Im Leben eines Teenagers ist das eigene Zimmer unbedingt der heiligste Ort. Auf der Kommode stehen Michelle Obama und Ruth Bader Ginsburg sowie eine Spruchtafel mit der fordernden Aufschrift: „Wir alle sollten Feministen sein“. Auf dem Boden sitzt eine junge Frau im Schneidersitz, ihre Augen sind geschlossen, während eine Stimme von einem Selbsthilfe-Tape von Visualisierung spricht. Es ist der Morgen von Mollys (Beanie Feldstein) letztem Schultag.
Unzählige Filme erzählten bereits vom Leben an der Highschool als dem Ort, an dem das Schubladendenken der anderen hart auf das Ringen mit der eigenen Identität trifft. Auch Booksmart – das Regiedebüt der Schauspielerin Olivia Wilde – zeigt die Highschool als Kampfstätte. Im Mittelpunkt stehen
Mittelpunkt stehen zwei Freundinnen, die sehr unterschiedlich sind. Auf den ersten Blick ist Molly, beste Schülerin ihres Jahrgangs, vor allem an ihrer Karriere interessiert, während Amy (Kaitlyn Dever) sich für Soziales engagiert. Nach dem Abschluss will sie erst mal nach Botswana, um dort Tampons herzustellen. Die beiden Mädchen haben ihre Highschool-Jahre vor allem mit Lernen verbracht. Nun findet Molly heraus, dass auch die von ihr bislang verachteten Partykids zum großen Teil an renommierten Colleges angenommen wurden. Haben sie und Amy umsonst auf Vergnügen verzichtet? In ihren letzten gemeinsamen Stunden wollen die Freundinnen nun das Verpasste nachholen.Der Film klingt zunächst wie eine weibliche Version der Hit-Komödie Superbad (2007). Eine verhängnisvolle Nacht und zwei beste Freunde. Das Konzept ist ähnlich: Mit der kurzen erzählten Zeit werden Druck und Schnelligkeit aufgebaut. Verrückte Dinge können nacheinander passieren, erzählerisch wird damit für Aufregung gesorgt, was Nähe zur Gefühlsebene von Teenagern suggeriert. Die große Herausforderung ist es, dabei glaubwürdig zu bleiben, was nur über authentische Figuren funktioniert.Weder Nerd noch PüppchenMolly und Amy sind solche Figuren. Sie entsprechen dabei nicht dem typischen Mädchenbild des Genres. Weder sind sie Modepüppchen noch schüchterne Nerds. Aber der Verzicht auf Stereotype ist nicht allein das, was Booksmart aufregend macht. Vor allem, was zwischen Amy und Molly passiert, ist das Neue: Die Frauenfreundschaft ist hier mal keine Zweckgemeinschaft für Beliebtheit oder Konkurrenz um die Gunst eines Jungen. Die beiden fordern sich gegenseitig heraus, unterstützen einander aber auch. „Female Empowerment“ ist Thema im ganzen Film und nicht nur die Mission einzelner Figuren. Es bleibt nicht bei der Spruchtafel auf der Kommode, „Female Empowerment“ ist hier etwas, das im Schulalltag gelebt werden muss.Dabei verlässt Olivia Wilde – die auch schon Musikvideos gedreht hat – in Booksmart an mehreren Stellen den Realismus zugunsten von überdrehten Fantasieszenen. So landen die Hauptfiguren im Drogenrausch in den Körpern von animierten Barbiepuppen. Unterlegt ist das Ganze mit dem Song Push It von Salt-n-Pepa. Letztlich beschäftigt sich die Szene mit unrealistischen Frauenkörpern und damit, wie toxisch diese Darstellung für das eigene Körperbild ist. Der Komödie gelingt die Gratwanderung zwischen Message und Auf-die-Fresse-Unterhaltung.Dabei leben Amy und Molly bereits in einem Umfeld, das in Bezug auf gesellschaftliche Gleichheit hohe Ziele verfolgt. Amys sexuelle Orientierung etwa wird nicht als „anders“ oder „abenteuerlich“ ausgestellt; Molly wird nicht allein aufgrund ihres Körpers beschämt. Gegen Lästereien und offene Anfeindungen müssen sie sich trotzdem wehren.Die Beziehung zwischen Amy und Molly zeichnet dabei eine große Leichtigkeit aus. Beanie Feldstein und Kaitlyn Dever arbeiten sich wie ein klassisches Comedy-Duo an den Macken des Gegenübers ab. Selbst gewichtige Themen wie Minderwertigkeitskomplexe werden dadurch nicht zu dramatisch. Der Film will Teenager explizit ermutigen, zu sich selbst zu stehen. Als die beiden Girls auf der Suche nach einem Party-Outfit einen jeweils sehr individuellen Look wählen, beginnt ein Schlagabtausch mit Komplimenten: „Wer hat dir erlaubt, so schön zu sein!“ – „Nein, wer hat dir erlaubt, so schön zu sein!“Im Laufe der Nacht brechen Amy und Molly aus ihren gewohnten Verhaltensmustern aus – was ihnen die Chance gibt, nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Mitschüler neu kennenzulernen. Bei diesem wichtigen Schritt zur Selbstliebe und zur Inklusion von anderen bekommen die beiden Teenager Hilfe von zwei gleichaltrigen Jungen, Jared (Skyler Gisondo) und George (Noah Galvin). Während Jared Molly offen für ihre Durchsetzungskraft bewundert, ermuntert George Amy dazu, vor anderen zu singen. Es wird hier mit einem lästigen Klischee aus den „Female Empowerment“-Filmen aufgeräumt, nämlich mit dem, dass starke Frauen keine Hilfe bräuchten.Booksmart ist also nicht die weibliche Version eines bereits mit Männerfiguren erzählten Plots. Der Film beschäftigt sich auf andere, aktivere Weise mit Frauenrechten und Inklusion und zeigt dabei, dass auch Generation Z sich noch an Vorurteilen und eingeübten Verhaltensweisen abarbeiten muss. Was selbst eine laute, überdrehte Teenie-Komödie lebensnah und universell wirken lässt.Placeholder infobox-1