Heute versammeln mehr als 600 AktivistInnen in Wien für das "Civil Society Forum" und besprechen die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). Am Montag beginnt eine zweitägige Staatskonferenz zu den humanitären Folgen von Atomwaffen in Wien. Die deutschen Sektionen von ICAN und der Ärzteorganisation IPPNW sind in Wien mit großen Delegationen präsent.
ICAN und die IPPNW forderten im Vorfeld die Bundesregierung auf, sich konstruktiv an der Diskussion über eine Ächtung von Atomwaffen bei der Konferenz zu beteiligen. „Deutschland sollte sich auch für ein Verbot von Atomwaffen aussprechen und andere Staaten dabei unterstützen, dies zu verwirklichen“, fasst Abrüstungsexpertin Xanthe Hall die Erwartungen von ICAN und IPPNW an die Bundesregierung zusammen.
„Die Debatte über Atomwaffen hat sich von der festgefahrenen Auseinandersetzung über nationale Sicherheitsinteressen gelöst und stellt endlich die Opfer eines Atomwaffeneinsatzes in den Mittelpunkt“, erklärt Hall und sieht darin neue Chancen für die nukleare Abrüstung und die Ächtung von Atomwaffen.
Der neue Fokus in der Debatte ist einer Reihe von Konferenzen zum Thema „Humanitäre Folgen von Atomwaffen“ zu verdanken. Die österreichische Regierung lädt in der kommenden Woche alle Staaten und internationalen Organisationen nach Wien ein, um die Diskussion fortzusetzen. In dieser dritten Konferenz in der Reihe wird diskutiert, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um künftige Atomwaffeneinsätze zu verhindern. Erwartet werden diplomatische Vertreter aus mehr als 160 Staaten. Erstmals haben in diesem Jahr die Vereinigten Staaten und Großbritannien ihre Teilnahme angekündigt. Die Atomwaffenstaaten USA, Russland, Frankreich, Großbritannien, China, Nordkorea und Israel hatten den humanitären Prozess bisher boykottiert und waren zu den vorausgegangenen Konferenzen im März 2013 in Oslo und im Februar 2014 in Mexiko nicht erschienen. Indien und Pakistan nahmen teil.
Mit der Konferenz in Wien sollen die dringende Notwendigkeit nuklearer Abrüstung und das katastrophale Risiko eines Atomwaffeneinsatzes wieder stärker ins Bewusstsein der internationalen Gemeinschaft rücken. Die Atomwaffenstaaten stehen dabei unter Druck, weil die Frage, ob Nuklearwaffen mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar sind, offen und kritisch diskutiert wird. Außerdem ist die Konferenz Ausdruck des wachsenden Unmuts der atomwaffenfreien Staaten über die fehlenden Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung, zu der die Atomwaffenstaaten gemäß Nichtverbreitungsvertrag verpflichtet sind.
Nach den Zusagen der USA und Großbritanniens stehen die anderen Atomwaffenstaaten nun unter Druck, sich der Debatte ebenfalls zu öffnen Die letzte Konferenz in Mexiko endete mit dem Aufruf des Vorsitzenden, bis zum 70. Jahrestag von Nagasaki im August nächsten Jahres einen neuen diplomatischen Prozess zu beginnen, um einen Vertrag zum Verbot von Atomwaffen auszuhandeln. ICAN sowie eine wachsende Zahl von Regierungen unterstützen diese Forderung nach einem Atomwaffenverbot. Ebenso wie beim Verbot von Landminen und Streubomben sollte auch ein Verbot von Atomwaffen nicht von den Besitzerstaaten blockiert werden können. Die Vorbereitungen und Verhandlungen dazu müssen auch dann beginnen, wenn die Atomwaffenstaaten nicht daran teilnehmen. Atomwaffen sind die einzigen Massenvernichtungswaffen, die noch nicht von einem eindeutigen völkerrechtlichen Verbot erfasst sind. Auch Österreich unterstützt dies: „Nuklearwaffen sollen stigmatisiert, verboten und vernichtet werden, bevor sie uns auslöschen”, forderte Bundespräsident Fischer im September 2013.
Die Bundesregierung hat sich in der politischen Diskussion um die humanitären Auswirkungen dieser Massenvernichtungswaffen bisher zurückgehalten. Anders als z.B. die NATO-Staaten Norwegen oder Dänemark hat sie eine Erklärung, die den Einsatz von Atomwaffen unter allen Umständen verurteilt, mit Verweis auf die NATO-Abschreckungsdoktrin nicht unterstützt.
Kommentare 2
Am besten gar kein.
Die USA haben dutzende von Milliarden Dollar in die Modernisierung von Kernwaffen gesteckt und langfristige Modernisierungsziele in dreifacher Milliardenhöhe definiert. Kernwaffen sind nach der USA Militärdoktrin keine Zweitschlag-Waffe der letzten Zuflucht mehr, sondern mehr oder wenige eine normale Gefechtsfeldwaffe. Und die USA und eine handvoll von Verbündeten haben sogar das Verbot von konventioneller Uranmunition (Deadly Dust) verhindert. https://www.youtube.com/watch?v=JmPI7kMa7rs&feature=youtu.be Wenn nicht einmal solche Verbote durch die Weltgemeinschaft durchgesetzt werden können, wie soll es dann mit Kernwaffen sein.
Russland wiederum fühlt sich mehr und mehr durch die erdrückende konventionelle Übermacht der NATO bedroht ebenso wie durch offen angekündigte RegimeChange Aktivitäten. Für Russland würde es einen politischen Selbstmord bedeuten, auf Kernwaffen zu verzichten.
Und Israel? Nicht mal eine regionale atomwaffenfreie Zone in Nahost kann ja durchgesetzt werden, weil entsprechende Veranstaltung von USA und Israel abgesagt werden.
Nicht zu vergessen: haben sowohl Russland als auch und vor allen Dingen die USA durch Modernisierung ihres Atomwaffen / Kernwaffenarsenals gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen, der die Kernwaffenstaaten auffordert Gespräche zu führen, die zur vollständigen Abschaffung führen sollen. Und die Modernisierung ist wohl etwas Anderes als Abrüstung.
Das war schon bei Abschluss des Vertrages lächerlich, weil mit der freiwilligen Aufgabe von Kernwaffen die klassischen Atommächte automatisch ihr Vetorecht im Sicherheitsrat in Frage gestellt hätten. Zumindest hätten sie bedeutend weniger Erpressungspotential, um es weiter aufrecht zu erhalten.
Das Großartigste aber ist, dass die Hauptakteure (Berater aller Bundesregierungen) ernsthaft versichern, der Atomwaffensperrvertrag wäre eine Erfolgsstory gewesen ... Gleichzeitig erklären sie, ein Totalverbot von Kernwaffen wäre niemals erreichbar. http://jomenschenfreund.blogspot.de/2012/08/cib-seminar-nukleare-abrustung-1-tag.html Deutschland hatte sich sogar in der UNO enthalten, als es nur darum ging, die schädliche Wirkung von konventioneller Uranmunition zu prüfen.
Deutschland ist noch nicht einmal in der Lage, die hier stationierten Kernwaffen der USA zu verbannen. Im Gegenteil. Die USA behaupten, es wäre ein Entgegenkommen, durch uns solche Waffen mitverwalten zu lassen. Was im Übrigen auch ein Verstoß gegen den Atomwaffensperrvertrag ist, weil der die Verbreitung verbietet. Aber darum hatte sich Frankreich auch nicht gekümmert, als sie die Technologie Israel ermöglichten.
Leider sieht die Zukunft düster aus. Wir leben in einer mittelalterlichen Ordnung des Faustrechts, seit Angriffskriege ohne Weltmächten geführt werden können, ohne dass dies irgendwelche Folgen für sie hätte. Die USA dürfen verdeckte Kriege in über 100 Ländern führen und Menschen nach belieben töten, sie dürfen foltern, entführen, sie dürfen Länder mit Sanktionen oder Schadsoftware angreifen ... ohne Gegenmaßnahmen der restlichen Welt.
Noch nicht einmal so genannte eine alternative Partei wie die Piraten war in der Lage, gegen die Realpolitiker und Transatlantiker Positionen zu vereinbaren, die Minimalkonsens sein sollten. http://jomenschenfreund.blogspot.de/2012/10/wer-verschafft-endlich.html
Es ist wirklich zum Verzweifeln, wenn man sieht, welche Ignoranz in den letzten 25 Jahren in die deutsche Gesellschaft eingezogen ist.
Es gibt nur noch eine einzige Partei in Deutschland, die konsequente Positionen gegenüber Kernwaffen vertritt. Denn stillschweigend gehen insbesondere die USA dazu über zu behaupten, man könne Kernwaffen einsetzen, die genau und begrenzt wirken, und deshalb keine Massenvernichtungswaffen wären.
Die Abschaffung von Kernwaffen wird erst möglich werden, wenn die Menschheit eine Renaissance der Aufklärung betreibt, und beginnt, moralische und ethische Grundsätze wieder unter dem Pragmatismus der Realpolitik hervorzukramen.
wow, die Kommentare sind länger als den ursprünglichen Artikel! Hier ist ein Bericht über den ersten Tag bei der Konferenz in Wien: http://blog.ippnw.de/?p=1247
wow, die Kommentare sind länger als den ursprünglichen Artikel! Hier ist ein Bericht über den ersten Tag bei der Konferenz in Wien: http://blog.ippnw.de/?p=1247