Sieht man einmal großzügig darüber hinweg, dass die Damen und Herren der Beratungsgesellschaft Mossack Fonseca in Panama auch Schwerstkriminellen Unterschlupf bieten, dann darf man vielleicht sogar Verständnis für ihre Absicht aufbringen, sich wie gesetzestreue Unschuldslämmer aufzuführen. Formal erfüllen sie wohl nur die Funktion des Treuhänders, eine Funktion, für deren ordentliche Regelung beispielsweise unser Bürgerliches Gesetzbuch mehrere Paragraphen bereithält und die in keiner Weise als ehrenrührig, gar verbrecherisch einzuordnen ist. Und eigentlich geht es beim Umgang mit den "Panama Papers" auch nicht erstrangig um die ehrenwerten Anwälte, die von sich behaupten, sie erfüllten eine äußerst wichtige Aufgabe, indem sie einen Beitrag zu einer "effizient funktionierenden" Weltwirtschaft leisteten; sondern es geht um die Geschäfte, die zu tätigen sie angeben "nur" zu vermitteln. Ganz aus dem Schneider sind die Vermittler natürlich nicht; denn fast alle Rechtsordnungen auf der Welt kennen den Straftatbestand der Beihilfe, die gemäß deutschem Strafrecht (§ 27 StGB) genauso wie die Tat selbst geahndet wird. Legt man also einen strengen rechtlichen Maßstab an, dann entpuppen sich die ehrenwerten Anwälte überhaupt nicht als Saubermänner. – Um die Tragweite der Veröffentlichung der "Panama Papers" richtig einzuschätzen, sollten wir uns aber nicht zu lange bei den mittelamerikanischen Handlangern aufhalten, uns vielmehr denen zuwenden, die ihre Dienste nutzen. Wer "Briefkastenfirmen" benötigt, damit er seine Geschäfte abwickeln kann, der hat etwas zu verbergen; und verbergen wollen Menschen ihr Geschäftsgebaren meistens nur, wenn das zu Verbergende nicht ganz dem rechtlich vorgegebenen Rahmen entspricht, nicht ganz "koscher" erscheint oder womöglich sogar als kriminell einzustufen ist. Deshalb darf die auch bestehende Möglichkeit, dass jemand eine "Briefkastenfirma" aus rein lauteren Motiven errichtet und von Treuhändern betreiben lässt, bei der Beurteilung des "Geschäftsmodells" getrost vernachlässigt werden. Folgt man der sogenannten Lebenserfahrung, kann es sich nur um eine Minderheit handeln.
Wer "Briefkastenfirmen" benötigt, damit er seine Geschäfte abwickeln kann, der hat etwas zu verbergen
Sollte die "Vermittlertätigkeit" in Panama und natürlich auch die an vielen anderen "Finanzplätzen" der Welt – denn Panama ist eigentlich überall – unter Schmerzen noch als hinnehmbar durchgehen, weil mit "Unwissen bestritten", dann sind die "Hauptvermittler" in dem Geschäft, die Banken, auf diese Weise jedoch nicht zu entlasten. Sie nämlich ließen sich von vermögenden Leuten oder Schwerkriminellen, die sie kannten, beauftragen, nach Steuerschlupflöchern zu suchen, oder Möglichkeiten der Geldwäsche zu finden; denn selbst Millionäre unterhalten gewöhnlich keine Verbindungen zu "Kanzleien" wie Mossack Fonseca, und sie fliegen auch nicht mit ihren Millionen unter dem Arm zu den Virgin Islands (deren einer Teil übrigens zu den USA und der andere zu Großbritannien gehört!), um sie dort zu bunkern. Ohne die tatkräftige Mitwirkung ganz normaler Banken, wovon die meisten in den "Steueroasen" dieser Welt Niederlassungen, Tochtergesellschaften oder Korrespondenzverbindungen unterhalten, geht das Geschäft nicht. Einige Banken geben sogar zu, dass sie noch bis vor kurzer Zeit entsprechende Aufträge erfüllt haben, und sie bieten dazu als Erklärung an, sie hätten das tun müssen, weil die Konkurrenz ihnen sonst die schwergewichtigen Kunden abgeworben hätte. Einem Schuljungen, der einen Lausbubenstreich entschuldigen möchte, lässt man eine vergleichbar dämliche "Argumentation" nicht durchgehen! – Die Bankmanager können ihre Hände jedenfalls nicht in Unschuld waschen, weshalb sie, und zwar auch persönlich, zur Verantwortung zu ziehen sind. Die bisher geübte Praxis, dass Bankunternehmen Strafzahlungen leisten müssen, wenn ihnen Fehlverhalten nachgewiesen wird, dass aber die ausführenden Personen, die ehrbaren Banker, ungeschoren davonkommen, sollte nun endlich aufgegeben werden; denn, wenn er oder sie selbst den Kopf hinhalten müssen, werden Bankmanager sehr viel gewissenhafter prüfen, ob eine Transaktion möglicherweise der Steuerhinterziehung oder der Geldwäsche dient oder andere kriminelle Handlungen verschleiern soll. Es ist also höchst angebracht, die Rolle der "ordentlichen Finanzinstitute" im Offshore-Geschäft in den Mittelpunkt der Untersuchungen zu stellen. Dort wird man nämlich die eigentlichen Übeltäter finden, sowohl auf Seiten der Banken als auch unter ihren Kunden.
Der deutsche Bankenverband ging gleich noch einen Schritt weiter und mahnte, man dürfe das Offshore-Geschäft jetzt nicht "skandalisieren"
Doch die Liste der Mitschuldigen ist nicht vollständig, solange man nur die direkt Beteiligten im Auge hat. Die Verteidiger des Geschäftemachens unter Einsatz von "Briefkastenfirmen" weisen – und nicht einmal völlig zu unrecht – auf die Tatsache hin, dass die Eröffnung und der Betrieb solcher "Treuhandgesellschaften" schließlich legal sei, jedenfalls durch Gesetze nicht verboten. Das heißt, ein gerüttelt Maß an Mitverantwortung für dieses Gebaren trifft "die Politik", den Gesetzgeber. Denn auch Politiker und nicht nur Banker, Steuerflüchtlinge und Kriminelle wissen seit Jahrzehnten, dass "Steueroasen" existieren und zur Minderung der Steuerlast der reicheren Bürger oder zur Wäsche von Schwarzgeld beitragen, ohne dass sie energisch dagegen vorgingen; eigentlich unternahmen sie gar nichts, wodurch sie viele Offshore-Plätze förderten. In der Schweiz, in Liechtenstein, Österreich, Luxemburg, in den Niederlanden, in Großbritannien, Singapur, Hongkong und auch in den USA(!) haben Politiker "Standortvorteile" geschaffen, indem sie das Angebot der Banken von Schlupflöchern als Teil einer besonders gut entwickelten Finanzdienstleistung unterstützten. Ja, einige versuchten sogar, Offshore-Aktivitäten – ähnlich der Verteidigungsstrategie der Kanzlei in Panama – als für die Weltwirtschaft nützliche Verfahren darzustellen (Dazu ein Hinweis auf ein dieser Tage auch von Politikern häufig vorgetragene "Begründung" für die angeblich notwendige Existenz von Briefkastenfirmen: Seit über 50 Jahren ist es "guter Brauch" der meisten Reedereien in der Welt, viele ihrer Schiffe in Ländern mit Offshore-Angeboten anzumelden, sie, so der Fachausdruck dafür, "auszuflaggen". Dies rettete, das wurde und wird heute wieder behauptet, heimisches Reedereigeschäft und sicherte Arbeitsplätze. Nun, im Wesentlichen rettet es das Geschäft einiger weniger Unternehmen, indem sie nationale Gesetze umgehen. Tatsächlich war das Ausflaggen nämlich von Anfang an eine Maßnahme, Kosten- und Steuervorteile zu nutzen (dem Heimatstaat die Steuern zu entziehen) sowie Auflagen zu umgehen. In Panama und Liberia beispielsweise sind die Standards für die Schiffssicherheit und die Vorschriften für die Besatzung von Schiffen deutlich "günstiger"; Steuern werden kaum erhoben; und es gibt keine Verhandlungen mit Gewerkschaften über die Höhe der Heuer. Zum vorgeblichen Grund der geretteten Arbeitsplätze: Auf den Schiffen arbeiten meist keine deutschen Seeleute, selbst der Kapitän ist häufig kein Deutscher. Das ganze Ausflaggsystem ist aber "legal". Auf dieses System verweisen die Befürworter der "Briefkastenfirmen" und wollen damit belegen, es gebe auch rechtlich ganz einwandfreie und sehr nützliche Anwendungsmöglichkeiten für die Geschäftsidee der Offshore-Unternehmen. Einen wirklich akzeptablen Grund für die Oasen konnte bisher allerdings niemand nennen). – Außerdem lehnen die Politiker jegliche Schuldzuweisung gern mit der feigen Begründung ab, dass nur internationale Abkommen mit weltweiter Wirksamkeit helfen können, wollte man diese Praxis unterbinden; die aber seien nur schwer zu erzielen, man arbeite jedoch daran. Der deutsche Bankenverband ging gleich noch einen Schritt weiter und mahnte, man dürfe das Offshore-Geschäft jetzt nicht "skandalisieren", was ja nichts Anderes bedeuten kann, als dass die Sache weniger gravierend sein soll, als die Veröffentlichungen sie erscheinen lassen. – Zu befürchten ist folgendes: Nachdem mit markigen Worten neue Gesetze und deren Durchsetzung mit aller gebotenen Härte angekündigt wurden, verläuft die Aktion in einem Nebel von Untersuchungs- und Gerichtsverfahren, an deren Ende leider, leider nichts Konkretes ermittelt werden kann.
Was sich aber besonders die "Spitzenpolitiker" vorwerfen lassen müssen, ist ihre Mitwisserschaft! Denn wer annimmt, dass die internationale Gemeinschaft der Geheimdienste über das ganze Gebilde nicht genau informiert ist und die Regierungen darüber nicht in Kenntnis gesetzt hat, der muss unmittelbar für deren Abschaffung eintreten, und zwar wegen erwiesener Unfähigkeit der Schlapphüte. Es wird, weil solche Ahnungslosigkeit den Regierenden nicht abzunehmen ist, wohl eher so sein, dass viele Politiker lieber den Beteuerungen ihrer mächtigen Einflüsterer aus der "Hochfinanz" folgten, die ihnen erklärten: "Briefkastenfirmen", die vielleicht hin und wieder "steuervermeidende" Wirkung hätten, böten in der globalisierten Wirtschaft einen erheblichen Nutzen, weshalb der Kollateralschaden der Minderung von Steuereinnahmen hinzunehmen sei und das bisschen Geldwäsche rangiere unterhalb der Peanutgrenze. – Oder es sind doch viel mehr "Spitzenpolitiker" als bisher bekannt selbst in dem Geschäft unterwegs; und neben den Staatslenkern von "Schurkenstaaten" nutzen womöglich auch führende Politiker "westlicher Demokratien" die Dienste der Offshore-Wirtschaft (nicht nur der Isländer Sigmundur Gunnlaugsson und der Brite David Cameron). Der Hauptgrund für das scheinheilige Verhalten vieler Politiker wird allerdings sein, dass sie nicht zugeben mögen, wie "tolerant" sie bisher mit Steuerflüchtigen und Geldwäschern umgingen, und dass sie fürchten, sollte ihre Mitverantwortung offenbar werden, sie würden möglicherweise ihre Posten verlieren. Die Methode der Behandlung der "Panama Papers" wird also, wie erwähnt, die in solchen Fällen übliche sein: Entrüstung und Ankündigung schärferer Gesetze und, nachdem der Rauch des Skandals sich aus den Medien verzogen hat, Überführung der Angelegenheit in Ausschüsse und zur Wiedervorlage anlässlich publikumswirksamer Auftritte bei internationalen Konferenzen. Allerdings dürfte diese lang erprobte Verdrängungsmethode zukünftig keinen Erfolg mehr versprechen, da – was das Erscheinen der "Panama Papers" beispielhaft belegt – immer mehr Insider sich als Whistleblower an die Öffentlichkeit wenden und da die Öffentlichkeit hellhöriger geworden ist, seit sie jetzt häufiger als früher erfährt, wie die Damen und Herren Volksvertreter sie hintergehen. Auch der zurzeit unternommene Versuch des EU-Parlaments, das "Whistleblower-Unwesen", wie die Betroffenen es empfinden, durch europäische Gesetze einzudämmen, dürfte seine Wirkung verfehlen. Im Gegenteil, die Wut vieler Bürger über die abgehobene Art, mit der das politische Establishment ihre Vorstellungen missachtet, wird durch solche Vorhaben nur geschürt. Das gilt im Übrigen auch für die Reaktion einiger Funktionäre auf das Ergebnis des holländischen Referendums zur Anbindung der Ukraine an die EU, als selbsternannte "Europa-Politiker" meinten, man dürfe über Vorhaben der EU nicht vom Volk abstimmen lassen! – Festzuhalten ist Folgendes: Die Politiker des Westens haben die Saat der "Briefkastenfirmen" gesät, sie werden nun für deren Früchte verantwortlich zeichnen müssen – das könnte jedenfalls eine Folge der Veröffentlichung der "Panama Papers" sein.
Die Korruption lebt von Vertraulichkeit
Wollen wir, was ja eigentlich selbstverständlich sein sollte, die Machenschaften all derer unterbinden, die sich mit dem "Outsourcen" ihrer Geschäfte den Verpflichtungen in einer Gemeinschaft von Bürgern, einem Staat, entziehen möchten, dann müssen wir zunächst die Ursachen für deren Verhalten ermitteln, bevor wir Gegenmaßnahmen erörtern können. Ins Auge springt zunächst, dass das Phänomen des Offshore-Business weltweit verbreitet ist; denn wie wir ausweislich der "Panama Papers" erkennen (aber im Grunde längst wissen mussten), treffen sich in den Oasen Bürger und Institutionen aus allen Kontinenten und aus Staaten verschiedener Regierungsformen. Die Motive der Leute für die Nutzung von "Briefkastenfirmen" sind zwar individuell unterschiedlich, aber nicht auf bestimmte Regionen konzentriert. Im Wesentlichen handelt es sich um die folgenden sechs Beweggründe.
Erstens: Leute, die deutlich mehr verdienen, als sie im täglichen Leben ausgeben können, möchten davon möglichst wenig für öffentliche Aufgaben bereitstellen, weshalb sie auf illegalem Wege Einkommensteuern mindern oder gleich ganz vermeiden wollen.
Zweitens: Die Korruption lebt von Vertraulichkeit, so dass diejenigen, die Schmiergeld verteilen, und solche, die es empfangen, den Geldfluss gut verstecken wollen; dazu eignen sich insbesondere Orte, die offshore liegen (weit weg von der Küste).
Drittens: Fast alle Diktatoren und deren Hofschranzen leben in der ständigen Angst, eines Tages mit Schimpf und Schande davongejagt zu werden, was sie bewegt, eine Art "Altersversorgung" durch das Verschieben von Geld in Regionen außerhalb ihres Machtbereiches zu sichern; Sie stehlen ihren Bürgern das Geld und parken es in "Briefkastenfirmen".
Viertens: Manche reichen Leute möchten durch den Einsatz ihres Geldes Einfluss auf politische Entscheidungen ausüben, das aber nicht öffentlich zur Schau stellen; oder die Empfänger solcher Zuwendungen wollen ihre dadurch entstandene Abhängigkeit verbergen. Hierfür bietet sich der Umweg über "Briefkästen" in Panama und anderswo geradezu an In diesem Zusammenhang sei an die deutsche "Parteispenden-Affäre" erinnert!).
Fünftens: Offshore-Unternehmen erlauben es häufig, bestimmte Aktivitäten durchzuführen, die im Heimatstaat verboten sind oder beispielsweise nur nach Erfüllung aufwendiger Umweltschutzmaßnahmen gestattet werden.
Und sechstens: Weltweit werden Unsummen durch Verbrechen "verdient", die, um sie unauffällig nutzen zu können, "gewaschen" werden müssen, damit nicht nachvollziehbar ist, wo die Geldquelle liegt; die Anonymität, die "Briefkastenfirmen" schaffen, erscheint dafür ausgesprochen ideal.
Man kann diese Motive grob in zwei Kategorien teilen, und zwar einmal in die mit dem Bemühen, Steuern zu hinterziehen, und zum anderen in die mit dem Versuch der Vertuschung von Verbrechen und daraus entstandener "Gewinne", wobei wir natürlich auch auf eine Mischung von beidem treffen.
Es gibt keine hinreichend präzisen Angaben dazu, ob die Summe der in "Briefkastenfirmen" hinterzogenen Steuern größer ist als die, die zur Vertuschung von Verbrechen "angelegt" wird. Zu vermuten ist jedoch, dass das Geld, das zum Zwecke der Steuervermeidung ins Abseits fließt, den Löwenanteil bildet. Auf jeden Fall können wir davon ausgehen, dass die Nutzung von Steueroasen zur Kürzung von öffentlich erhobenen Abgaben überall auf der Welt und von Leuten betrieben wird, die im gebräuchlichen Sinne des Wortes zwar keine Verbrecher sind, die aber genau wissen, dass ihr Handeln einen Straftatbestand darstellt. Wie lässt sich das erklären? – Da das Schleusen von Geld "am Finanzamt vorbei" sogar als Volkssport verstanden wird, wobei man dem "natürlichen Gegner", dem Staat, ein Schnippchen schlägt, verliert die Steuerhinterziehung im öffentlichen Ansehen ihren Charakter als kriminelle Handlung und wird allenfalls als lässliche Sünde verstanden, eine sehr menschliche Schwäche, weshalb der Steuersünder besondere Nachsicht genießt. Der "gemeine Steuerhinterzieher", der einfach Teile seines Einkommens nicht meldet oder der Kosten absetzt, die fiktiv sind, und der hofft, dass er dabei nicht erwischt wird, unterscheidet sich unter diesem Blickwinkel von dem, der gezielt größere Beträge offshore verschwinden lässt, moralisch nur geringfügig. Dem "Normalverdiener" stößt das Steuersparen auch erst dann unangenehm auf, wenn die verschobenen Beträge astronomische Größenordnungen annehmen. Sobald es sich aber um Gelder handelt, die in Ausübung einer Straftat "erbeutet" wurden und nun zunächst gewaschen und dann "steuersparend" angelegt werden sollen, reagiert der "ehrliche Staatsbürger" deutlich empfindlicher. Denn er muss mit ansehen, wie gewöhnliche Kriminelle, die andere Menschen beraubt haben, mit dem Geld auch sich selbst reinwaschen. – Und es gibt noch eine Gruppe von Steuerhinterziehern, die dem "gemeinen Volk" die Zornesröte ins Gesicht treiben, Politiker nämlich, wenn sie selbst am "Steuervermeiden" beteiligt sind, obwohl sie die Gesetze machen, mit denen alle Bürger zur Steuerzahlung gezwungen werden, und ihr Einkommen auch noch aus Steuermitteln beziehen. Ein ehemals deutscher Bundeskanzler meinte die dunkle Herkunft von Spendengeldern in Millionenhöhe dadurch "wegerklären" zu können, indem er vorgab, den Spendern sein Ehrenwort gegeben zu haben, dass er sie nicht nennt, basta. Solch ein Verhalten eines "Spitzenpolitikers" trägt ganz sicher nicht zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei. Und sehr zurecht legt der brave Steuerzahler einen strengeren Maßstab an, wenn es um die Steuerehrlichkeit von Politikern geht. Dennoch: Im öffentlichen Ansehen und unter Anwendung allgemein akzeptierter moralischer Normen ist Steuerbetrug für sehr viele Leute kein "richtiges" Verbrechen – ganz im Gegensatz zum Waschen von Drogengeldern.
Ein ehemals deutscher Bundeskanzler meinte, die dunkle Herkunft von Spendengeldern dadurch "wegerklären" zu können, indem er vorgab, den Spendern sein Ehrenwort gegeben zu haben, dass er sie nicht nennt
Man kann die Verallgemeinerung der Beweggründe für die Offshore-Praxis noch einen Schritt weiterführen und feststellen, dass, wird ihnen die Gelegenheit eröffnet, sich den Zwängen des staatlichen Reglements zu entziehen, viele Menschen diese auch wahrnehmen. Und sie lassen sich vom schlechten Vorbild anderer verführen, Dinge zu akzeptieren oder zu tun, die sie üblicherweise für illegal halten. Gelegenheit macht Diebe, woraus allerdings nicht zu schließen ist, dass Diebstahl dann, wenn er leichtgemacht wird, kein Vergehen mehr ist. Die Frage, wie diesem "menschlichen Drang" ein Riegel vorzuschieben ist, wird häufig so beantwortet: Man könnte den potenziellen Geldschiebern die Möglichkeit dazu nehmen, indem man beispielsweise das tut, was zurzeit landauf, landab gefordert wird, nämlich die Steueroasen "trockenzulegen". Unabhängig von der Durchführbarkeit dieses Vorhabens muss sich dann aber fragen lassen, ob man nicht nur Wege versperrt, ohne dem Übel auf den Leib zu rücken. Diebstahl verhindert man nicht, indem man den Dieben die Verstecke versperrt, in den sie ihre Beute horten, sondern indem man sie fängt und bestraft. Im Falle der Wäsche von Geld aus Verbrechertätigkeit ist davon auszugehen, dass Kriminelle ihr "Geschäft" nicht aufgeben, wenn es keine Briefkastenfirmen mehr gibt. Denen fallen sicherlich andere Möglichkeiten ein, um ihre Einnahmen in den normalen Geldkreislauf zu schleusen, weshalb nur hilft, sie dingfest zu machen, und zwar dort, wo sie ihre Verbrechen begehen. Internationale Aufrufe oder selbst Verträge taugen dafür nicht, sondern es bleibt die Aufgabe jedes souveränen Staates die Verbrechensbekämpfung bei sich zu Hause erfolgreich zu gestalten. Als ein Beispiel sei auf das Unwesen der italienischen Mafia verwiesen. Solange die Möglichkeiten zur Korruption und zur daraus entwickelten Erpressung von Aufsichtsbeamten in einem Staat nicht unterbunden sind, wird der Geldfluss aus diesem System nicht gestoppt werden können. Oder: Wenn man die Räuberei von Potentaten in Entwicklungsländern nicht bekämpft, bleiben deren Möglichkeiten, ihr Geld zu verschieben, auch wenn es keine Offshore-Firmen mehr geben sollte, da diese Leute ja die Rechtshoheit innehaben.
Wir nähern uns in Sachen Steuern gefährlich dicht der uralten Philosophenfrage nach Gerechtigkeit
Ein wenig anders stellt sich die Lage mit Blick auf die Steuerflucht oder, positiv ausgedrückt, die Steuerehrlichkeit, weshalb in diesem Zusammenhang über andere Bekämpfungsmaßnahmen nachgedacht werden muss. Während die ganz große Mehrheit der Bevölkerung keinerlei Zweifel daran hegt, dass beim Umgang miteinander bestimmte Spielregeln einzuhalten sind, etwa nicht zu stehlen, nicht zu morden oder im Straßenverkehr Vorfahrtsregeln zu beachten, verlangt die Steuerehrlichkeit eine bewusste Einsicht darein, dass Steuern überhaupt notwendig sind, und dann auch noch, ob die geforderte Höhe der Steuern angemessen erscheint. Naturgemäß gibt es dazu unterschiedliche Auffassungen; denn diese Frage kann offenbar nicht für jedermann gleichermaßen zufriedenstellend beantwortet werden; setzt eine Antwort doch voraus, dass die Bestimmung, was dem Allgemeinwohl diene, jedem Bürger einleuchtet. – Ähnlich unscharf im Urteil vieler Menschen ist die Überlegung, wer wofür in welcher Höhe Abgaben zu leisten hat, wobei die Schwierigkeit mitschwingt, zu ermessen, was denn eine gerechte Verteilung der Steuerlast sei. Wir nähern uns in Sachen Steuern gefährlich dicht der uralten Philosophenfrage nach Gerechtigkeit und müssen erkennen, dass dazu während der vergangenen Jahrtausende viel Geisteskraft verströmte, aber keine endgültige Antwort gefunden wurde. Bei der Behandlung einer so handfesten Frage wie der nach der Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen dürfen wir uns jedoch nicht auf derart schlüpfrigem Grund bewegen. Vielmehr sollten wir, wenn wir eine praktikable Lösung anstreben wollen, die Bestimmung der Herkunft der Haushaltsmittel und deren Verwendung unter die Lupe nehmen.
Damit sich die Erkenntnis durchsetzt, dass für bestimmte der Allgemeinheit dienende Leistungen der Staatsverwaltung Geld erforderlich ist, dürfte es sehr hilfreich sein, wenn die Bürger ein Recht zur Mitwirkung an Entscheidungen darüber erhalten, welche Aufgaben zu welchen Kosten von den Behörden zu erfüllen sind. Wir müssen also die Frage, wofür Steuergelder zu verwenden sind, in aller Öffentlichkeit diskutieren und darüber abstimmen lassen! – Gleiches gilt für das Erheben von Steuern: Mit dem Katalog von Staatsaufgaben müssen die Bürger darüber abstimmen dürfen, welche Beträge auf welchem Wege zu zahlen sind. Das hierzu angewandte demokratische Grundprinzip der Mehrheitsentscheidung hilft dann über die Hürde hinweg, dass man "es nicht allen recht machen" kann; denn ein Vorschlag muss nur von der Mehrheit der Wählenden angenommen werden (Der häufig zu hörende Einwand, dass stets nur wenige Bürger an solchen Wahlen teilnehmen, weshalb, auf die Gesamtheit der Wahlberechtigten bezogen, möglicherweise nur eine Minderheit entscheidet, lässt sich leicht entkräften. Da gleichzeitig zu bestimmen ist, wie die Bausumme aufgebracht werden soll, ist gar nicht anzunehmen, die meisten Bürger würden sich der Wahl enthalten).
Wir müssen also die Frage, wofür Steuergelder zu verwenden sind, in aller Öffentlichkeit diskutieren und darüber abstimmen lassen!
Diese Forderung zu erfüllen, zwingt uns allerdings dazu, die geltenden Bedingungen des Steuerrechts zu verändern. Unser Steuerrecht kennt ein Gestrüpp von zig unterschiedlichen Steuerarten und verschiedenste Formen der Bemessung von Abgaben. Versucht man diese zu ordnen, dann kommt man darauf, dass in Deutschland etwa eine Hälfte der Gesamteinnahmen des Staates auf das Einkommen bezogen und eine weitere auf den Umsatz berechnet wird. Das heißt, wir können das derzeitige Steueraufkommen in zwei fast gleichgroße Bereiche teilen, da zum einen die Leistungserbringung (ausgedrückt durch die Einkommen) und zum anderen die Leistungsentnahme (als Ausgaben erfasst) besteuert werden. Mit einer einfachen Überlegung lässt sich aber vorführen, wie sinnvoll es ist, nur die Leistungsentnahme zu belasten (in Form von Umsatzsteuern) und nicht die Erbringung von Leistungen. Wer durch seine Arbeit Einkommen erzielt, sollte die Freiheit haben, darüber nach eigenem Gutdünken zu verfügen. Erst und immer wenn er sich mit seinem Geld am Wirtschaftsprozess beteiligt (als Verbrauchender oder als Produzierender), wenn er dem Wirtschaftssystem Leistungen entnimmt und dafür zahlt, nutzt er auch die Segnungen der Gemeinschaft. Deshalb ist es angebracht, nur Umsatzsteuer zu erheben, und die Einkommensteuer abzuschaffen. (Um gleich einem meist spontan dagegen vorgetragenen Einwand zu begegnen, sei kurz folgendes eingeschoben: Die Forderung nach Steuergerechtigkeit muss dann dergestalt erfüllt sein, dass Produkte und Dienstleistungen des sogenannten Grundbedarfs der Menschen mit geringen Steuersätzen zu belasten sind, während höherwertige bis luxuriöse mit höheren Sätzen beaufschlagt werden, so dass derjenige, der sich "Luxus" leisten kann auch höhere Steuern zahlt). – Die darin zum Ausdruck kommende wesentliche Änderung gegenüber dem herrschenden System berührt die sogenannte Haushaltshoheit der Parlamente, die besagt, dass alle Steuereinnahmen in "einen Säckel" gesteckt werden und die Parlamentarier allein bestimmen, in welcher Weise darüber verfügt wird. Diese "eiserne Regel des Parlamentarismus" muss allerdings gebrochen werden, wollen wir die Bürger an den Entscheidungen über Einsatz und Erhebung von Steuern beteiligen. Prüft man jedoch die derzeitige Praxis der Finanzpolitik, dann wird man feststellen müssen, dass es mit der Hoheit des Parlamentes über den Haushalt nicht mehr weit her ist. Außerdem gibt es neben einem Hinweis auf den "historischen Ursprung" (es war immer so!) keine überzeugende Begründung für die Beibehaltung dieses Verfahrens.
Mit der Hoheit des Parlamentes über den Haushalt ist es nicht mehr weit her
Solche Überlegungen sind für die Förderung der Steuerehrlichkeit von entscheidender Bedeutung; denn sie bewirken zweierlei: Erstens müssen sich alle Bürger mit Steuerfragen befassen, was ein Bewusstsein für die Notwendigkeit von Abgaben zur Erledigung öffentlicher Aufgaben schafft. Das wiederum hat zur Folge, dass ein Empfinden dafür wächst, diejenigen, die Steuern hinterziehen, als kriminell einzustufen und sie in der Gemeinschaft zu ächten. Und zweitens ermöglicht die Einführung nur einer Steuerart, der Umsatzsteuer, eine wesentlich erfolgversprechendere Kontrolle der Steuerpflichtigen, sodass die sicherlich weiter versuchten Betrügereien viel besser aufgedeckt und geahndet werden können. Die Nutzung von "Briefkastenfirmen" zur Verschleierung von Steuervergehen macht dann aber gar keinen Sinn mehr. Die zur Steuer herangezogenen Umsätze werden nämlich immer im Lande getätigt (Importe direkt an der Grenze) und können zusammen mit der wirtschaftlichen Aktivität ohne große Schwierigkeit überwacht werden. Soweit der technische Vorteil des neuen Steuersystems, was im Übrigen so neu nicht ist, da ja schon jetzt etwa 50 Prozent der erzielten Staatseinnahmen nur auf den Umsatz berechnet werden. Für das hier angesprochene Problem der Steuerflucht ist ein Merkmal von entscheidender Bedeutung: Wie viel und in welcher Höhe Unternehmen oder Privatpersonen Gewinne machen, die sie möglicherweise offshore anfallen lassen, interessiert den Staat gar nicht mehr. Er finanziert sich aus der wirtschaftlichen Aktivität in seinem Hoheitsgebiet und fragt seine Bürger nicht danach, was sie anderswo tun. Um "Umsatzsteuerflucht" zu arrangieren, muss man den Umsatz ins Ausland verlegen, beispielsweise indem man Waren exportiert. Der sogenannte grenzüberschreitende Wirtschaftsverkehr, hinaus und herein, wird aber jetzt bereits so geregelt, dass auf Waren oder Dienstleistungen, die "ins Ausland gehen", keine Umsatzsteuer berechnet wird, während der Importeur beim Eintritt von Leistungen ins Land die sogenannte Einfuhrumsatzsteuer zu entrichten hat. Mit dem Umsatzsteuersystem koppelt sich der Staat sozusagen steuerlich vom Ausland ab, sodass ihn auch andersartige Steuersysteme im Ausland nicht berühren.
Wer wie die meisten Politiker hierzulande behauptet, es müssten erst einmal die Steueroasen "ausgetrocknet" werden, und dafür sei es erforderlich international wirksame Abkommen zu treffen, der hat entweder über das Problem der Steuerflucht nicht richtig nachgedacht, oder er versucht, die Öffentlichkeit zu täuschen. Auszutrocknen ist vielmehr die Steuerflucht selbst, und das lässt sich, wie beschrieben, im eigenen Gehege durchführen, ohne dass man mit "Schurkenregimen" Abkommen erzielen muss. – Bleibt die Bekämpfung von Verbrechen, von Korruption oder der Umgehung staatlicher Auflagen, die nur dort erfolgreich zu gestalten ist, wo die Rechtshoheit der Staatsmacht den Zugriff erlaubt. Und das ist in unserer Welt immer noch der Raum, in dem eine Verfassung und daran geknüpfte Gesetze durchgesetzt werden können. Solange also nicht eine Art Weltstaat existiert, der global über das Recht wacht und über das Gewaltmonopol verfügt, müssen wir die Verbrechensbekämpfung den Nationalstaaten überlassen. Das schließt selbstverständlich nicht aus, dass, wie ja auch bereits praktiziert, internationale Zusammenarbeit gepflegt wird. Es kann aber nur als ein Ablenkungsmanöver verstanden werden, wenn behauptet wird, die Unterbindung von Offshore-Business diene dem Kampf gegen Schwerkriminelle. – Solange aber die erforderliche Strukturänderung des Steuerrechts bei uns ausbleibt, müssen selbstverständlich alle Steuerhinterzieher auch bestraft werden, was wiederum nur hier "zu Hause" geschehen muss und wo an der Nahtstelle zwischen der Tat selbst und ihren Helfern, den Banken ansetzen muss. Die "Panama Papers" liefern Indizien, die Strafverfolgung obliegt den hiesigen Rechtsorganen – und insofern ist Panama auch bei uns.
Beitrag auch veröffentlich auf zeitbremse.wordpress.com
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