Einer für uns

Gamescom In Köln öffnet die weltgrößte Messe für Video- und Computergames. Das Format der Stunde heißt Let’s Play: Clips von kommentierten Spieletests
Ausgabe 33/2014
Betreutes Spielen, könnte man sagen, wenn die Protagonisten nicht so jung wären
Betreutes Spielen, könnte man sagen, wenn die Protagonisten nicht so jung wären

Foto: Patrik Stollarz / AFP / Getty Images

Seit einigen Jahren sind in der Spieleszene Let’s-Play-Kanäle zu einem wichtigen Fanmedium geworden. In diesen Formaten spielen zumeist Männer Games auf dem Computer oder der Konsole durch und kommentieren dabei das Erlebnis. Danach wird der aufgezeichnete Clip auf Youtube hochgeladen. Wie beliebt dieses Format ist, zeigt sich daran, dass der erfolgreichste Youtube-Kanal der Welt ein Let’s-Play-Kanal ist: Der Schwede Felix Arvid Ulf Kjellberg lädt seit 2010 unter dem Namen PewDiePie Spielevideos hoch; er hat mittlerweile über 29 Millionen Abonnenten.

Auch in Deutschland gewinnen Let’s Player an Bedeutung. Die bekanntesten hiesigen Autoren des Formats sind Gronkh, Pietsmiet und Sarazar. Gronkh, mit bürgerlichem Namen Erik Range, pflegt einen Youtube-Kanal, der über drei Millionen Abonnenten hat. Zusammen mit seinem Freund Valentin Rahmel, der als Sarazar Let’s Plays kreiert, leitet er die Firma PlayMassive, zu der verschiedene Webseitenangebote gehören.

Links, rechts, Aktion

Kern der Vermarktung von Let’s Playern und ihren Videos ist die Figur eines greifbaren Spielers, der die Spiele durchspielt, testet, kommentiert. Fans bestimmter Spiele und Genres können dadurch einen Bezug zu den Let’s Playern herstellen, sie dürfen kommentieren und in abgestecktem Rahmen kreative Macht ausüben – etwa darüber entscheiden, was als Nächstes getan werden soll. Das Spiel wird auf diese Weise doppelt erlebt – einmal, eher passiv, als Zuschauer des Spiels und einmal, eher interaktiv, als Teil des Spieleerlebnisses des Let’s Players.

Spieleentwickler und Publisher haben längst erkannt, dass Let’s Plays dazu anregen können, Spiele zu kaufen und Marken weiter zu verbreiten. Der größte Publisher am Markt, Electronic Arts (EA), stellt daher online Vordrucke bereit, mittels derer sich Fans die Erlaubnis einholen können, urheberrechtlich geschütztes Material aus Spielen auf Plattformen wie Youtube hochzuladen. In der neuen Konsolengeneration von Sony, der Playstation 4, können Nutzer per Knopfdruck Screenshots von Spielen in sozialen Medien posten und ihre eigenen Spiele streamen. Solche technischen Möglichkeiten zeigen deutlich in Richtung geteiltes und somit zusammen erfahrenes Spieleerlebnis.

Ein Let's-Play-Beispielvideo von Gronkh:

Wie sehr das gemeinsame Spielen – unabhängig davon, ob man die aktiv spielende Person ist oder nur Zuschauer – die Massen bewegen kann, hat im Frühjahr das soziale Experiment „Twitch plays Pokémon“ demonstriert. Über ein eigens angefertigtes Programm waren Zuschauer in der Lage, Befehle wie „links“, „rechts“ oder „Aktion“ einzugeben, während parallel das Spiel lief. Gespielt wurde also nicht von einer Einzelperson, sondern von der Masse der Zusehenden. Das Event lief über mehrere Tage, sorgte für Berichterstattung und warb für die Plattform Twitch, auf der Spieler ihre eigenen Spiele-Livestreams und Let’s Plays einbinden sollen.

Kritisch lässt sich betrachten, wie bei Let’s Play teils kommuniziert wird. Sexismus, Homophobie, Rassismus und Sprüche auf Kosten verschiedener Gruppen sind bei einigen Kanälen an der Tagesordnung. Die Szene zeigt sich als eingeschworene Gemeinschaft spielender Nerds, die beim Let’s Play trotz des Millionenpublikums „unter sich“ ist. Eine Auseinandersetzung mit struktureller Diskriminierung auf Youtube oder in Spielen selbst ist die Seltenheit. Obwohl die Spieleszene erwiesenermaßen alle Altersgruppen und Geschlechter umfasst, sind die Topkanäle der Let’s-Play-Szene vor allem eins: homogen. Weiße Männer spielen, von Diversität noch keine Spur.

Während theoretisch jeder beim Spielen sich aufzeichnen und das Video anschließend hochladen könnte, werden nur wenige so erfolgreich wie Gronkh oder PewDiePie. Das Prinzip der Let’s-Play-Kanäle ist die „Einer von uns“-Mentalität, die mit ausgefeilter Professionalisierung hergestellt wird, zu der neben technischem Equipment etwa die Nachbearbeitung gespielter Sequenzen gehört. Hinzu kommt, dass die führenden Let’s Player eine Fanbasis aufgebaut haben, die vergleichbar ist mit der von Künstlern oder Comedians.

Bei der Monetarisierung können sich die Macher der Spielevideos daher auf Werbung und Deals mit Unternehmen verlassen. Je höher die Zuschauerzahlen, desto höher die Einnahmen im auf Youtube üblichen Geschäftsmodell. PewDiePie verdient laut Wall Street Journal über vier Millionen Dollar pro Jahr. Das US-amerikanische Unternehmen Rooster Teeth, das verschiedene Let’s-Play-Formate produziert, listet auf seiner Homepage 89 Mitarbeiter auf. In Deutschland sind die Zahlen geringer; die Firma von Gronkh und Sarazar konnte 2012 aber immerhin einen Überschuss von knapp 245.000 Euro verzeichnen.

Auf der Gamescom, der weltgrößten Spielemesse, gab es schon im vergangenen Jahr ein Let’s-Play-Event vor 4.000 Zuschauern, das die Lanxess-Arena in Köln füllte. In diesem Jahr werden prominente Let’s Player ihren Auftritt haben: Für die Fans soll es Möglichkeiten geben, sie zu treffen und mit ihnen zusammen zu spielen – gesponsert von der Telekom.

Yasmina Banaszczuk lebt, schreibt und promoviert in Hamburg. Im Internet ist sie als Frau Dingens unterwegs

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