Das Geschäft mit der Massenvernichtung

Atomkriegsgefahr Um einen Atomkrieg zu verhindern, muss das Tabu eines Atomwaffeneinsatzes verfestigt werden. Wir müssen daher uns in Erinnerung rufen, was Atomwaffen für Folgen hätten.

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Wer sich momentan über die vielen Konflikten in der Welt aufregt, könnte vielleicht meinen, für eine internationale Kampagne für die Abschaffung von Atomwaffen bliebe keine Zeit. Vor einiger Zeit regte sich die Weltöffentlichkeit über die Macht der Banken auf. Hier besteht eine wichtige Verbindung. Möglicherweise wird Dein Geld für die Finanzierung von Atomwaffen verwendet.

An dem Konflikt in der Ukraine sind Atomwaffenstaaten beteiligt und die Lage kann jederzeit eskalieren. Die Mauer, die Deutschland im Kalten Krieg teilte, soll jetzt an der Grenze zur Ukraine entstehen. Wird die Ukraine zukünftig geteilt, und ein weiterer Eiserner Vorhang entstehen oder kommt es gar zum dritten Weltkrieg? Oder können wir eine weitere Eskalation abwenden? Keiner mag darüber nachdenken, wie ein Krieg zwischen der NATO und Russland aussehen mag mit insgesamt rund 15.000 Atomwaffen, über die die beteiligten Länder verfügen.

Um einen Atomkrieg im Ernstfall zu verhindern, muss das Tabu eines Atomwaffeneinsatzes weiter verfestigt werden. Gerade passiert aber das Gegenteil. Kommentatoren behaupten, dass die Ukraine sicherer gewesen wäre, wenn sie die Atomwaffen damals behalten hätte. Das setzt natürlich voraus, dass Atomwaffen immer erfolgreich abschrecken. Aber für diese These gibt es wenig Belege. Es gab zwischen Atomwaffenstaaten seit 1945 dutzende Kriege und es war bisher sehr großes Glück oder nur manchmal die Vernunft, die den Einsatz von Atomwaffen bisher verhinderte.

Wenn Atomwaffen jetzt in der Konfliktsituation in der Ukraine im Kampfgebiet stationiert wären, wäre die Situation noch viel gefährlicher. Hinzu kommt, dass das Risiko eines Einsatzes im Krieg erhöht ist, weil der Stresspegel und die Paranoia sehr hoch sind. Man erwartet ständig einen Angriff und will ihm zuvorkommen. 1983 stand die Welt am Abgrund, weil die NATO das „Able Archer“-Manöver in Europa mit einem simulierten Atomkrieg durchführte. Die sowjetische Regierung war so voller Paranoia, dass sie fast einen Atomkrieg begonnen hätte, nur um ihre eigene Raketen nicht zu verlieren.

Oder stellen wir uns vor, die Situation von 1995 würde sich in dieser Situation wiederholen: Norwegen feuerte eine Wetterrakete ab und die Computer in Moskau melden einen Raketenangriff. Würden die Russen heute so besonnen damit umgehen und in den für die Entscheidung verbliebenen Minuten die nötige Skepsis zeigen? Oder würde sich die Kriegshysterie negativ auf diese Entscheidung auswirken?

Weil das Tabu, dass Atomwaffen nie wieder eingesetzt werden dürfen, bröckelt, müssen wir uns in Erinnerung rufen, was diese Massenvernichtungswaffen für Folgen hätten, wenn sie eingesetzt würden. In einer Reihe von wichtigen Konferenzen, die im März 2013 in Oslo begann und im Dezember 2014 in Wien fortgesetzt wird, debattieren Staaten über die humanitären Folgen von Atomwaffen. Die Initiative geht von atomwaffenfreien Staaten aus, die den Diskurs über Atomwaffen ändern wollen. Weil die Folgen für Mensch und Umwelt, Wirtschaft und Entwicklung so verheerend sein können, ist das Risiko nicht tragbar, auch wenn es nur minimal sei. Doch gerade heute ist das Atomkriegsrisiko in mehreren Teilen dieser Erde erhöht. Das Völkerrecht ist an dieser Stelle deutlich: Staaten sind verpflichtet, Atomwaffen abzuschaffen.

Und die Banken? Immer mehr haben verstanden, dass es ethische Richtlinien für Investments geben muss. Nahrungsmittelspekulationen, Menschenrechte, kontroverse Waffen – sie sind für viele Banken nicht mehr finanzierungswürdig. Dennoch werden die Atomwaffen oft ausgeklammert. Streubomben werden beispielsweise von der Commerzbank nicht mehr finanziert, nicht mal so genannte Mischkonzerne, die mehr Produkte herstellen als nur Streubomben. Aber EADS (jetzt Airbus Group), ThyssenKrupp, BAE Systems, Rolls Royce, GenCorp, Serco und Safran bekommen nach wie vor das Geld, obwohl sie u.a. Atomsprengköpfe oder Trägersysteme herstellen.

Wer sich Sorgen macht, dass Konflikte in einem Atomkrieg münden können, sollte zuerst schauen, wo sein Geld angelegt ist oder auch beim wem er seine Versicherung oder Kredit hat – Deutsche Bank, Commerzbank, Allianz, BayernLB, Sparkasse, DZ Bank, Helaba, KfW – sie investieren alle in Atomwaffenhersteller.

Wer mehr machen will als eine Pace-Fahne aus dem Fenster zu hängen (was jeder sofort machen kann und sollte), kann sich Ende September an der Aktionswoche der Kampagne „Atomwaffen – ein Bombengeschäft“ beteiligen und gegen die Investition in Atomwaffen, gegen das Geschäft mit der Massenvernichtung zu protestieren.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

xanth

Ich bin Geschäftsleiterin der IPPNW sowie Vorstandsmitglied der International Campaign to Abolish Nuclear weapons (ICAN) - Deutschland.

xanth

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