor allem von den so genannten BAC (Brigades Anti-Criminalité) auf die Verbrechensbekämpfung, gegen die "Racaille" (Sarkozy), in den sensiblen „Vierteln“ ausgeweitet. Und eben diese polizeiliche Praxis wenden die BAC nun auf die demonstrierenden Gilets jaunes an. Statt gegen die Körper der „armen Nicht-Weißen“ greifen sie nun die der „kleinen Weißen“ an. Sie sind „im Krieg“, so der Journalist David Dufresne, sich auf andere Polizisten berufend. Selbst die nicht gerade zart besaiteten CRS (Compagnie Républicaines de Sécurité) zeigen nicht selten ihr Unverständnis über das Verhalten der BAC (die sich gerne Kobras, Adler oder Spinnen als Insignien geben).
Die BAC können sich bei ihrem Tun eines gewissen „Grauschecks“ ihrer Vorgesetzten sicher sein, wenn die rote Linie, der Tod des zu domestizierenden Subjektes, nicht überschritten wird (zumindest in der Metropole). Die koloniale Imprägnierung zeigt sich auch beim massiven Einsatz der Explosivgranaten, die schon 1960 im Algerienkrieg verwendet wurden. Noch die 68er (und die damals in Massen streikenden Arbeiter) bekamen diese Kontinuität buchstäblich zu spüren. Und 50 Jahre später müssen demonstrierende Schüler einer Vorstadtschule auf den Knien und mit auf den Kopf gelegten Händen ihre Unterwerfung symbolisieren, so wie besiegte marokkanische und algerische Rebellen in den zwanziger Jahren. Auf dem entsprechenden Video hört man einen Polizisten rufen:
Jetzt seid ihr brav!
Die Perfektionierung der Waffen hat die Situation extrem dramatisiert. Und sie garantieren den Produzenten hohen Gewinn. Jede erfolgreiche Repression stellt eine „Marktbewährung“ ihrer Produkte dar.. Mathieu Rigouste urteilt:
Hinter jeder Verletzung gibt es eine Industrie, die aus ihr Profit zieht.
"Verurteilen Sie die Gewalttaten?"
Dazu braucht es Regierungen und Medien, die vorgeben, auf eine angebliche Gefahr für Vaterland und Republik zu reagieren. Die Macronie ist diesbezüglich perfekt. Sie zeigt ohne ideologische und moralische Gewissensbisse die bekannte Konvergenz von Neoliberalismus und Autoritarismus. Vergessen ist das Diktum Maurice Grimauds, immerhin Polizeipräfekt im emblematischen Jahr 1968:
Einen Menschen zu schlagen, der auf der Erde liegt, bedeutet, sich selbst zu schlagen.
Der Präsident gibt den Ton vor, spricht voller Abscheu von der Gewalt der „hasserfüllten Massen“. Der Premierminister Philippe kündigt die schnellstmögliche Verschärfung der Versammlungsgesetze an. Bruno Castaner, der robuste Innenminister, erklärt alle Demonstranten zu Komplizen von Gewalttaten. Die meisten Medien (vor allem die privaten und öffentlichen Fernsehsender) setzen die gouvernementalen Phrasen in Szene, senden zum Beispiel als Dauerschleife brennende Papierkörbe und Autos, besonders gern aber die Boxkunst eines ehemaligen Europameisters gegen einen schwer gepanzerten CRS, inklusive der Erleichterung darüber, dass der Boxer völlig unnötig vor seinem wohl „kurzen Prozess“ ins Gefängnis gesperrt wird. Dass fast simultan in Bordeaux ein Kommissar und Ehrenlegionär einem Wehrlosen anscheinend folgenlos blindwütig die Fäuste ins Gesicht donnert, wird dem Fernsehpublikum lange vorenthalten. Dafür bekommt der Masterphilosph und kurzfristige Erziehungsminister Sarkozys, Luc Ferry, ein Kantianer,das Wort und beweist den Mut, sich seines Verstandes zu bedienen,... um nichts weniger als den waffenbewehrten Einsatz des Militärs zu fordern. Dieses Abgleiten scheint für die Regierenden und (ihre) Medien kein Problem darzustellen.
Kritiker, die es jedoch wagen, auch die Polizeigewalt zu kritisieren, wird in McCarthy-Positur („Sind oder waren Sie Mitglied?“) ein Bekenntnis ohne Wenn und Aber gegen die Demonstrationsgewalt abverlangt. Die Standardfrage zu Beginn fast jeden Interviews lautet: Verurteilen Sie die Gewalttaten (der Demonstranten)?" Wenn sie differenzieren, werden sie von den „Editokraten“ in staatsantwältlichem Diskurs zu indirekten Anstiftern der Gewalt gegen die Republik erklärt.
Innenminister Castaner selbst transformiert die Gewalt der Polizei zu angewandter Vaterlandsliebe:
Ich kenne keinen Polizisten, keinen Gendarmen, der Gelbe Westen attackiert hat. Ich kenne nur Polizisten und Gendarmen, die die Mittel zur Verteidigung der Republik und der öffentlichen Ordnung benutzen.
Der Diskurs ist altbekannt. Schon Brecht persifliert ihn in der "Ballade von der Billigung der Welt":
Dort, drei Schritt vor mir, seh ich einige Rüpel/Die schlagen ein auf Weib und Greis und Kind,/Da seh ich eben noch: sie haben Gummiknüppel/Da weiß ich, dass es keine Rüpel sind.
Natürlich ist die Sorge um die „ Aufrechterhaltung der Ordnung“ nur ein kaum verborgener Vorwand. Eine angeknockte Regierung will die Gilets jaunes abschrecken und die Demonstrationen kriminalisieren, um ihre eigene, mühselig erarbeitete Handlungsfähigkeit zu bewahren.
In diesem Kontext spielt die „Große nationale Debatte“ eine gewisse Rolle. Dieser alles andere als herrschaftsfreie Dialog (bei den gegenwärtigen Macron-Shows mit ausgesuchten Bürgermeistern in der Provinz sichern circa 1000 Polizisten den Präsidenten weiträumig ab) soll die Gilets jaunes aufteilen: in die Gesprächsbereiten und die Gewaltbereiten. Die ersteren beweisen mit ihrer Teilnahme am Dialog ihre Seriösität durch „Einsicht in die Notwendigkeit" der ökonomischen Freiheit weniger und befürwortet auch die gewaltsame Einschränkung der politischen Freiheit des „Peuple“, wenn dieses „unbegrenzte Demokratie“ (Hayek) fordert und sogar durchsetzen will. Dass just zu diesem Zeitpunkt, immerhin nach fast 10 Wochen brutaler Repression, auch die großen Medien etwas stärker über die Polizeigewalt berichten (dürfen), mag Zufall sein, bekommt aber in diesem Kontext Kohärenz: Beteiligt euch am Dialog, dann werdet ihr auch nicht verprügelt.
Dieses Kalkül scheint einen gewissen Erfolg zu haben, zumindest bei den rechten Parteianhängern. Laut Umfragen befürworten immer mehr ehemalige Fillon-Wähler (die rechte Mitte) die Methode Macron. Noch autoritärer Gesonnene wenden sich dem Rassemblement national zu. Andere scheinen chancenlos. Bei den Europawahlen läuft es also wieder einmal auf das beliebte Showdown der „Progressiven“ gegen die „Rechtspopulisten“ zu, ein gefährliches Spiel. Es fällt auf, dass Marine Le Pen und andere RN-Vertreter entsprechend verstärkte Medienpräsenz bekommen. Und auch sie distanzieren sich von den "radikalen" Gelben Westen und verurteilen scharf die Gewalt der Demonstranten gegen die Polizei (die wiederum nicht wenige RN-Anhänger in ihren geraden Reihen aufweist). Schon wird der RN als Plan B diskutiert. Aber wer plant?
Noch stehen die meisten Gilets jaunes tapfer zu ihren Zielen. In den nächsten Wochen wird sich jedoch entscheiden, ob der „Grand débat national“ ihren Elan absorbieren wird. Dass der bisherige Verlauf des „Dialogs“ zu offensichtlich ein Ablenkungsmanöver ist, sollte sie jedoch stärken. Dann wären die zahlreichen Verletzungen, die Schmerzen, die Verluste der Lebensqualität, die Operationen und Rehas zumindest nicht ganz umsonst gewesen. Denn dass sie eventuell Opfer eines gewissen Kalküls politischer Schlaumeier geworden sind, mag sie nicht wirklich trösten, die „gueules cassées“ der Macronie.
Kommentare 33
Danke für die Mitteilung deiner Beobachtungen und ihre treffende Interpretation. Besonders der Hinweis auf die Reaktionen aus FN-Richtung ist interessant. Hierzulande aber stellt sich der Grüne Giegold hin und wirft AfD, FN und Gelbwesten lustig in in einen Topf und nennt sie "boshaft".
Giegolds Eintopf gehört in die Rezeptesammlung "Kochen und Karriere". Als Attac-Promi weiß er natürlich, dass Attac-France die Gelben Westen mehrheitlich unterstützt.
Leider konnte ich diese Macronade nicht mehr einbauen:
Freitag, den 25. Januar, also ein Tag vor der nächsten GJ-Demo und 2 Tage vor der Pro- Macron-Demo bringt der Privatsender Canal 8 (er gehört dem Milliardär Bolloré) eine Grand-Débat-Show, moderiert vom beliebten Entertainer Cyril Hanouna und ... Marlène Schiappa, "Ministerin für die Gleichheit von Frauen und Männern und für den Kampf gegen die Diskriminierungen" .Nach Information des Senders können die Zuschauer direkt über die 7 Ideen abstimmen, die der Regierung übermittelt werden.
Das kann man nicht toppen!
Man achte auf das Veröffentlichungsdatum:
05.06.2012
GdP NRW: Einsatz von Gummigeschossen ist unverantwortlich
Düsseldorf. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat die gestern von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) erhobene Forderung nach einer Aufrüstung der Polizei mit Gummigeschossen scharf kritisiert. „Die Polizei muss bei Demonstrationen mit aller Entschiedenheit gegen militante Gewalttäter vorgehen, aber wir leben in Deutschland nicht in einem Bürgerkrieg. Wir sollten ihn auch nicht herbeireden“, sagte der GdP-Landesvorsitzende Frank Richter. „Wer Gummigeschosse einsetzen will, nimmt bewusst in Kauf, dass es zu Toten und Schwerverletzten kommt. Das ist in einer Demokratie nicht hinnehmbar“, warnte Richter. Die Polizei habe zudem genügend andere Mittel, um aggressive Angreifer auf Distanz zu halten. „Dazu gehört im Notfall auch der Wasserwerfer“, betonte der GdP-Landesvorsitzende.
Gummigeschosse sind in der Vergangenheit in Europa vor allem in Krisenregionen zum Einsatz gekommen. Allein in Nordirland wurden zwischen 1970 und 2005 durch Gummigeschosse 17 Menschen getötet. Zudem gibt es immer wieder Schwerverletzte zu beklagen. Wegen der fehlenden Zielgenauigkeit finden sich unter den Opfern oft auch Unbeteiligte. Beinahe jeder zweite Getroffene muss im Krankenhaus behandelt werden. Auch bei den modernen Hohlraum-Geschossen, wie sie seit 2005 in Großbritannien und in Nordirland benutzt werden, gibt es ein vergleichbar hohes Risiko, durch den Beschuss getötet zu werden.
Die GdP lehnt deshalb den Einsatz von Gummigeschossen grundlegend ab. „Unser Rechtsstaat muss wehrhaft sein, aber die Polizei darf dabei nicht bewusst den Tod von Menschen im Kauf nehmen“, sagte Richter.
Die Jakobiner - der französische Staat ist ein rein Jakobinischer - hat es immer nur mit äußerster Gewalt geschafft sich durchzusetzen und am Leben zu erhalten. Die Anhänger Robispierres sind auch heute die Wiedergänger ihrer zentralistischen Vorgänger, die sich durch oft wenig bekannte und ebenso wenig thematisierte Genozide am eigenen Mitbürger profilierten. Nach den Massakern in der Vandée, an den Girondin, Sanscoulottes, Enragés, der Pariser Kommune, in Algerien, an den Studenten im Mai 68 ist es jetzt wieder soweit ... Welche Vorrasussetzung muss man erfüllen um in den zweifelhaften "Genuß" dieser "Zuwendung" zu kommen? Man muss Anhänger einer egalitären Gesellschaftsidee sein, Föderalist, Syndikalist, Anarchist ... kurz: ein Andersdenkender.
"La Grande Nation" jacobin est un tas de merde.
Aber die Franzosen hatten wenigstens LaBoètie. Die Deutschen hatten leider Luther.
Natürlich gibt es auch in Frankreich Polizisten und Gewerkschaftler, die ihre Karriere aufs Spiel setzen und auf der polizeilichen Funktion des "Friedensbewahrers" bestehen. Aber sie werden nicht gehört. Seit 2008, seit Sarkozy, geht es nur noch um Repression. Die Polzisten stehen dabei unter permanentem Druck. Die Suizidrate ist seit Jahren ungewöhnlich hoch.
Hinzu kommen die Semi-Kriegswaffen. Auch in Deutschland übrigens. Rheinmetall zum Beispiel promoted seinen Surviver R 4 mal 4 so:
"Das gepanzerte Monocoque kann mit adaptiven Schutzelementen individuell und diskret auf wechselnde Bedrohungslagen angepasst werden und ist serienmäßig mit einer Schutzbelüftungsanlage gegen atomare, biologische und chemische Kampfstoffe ausgestattet.
Der Innenraum ist hell und ergonomisch gestaltet, leicht zu reinigen und bietet ausreichend Platz für eine Besatzung von bis zu 10 Personen mit persönlicher Ausrüstung, sowie umfangreicher Funk- und Führungsausstattung."
Da fühlt man sich doch gleich sicherer.
Man muß hier von Staatsterrorismus sprechen. Und so sehr man von deutscher Seite einen revolutionären Elan der Franzosen bewundern mag, er ist die Kehrseite einer repressiven, imperialen Staatsmacht, die keine Skrupel kennt, militärische Macht anzuwenden, und die dennoch demokratische Mehrheiten sich zu verschaffen weiß. Der Ruin Libyens ist hauptsächlich das Werk französischer Machtpolitik, in Syrien hat nicht viel gefehlt, daß Frankreich eine ähnliche Rolle gespielt hätte, und Frankreich agiert in der Francophonie nicht wesentlich anders als die USA in der ganzen Welt. Einer der größten Hetzer, BHL, gilt als bedeutender und einflußreicher Philosoph unter den „Intellektuellen“. Das war mal ganz anders, da bewunderte man Sartre und Foucault.
Ihre Schilderungen haben mich derart betroffen gemacht, dass ich eigentlich keinen Mut hatte, hier überhaupt einen Beitrag zu leisten. Und ich bin ganz sicher, dass Ähnliches auch hier in Deutschland möglich wäre, trotz anderslautender Stellungnahmen.
Die deutschen bürgerlichen Medien hetzen nahezu unisono gegen den Widerstand, der sich in einer Reihe von Bevölkerungen breitmacht. Populisten ist das neue Schimpfwort, die Beutezüge der monetären Machthaber und deren treue Vasallen zu verteidigen.
Hierzu gehört auch Dr. Stefan Ulrich von der Süddeutschen Zeitung:
»Parlamente und klassische Parteien werden von Populisten als Teile einer volksfernen Kaste verächtlich gemacht. Mehr oder weniger charismatische Führungsfiguren umgehen unter reger Nutzung von Facebook und Twitter jene Instanzen, die sich zwischen sie und "das Volk" stellen könnten: Neben Abgeordneten und Parteien sind dies Medien, Gewerkschaften, unabhängige Richter und Experten. Sie stehen im Ruch, Teil einer globalen Elite zu sein, die die "normalen Bürger" verachtet.«
»Beispiel Brexit: Die EU-Gegner gewannen das Referendum dank Lügen, Hysterie und ihrer Appelle an nationale Größenträume. Die hochkomplexe Frage, wie Großbritannien mit Europa leben soll, wurde einer Augenblicksstimmung des zum Teil ungenügend informierten Volkes zur Entscheidung überlassen.«
Es handelt sich um Auszüge seines Kommentars auf www.sueddeutsche.de vom 20. Januar 2019, 06:16 Uhr:
Demokratie – Stärkt die Parlamente
Ein schönes Narrativ – wieder einmal mehr –, mit dem sie jedweden Widerspruch/Widerstand verächtlich machen und zum Abschuss freigeben wollen.
Ich habe ihm geschrieben: ‚Sie können noch so sehr auf die Populisten und ihre Fangruppen schimpfen. Das Chaos dieser Tage wurde von denen, die Sie hier wieder einmal vehement verteidigen, herbeigeführt. Sie wollen Gelbwesten & Co. nur disziplinieren.‘
Seine Antwort von gestern:
»Besten Dank für Ihre Zuschrift. Sie kritisieren, mein Beitrag strotze von persönlichen Bewertungen und Interpretationen. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass es sich um einen Meinungsbeitrag handelt, dessen Charakteristikum es ist, die persönliche Meinung des Autors auszudrücken. Sie hätten mich also dann kritisieren müssen, wenn ich das in einem Meinungsartikel nicht getan hätte.«
Vorzügliches Blog: informativ, plausible Interpretation der Fakten, sehr lesbar durch klare Struktur und verständliche Sprache.
Was ich (noch) nicht verstehe: Warum profitiert La France insoumise nicht (gerade mal 9%) von ihrer Unterstützung der „Gelbwesten“?
Wohl aus demselben Grund wie die Linke seit Jahren nicht profitiert.
Lieber w.endemann, .... grundsätzlich einverstanden, aber leider muss ich im Detail widersprechen: Sartre war ein Opportunist und Karrierist vor dem Herrn (sic). Wenn man sich den mal richtig vorgenommen hat, bleibt von ihm nichts als ein fauler Mythos, ein Typ der die (damals erst Nazi- und dann Stalin- und damit Gulagaffine) kommunistiche Partei als Steigbügelhalter und Karriereleiter benutzt hat, um sein Leben zu inszenieren. Es lässt sich leicht belegen, dass er kein Antifaschist war, nicht der Resistance angehört hat, nicht von Anfang an gegen den französischen kolonialismus Stand , aber explizit zB. für Gewalt und Terror in Algerien und vor allem gegen den einzigen integren Philosophne seiner Zeit und seinen ärgsten Konkurenten, nämlich Camus , intregierte usw.. Die Liste seiner Lügen ist lang. Es ist nicht weiter schlimm zB. nicht der Resitance angehört zu haben , aber es ist schlimm es hintereher einfach zu behaupten, obwohl die Archive ergeben, dass es nicht stimmt und er auch für Medien der Vichy Regirung geschrieben hat.
Ja, er hat ein Weile die französische Philosophie und Literatur, sogar den gesellschaftlichen Diskurs beherrscht (sic), leider. Gerade Foucault aber lief ihm letzendlich den Rang ab ... In meinen Augen ist Sartre einer dieser besagten "Stacheldraht-Kommunisten" und "linken" Faschisten, die keiner braucht. Ausser seiner halben Idee einer "existenzialistischen Psychologie" bleibt nicht viel von ihm ...
Glücklicherweise ist heute so jemand wie Onfray mit über 100 Bücheren der meistgelesene Philosoph nicht nur Frankreichs, sondern der Welt. Er vertritt einen libertairen Sozialismus und Föderalismus egalitärer Republiken wie schon Camus als einziger Ende der 40ger Jahren , weswegen er damals von Sartre diskreditiert wurde wo es ging.
"Warum profitiert La France insoumise nicht (gerade mal 9%) von ihrer Unterstützung der „Gelbwesten“?"
weil "france insumises" autoritäreren top down Sozialismus verkörpert und die Gilets-Jaunes einen egalitären ohne Repräsentanz im herkömmlichen Sinn. FI ist auch Teil des System , das kritisiert wird.
Mélenchon hält sich bedeckt und hofft wahrscheinlich später von den Früchten der G-Js profitieren zukönnen. Er kann sich nicht offen dazu bekennen, weil er sonst jede Chance vertut, in der politischen Hierarchie nochmal eine Rolle zu spielen.
Das aber wird wahrscheinlich sowie nicht passieren , weil er sich während eines Eklats um FI Parteifinanzierungen , bei der er und andere wichtige Politiker der FI sowie die Partiezentrale einer Razia unterzogen wurde, weil FI , genau wie die RN, Zombie Posten von Steuergelderen finazieren ließ, komplett daneben benommen und selbst diskreditiert hat. Sein Karriere ist wahrscheinlich zu ende. Ruffin ist der einzge FI paralmentariere mit autentischer und itegerer Reputation.
>>Warum profitiert La France insoumise nicht (gerade mal 9%) von ihrer Unterstützung der „Gelbwesten“?<<
Ergänzend zu iDog:
Interessant an der "Giles Jaunes"-Bewegung ist doch gerade, dass die Leute sich nicht einer Führung (Galionsfigur und/oder Parteikader) unterordnen wollen.
Bisher haben sich die GJ jeder Instrumentalisierung mit ziemlichen Erfolg verweigert. Zwar gibt es - wie in jeder großen Protestbewegung - Sprecher, darunter umstrittene, aber auch richtig gute , doch das Prinzip der "Transversalität" bleibt. Das bedeutet z.B., dass Gewerkschaftler und sympathisierende Parteifunktionäre nur als einfache GJ, als Teil des "Peuple" willkommen sind. In Lille und Toulouse funktioniert das bisher hervorragend.
Diese scheinbare "Kopflosigkeit" der Bewegung macht ihre Stärke, ihre erstaunliche Beständigkeit aus.
Zum Thema Polizeigewalt. Auf der beeindruckenden Frauendemo am Sonntag, die ganz bewusst durch die "schönen Viertel" von Paris führte, sagte eine als Marianne gekleidete Frau diesen klugen Satz:
"Die Polizei schützt uns, aber wer schützt uns vor der Polizei?"
Der Innenminister anscheinend nicht.
>>„Dazu gehört im Notfall auch der Wasserwerfer“, betonte der GdP-Landesvorsitzende.<<
In Stuttgart 2010 kam es durch auf Maximaldruck eingestellte Wasserwerfer zu z. T. erheblichen Verletzungen. Die Wasserkanonen sind nicht ganz so harmlos wie meinen könnte.
Ja, ich erinnere mich auch an die entsetzlichen Bilder.
https://www.welt.de/politik/deutschland/article10267909/Demonstrant-bleibt-auf-einem-Auge-blind.htm
Ein informativer und faktenreicher Beitrag mit historischen Bezügen.
Die Idee, Gelbe (Sicherheits) Westen als Widerstanssymbol einzusetzen, setzt eine bestimmte Mentalität, Kreativität voraus, weit abseits der Untertanenmentalität.
Leider muss ich bei zumeist internationalen Projekten immer wieder feststellen, dass solche disruptive Kreativität in der Regel von "Kapitalisten" ausgeht und eingesetzt wird, Marketing usw., kaum einmal von Linken. Woran mag das liegen? An einer gewissen Ungleichzeitigkeit, die mit Fortschreiten der Informations-, KI/AI, Datenrevolution rasant größer wird?
Naja, seit Jahrzehnten versuchen die Linken eine „Rote-Papierfähnchen-Bewegung“ ins Leben zu rufen – hunderttausende wurden davon verteilt ... Auch mit roten Luftballons haben sie es versucht. Die hiesigen Massen sind aber wohl noch nicht so weit …;)
Aber mal ernsthaft: Gut, dass "Giles Jaunes" Parteifähnchen da raus halten will und Parteimitglieder auffordert, sich lediglich als Mitbürger einzureihen. Von außen eine Bewegung initiieren zu wollen ist extrem schwierig, wie man auch an der Entwicklung von „Aufstehen“ beobachten kann. Unmöglich aber sicher nicht. Bestand hätte sie aber auch dann nur, wenn die Linken sich nach Impulsgebung als Mitbürger einreihen würden und nicht als Avantgarde der Bewegung.
Dem Lob des Beitrages schließe ich mich an.
und übrigens : Warum so zaghaft?
"Schon wird der RN als Plan B diskutiert. Aber wer plant?"
Die Fachisten sind soch immer und schon lange der Plan B gewesen. Und wer das plant, weis man ja aus der Geschichte, wenn man denn will... ( Wer so tut als wüsste er es nicht, muss sich fragen lassen : warum?)
Aber ich glaub nicht dran, dass dieser alte Plan noch etwas wird bewirken können. Die Bewegung der Gilets-Jaune ist eine methaphysische Revolution, wie 68. Danach funktionieren die alten Tricks nicht mehr. Warum gibt es denn den Neoliberalismus, der selbst schon nichts als neuer post68er Wein in alten Schläuchen war. Aber auch der ist jetzt verbraucht. Was als Nächstes aus dem Zylinder gezaubert wird, ist nicht abzusehen. Aber vielleicht kommt da auch gar nichts anderes mehr als Gewalt, denn die Luft ist wirklich raus, die Eliten befinden sich weitgehend im autistischen Selbstgespräche ... da kommt noch eher die Bundeswehr zur Hilfe bevor den Chefs hinter der Bande im Élysée ein neues Rezept oder auch nur ein neuer Slogan einfällt. Macron selbst hat sich bereits in der Neujahrsansprache und in seinem Brief ans Volk um Kopf und Kragen gebracht. Im Gegsensatz zu ihm ist man bei den Gilets-Jaunes aber von der "Gillotine" nicht begeistert. Man braucht sie nicht. Ganz bewusst wird verhindert, dass agents provocateur und die berüchtigten casseurs, deren Herkunft oft intransparent ist, die Bewegung diskreditieren können. Dies geschieht durch den Aufruf nicht mehr in Paris zu demonstrieren, sondern überall. Seitdem ist die Liste der Städte, Kleinstädte und Ortschaften , wo demonstriert wird immer beeindruckender geworden und die Staatsgewalt immer wahlloser. Gezählt werden die Teilnehmer doch vorsichthalber nur in den größeren Städten ...
Und die Europawahl kann man getrost vergessen. Die interessiert doch die Franzosen gar nicht. Da werden doch sowieso nur die "Kolaborateure" mit Renten bedient. Auch das hat man längst verstanden. Wenn es um etwas Konkretes geht, dann sind das die Kommunalwahlen in 2020. Erst das werden sich die Folgen der Glites-Jaune zeigen ... und davor haben jetzt die noch Amtierenden gehörigen Respekt , denn dann dankt nicht nur die PS engültig ab, sondern auch Macronien und "La France am Arsch". Da sind sich alle recht sicher.
Recensement provisoire des blessé-es des manifestations du mois de novembre-décembre 2018
Eins muss man der Firma Macronie lassen. Sie arbeitet - in ihrem Sinne - auch in Krisenzeiten der abflauenden Popularitätsrate - effizient an allen Fronten. An der Demo-Front mit Repression, an der ideologischen Front mit einer Marketingkampagne, genannt die "Große Debatte" und - in den Grau- und Dunkelzonen durch Diversion, manche nennen es auch Korruption. Sie haben's geschafft, zumindest an der Diversionsfront:
Eine der "Porte-parole" der GJ, die sehr eloquente und medienkonforme Ingrid Levavasseur (man hatte ihr gar einen Posten als "Chroniqueuse" bei BFM TV angeboten) tritt mit einer Gruppe (eher der rechten Mitte zuzurechender GJ) bei den Europawahlen an. Dies ist alles in den Medien perfekt vorbereitet (Homestories, Wer ist diese Frau? Die neue Marianne etc.) und - oh Wunder - just durch eine Umfrage gestützt, natürlich methodisch völlig sicher: 13% würden sie bei den Wahlen bekommen. Alle etablierten Parteien würden dadurch Stimmen verlieren - mit einer Ausnahme: Ja, welche wohl?
Zusatznutzen für die marschierende Republik: Die Aufsplittung in "Realisten" wie Levavasseur und "Radikale", die sich nicht anpassen wollen, erleichtert die Repression der letzteren. Womit wir wieder beim Thema wären.
Danke für den Link.
Innenminister Castaner will ja (will er wirklich?) die Gemüter, indem er die LBD-Schützen mit Helmkameras ausstatten lässt. Ob die so genau aufnehmen, wie die LBDs schießen?
Sorry, habe ein Verb vergessen: "will die Gemüter beruhigen"
Der Anfang vom Ende?
Ich weiß zwar nicht, ob das alles so ist, wie Sie schreiben, aber Sie haben Ihren Standpunkt nachvollziehbar dargestellt und mir erklären können, warum es für die gelben Westen kein Vorteil ist/sein muss, zu verhandeln und sich auf das Gebiet zu begeben, wo sie tendenziell unterlegen sind oder zumindest auf die übliche Weise verwurstet werden.
Danke, für Ihre, in dieser Hinsicht hervorragenden Berichte.
Sie beschreiben das Bild , das der Mainstream vermittelt und eine Medienkampagne von der Stange. Aber innen sieht das etwas anders aus. Man durchschaut diesen inszenierten Akt durchau - siehe metaphysische Revolution. Auch Sie und ich können ja so etwas wie diese "Umfrage" behaupten, es wird dadurch aber nicht wahrer. Die GJ halten nichts von diesen "Überläuferen" , bzw. strategischen Asssimilierungssversuchen von Seiten des Regierungssystems. Sie waren ja selber zum Teil Macronwähler und wissen wohin das führt. Es wird eben nicht mehr wie vorher funktionieren , soviel steht fest. Es handelt sich vielmehr um einen Auflösunsprozess, denn es geht ja längst nicht mehr nur um ein paar Euros mehr. Was die IF nicht geschafft hat während ihres Versuchs die nuits debouts mit einer Debatte zur 6. Republik zu vereinnahmen, haben die Gilets-Jaunes ganz selbstverständlich aufgerollt. Es werden Forderungen laut, die konstituionellen Charakter haben, abgesehendavon , dass wirklich alle Macorn zu Hölle wünschen.
Wenn man den Mainstream verfolgt, um zu wissen was "das System" versucht, sollte man nicht versäumen auch die darauf reagierende "Revolution" zu konsultieren. Die läuft hauptsächlich auf YouTube , Facebook und auf Portalen, die immer schon kritisch waren.
Ich glaube weder daran , dass eine PseudoGilets-Jaunes Partei viele Stimmen bekommen würde, noch dass die RN von einer (weiteren) Spaltung profitieren könnte. Die RN selbst ist der Profispalter und hat sonst nichts drauf, ausser Sprüchen, die noch hohler sind als die Macrons. Auch das ist sehr deutlich zumal die Positioniereung der RN nichtssagend bleibt.
Die Versuche der Regierung die Gilets-Jaunes als Radikale darzustellen ist spätestens im 10. Akt gescheitert. Und wenn sie es weiter versuchen , dann zeigt das nur die Hilflosigkeit der Regierenden und ihrer Kampagnenmanagern.
Und wie gesagt : die Europawahlen sind doch nur Theater. Wen sollen den Wahlen beindrucken zu einem Parlament, das nichts zu sagne hat und bald mehrheitlich aus "EU Skeptikern" bestehen wird, wenn es so weitergeht.
Ich haben vielmehr das Gefühl, dass es noch knallen wird, wenn nicht bald seriöse Zugeständnisse von Seiten der Kapitaldienstleister kommen. Und diesen Knall kann natrülich auch die RN nicht abpuffern.
Solange die Gilets-Jaunes nicht die Staatsgewalt mit Gewalt erwiedern, sich also nicht aufbocken lassen, bleiben sie die potenziellen Gewinner. Denn das sind sie im Moment. Alle Sympathien sind auf ihrer Seite.
das ist Hofberichterstattung, mehr nicht.
Auch das ist Hilfslogikeit und Kasperletheater, denn man tut so, als si diese Art der Präzision nötig, um festzustellen, ob jemand Mist macht, von dem man längst weiß dass er den Auftrg hat Mist zu machen. Die Filme zu diesem Mist gibt es zu Hauf. Fast jeder hat eine Kamera dabei und hält drauf. Schauen sie sich die Demos an. Mindestens jeder zweite "dokumentiert" gerade was läuft. Nur daher drängt ja die Debatte , die Sie hier beschreiben, in die Öffentlichkeit. Die Beweisaufnahmen sind längst vorhanden, sogar abgeschlossen. Die Abrüstung wird genau daher öffentlich von denen gefordert , die diese Staastgewalt finanzier haben. In sofern ist das Spiel bereits aus. Die Regierung tut nur so als sei es noch nicht aus. Was soll sie sonst machen.
Und um hier ganz ofen zu sein, Ihre Vermutungen bezüglich der strategisch gewolten Erstarkung der RN halte ich allenfalls unter dem Aspekt für relevant, als dass es sich um eine totalitäre Inszenierung handeln könnte. Einen rechten Putsch halte ich für möglich, aber nicht dass mehr Leute RN wählen, weil sie Macron scheiße finden.
Und immerhin gibt es ja auch eine Linke von etws 20% in Frankreich, die, wenn sie schlau ist, Mélenchon auf Rente schickt und...
Am Samstag ist der GJ und Pazifist Jérôme Rodrigues beim Filmen der Demonstration und deren Repression auf der Place de la Bastille (ausgerechnet dort!) durch eine "subletale" Polizeiwaffe schwerst am Auge verletzt worden. Noch ist es unsicher, ob es sich um eine Granate oder um eine LBD 40 handelte. Rodriges ist eine der emblematischen Figuren der Bewegung.
Das scheint selbst den großen Medien zu weit zu gehen. Jedenfalls berichteten sie einigermaßen sachlich über die polizeiliche Gewaltmaßnahme. Die Bilder sichern natürlich auch Zuschauerzahlen ab und erhöhen nebenbei die Glaubwürdigkeit der kritiserten Meinungssender.
Innenminister Castaner twitterte sofort, kurz, bündig und ohne Mitleid:
"In Paris wird die IGPN (Inspektion der Nationalpolizei) die Ereignisse auf dem Platz de la Bastille durchleuchten."
Der Druck auf ihn nimmt jedoch zu. Einige Oppositionsparteien (FI, RN, Dupont-Aignan) fordern seinen Rücktritt (wobei man sich fragen muss, warum erst jetzt). Vielleicht sieht aber auch die Macronie, dass Castaner auf diesem Platz überfordert ist: ein Mann ohne jede Empathie (und sei sie auch nur scheinheilig), stur an einem so brutalen wie ineffizientem Konzept festhaltend, - selbst Absprachen mit den Demonstranten werden nicht eingehalten -, kann dem präsidialen Monarchen nur schaden. Zumindest schafft er Märtyrer und heizt den Zorn der Verzweiflung an. Zu allem Pech wird heute morgen in Südfrankreich auch noch ein Krimineller mit brutaler Gewalt befreit.
Die sonntägliche Demonstration der Macronie, der "Foulards rouges", der seidenen "Rottücher", wird ihm nicht helfen, obwohl Präfektur und Medienmagiere wieder ihr Bestes taten und die Zahl der schicken Manifestanten verfünffachten: aus ca. 2500 wurden 12.500, so wie aus 132.000 Gelben Westen 69.000 wurden. Aber der Eindruck bleibt, dass die pariser Jeunesse dorée ganz schön alt aussieht. Ein trauriger Abgesang auf die große De-Gaulle-Demo von 1968. Mit Brecht: ein irgendwie anachronistischer Zug.
Strafe füs Schnellschreiben: ich muss korrigieren. Die Präfektur gab 10.500 Rote Tücher an, nicht 12.500. Einige bürgerlichen Medien machten daraus "mehr als 10000".
- die (aus-) rüstung der polizei ist nicht verwunderlich:
sie sind eine minderheit, die einer mehrheit stand-halten soll.
- ja, eine parallele zu kolonial-aufständen zu ziehen,
kontinuitäten nachzuspüren, ist fruchtbar.
- ob schwarze oder weiße körper: im passiv verbannte,
zwar nicht un-sicht-bare, aber un-berührbare
einer objekt-klasse
werden den medien + politikern der "mittel-schichts-gesellschaft"
als revoltierende zum "pack", gegen das wehr-haftigkeit angesagt ist.
Auf der Webseite der "Foulards rouges" die langen Beschwerden dieser Verteidiger der Freiheit und Gegner der Gewalt durchgelesen. Sie strotzen vor Verachtung der Plebs. Einige Beispiele:
" Was mir Angst vor der Bewegung der GW macht, ist ihe Übereinstimmung mit einer bestimmten Form des Faschismus: alle sind gleich gekleidet, zeigen unkontrollierte Gewalt ..."
"Also, ihr jungen GW, hört auf, euch zu beklagen und bewegt endlich den Hintern. Wir haben genug von euren Dummheiten, es reicht!"
"Die Bewegung ist das Königreich der Idiokratie... Sie halten sich für "Das Volk" und wollen allen ihre irren Forderungen aufzwingen!!... Was mich aufregt, ist ihre pathetische Attitude, wenn sie zu sagen wagen: Oé (so sprechen diese Unterschichten "oui" aus), oé, die Gewalt, das sind nicht wir, sondern die Kaputtmacher...".