Westerwelle - vermisst in New York

High Level Meeting Alle reden am 26. September in der UNO über nukleare Abrüstung. Nur nicht der deutsche Außenminister.

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http://www.icanw.org/wp-content/uploads/2013/09/Nosizwe-1024x629-1-620x350.jpgEine Diplomatenkonferenz in den Vereinten Nationen ist immer ein Marathon. Ein Statement nach dem anderen positionieren sich alle Länder zu den jeweils vorgegebenen Themen. Der deutsche Noch-Außenminister Westerwelle ist zur UN-Vollversammlung in New York und hat bei den verschiedenen parallelen Treffen alle Hände voll zu tun.

Am 26. September ging es um nukleare Abrüstung, und die Konferenz war „hochrangig“ besetzt: Beim „High Level Meeting“ der UN-Vollversammlung der UNO zur nuklearen Abrüstung redeten Präsidenten, Premierminister, Außenminister. Westerwelle aber ist bei dem „High Level Meeting“ gar nicht aufgetaucht. Es ist kaum zu verzeihen, dass er zu diesem Thema nicht selbst redete, sondern lediglich seinen Abrüstungsbotschafter Rolf Nikel ein kurzes Statement abgeben ließ und fertig, aus. Dabei war Westerwelle auf der Rednerliste ankündigt, zwischen Iran und der Türkei. Und mir wurde in Berlin versichert, er würde reden.

Schade. Westerwelle hatte vor vier Jahre grandios angefangen, mit seiner großen Ankündigung über den Abzug der Atomwaffen. Doch er hat auf NATO-Granit gebissen. Just heute früh habe ich folgendes Zitat aus dem neuen polnischen „Weißbuch zur nationalen Verteidigung“ gelesen:

„Es liegt im polnischen Interesse, das amerikanische Arsenal taktischer Atomwaffen (TNW) in Europa zu halten und den verschiedenen Vorschlägen für ihren einseitigen Abzug zu widerstehen. (…) der Situation ist nicht geholfen, wenn einige NATO-Ländern fordern, die taktischen Atomwaffen der USA aus Europa abzuziehen.“

Polen ist nicht alleine, auch die baltischen Staaten sind strikt gegen einen Abzug. Dieses Argument haben wir immer wieder aus dem Auswärtigen Amt gehört. Unter dem Vorwand der von der NATO gebundenen Hände und der Wichtigkeit der Bündnistreue gab Westerwelle langsam aber sicher nach und nahm von seiner Vision des atomwaffenfreien Deutschlands Abstand.

Jetzt können wir nur noch auf die nächste Verhandlungsrunde zwischen den Präsidenten Obama und Putin hoffen. Die Zeichen stehen aber schlecht. Gestern beim HLM wiederholte der russischen Vizepremier Alexej Karpow folgende Forderungen:

„Als ersten Schritt, um den Dialog über diese Frage fortzusetzen, haben wir das Nordatlantische Bündnis wiederholt aufgefordert, alle nicht-strategischen Atomwaffen auf das Territorium der Besitzerstaaten zurückzuziehen, die ausländische Infrastruktur für ihre rasche Stationierung vollständig abzubauen und die Praxis der „nuklearen Teilhabe“, die insbesondere die Beteiligung von nicht-nuklearen Mitglieder der Allianz an einem möglichen Einsatz von Atomwaffen vorsieht, zu beenden.“

Westerwelle und seine diplomatische Crew hätten trotzdem mehr aus der Situation machen können, als zu sagen, dass es „von entscheidender Bedeutung ist, dass sub-strategische Nuklearwaffen in die nächste Abrüstungsrunde einbezogen werden“. Er hätte seine letzte Redegelegenheit als Außenminister Deutschlands nützen können, um Mut zu zeigen. Deutschland gehe mit gutem Beispiel voran, hätte er sagen können, weil wir Atomwaffen nicht brauchen und die „erweiterte Abschreckung“ ablehnen. Aber vielleicht ist die Furcht Westerwelles zu groß, dass er keine Stelle in der freien Wirtschaft bekommt, wenn er auffällig Courage zeigt…

Denn die Internationale Kampagne für die Abschaffung aller Atomwaffen, ICAN, rief die Regierungschefs in einer bewegenden Rede auf, mutig zu werden und über einen Verbotsvertrag zu verhandeln. Allerdings spricht ICAN damit vor allem die atomwaffenfreien Staaten an. Deutschland bleibt unentschlossen: Gehört das Land zu den so genannten Nichtatomwaffenstaaten oder zu den Atomwaffenstaaten? Sie sprechen die Sprache der Befürworter einer atomwaffenfreien Welt, geben aber den nuklearen Schirm nicht aus der Hand. Taten sprechen lauter als Worte.

Nach der Wahl und noch ohne neue Regierungskoalition müssen wir unermüdlich weiter Druck machen. Der Atomwaffenstandort Büchel in der Eifel ist der Schlüssel zur Abrüstung. Denn erst wenn Deutschland sich auf die Seite der atomwaffenfreien Länder bewegt und auf die nicht existierende Macht verzichtet, die die Atomwaffen angeblich verleihen sollen, werden sich deutsche Regierungsvertreter unmissverständlich für ein Verbot und die Vernichtung aller Atomwaffen aussprechen können.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

xanth

Ich bin Geschäftsleiterin der IPPNW sowie Vorstandsmitglied der International Campaign to Abolish Nuclear weapons (ICAN) - Deutschland.

xanth

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