Was bleibt vom Afrikajahr, das die Bundesregierung 2017 ausgerufen hatte? Zahlreiche Afrikapläne und –initiativen wurden damals verabschiedet, die meisten unter dem Leitspruch: „Fluchtursachen überwinden“. Der ambitionierteste Wurf kam von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU): ein „Marshallplan mit Afrika“, vorgelegt im Januar 2017.
Der Marshallplan sollte die Partnerschaft mit Afrika auf eine neue Basis stellen und „einen neuen Zukunftsvertrag Europas mit Afrika begründen“: die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen, die lokale Wirtschaft stärken und ausländische Investitionen fördern. Dazu wollte Müller von Freihandel auf „fairen Handel“ umstellen, und „schädliche Exporte nach Afrika“ stoppen.
Erst soll Afrika liefern
Nach zwei Jahren Marshallplan ist die Bilanz allerdings mau. Ein Sprecher des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sagt auf Anfrage, dass „die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Handel vor allem in der Eigenverantwortung der afrikanischen Staaten“ liege. Die Bundesregierung unterstütze die nötigen Reformen und fördere afrikanische Partnerländer etwa bei der Einhaltung von Qualitätsstandards ihrer Exportprodukte.
Uwe Kekeritz, Sprecher für Entwicklungspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, kritisiert: „Müller hat zu Beginn seiner Amtszeit in Brüssel als federführender Minister die entwicklungsfeindlichen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) durchgewinkt. Der überwiegende Teil unserer afrikanischen Partnerländer lehnt diese Handelsverträge zu Recht ab, denn durch die erzwungene Marktöffnung laufen ganze Wirtschaftssektoren Gefahr, zusammenzubrechen. Trotzdem erzählt Müller bei jeder Gelegenheit, dass er faire Handelsstrukturen wolle. Wirkliche Erfolge kann er aber bislang nicht vorweisen.“
Die Forderung nach fairem Handel wurde auf dem G20-Gipfel im Sommer 2017 auch von Angela Merkel und vorher schon von ihrem Afrikabeauftragten Günter Nooke erhoben. Auch der Koalitionsvertrag von 2018 betont das Ziel einer „fairen Handelspolitik mit Afrika“.
Doch der Afrikaexperte Boniface Mabanza von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika aus Heidelberg kritisiert, trotz der vielfältigen Ankündigungen sei nichts passiert. Die Bundesregierung musste auf eine Anfrage der Linken im August 2018 einräumen, dass es keine Neuverhandlungen der Abkommen mit afrikanischen Staaten gegeben hat. Ein BMZ-Sprecher erklärt, dass sich Gerd Müller bei der Neuverhandlung des Partnerschaftsabkommens zwischen Afrika und der EU (Post-Cotonou-Abkommen) für „fairen und nachhaltigen Handel zwischen Afrika und der EU“ einsetzen werde. Doch die europäische Handelspolitik mit Drittländern obliegt der EU-Kommission verhandelt. Und ein Umdenken hin zu fairen Handelsbeziehungen mit Afrika ist auf EU-Ebene nicht zu erkennen.
Damit die afrikanischen Staaten mehr Einnahmen generieren, mit denen sie Entwicklungsbemühungen finanzieren könnten, sieht der Marshallplan vor, der internationalen Steuerflucht Einhalt zu gebieten. Afrika verliere jährlich 50 Milliarden US-Dollar durch illegale Finanzflüsse. Die Summe ist ähnlich hoch wie die internationale Entwicklungshilfe für den Kontinent. Müller will den „automatischen Informationsaustausch in Steuersachen“ ausbauen und somit für mehr Transparenz sorgen, um die Steuerflucht zu bekämpfen.
Markus Henn, Steuerexperte der Organisation Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung, sagt hingegen: „Die afrikanischen Staaten werden noch immer weitgehend vom Informationsaustausch über Finanzkonten sowie über länderspezifische Konzernberichte ausgeschlossen“. Internationale Steuerregeln und Transparenzinitiativen werden auf Ebene der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der EU und der G20 von den Finanzministern verhandelt – und eben nicht vom deutschen Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Gerd Müller kann Reformen wohl anmahnen, doch da er selbst nicht mit am Verhandlungstisch sitzt, bleibt sein Einfluss gering.
Auch im Bereich Menschenrechte und Sozialstandards in globalen Lieferketten ist er bisher wirkungslos geblieben. Er betont in Reden regelmäßig die Verantwortung global tätiger Unternehmen für die Einhaltung der Menschenrechte in der Produktion. Dazu hat er etwa ein Textilbündnis gestartet, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Doch bei den Verhandlungen um den deutschen Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte, der letztere in globalen Lieferketten durchsetzen soll, blieb Müller ohne Einfluss. Der 2016 von der Bundesregierung verabschiedete Aktionsplan enthält keine gesetzliche Verbindlichkeit von menschenrechtlichen Mindeststandards in globalen Lieferketten.
Anfang Februar hat Müllers Ministerium ein Wertschöpfungskettengesetz entworfen, um Unternehmen zukünftig zu verpflichten, ökologische und soziale Standards einzuhalten. Sozialminister Hubertus Heil (SPD), mit dem Müller das Gesetz auf den Weg bringen wollte, beharrt aber auf dem Koalitionsvertrag, der vorsieht, bis 2020 abzuwarten, ob die Firmen ihrer freiwilligen Selbstverpflichtung zur Einhaltung der Menschenrechte nachkommen.
Auch gegen die Blockade der Bundesregierung bei der Verhandlung eines bindenden UN-Vertrags zur globalen Unternehmenshaftung (der Freitag 3/2019) konnte Minister Müller nichts ausrichten. „Der mutlose Auftritt Deutschlands bei den Verhandlungen ist hochnotpeinlich. Hier zeichnen sich die Bundesregierung und die USA dadurch aus, dass sie zunächst die Interessen der Konzerne vertreten, die an einem bindenden Vertrag kein Interesse haben. Von Müller habe ich hier keine Initiative wahrgenommen“, urteilt Uwe Kekeritz.
Nach zwei Jahren Marshallplan mit Afrika kann Minister Müller noch keine Erfolge vorweisen. Sein Marshallplan ist bis jetzt Symbolpolitik ohne Wirkung.
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