Atom Pläne in Usbekistan

Energiewende andersrum Ein Atomkraftwerk auf wackeligen Boden

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Im Februar 2021 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 3 die Region Jizzakh in Usbekistan, in der Nähe des Tuzkan-Sees, was von den Nachrichtenagenturen und sozialen Medien weltweit so gut wie nicht wahrgenommen wurde.

Die Region ist durch hohe seismische Aktivität gekennzeichnet, daher ist es nichts Neues, dass es in der Region zu Erdbeben kommt. Jährlich ereignen sich hier bis zu einem Dutzend Erdbeben mit einer Stärke zwischen eins und vier auf der Magnituden Skala.

Das Phänomen war alltäglich und wurde kaum beachtet, bis die usbekischen Behörden beschlossen, dort 2019 ein Kernkraftwerk zu bauen!

Mit dem politischen Kurswechsel begann Usbekistan, aktiv Reformen durchzuführen, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, um aus einem der einst ärmsten und am stärksten abgeschotteten Länder Zentralasiens ein moderneres und erfolgreicheres Land zu machen.

Einst das ärmste und eines der verschlossensten Länder Zentralasiens, hat es nun einen Aufschwung erlebt. Die progressiven Reformen haben schnell zu positiven Ergebnissen geführt. Es ist jedoch bekannt, dass mit dem Wirtschaftswachstum auch der Energieverbrauch steigt. Um die ständig wachsende Nachfrage zu befriedigen, muss der Energiesektor des Landes seine Produktionskapazitäten ständig erhöhen. Angesichts der veralteten und verschlissenen Infrastruktur der Energiesysteme hat Usbekistan einen Modernisierungskurs für den gesamten Energiesektor eingeschlagen.

In der Vergangenheit gab es in Usbekistan drei Hauptquellen für die Stromerzeugung: ein Kohlekraftwerk, ein Gaskraftwerk und ein Wasserkraftwerk. Alle drei Quellen entsprechen eindeutig nicht den Bedürfnissen des neuen Wirtschaftsprogramms. Es wurde eine andere, umfangreichere Energiequelle benötigt. Dabei handelte es sich um Kernkraft.

Ein Kurs in Richtung Atompolitik:

Nach einer Untersuchung der Akteure in diesem Bereich entschied sich Usbekistan für Rosatom. Vor einiger Zeit geben die Präsidenten Russlands und Usbekistans nun mehr einen symbolischen Startschuss für das Atomprojekt. Der Tuzkan-See, an dem das Kernkraftwerk gebaut werden soll, ist Teil des so genannten Arnasai-Seesystems, zu dem auch der Aydarkul- und der Ost-Arnasai-See gehören, die durch Abflüsse aus dem Schardara-Stausee und dem Wasser des Syr Darya gespeist werden, der wiederum Trinkwasser für vier Länder der Region liefert.

Der Tuzkan-See steht auf der Liste der Ramsar-Gebiete, Feuchtgebiete, die für die Erhaltung von Vögeln und anderen Tierarten wichtig sind. Und in den nahe gelegenen Nurata-Bergen gibt es ein gleichnamiges Reservat.

Im Allgemeinen handelt es sich um ein einzigartiges Ökosystem, von dessen ordnungsgemäßem Funktionieren Leben und Lebensunterhalt abhängen.

Leben, Lebensunterhalt und Landwirtschaft von Millionen von Menschen aus verschiedenen Ländern auf Seiten der Grenzen. Deshalb sind die Umweltschützer in der Region bezüglich des Baus des Kernkraftwerks besorgt.

Was ist das Problem?

Zunächst einmal birgt die Nutzung des Tuzkan-Sees für den Wärmeaustausch die Gefahr, dass er verlandet, was sich negativ auf das regionale Ökosystem auswirken würde. Das Kernkraftwerk wäre ein großer Wasserverbraucher. Der Betrieb erfordert große Mengen Wasser. Dies gilt auch für die Kühlung der Reaktoren. Dabei verursacht das nach der Kühlung der Reaktoren zurückfließende Wasser auf die eine oder andere Weise eine "thermische Verschmutzung", indem es das Gewässer, aus dem es stammt, erwärmt. Die Auswirkungen auf das Mikroklima und das Ökosystem sind damit unvermeidlich.

Besonders besorgniserregend ist, dass die für den Bau erforderliche Wasserbilanz noch nicht berechnet wurde. Mit anderen Worten, es ist nicht wirklich klar, ob das Wasser im Kühlbecken überhaupt für das Kernkraftwerk ausreicht. Dazu bedarf es einer langen Reihe von Statistiken: wie viel Wasser kommt im Tuzkan an, wie viel geht zurück, wie verändert sich der Pegel saisonal, wie viel Wasser verdunstet und viele weitere Parameter.

Diese Daten müssen direkt am See erhoben werden, und der einzige vollwertige hydrologische Posten für das Aidar-Arnasay-Seesystem liegt mehr als 30 Kilometer von Tuzkan entfernt. Dadurch ist es im Prinzip nicht möglich, korrekte Daten über die erforderlichen Parameter zu sammeln. Auf der Halbinsel Tuzkan selbst sind nur rudimentäre Wassermesser installiert und es werden vor allem Temperaturen gemessen.

Ausgehend von diesem bescheidenen Umfang der Messungen sinkt der Wasserstand des Sees, während die Temperatur steigt. In den Sommermonaten ist es bis zu 33-35 Grad Celsius heiß. Und das auch schon ohne, dass das Kernkraftwerk betrieben wird, dass den See zusätzlich "aufheizen" würde. Gleichzeitig werden die Kanäle, die den See speisen und die Temperatur senken können, zur Bewässerung der Felder ausgebaut. Einer von ihnen, der Juschno-Golodnostepski, entnimmt Wasser aus dem Syr-Darja, der auch bereits jetzt ohne die zusätzliche Notwendigkeit, den Tuskan für das Kernkraftwerk aufzufüllen, an Wassermenge verliert.

Ein solcher Tuzkan-Wasserknoten ist an das usbekische Projekt gebunden, das das gesamte Ökosystem der Region bedroht, selbst wenn man das sehr optimistische Szenario des Baus und Betriebs des Kernkraftwerks zugrunde legt und die seismischen Aktivitäten der Region noch gar nicht berücksichtigt.

Und dies ist ein Faktor, der nicht außer Acht gelassen werden sollte. Dieser Überblick wurde nicht ohne Grund mit Statistiken über Erdbeben in der Region begonnen.

Ja, Fukushima mag hier nicht passieren, da die Erschütterungen gering sind, aber ein Unfall und ein Auslaufen sind eine reale Möglichkeit, und starke Erdbeben sind eine weitere Gefahr.

Die Besonderheiten der natürlichen Gewässer Tuzkan und der Aidarkul-Seenkette sind so beschaffen, dass bei einer Verunreinigung dieser Gewässer das gesamte Grundwasser betroffen wäre. Dadurch besteht theoretisch die Gefahr einer mehr oder weniger starken Verunreinigung des gesamten Einzugsgebiets.

Wir haben es hier einerseits mit der Gefahr einer Verschärfung der Wasserknappheit in der Region zu tun und andererseits mit der potenziellen Gefahr der Verschmutzung eines riesigen Wasserbeckens, das Tausende von Siedlungen und Millionen von Menschen in mehreren Ländern der Region versorgt. Und dies ist noch gar keine vollständige Liste der Risiken!

Die Übertragung durch die Winde wurde nicht berechnet und die Frage des Transports und der Entsorgung abgebrannter Brennelemente ist bisher ebenso ungeklärt!

Vor diesem Hintergrund ist es auch angebracht noch zu erwähnen, dass es eine Alternative zum Kernkraftwerk gab: Die usbekischen Behörden zogen die Möglichkeit in Betracht, ein Solarkraftwerk zu bauen. Da die Kosten jedoch höher waren als die des Kernkraftwerks, wurde das Projekt aufgegeben.

War es das wert, das Solarkraftwerk in einem Gebiet mit seinen fast 320 Sonnentagen im Jahr aufzugeben? Die Behörden waren der Meinung, dass es sich lohnt, und entschieden sich für die Kernkraft!

Was soll nun geschehen?

Kann Tuzkan einem solchen Großprojekt standhalten? Der See liegt 60 Kilometer vom Provinzzentrum entfernt, im äußersten Südosten der Kyzylkum-Wüste. Er ist der älteste See des Aydar-Arnasay-Seesystems. Die Bewohner des Dorfes Uchkulach, 10 Kilometer von Tuzkan entfernt, beschreiben die Situation wie folgt: Noch vor 3-4 Jahren ruhte der Blick vom Berg zum See ausschließlich auf dem blauen Horizont. J

Jetzt gibt es mehr grüne als blaue Farben in dieser Landschaft: Der See ist seicht und sumpfig. Wie wird der nicht entwässerte Tuzkan jetzt genährt, durch welche Ströme und in welcher Wasserqualität? Wie viel Wasser geht verloren und wie viel verdunstet? Über all diese Dinge gibt es keine Statistiken. Das wären aber für den Bau eines AKW absolut notwendige Daten, aber sie fehlen.

Und neben Tuzkan befindet sich der Schardara-Stausee, eine Trinkwasserquelle für die Stadt Schardara und ein Gewässer von strategischer Bedeutung am grenzüberschreitenden Syrdarya-Fluss, dem längsten Fluss Zentralasiens.

Das letzte Mal wurde der Verschmutzungsgrad des Syr Darya und des Shardara-Stausees vor mehr als 10 Jahren gemessen. Damals zeigten die Untersuchungen, dass das Einzugsgebiet des Syr Darya auch ohne das AKW bereits verschmutzt war.

Es wurde festgestellt, dass der Oberlauf des Syr Darya (d.h. der Flussabschnitt von der Grenze Usbekistans bis zum Shardara-Stausee) "merklich mit bestimmten Radionukliden und toxischen Elementen kontaminiert" sei.

Im Einzugsgebiet des Syr Darya in Usbekistan wird der Flusskanal derzeit außerdem noch mit einer großen Menge an Schadstoffen aus dem Sammelabwasser von Bewässerungsfeldern und Abwässern aus industriellen und kommunalen Einrichtungen belastet.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Bau eines Kernkraftwerks in Usbekistan theoretisch das gesamte Wassereinzugsgebiet der Region durch Verschmutzung und den ständigen Bedarf an zusätzlichem Wasser bedroht und eine mögliche Verlandung verursachen könnte.

Was aber dann tatsächlich in der Praxis geschehen wird, hängt von einer Reihe von Faktoren ab, vor allem von der Kompetenz der Wissenschaftler, der Kernphysiker, der Umweltschützer und der Hydrologen und vor allem von den Behörden des Landes.

Es ist wichtig zu verstehen, dass Usbekistan nicht alleine das Recht hat, in dieser Angelegenheit einen Fehler zu machen: Sein Beispiel wird entweder ein Modell für eine Region sein, die noch keine Kernkraft hat, oder aber die Idee der Kernkraft für Zentralasien wird dadurch nachhaltig geschädigt.

Basierend auf Artur ARIPOV

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