Tage des Zorns: Platzbefreiungen, Blockaden und Marsch der Millionen.

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Am vergangenen Wochenende konnte ich an der ‚Europäischen Aktionskonferenz’ in Frankfurt am Main teilnehmen. Es ließ sich gut mit einer anderen Reise verbinden und es freute mich um so mehr, da ich vom Vorbereitungstreffen zu dieser Konferenz, auf dem ich im Januar ebenfalls gewesen bin, einigermaßen skeptisch-optimistisch gespannt zurückgeblieben war.

Und dann auch noch das, trotz aller anstrengenden Eigenheiten solcher Treffen und obwohl ich an Schlafmangel und Hunger litt, (wobei ich hier ausdrücklich feststellen möchte, dass das vegane VOKÜ-Essen dieses mal nicht zu den Widrigkeiten zählte, weil es echt nach etwas schmeckte;-) jedenfalls, ich hatte trotz allem verdammt gute Laune. Wenn ich ausgeschlafen gewesen wäre, hätten mich wahrscheinlich nicht mal die dominanzpolitischen Aggitationsspielchen mancher Strömungen oder Grüppchen genervt.

Eine Mischung aus guter Vorbereitung, glücklichen Fügungen und am Ende auch politischer Entschlossenheit haben dafür gesorgt, dass sowohl der Ablauf der Konferenz, als auch deren Ergebnisse bewegungshoffnungsfroh in den Mai blicken lassen. Folgend auf die globalen, dezentralen Aktionstage am zwölften und 15. wurde nämlich auf dem Treffen beschlossen, in der Folgewoche in Frankfurt einen weiteren Kristallisationspunkt des Protests vorzubereiten, und zu europäischen Aktionstagen am Sitz der Europäischen Zentralbank aufzurufen.

Weil der Tagungssaal noch anderweitig vergeben war, durften wir also Mittags raus auf den Platz in die Sonne bei 12°, nach immer wieder tatsächlich lustigen Redebeiträgen und im Rausch erster Frühlingsgefühle einigten wir uns aus vier Terminoptionen auf Himmelfahrt, erwartungsgemäß mit überwältigender Mehrheit - schliesslich sind wir die 99%. Bleibt zu hoffen, dass es kein gleichnamiges Kommando wird. Zumindest war der Knoten geplatzt, nun endlich dieses absehbare Datum zu kennen, löste konkrete Freude aus aber machte auch bewusst, welcher Berg an Arbeit jetzt vor uns steht. Bereits am Morgen hatten wir nämlich das angestrebte Aktionskonzept beschlossen und das ist durchaus ambitioniert und weist drei große Elemente auf.

An Himmelfahrt, Donnerstag, dem 17. Mai, einem Feiertag, wird die Anreise nach Frankfurt stattfinden. Und zu dem Camp an der EZB von ‚Occupy Frankfurt’ sollen zahlreiche andere Camps kommen, im Grunde soll die ganze Taunusanlage zu einem riesigen Camp werden. Es wird dann dort Debatten und Aktionstrainings geben und die Angereisten können sich in die Prozesse einfädeln. Öffentlichen Raum zu befreien und seiner ursprünglichen Funktion zurückzuführen, ist also das Ziel, nämlich Orte der Kommunikation zwischen Menschen zu öffnen und ja, wo sie auch selbstbestimmt darüber reden können, wie wir uns gesellschaftlich organisieren wollen. Ein neuer Anlauf der Besetzung oder Befreiung sozusagen, nur dass hier die meisten nicht kommen, um dauerhaft zu bleiben, was allerdings dem zu erwartenden Erfahrungsgewinn der Teilnehmenden in politischer und solidarischer Praxis keineswegs schmälern wird.

Am Freitag den 18. Mai, der wenn auch Brückentag ein regulärer Arbeitstag ist, wollen dann tausende Menschen das Bankenviertel effektiv blockieren. Vollmundig anzukündigen, kein Bankangestellter werde seinen Arbeitsplatz erreichen, ist doch mal eine Ansage, die einem global Occupy Movement würdig ist, und die nicht zuletzt den Gegenbeweis zu der These liefert, diese Bewegung habe keine konkrete Vision von einer anderen Gesellschaft. Diese Aktionen massenhaften, zivilen Ungehorsams erwarte ich mit besonderer Spannung, gilt es doch heute mehr denn je, den fortschreitenden Entdemokratisierungsprozessen eine widerständige Bewegungspraxis entgegenzusetzen. Allerdings müssen wir an diesem Punkt auch besonders aufpassen, dass die Massenmedien nicht ein Randale-Zerrbild zeichnen, wir dürfen also gerade hier die offensive Vermittlung der Inhalte verknüpft mit der Begründung für die Wahl unserer Aktionsformen nicht vernachlässigen.

Am Samstag dem 19. Mai folgt dann ein ‚Marsch der Millionen’ durch Frankfurt, den wir hier immer noch ‚europäische Großdemonstration’ nennen. Nichts desto trotz ein ebenso wichtiger Teil der Aktionstage, insbesondere für die ‚gemäßigteren’ Teile des Aktionsbündnisses, sprich gewerkschaftlich und parteipolitisch Organisierte sowie Attac Deutschland. Ich weiß noch nichts von der Vorbereitung aber um ein deutliches Zeichen zu setzen, nicht zuletzt geradezu in verpflichtender Solidarität denen gegenüber, die wie beispielsweise in Griechenland schon jetzt in Folge der Troika Politik eine entwürdigende Entrechtung erleiden, sollten wir wohl mindestens 100.000 Menschen nach Frankfurt mobilisieren. Und da diese sich sowieso kaum zentral versammeln könnten, wäre es doch überlegenswert, an drei Orten Kundgebungen abzuhalten und zwischen diesen eine dauerhafte Pendeldemonstration anzumelden. Mit verschiedenen Programmen aber einer parallelen, gestreamten Asamblea, in der die Menschen von Frankfurt eine Resolution verabschieden, die natürlich weit vorher erarbeitet werden müsste. Bei den Camps Workshops und große Vöküs und zwischendrin auf dem Weg immer wieder Soundsystems. Es wäre doch zumindest wünschenswert, wenn am Ende viel, viel mehr dabei raus kommt, als eine Latschdemo mit Trillerpfeifen und Sambagruppe und der unvermeidlichen Abschlussrede von Michael Sommer. Jedenfalls gilt es, eher in Sonderzügen zu denken, als in Bussen, um mal alleine die logistische Aufgabe zu verbildlichen.

Alleine die Aufgaben dieser drei Tage zu bewältigen wird enorme Arbeit absorbieren, von kulturellem Programm, Abendveranstaltungen, weitere Ideen und Planungen für den Sonntag mal ganz abgesehen. Und daher ist es so wichtig und macht mir, als jemandem, der nicht in einer politischen Gruppierung verankert ist, viel Hoffnung, dass so gut aufgestellte Strömungen und Organisationen gemeinsam in diesem Prozess zusammen arbeiten, wie auch immer ich die Einzelnen nun einschätze. Es ist aber auch sehr wichtig, dass alle, die es besser wissen, konkret in die Vorbereitung einsteigen und sich engagieren, wir müssen hier handeln und weniger virtuell debattieren. Und wenn wir es gut machen, können wir im Laufe der Vorbereitungen einiges zur Klärung des irgendwie entstandenen Missverhältnis hierzulande von Occupy Gruppen und etablierten Bewegungsakteuren beitragen. Dazu muss die Vorbereitungsgruppe allerdings die Entscheidungsstrukturen öffnen und vor allem sollten die organisierten AktivistInnen in den Diskussionsprozessen immer wieder ihr Organisations- und Politikverständnis miterklären, dass macht viele Zusammenhänge einfach verständlicher. Und vor allem muss mal verstanden werden, dass jetzt viele Menschen auf den Plan treten, die mit Gruppenidentitäten und vermachteten Diskussionsräumen wenig anfangen können und ganz anders agieren, als die ‚alten, neuen sozialen Bewegungen’. Die Wiederbelebung der Idee einer Bewegung der Bewegungen, könnte im Arbeitsverlauf den Kollateralnutzen bringen, sich wechselseitig in den Stärken zu befruchten und die jeweiligen Schwächen solidarisch auszuwetzen.

Zurück zur Konferenz. Am Nachmittag folgten dann themenspezifische Workshops, ich war auf einem des M31 Netzwerks, die für den 31. März zu einem europäischen Aktionstag gegen Kapitalismus aufrufen und die zentrale Aktion in Deutschland zumindest aus einer Demo besteht, die vom Hauptbahnhof zur Baustelle des zukünftigen EZB-Sitzes im Frankfurter Westend führen wird. Auch dieser Aufruf ist grundweg sympathisch, es gibt schlüssige Argumentationen, alleine wie die vielschichtigen Sauereien der EZB in ein rundes Aktionskonzept fließen, konnte dort noch nicht präsentiert werden. Mir würde ein Szenario einleuchten, bei dem fiktive Menschen die EZB für ihre Politik der sozialen Spaltung (in Frankfurt, Europa und auf der ganzen Welt) symbolisch kollektiv anpissen. Und zwar an der Baustelle, weil diese Menschen schon für das Fundament dieses Systems nichts als Pisse übrig haben. Ein - wie ich finde - sehr schönes Bild, welches den Gruppierungen im M31 Netz aber wohl kaum entschieden genug wäre.

Nun gut, am frühen Samstag Abend und Sonntag vormittag begannen wir in diversen Arbeitsgruppen die Vorbereitungen für die ‚Tage des Zorns’ in Frankfurt. Es wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen, wie gut wir uns aufstellen, um eine Bewegungsdynamik in Deutschland zu befördern beziehungsweise ob wir letztendlich breit sein werden, wenn sich endlich hier etwas bewegt. Jedenfalls könnte es doch zumindest für die internationalen Zusammenhänge wichtig sein, die Begriffe der ‚Arabellion’ aufzugreifen und die entschiedene Kritik in ihren Aktionsformen auch entsprechend zu betiteln und nicht etwa ‚Mai-Festspiele’ oder das nächste Mal nichts als heiße Frühlingsluft auszurufen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Yann Döhner

nichts als kreatives gemeingut...

Yann Döhner

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