Wer oder was bläst die Preise auf?

Inflation: Einige halten die Gefahr erheblicher Teuerung für riesig, andere für gering. Der Begriff Inflation wird verwendet, als sei er für alle verständlich, Nachfrage oder Nachdenken unnötig. Wie verhält es sich mit der Inflation?

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"Ich will dich nicht zur Arbeit verführen.
Der Mensch ist zur Arbeit nicht gemacht.
Aber das Geld, um das sollst du dich rühren!
Das Geld ist gut. Auf das Geld gib acht!

Die Menschen fangen einander mit Schlingen.
Groß ist die Bösheit der Welt.
Darum sollst du dir Geld erringen
Denn größer ist ihre Liebe zum Geld."

Bertolt Brecht, die ersten zwei Strophen aus seinem Gedicht "Vom Geld", 1926

Der meisten Menschen Vorstellungen vom Gelde sind mythisch eingefärbt. Deshalb ist der Menschen "Liebe zum Geld" stärker als die "Bösheit der Welt". Geld, müssen wir uns vor Augen halten, ist ein Gebilde, das durch menschliche Gedankenarbeit entstand und in Gedanken verbleibt; es handelt sich um ein abstraktes Geschöpf in einem virtuellen Raum, der Wirtschaft. In unseren modernen Gesellschaften verdankt es seine Existenz einer stillschweigenden Übereinkunft der Menschen untereinander – so stillschweigend, dass es vielen nicht mal mehr bewusst sein mag. Die Bewohner im Gebiet einer Währungsgemeinschaft, meist eines Staates oder eines Staatenbundes, haben sich darauf verständigt, ihre Wirtschaftsleistungen mit auf ihrem Territorium akzeptierten Geldeinheiten zu verrechnen. Sichtbar gemacht werden kann Geld nur durch Symbole, beispielsweise bunt bedrucktes Papier oder verschieden geformte Metallstücke, Ziffern im Kontoauszug oder Zahlenkolonnen auf einem Bildschirm. Das Geld ist eine übertragbare Leihe, ein zinsloser Kredit der Gemeinschaft an ihre Mitglieder. So wird ihnen ermöglicht Leistungen zu tauschen. Und wer darüber verfügt, hat kein Geld, sondern nur den Nachweis einer von der Gemeinschaft der Staatsbürger verliehenen Anwendungsmöglichkeit dieser Verrechnungseinheiten. Wenn vom Wert des Geldes gesprochen wird, stimmt das nur insofern, solange menschliche Arbeit erbracht wird, die man mit der Arbeitsleistung anderer verrechnen kann. Das heißt, Geld an sich ist wertlos. Und vor allem: es geht nicht ins private Eigentum seiner Nutzer über. Tatsächlich ruht der Wert von Geld allein im Vertrauen der Bevölkerung an die Zusage, dass alle sicher sein können, es werde jetzt und zukünftig als Mittel der Verrechnung im Austausch von Leistungen taugen. Oder etwas salopp formuliert: Alle müssen daran glauben.

Dieses Geldsystem funktioniert nur, solange sich die Nutzer des Geldes an strenge Regeln halten, deren Einhaltung von einer mit hoheitlicher Macht ausgestatteten Verwaltung überwacht wird. Dazu zählt zuallererst das ausschließliche Recht auf die Bereitstellung von Geld durch eine von der Gemeinschaft autorisierte, öffentlich-rechtlich gestaltete Institution. Früher war das in Deutschland die Bundesbank, jetzt ist es für den Euro-Raum die Europäische Zentralbank (Seit den 1970er-Jahren sind aber auch private Banken berechtigt, Geld zu schöpfen; dazu später mehr). Neben vielen einzelnen, gesetzlich festgelegten Regeln zum Umgang mit Geld (beispielsweise, dass innerhalb eines Währungsraums die staatlich vorgegebene Währung akzeptiert werden muss) bedarf es einer ständigen Kontrolle der gesamten Geldmenge, die im Geschäftsverkehr einer Währungsgemeinschaft im Umlauf ist – bei uns im Euro-Raum.

Es handelt sich um ein abstraktes Geschöpf in einem virtuellen Raum

Gelingt es nicht, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Leistungen und Geld herzustellen, dann können zwei Folgen eintreten. Erstens: Sollte zu viel Geld "unterwegs" sein, dann steigt die Summe, die zur Verrechnung bereitsteht, woraufhin die Preise steigen. Man kann sich das so vorstellen: Wenn viele Leute über sehr viel Geld verfügen und das Angebot an Gütern nicht in gleichem Umfang gestiegen ist, treten sie als Käufer in Konkurrenz zueinander und überbieten sich bei Preisverhandlungen wie bei einer gut laufenden Versteigerung. Das Ergebnis ist dann eine durchschnittliche Teuerung vieler Waren und Dienstleistungen; und der daraus ermittelte Prozentsatz der Preissteigerung wird Teuerungsrate genannt. Der Wirtschaftsprozess gerät so in einen Zustand der Inflation. Und die zweite Möglichkeit: Wenn deutlich zu wenig Geld im Umlauf ist, entwickelt sich das Verhältnis zwischen Leistung und Geldmenge in umgekehrter Richtung. Der Effekt ist dann, dass die Anbieter von Gütern ihre Preise senken, um Kaufanreize zu bieten und die Absatzmenge auch bei geringerer Verfügbarkeit von Geld in den Händen der Konsumenten auf einem für sie erträglichen Niveau zu halten. Diesen Zustand nennt man Deflation.

Zu viel Geld sorgt für ein "Aufblasen" (Inflation) und zu wenig für ein "Abblasen" (Deflation) der Preise. Diese Beschreibung ist grob vereinfacht gefasst; für die Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten zeigt sie so bildhafter und dennoch mit hinreichender Präzision, in welchem Zustand sich ein Wirtschaftsgeschehen befindet, wenn die Geldmenge nicht mindestens näherungsweise der Menge der angebotenen Leistungen entspricht

Es geht nicht ins private Eigentum seiner Nutzer über

Erst die Kontrolle der Geldmenge bewirkt also eine der wichtigsten Funktionen des Geldes, nämlich die Gewährleistung dafür, dass die Verrechnung einer heute erbrachten Leistung auch zu einem deutlich späteren Zeitpunkt erfolgen kann, und zwar möglichst ohne Abschlag. Wer heute für eine Leistung einen Preis erhält, will für diesen Betrag nach Ablauf einer prinzipiell unbegrenzten Zeit von anderen etwas kaufen können, das dann genau dem Geldwert entsprechen soll, der zum Zeitpunkt des Verkaufs seiner eigenen Leistung dafür zu zahlen war. Die Kaufkraft des Geldes soll erhalten bleiben, die Verrechnungseinheit soll stabil bleiben, wie es landläufig heißt.

Zwecks Durchführung der notwendigen Kontrollaufgaben beauftragt die Gemeinschaft gewöhnlich eine oder mehrere Institutionen, beispielsweise Zentralbanken oder andere öffentliche Anstalten, die hoheitliche Rechte ausüben. Das ganze schöne Geld ist also nur von Wert, wenn eine von der Gemeinschaft eingesetzte Regierung ihre schützende Hand darüber hält. Oder anders formuliert: Geld kann seine Aufgabe als Verrechnungsmittel nur dann erfüllen, wenn der Staat, in Vertretung der Gesamtheit seiner Bürgerinnen und Bürger, für dessen "Werthaltigkeit" sorgt.

Gängige Auffassung sehr vieler Ökonomen ist, dass eine Inflation durch politische Einflussnahme leichter zu beherrschen sei als eine Deflation. Diese Feststellung hält aber einer genaueren Überprüfung nicht stand. Die meisten wissenschaftlichen Beiträge zum Thema Geldwertstabilität gehen von folgender Überlegung aus: Eine Inflation verlaufe üblicherweise sehr viel langsamer als eine Deflation, weshalb genügend Zeit verbleibe, um mit zinspolitischen Maßnahmen oder auch Subventionen gegenzusteuern. Anders eine Deflation; sie neige zu einem sehr schnell eintretenden Schrumpfen des Wirtschaftsgeschehens, Depression genannt, sodass staatliche Gegenmaßnahmen nicht mehr rechtzeitig wirken können. – Man mag das aber auch ganz anders einschätzen: Die meist eher gemächlich daherkommende Inflation provoziert die politischen Akteure, am Symptom herumzudoktern, was eher selten zu Erfolg führt. Allzu oft werden nicht die Ursachen bekämpft, und die Inflation wird dann bestenfalls abgemildert; sie endet folglich nicht und wird als eine unvermeidlich dauerhaft fortschreitende Verringerung der Kaufkraft des Geldes einfach hingenommen. Man kann sich diesen Zustand als den einer chronischen Krankheit vorstellen, mit der es zu leben gelte – alle haben sich an den Dauerzustand einer Schrumpfung des Geldwertes gewöhnt. So wird beispielsweise von den Hütern der Stabilität des Euro, den Direktoren der Europäischen Zentralbank, eine jährliche Inflationsrate von zwei Prozent als Zielgröße ausgegeben. Mit dieser Folge: Ein Euro hat nach fünfzig Jahren nur noch die Kaufkraft weniger Cents. Die meisten Volkswirtschaften weisen jedoch höhere Inflationsraten aus, sodass dort eine deutlich schnellere Entwertung eintritt – derzeit übrigens auch hierzulande.

Wer seine Verrechnungsmöglichkeit in fernere Zukunft verschieben, beispielsweise mit gespartem Geld Altersvorsorge betreiben will, muss sein Geld so "anlegen", dass er mindestens die tatsächliche Inflationsrate durch Zinserträge ausgleichen kann; und das nur, um den heutigen Realwert seines Geldes zu erhalten. Von Sparzuwachs kann dann noch nicht die Rede sein. Das betrifft in starkem Maße auch die reale Wirtschaft: Die Unternehmen, die als Produzierende ihre Güter verkaufen wollen, müssen erwarten dürfen, dass sie kostendeckende Preise erzielen, was im Zustand einer Inflation bei den Einkaufspreisen Preissteigerungen verlangt und bei einer Deflation zu Verlusten führt, die häufig nicht zu verkraften sind. Unsere "Liebe zum Geld" wird jedenfalls nur erwidert, solange die Stabilität der jeweils gültigen Währung gesichert ist.

Ein Euro hat nach fünfzig Jahren nur noch die Kaufkraft weniger Cents

Doch die im Euroraum schon einige Zeit andauernde Situation, dass für gespartes Geld zum Teil sogar "Strafzinsen" zu zahlen sind, die Zinserträge mindestens aber gen null tendieren, und dass gleichzeitig Inflation herrscht, Preiserhöhungen also die Kaufkraft des Ersparten senken, legt die Vermutung nahe, dass ein Kollaps bei schleichender Inflation lediglich später als im Zustand der Deflation zu erwarten ist. Und tatsächlich konnten wir das schon beobachten: Obwohl eine solche Zuspitzung der Entwicklung einer Inflation angeblich leicht zu verhindern sei, trat sie im Jahre 2008 "unverhofft" ein, als die Finanzkrise genannte Immobilienblase platzte. Den meisten "Normalverbrauchern" war allerdings entgangen, dass der Kollaps des gesamten globalen Finanzsystems nur verhindert wurde, weil die Steuerzahler des kapitalistischen Westens mit Billionenkrediten einsprangen. Es wurden die Schulden von den Regierenden einfach auf ihr Konto gebucht, was vielen Steuerzahlern nicht bewusst ist. Und da die politisch Verantwortlichen in der kapitalistischen Welt anschließend wieder einmal nicht die Ursachen der Krise bekämpften, stattdessen riesige Mengen zusätzliches Geld schöpften, wofür keine Leistung erbracht wurde, erreichte man lediglich einen Aufschub. Wir warten jetzt auf die nächste Finanzkrise.

Eine Deflation hingegen hat zur Folge, dass sehr schnell nicht mehr produziert werden kann, wenn die Ware nicht kostendeckend oder gar nicht verkauft wird. Die Deflation zeigt sehr viel kurzfristiger ihre verheerende Wirkung, was den "Vorteil" hat, dass Flickwerk nicht ausreicht, um einen Zusammenbruch zu verzögern oder gar zu verhindern. Deshalb wird entweder unmittelbar ein Kollaps eintreten, oder die Verantwortlichen für das Wirtschafts- und Finanzwesen beheben die Schäden an den Wurzeln des Übels, etwa indem die Geldmenge erhöht wird oder für Zuversicht gesorgt wird. Hinter der Angst vor einer Deflation, steckt wahrscheinlich aber auch die Scheu der politischen Akteure, notwendige und harte Maßnahmen zu ergreifen, die die Akteure auf den sogenannten Finanzmärkten im Krisenfall zur Kasse bitten würden, nicht jedoch die am realen Wirtschaftsprozess Beteiligten. Denn die "Experten", die Finanzmanager, sind die von scharfen Einschnitten in ihr Geschäft Betroffenen, und die haben es bisher stets geschafft, den Regierenden einzutrichtern, dass ihre Interessen vorrangig zu wahren seien. Die zuständigen Finanzpolitiker umschreiben dies gewöhnlich reichlich kleinmütig, indem sie wie unser einst Finanzminister Schäuble die Forderung erheben, man müsse die "Finanzmärkte beruhigen".

Um desaströse Entwicklungen im Geldverkehr zu vermeiden, ist eigentlich nur eine Forderung zu erfüllen: Die Geldwertstabilität muss dadurch sichergestellt werden, dass die Aufsichtsorgane die "Zielgröße" null Inflation und genauso null Deflation vorgeben. Denn beide, Inflation und Deflation, sind von Übel, weil damit das Vertrauen der Nutzer des Geldes in seine Stabilität erschüttert wird.

Eine stete Ausrichtung der Geldmenge an der Summe aller wirtschaftlichen Leistungen verlangt zwar einen erheblichen Verwaltungsaufwand, sie ist heutzutage aber mit den Mitteln von Großrechneranlagen hinreichend genau und zeitnah zu bewerkstelligen. worauf einige Ökonomen auch schon hingewiesen haben.

Beide, Inflation und Deflation, sind von Übel

Was ergibt sich daraus für die aktuelle Inflation? Für die Beantwortung der Frage sollten wir verschiedene Bereiche des Wirtschaftsgeschehens getrennt unter die Lupe nehmen. Man kann zunächst einmal grob zwei Felder abstecken, in denen sich inflationäre oder deflationäre Prozesse entwickeln: Das eine Feld ist die Stimmungslage der Teilnehmer am Wirtschaftsgeschehen und das andere die tatsächliche Entwicklung ökonomischer Abläufe. Diese Unterteilung dient zur Erleichterung der Ursachenforschung; denn die Kräfte in den einzelnen Bereichen sind selbstverständlich nicht isoliert wirksam. Vielmehr sorgt jede Stimmung auch für Fakten, und Fakten erzeugen Stimmungen. Es kommt aber vor allem darauf an, zu erkennen, welche Kräfte für einzelne Entwicklungen ursächlich sind, damit man danach die sie begründenden Zusammenhänge sichtbar machen kann. Nur so wird es gelingen, die Schwankungen im Geldwert innerhalb eines möglichst engen Korridors entlang einer Linie der Stabilität zu halten. Denn in dem Augenblick, wo zu beobachten ist, dass eine Bewegung Richtung Inflation oder Deflation einsetzt, müssen unverzüglich auf die Ursachen gerichtete Maßnahmen ergriffen werden. Diesen Zusammenhang mögen die folgenden Hinweise verdeutlichen.

Jede Stimmung sorgt auch für Fakten, und Fakten erzeugen Stimmungen

Im Feld der Stimmung liefert sehr oft eine diffuse Angst vor Verschlechterung der Aussichten zukünftiger wirtschaftlicher Entwicklung Anlass zum Horten, was Preissteigerungen nach sich zieht, da die Nachfrage schneller steigt, als die Produktion wachsen kann. Im Übrigen können die gleichen Ängste sowohl Inflation als auch Deflation anregen. Die Angst vor "schlechteren Zeiten" mag die Verbraucher dazu bewegen, möglichst große Vorräte anzulegen, was praktisch wie eine Knappheit von Gütern wirkt, also zu Inflation führt. Genauso denkbar ist aber auch, dass die Verbraucher aus Sorge vor einer zukünftigen Schmälerung ihrer Einkommen Geld "auf die hohe Kante legen". Dann bleiben viele Produzenten "auf ihren Waren sitzen", nehmen deshalb Preissenkungen vor und stoßen damit eine Deflation an. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass es Aufgabe der politischen Akteure ist, der Bevölkerung durch entsprechendes Handeln die Angst zu nehmen. – Zu einer schlechten Stimmung können selbstverständlich auch ganz konkrete Befürchtungen beitragen. Die Furcht etwa vor den Auswirkungen eines Krieges (wie derzeit der in der Ukraine) kann gleichermaßen zu "Hamsterkäufen" animieren: mit einem Anstieg der Inflation; oder Kaufzurückhaltung provozieren: mit der Folge einer Deflation. Eine Besserung der Stimmung ist nur zu erwarten, wenn es gelingt, deren Ursachen zu beseitigen, in diesem Falle den Krieg zu beenden.

Direkte politische Eingriffe in das Preisgefüge sind hingegen vernachlässigbar selten Erfolg versprechend. Beispielsweise wird derzeit erwogen, den Verbrauchern wegen der rasant gestiegenen Energiepreise Zuschüsse zu zahlen, um die höheren Treibstoff-, Strom- und Heizkosten zu kompensieren. Schaut man etwa nach den Ursachen der aktuellen Teuerung der Benzinpreise, stößt man auf zwei Übel:

Erstens erhöhten sich die Preise binnen Stunden nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine (und zwar bei allen Anbietern zugleich und in gleicher Höhe, keiner hat versucht, die anderen zu unterbieten), ohne dass auch nur ein Liter weniger Treib- oder Brennstoff zur Verfügung stand; was bedeutet, die Lieferanten nutzten die sich in der Bevölkerung bildende Angst vor Kriegsfolgen, um ihre Gewinne drastisch zu steigern. Die inflationäre Entwicklung der Treibstoffpreise ließe sich am wirksamsten bekämpfen, indem die Verbraucher ihren Konsum deutlich einschränken. Noch wird der Preisauftrieb von vielen allerdings hingenommen, eine wesentliche Veränderung des Fahrverhaltens hat noch nicht stattgefunden. Die politisch Verantwortlichen könnten den Verbrauch von Treibstoff aber durch ein paar Vorgaben deutlich verringern. Beispielsweise würde eine (zunächst vielleicht zeitlich befristete) Geschwindigkeitsobergrenze von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen, 80 Stundenkilometer auf Bundes- und Landstraßen sowie 30 Stundenkilometer innerhalb von Ortschaften ganz sicher zu Benzineinsparungen führen, die die Produzenten und Lieferanten zwingen, ihre Preise wieder zu reduzieren. Während eine Bezuschussung der Verbraucher die Inflation eben nicht eindämmt, würde eine durch Tempolimits erzwungene Verringerung des Verbrauchs antiinflationär wirken.

Zweitens: Sollte es durch Kriegseinwirkungen und Sanktionsmaßnahmen tatsächlich zu Lieferengpässen kommen, dann hätten wir wohl oder übel die darin begründete Teuerung hinzunehmen! Alle Kräfte müssten auf eine Friedensregelung gerichtet sein; einen anderen Ausweg gibt es nicht. Denn bei realer Knappheit wie beispielsweise als Folge von Kriegshandlungen erreichen wir preisliche Entspannung nur, wenn deren Ursache beseitigt ist, in diesem Falle eben durch einen Friedensschluss.

Knappheit von wichtigen Rohstoffen, auch anderen als fossile Energieträger, kann selbstverständlich weitere Ursachen haben – etwa ihre Erschöpfung. Auch dann ist die dadurch entstandene Teuerung nicht zu vermeiden. Ein Ausweg eröffnet sich nur, wenn der Einsatz solcher Rohstoffe eingeschränkt oder gar durch andere technische Lösungen ganz ersetzt wird; während die Methode, die Nutzung von tatsächlich knappen natürlichen Ressourcen mit Steuermitteln zu subventionieren, erstens keine Inflation verhindert, zweitens die Natur schädigt und drittens die Zukunftsaussichten kommender Genrationen missachtet, weil diese dann quasi abrupt vor dem Ende der Ressourcen stehen, ohne dass rechtzeitig für einen guten Übergang eine Alternative entwickelt wurde. Diesen Aspekt, die Sicherung der Lebensgrundlagen unserer Nachfahren, scheinen wir so durchgängig zu missachten, dass er im Richtlinienkatalog der politisch Handelnden fehlt und ihm lediglich ein kümmerliches Dasein in wohlfeilen Sonntagsreden gewährt wird. Doch wir werden erleben, dass die Jungen in der Gesellschaft sich diese Haltung nicht länger gefallen lassen. Dann würde aller Wahrscheinlichkeit nach Energieerzeugung teurer, sodass aus ganz realen Gründen eine Teuerung zu erwarten sein wird; und die ist nur durch Zurückhaltung in anderen Sektoren auszugleichen. Im Übrigen muss auf folgenden Zustand hingewiesen werden: Derzeit werden sehr viele Produkte und Dienstleistungen zu billig verkauft, weil die Anbieter einen nennenswerten Teil der Gestehungskosten nicht zu tragen haben. Das gilt zum Beispiel auch für viele Produkte aus sogenannten Entwicklungsländern. Die werden bei uns zu Niedrigstpreisen verkauft, weil ihre "billige" Herstellung nur durch die Zahlung von Hungerlöhnen in den Ursprungsländern ermöglicht wird. Die Menschen in den entsprechenden Regionen werden aber zunehmend Widerstand leisten und für notwendige Teuerungen sorgen; wobei anzumerken ist, dass es sich hierbei nicht um eine Inflation handelt, sondern darum, eine notwendige Angleichung von Preisen an die realen Kosten vorzunehmen. – Die aus solchen unvermeidlichen Teuerungen resultierende Inflation müssen wir akzeptieren; wir können darauf nur durch angemessenes Konsumverhalten reagieren.

Ein Ausweg eröffnet sich nur, wenn der Einsatz solcher Rohstoffe eingeschränkt oder ganz ersetzt wird

Gegen die meisten Einflüsse auf das Wirtschaftsgeschehen, die zum "Aufblasen" der Preise führen, reicht es also, wenn wir uns mit dem Mittel des Konsumverzichts, beziehungsweise -wandels wehren. Dazu sind fast immer auch politische Anstöße hilfreich. Doch es gibt einen weiteren Windgenerator, der die Geldmenge drastisch aufbläst und dessen Wirkung nur durch eine Korrektur der Organisation des Geldwesens zu mindern ist. Die Geldmenge erhöht sich, wie erwähnt, immer dann, wenn mehr Geld produziert wird, als der Wirtschaftsprozess benötigt. Von der Systematik des Produzierens von Geld wird aber in der Öffentlichkeit und auch im politischen Aktionsfeld kaum Notiz genommen. Es ist sogar davon auszugehen, dass eine ganz große Mehrheit der Bevölkerung gar nicht weiß, wie Geld entsteht. Deshalb hier eine knappe Zusammenfassung: Geld, die Zusage, dass eine bestimmte Menge Währungseinheiten zur Verrechnung von Leistungen im sogenannten Wirtschaftsverkehr zu nutzen sein soll, bedarf eines recht einfachen Verfahrens. Die Regierung eines Landes (oder alle Regierungen in einem größeren Währungsraum) erklärt nämlich nur, "dies ist eine Menge x Geld, die der Bevölkerung zum Gebrauch zur Verfügung steht", und sie stellt die Summe x sozusagen ins Finanzsystem. Damit ist das Geld aus dem Nichts geschöpft worden (Man nennt diese Form Geld heutzutage Fiat-Geld, angelehnt an das lateinische Wort fiat = es werde bereitgestellt). Folglich kann die Regierung bestimmen, wie viel Geld sich im Umlauf befinden soll und auch anpassen. Denn sollte die Menge Geldes nach Veränderungen der Abläufe im Wirtschaftsprozess zu groß geworden sein, kann die Regierung durch Einziehen von zusätzlichen Steuern das Gleichgewicht zwischen Leistung und Geld wiederherstellen. Ein Problem viel zu großer Geldmengen dürfte es eigentlich gar nicht geben.

Folglich kann die Regierung bestimmen, wie viel Geld sich im Umlauf befinden soll

Wir stehen jedoch einigermaßen fassungslos – so wir richtig hinsehen – vor einem gigantischen Berg Geld, dem der Austausch von Leistungen nur in verschwindend geringem Maße entspricht. Die Schätzungen, die Internationaler Währungsfonds und Weltbank dazu veröffentlichen, ergeben ein Missverhältnis von etwa eins zu hundert, was heißt, es gibt weltweit hundertmal mehr Geld als die Summe aller Wirtschaftsleistungen. Statt dieser furchterregenden Feststellung die gehörige Aufmerksamkeit zu widmen, wird in "Fachkreisen" darüber gestritten, ob der Geldüberschuss nicht doch nur fünfzigfach oder gar nur zwanzigfach ausfällt. Darauf kann man lediglich erwidern: Zweimal wäre bereits zu viel! – Entscheidend für die Frage nach Korrekturmaßnahmen ist aber, zu erkennen, wie es zu diesem Missverhältnis kommen konnte. Selbstverständlich trägt die verbreitet "unvernünftige" Produktion von Geld durch Regierungen beziehungsweise das Ausbleiben von Geldvernichtungsmaßnahmen zu dieser Lage bei. Eine Revision der Geldpolitik ist also höchst dringlich.

Die Banker konnten der Öffentlichkeit verkaufen, private Manager seien befähigter, das schwierige Geschäft mit dem Geld zu betreiben

Aber der bei Weitem größte Geldvermehrungseffekt entsteht woanders: Seit den 1970er-Jahren haben die Manager der Finanzindustrie es geschafft, die Politiker in den westlichen Kapitalismusregionen Schritt für Schritt aus der Kontrolle des Geldwesens zu drängen. Es setzte ein Strom sogenannter Deregulierungen ein, die als eine Notwendigkeit dafür propagiert wurden, den Regierungen den Geldverkehr zu entziehen und privaten Institutionen zu übertragen; denn die Banker konnten der Öffentlichkeit verkaufen, private Manager seien befähigter, das schwierige Geschäft mit dem Geld zu betreiben, als dies den Verwaltungen der Staaten gelinge. Statt etwa einzufordern, dass es die staatlichen Verwaltungen besser machen, wurde in der öffentlichen Diskussion die Deregulierung zustimmend durchgewinkt. Die wirksamsten Änderungen, die im Verlauf der vergangenen fünfzig Jahre erfolgten, sind folgende:

Erstens wurde der grenzüberschreitende Geldverkehr praktisch den privaten Banken überlassen und den Regierungen das Kontrollrecht entzogen (Es gibt noch rudimentäre Eingriffsmöglichkeiten der Regierungen, die jedoch wenig Durchschlagskraft entfalten).

Zweitens wurden die Wechselkurse dem freien Markt der Finanzjongleure ausgeliefert mit der Folge, dass im Wege der Manipulation des Geldtauschgeschäftes die Geldmengen in einzelnen Staaten durch private Spekulation erhöht oder verringert werden konnten.

Drittens wurde die in vielen Staaten (auch in den USA!) früher übliche Trennung des sogenannten Investmentgeschäftes vom üblichen Bankwesen aufgehoben, weshalb nun Fehlspekulationen der Investmentbanker den Geldverkehr in der gesamten Wirtschaft in Mitleidenschaft ziehen (siehe Finanzkrise von 2008).

Viertens – und hinsichtlich der Vermehrung der Geldmenge von großem Übel – erlaubte man privaten Banken, selbst Geld zu schöpfen. Denn Banken dürfen Kredite ausreichen, ohne dafür Geld in der eigenen Schatulle zu haben; sie müssen für jede Summe Darlehen lediglich eine sogenannte Mindestreserve an die jeweilige Zentralbank überweisen – im Euro-Raum derzeit ein Prozent! Heute schöpfen Banken das Geld selbst, das sie ihren Kreditnehmern zur Verfügung stellen (aus dem Nichts), und zwar durch einfaches Buchen auf deren Konto; und sie buchen es wieder aus, wenn der Kredit zurückgezahlt wird. Handelt es sich dabei um einen normalen Geschäftskredit, also einen für die Möglichkeit, mit diesem Geld reale wirtschaftliche Aktivität anzustoßen, und wird das Darlehen vertragsgemäß aus Überschüssen aus dem Geschäft der Bankkunden zurückgeführt, so erhöht sich die Geldmenge in der gesamtwirtschaftlichen Rechnung nicht.

Heute schöpfen Banken das Geld selbst

Ganz anders in dem Sektor, der ziemlich irreführend "Finanzindustrie" bezeichnet wird. Hier verfährt man nämlich gemäß folgendem Schema: Eine Unzahl von "Paketen", gefüllt mit Wertpapieren zum Teil schmeichelhaften Wertes, wird gehandelt und mit Krediten bezahlt, deren Rückzahlung die Käufer nach einem Wiederverkauf leisten, und zwar zu höherem Preis, auf den hin sie spekulieren. Der höhere Preis wird aber aus einem neuen (höheren) Kredit bezahlt. Und jedes Mal erhöht sich die Geldmenge. Dieses Verfahren wird immer weiter fortgesetzt, bis eines Tages nicht mehr genügend Leute bereit sind, noch höhere Preise zu zahlen, oder bis sie dafür keinen Kredit mehr bekommen. Dann, und das unweigerlich, platzt die Blase! Wen das an die Pyramidenspiele erinnert, der liegt nicht falsch. Von diesen, Derivate genannten Wertpapieren kursieren Schätzungen des Internationalen Währungsfonds zufolge derzeit Mengen im Wert von etwa 900 Billionen US-Dollar (kontinentaleuropäische Billionen!). Das ist eine kaum vorstellbare Größenordnung an Geld, welches nur zum Zweck der Spekulation und nicht im üblichen Wirtschaftsverkehr eingesetzt wird. Aber: Es ist mit diesem verknüpft; denn da es sich nicht um "Extra-Geld" handelt, Spielgeld etwa, können diese Unsummen auch im "normalen" Geldverkehr auftauchen. Das heißt, würde nur ein Bruchteil der Gelder aus den Spekulationsgeschäften in der realen Welt eingesetzt, entstünde eine galoppierende Inflation, weil das Verhältnis von Wirtschaftsleitung zu Geldmenge aus den Fugen geriete. Erste Anzeichen der Entwicklung sind bereits zu beobachten: Einige der "Player" in der Finanzindustrie haben damit begonnen, Geld aus dem Kasinobetrieb in den realen Wirtschaftsprozess zu verlagern. Deshalb steigen zurzeit zum Beispiel die Preise für Immobilien so rasant! Die Frage, welche Gewinnaussichten im Immobiliengeschäft zu erkennen sind, ist von untergeordneter Bedeutung. Denn unter den Finanzjongleuren befinden sich offenbar einige, die mit einem bald zu erwartenden Kollaps des Finanzsystems rechnen und zumindest Teile des Geldes "in Ziegelsteine umwandeln" wollen: Sie flüchten in Sachwerte.

Wer allein dadurch sehr reich werden kann, dass er mit großen Geldmengen auf höhere Erträge spekuliert (oft mit geliehenem Geld), wird jede Gelegenheit zum Erzielen dieses leistungsunabhängigen Einkommens auch wahrnehmen! Das funktioniert allerdings nur, solange staatliche Kontrolle weitestmöglich ausgeschaltet ist. Die von den Spekulanten erklärte Behauptung, das "Expertenwissen" der Finanzmanager schütze uns "Normalverbraucher" vor Fehlverhalten staatlicher Bürokratie, ist schlicht falsch, ja eine Verkehrung der Verhältnisse, und lebt nur fort, weil Banker und viele an dem Geschäft interessierte Politiker diese Behauptung ständig wiederholen. In einer wirklich demokratisch organisierten Gesellschaft sollte die kritische Betrachtung der Bevölkerung dafür sorgen, dass die Verwaltung öffentlicher Kontrolle unterliegt. Dass diese Kontrolle heutzutage unterbleibt, wie leider zu beobachten, liegt allein daran, dass unser politisches System von Parteifunktionären beherrscht wird, die sich in einer eigenen Blase zusammen mit sogenannten Lobbyisten tummeln – als Experten getarnt – und den Bezug zur Bevölkerung weitgehend verloren haben. Das zu ändern ist zwar ein Gebot der Stunde, wird aber mit einem großen Wurf nicht zu befolgen sein. Vielmehr sind nur kleine Schritte in einzelnen Bereichen als realistisch einzuschätzen.

Neben dem dringendst zu fordernden Schritt, die Kreditvergabe der Banken wie einst an deren Einlagen zu orientieren, ist es erforderlich, die Kontrolle der grenzüberschreitenden Geldströme unverzüglich wieder einzurichten. Damit wird dem Grundsatz Rechnung getragen, dass die Regulierung der Geldmenge nur erfolgversprechend durchgeführt werden kann, wenn auch kontrolliert wird, welche Summen aus dem Währungsraum abgezogen werden und ob sie für "ordentliche Geschäfte" Verwendung finden. Außerdem ist zu überprüfen, wieviel und wofür Geld von außen in einen Währungsraum strömt. Denn ein Grund für die Anhäufung von Geld im reinen Finanzgeschäft liegt darin begründet, dass riesige Summen jederzeit und in Lichtgeschwindigkeit von Währungsraum zu Währungsraum verschoben werden. Spekulanten, die damit Gewinne erzielen, sorgen für einen Anstieg der Geldmenge, weil auch auf dem Markt der Geldwechsler mit Krediten gearbeitet wird. Wir müssen zur Kenntnis nehmen: Was uns derzeit als Finanzindustrie vorgespielt wird, basiert auf einem gigantischen Schneeballsystem, das wie alle dieserart Gebilde zusammenbrechen muss!

Das funktioniert allerdings nur, solange staatliche Kontrolle weitestmöglich ausgeschaltet ist

Sollte es nicht gelingen, die politisch Verantwortlichen sehr bald davon zu überzeugen, dass nur eine radikale Abkehr von den Praktiken der "Deregulierung" eine Hyperinflation und anschließend einen Kollaps des kapitalistisch organisierten Geldsystems verhindern kann, werden wir wohl erleben, wie eine gewaltige Finanzkrise das globalisierte Wirtschaftssystem zerstört und wie Kriege um Ressourcen zur Tagesordnung zählen. Auch hierfür gibt es bereits erste Anzeichen; denn der Krieg in der Ukraine ist auch Ausdruck des beginnenden Zusammenbruchs internationaler Wirtschaftsbeziehungen, die nach dem Prinzip der Vorherrschaft Weniger strukturiert sind. Der Streit um die Gas- und Öllieferungen aus Russland weist darauf hin. Hinzuzufügen ist, dass unser wesentliches Problem nicht ist, dass wir abhängig von Russland, gar von Herrn Putin sind, sondern davon, dass unser Wirtschaftssystem generell ohne Importe von Rohstoffen nicht funktioniert. Wer annimmt, die Abhängigkeit von Lieferanten wie Saudi-Arabien sei weniger gefährlich als die von Russland, der träumt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

zeitbremse

Mein zentrales Thema: die direkte Demokratie, dazu: "Die Pyramide auf den Kopf stellen", Norderstedt 2008.

zeitbremse

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