That, I think, would be , uh, too much, uh... Der Vietnam War Reader

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Vietnam? War da was? Auffällig ist, wie rar der Rekurs auf den Vietnamkrieg geworden ist. Das elende Sterben von einer Million vietnamesischer Kämpfer und 58000 amerikanischer Soldaten, was immer noch weniger ist als die mindestens 65ooo nordvietnamesischen Opfer des amerikanischen Bombing, scheint aus dem kollektiven Gedächtnis der "westlichen Welt" verdrängt zu sein. Wird hier ein dunkles Kapitel Geschichte entsorgt? Welche Rolle spielt der Afghanistankrieg in diesem Beschweigen? Dabei gibt es ähnliche Problemkreise. Die Unsichtbarkeit des Feindes. Der Clash of Civilizations. Der öffentliche Umgang mit den Opfern (den eigenen, versteht sich). und vor allem die Frage der Exitstrategie. Die These, dass je höher der Einsatz, desto schneller der Exit sei. Oder der Exitus. Und trotzdem kein Déjà-vu?

Es scheint mir also höchste Zeit, an den Vietnamkrieg zu erinnern. Zumal wir mit dem neuen Buch des amerikanischen Zeithistorikers Michael Hunt, Emeritus der University of North Carolina, eine neue repräsentative Dokumentengrundlage vorliegen haben. Die Lektüre des "Vietnam War-Reader" ist so spannend, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand geben möchte.

In der Einleitung bezieht sich Hunt auf das fundamentally ahistorical Bild des Vietnamkrieges. Er konstatiert die Hegemonie der Hollywood version of the war - deren Bildern auch wir als eher kritische Zeitgenossen uns nicht entziehen können. Es sind stories of victimization, die aber - Umfragen belegen es - erfolgreich implementiert wurden. Dies gilt vor allem für die Auslassungen. Als Beispiele nennt er die Persepktive der Vietnamesen und die Fokussierung auf die eher kurze amerikanische Episode unter Absehung der französischen Kolonialzeit.

Und so beginnt Hunt seine Dokumentensammlung folgerichtig mit der Herausbildung des Antikolonialismus. Die Quellen sprechen für sich. Da ist zum Beispiel Phan Boi Chou - ich verzichte im Folgenden auf Übersetzungen: The life of thousands of Vietnamese people is not worth that of a dog (1907). Und da erscheint schon früh Ho Chi Minh: The revolution (die Oktoberrevolution) has made the French imperialist tremble with fear. On the one hand, they use the feudalist and comprador bourgeoisie. On the other, they terrorise, arrest, jail, deport and kill a great number of revolutionaries (1930). Im selben Dokument erkennen wir das auf größere Zeiträume angelegte strategische Denken der KPV: World War Two will break out. Und dessen Ergebnis nutzten die Viet Minh zur Eroberung Hanois. In ihrer Unabhängigkeitserklärung zitierten sie übrigens die amerikanische gleichen Namens: All men are created equal... Sieben Jahre später sah Ho Chi Minh den amerikanischen Kapitalismus hinter dem schwächelnden französischen auftauchen. Und er sagt auch, worum es geht: Kautschuk und Phosphat.

Auf der anderen Seite finden wir einen besorgten US-Präsidenten Eisenhower, der nach Dien Bien Phu, der finalen französischen Niederlage 1954, an Churchill schrieb: We failed to halt Hiroito, Mussolini and Hitler by not acting in unity and in time. May it not be that our nations have learned something from that lesson? Business, politische Strategie und Totalitarimustheorie waren im Kalten Krieg eng verzahnt.

Bekanntlich besiegelte die Genfer Konferenz im Juli 1954 die Unabhängigkeit Vietnams (und Kambodschas und Laos'). Sie untersagte ausländische Truppen und Waffen im gesamten Vietnam. Der 17. Breitenkreis wurde als provisorische Trennungslinie festgelegt. Aber schon einen Tag nach Friedensschluss stellte der Secretary of State, J. F.Dulles, im Nationalen Sicherheitsrat die Frage nach dem angemessenen Geldbetrag to build up the dike against communism. Der südvietnamesische Diktator Diem wurde zum Leidwesen der US-Administration nur schwach von Frankreich unterstützt. Eisenhower fragte: Why don't we get rough with the French? um fortzufahren: It is true that we have to cajole the French with regard to the European area, but we certainly have not to in Indochina. Diem dankte auf einem USA-Besuch im Mai 1957: Aid has met a complete success in Viet Nam.

Die von Hunt herausgegeben Quelle zeigen, dass die KPV und die FLN Südvietnams etwas anders dachten. Sie setzten dabei neben dem Marxismus-Leninismus bewusst auch nationalistische Ideologeme ein: The aggressors an traitors ... poison the mind of our people with a depraved foreign culture (FLN, Dez. 1960). Zweifellos stellte und stellen die Bewahrung der "alten", "echten" Kultur ein wichtiges Motiv in Befreiungskämpfen dar.

Insgesamt trug der amerikanische Support Diems zu einer Stabilisierung von dessen Diktatur bei, so dass eine friedliche Ablösung in den Augen der kommunistischen Führer unmöglich schien. Die Quellen ermöglichen interessante Einblicke in die Strategiediskussionen. Mehrere Quellen sind Verhöre gefangener nordvietnamesischer Kader durch Mitarbeiter derRand-Corporation (!). Die KPV entschied sich schließlich für den bewaffneten Kampf.

Im November 1961 bedrängten die Secretaries of Defense and of State, McNamara und Rusk, den jungen Präsidenten Kennedy to introduce combat forces. Kennedy zögerte. Er fürchtete nicht zu Unrecht to be involved on two fronts on opposite sides of the world. Doch wurden in Südvietnam die städtische und die buddhistische Opposition immer gefährlicher für Diem - und die amerikanischen Interessen. Am 28. August kabelte Botschafter Lodge aus Saigon: ... there is no possibility, in my view, that the war (!) can be won under Diem administration. Das Weiße Haus kabelte am selben Tag back: The USG (US-Regierung) will support a coup ... but plans no involvement of the US Armed Forces. "Armer" Diem. Hunt veröffentlicht ein dramatisches Telefongespräch zwischen Diem und Lodge:

Diem: Some military units have begun a rebllion, and I want to know what the attitude of the US is .

Ambassador: ... I do not feel well informed.

Und so wusste Lodge nichts von der (geplanten) Ermordung Diems und dessen einflussreichen Bruders. Auch Kennedy erlitt eine Woche später dasselbe Schicksal, so dass Johnson die Verantwortung zu tragen hatte. Ein Cunctator, wie die Quellen zeigen: I dont't think we have to reform every Asian to our image. Aber McNamara insistierte auf einem stärkeren Engagement, verwies auf die disturbing situation, in welcher der Vietkong immer größere Bevölkerungsteile kontrolliere. Auf der anderen Seite war das Zentralkommitee der KPV unerschütterlich: US imperialist cannot win over 14 million Vietnamese people in the south. We are preparing for the General Offensive (Dezember 63). Die Eskalation begann.

Am 10. August 1964 beschloss der Kongress die Gulf of Tonkin Resolution, die geradezu klassisch beginnt: Whereas naval units of the Communist Regime in Vietnam, in violation of the principles of the Charter of the United nations and of international law, have deliberately attacked United States naval vassals... und martialisch endet: ...the Congress approves the determination of the President, as Commander in Chief, to take all the necessary measures to repel any armed attack ... and to prevent further aggression. Ein Vierteljahr später wütete Rolling Thunder, und Johnson, der Zauderer, hielt Kreuzzugsreden, die strukturell denen Urbans II. 1095 glichen, inklusive Barbarisierung des Feindes und Versprechen des Paradieses (Es war die Zeit des I have a dream). Dabei hörten die Zweifel, auch von Beratern, nicht auf. Der Under Secretary George Ball gab in einem Memo an den Präsidenten zu bedenken: The South Vietnamese are losing the war to the Viet-Cong. No one can assure that we can beat the Viet-Cong. Eindringlich und vergeblich plädierte er für einen Kompromiss. Gegen die argumentative Durchschlagskraft der Dominotheorie hatte er keine Chance. Und so verkündete Johnson voller Bitternis der Presse - unter permanentem Hinweis auf die Lehren aus Hitler at Munich, dass er the flower of the youth, our finest young men into battle bringen musste. We will stand in Vietnam. Rückwirkend wissen wir: In der Blumenfrage stand die Jugend eher hinter Flower-Power.

Der Rest ist bekannt. Hunt veröffentlicht auch die berühmt-berüchtigte Westmoreland-Direktive vom 17. Sept. 1965: ...the ultimate aim is to pacify the Republic of Vietnam by destroying the VC-forces, organization, terrorists (!), agents and propagandists... Das bekannte Arsenal des totalen Krieges, natürlich, weil man die Lehren aus der Geschichte gezogen hatte und diesen verhindern wollte. Zwei Jahre später begann Nordvietnam die Tet-Offensive. Der sehr alte und weise Ho Chi Minh hatte gewarnt: Es müsse immer gesichert sein, dass man im Krieg stärker statt schwächer werde. Die Offensive scheiterte - unter ungeheuerlichen Verlusten.

Verhandlungen begannen. 1968 war ein gewisser Nixon Präsident. Er hatte als proklamiertes Ziel: ...how do we de-Americanize? Sein Secretary of State, Laid, schlug ihm ein anderes Wort vor: Vietnamization. Der Krieg der Worte wurde im Krieg der Medien immer wichtiger. Entscheidend aber war, dass beide Seiten endlich erkannten, dass ein mittelfristiger Sieg nicht erreichbar war. Umso unerbittlicher wurde gekämpft. Nixon weitete den Krieg auf Kambodscha aus - und schuf damit nur eine weitere revolutionäre Front gegen die USA. Unglaublich, aber wahr sind die dokumentierten Ausbrüche Nixons. Man glaubt, einen plebeiischen Richard III. donnern zu hören: We're gonna level that goddam country ... I'm going to knock the goddam brains out ... the North-Vietnamese bastards! (Mitschnitt 2. Juni 1971). Unglaublich auch folgender Dialog :

Nixon (überlegt verzweifelt, ob er die Deiche bombardieren lassen soll): Will that drown people?

Kissinger: That will drown about 200000 people (unclear).

Nixon: Well, no, no, no, no, no. I'd rather use a nuclear bomb. Have you got that already?

Kissinger: Now that, I think, would just be, uh, too much, uh...

Nixon (lenkt ein) I just want you to think big, Henry, for Christ's sake.

Glücklicherweise entschied sich Nixon "nur" für die Bombardierung Hanois und die Verminung des Hafens von Haifong. Glücklicherweise kam es zu ersten Besuchen des Präsidenten in Beijing und Moskau. Glücklicherweise existierten die Spannungen zwischen China und der UdSSR. So standen alle Protagonisten unter außenpolitischem und innenpolitischem Druck. 1973 konnte der Frieden von Paris unterschrieben werden. 1975 endlich - 21 Jahre nach dem Abkommen von Genf - wurde Saigon erobert.

Hunt versäumt es bei aller Fokussierung auf die politischen Quellen nicht, den View from the Ground zu illustrieren,und zwar auch hier aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Zeugenaussagen zum My-Lai-Massaker vopm 16. März 1968 erschüttern den Leser immer wieder. Quelle connerie la guerre!

Einen guten Schlusspunkt setzt das letzte Dokument. Es stammt aus dem Jahr 1997. McNamara - inzwischen Kritiker des Krieges - traf sich mit dem alten norvietnamesischen General Giap. Aufarbeitung.

McNamara: ... we have misunderstood each other...

Giap: I don't believe we misunderstood you.



Michael H. Hunt (ed.), A Vietnam War Reader. American and Vietnamese Perspectives. London 2010 (Penguin Books, L9.99)



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