Rot-Rot-Grün in Sachsen-Anhalt? Keine Chance

Landtagswahl Um das rot-rot-grüne Projekt steht es Anfang 2016 denkbar schlecht. Bei der Wahl in Sachsen-Anhalt gibt es kaum eine Chance – nicht nur aufgrund schlechter Umfragewerte

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Im März wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. Doch wie geht es nach zwei Legislaturen mit einer kleinen "Großen Koalition" zwischen CDU und SPD weiter? Bleibt alles wie gewohnt oder kommt es zu Rot-Rot-Grün? Und falls ja, wer wird die Regierung in welcher Konstellation anführen? Fragen, die die Presse schon seit Monaten nur allzu gerne in den Mittelpunkt stellt, deren Beantwortung den Gefragten aber sichtlich schwer fällt. Klar ist nur eins: Alle wollen irgendwie mitregieren. CDU, SPD und DIE LINKE gerne führend.

Die SPD Sachsen-Anhalt steht dabei zwangsläufig immer im Fokus, denn sie dürfte erneut das Zünglein an der Waage spielen: Katrin Budde, in Personalunion Fraktions- und Landesvorsitzende, will auf jeden Fall Ministerpräsidentin werden - und betont gerne selbstbewusst, damit die erste Frau in Sachsen-Anhalt zu sein. Dabei präsentierte sich der Verband dahinter bis zuletzt nicht gerade selbstsicher. Der Magdeburger Oberbürgermeister Lutz Trümper, der noch im März 2015 die Oberbürgermeisterwahl in der Landeshauptstadt souverän gewonnen und die Genossinnen und Genossen damit verzückt hatte, verließ die Partei im Oktober Hals über Kopf - angeblich aufgrund eines Zerwürfnisses mit der SPD-Landeschefin über die Flüchtlingspolitik. Zwei andere führende Männer im Landesverband, SPD-Finanzminister Jens Bullerjahn und der Magdeburger Bundestagsabgeordnete Burkhard Lischka, warben gegen alle Verabredungen über die Vermeidung von Koalitionsaussagen ungeniert mittels Pressestatement für eine Fortsetzung der Koalition mit der CDU.

Rot-Rot-Grün als bloße Machtoption

Fehlt da der Glaube an den Erfolg? Souveränität sieht jedenfalls anders aus. Und wenn sie schon mit sich selbst nicht ganz im Reinen ist: Wie hält es die SPD Sachsen-Anhalt dann mit der Partei DIE LINKE? Auf einem Landesparteitag 2013 in Quedlinburg erklärte Katrin Budde noch, dass die Basis darüber doch bis zur Wahl intensiv beraten solle. Seitdem lässt sich in dieser Frage vor allem eines vernehmen: Schweigen. Eine wie auch immer geartete Aufbruchstimmung aus der erdrückenden Umarmung der Union heraus und hinein in ein Projekt für einen sozialen Politikwechsel in Sachsen-Anhalt lässt auf sich warten. Rot-Rot-Grün wird lediglich als Machtoption genannt - mit dem Ziel, in einer Regierung nicht auf Dauer die zweite Geige spielen zu müssen. Darüber können auch die wahlkämpfenden Absetzbewegungen der SPD von der CDU nicht hinwegtäuschen: Diese lassen nicht unbedingt eine politische Richtung erkennen - wie zum Beispiels Buddes eher plumper Versuch beim 2015er Jahrestreffen der SPD-Linken in Magdeburg, die wirtschaftliche Schwäche des Landes allein der CDU anzulasten.

Wäre Rot-Rot-Grün für die SPD ein Projekt für einen politischen Wandel, so müssten Inhalte die Diskussionen darüber bestimmen, wie es nach dem Frühjahr 2016 mit dem Land eigentlich weitergehen soll. Arbeitsgruppen, die gemeinsame Konzepte für das unterfinanzierte, strukturschwache Flächenland entwickeln? Fehlanzeige. Eine ernsthafte Diskussion darüber, wie es mit dem Lieblingsprojekt von SPD-Finanzminister Jens Bullerjahn, dem sogenannten Personalentwicklungskonzept, weitergehen soll? Weißes Rauschen. Dabei droht dieses in neoliberale Sprachwatte gepackte Personalabbauprogramm den Öffentlichen Dienst im Land vollends zu verschleißen: Immer weniger, immer ältere Menschen müssen immer mehr und immer komplexere Aufgaben in immer größeren Bewegungsräumen erledigen.

Ein zielgeleiteter politischer Austausch dürfte ohnehin gerade für jene SPD-Mitglieder mit Regierungserfahrung ein schmerzlicher Prozess sein, müssten sie doch viele eigene Entscheidungen der mittlerweile wieder langjährigen Mitregierung kritisch hinterfragen bzw. sich viele kritische Fragen von potenziellen Diskussionspartnern gefallen lassen. Mal ganz abgesehen davon, dass viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Sachsen-Anhalt vorgeblich massive Probleme damit haben, mit den vermeintlichen politischen Erben der SED in der Partei DIE LINKE zusammenzuarbeiten. Es würde deutlich werden, dass die Bullerjahn-SPD mit ihrer Miniaturausgabe der deutschen Austeritätspolitik entgegen dem trotzigen, bei jeder Gelegenheit wiederholten Eigenlob gescheitert ist; dass mit Bildungs- und Kulturkürzungen, mit einer provinziellen, vom Landesrechnungshof in Teilen gerügten und affairenbelasteten Wirtschaftsförderung, die das durchaus beachtliche wissenschaftliche Knowhow im Land größtenteils links liegen lässt, und einem gnadenlosen Aushungern der Kommunen nicht nur sprichwörtlich kein Staat zu machen ist.

Angst vor Bedeutungsverlust

Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass es in der laufenden Legislaturperiode durchaus den ein oder anderen Versuch gab, partei- und lagerübergreifend zentrale Probleme abzuräumen. So handelte Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) mit der CDU und den beiden Oppositionsparteien, Grünen und LINKEN, Ende 2014 einen “Schulfrieden” aus, der insbesondere umstrittene Fragen zum Schulnetz beantworten sollte. Das mühevoll ausgehandelte Ergebnis fand allseits Beachtung - außer bei der eigenen Fraktionschefin. Eben jener Katrin Budde, die gerade mitten in der Vorbereitung steckte, sich zur Spitzenkandidatin zu küren. Und, den Eindruck konnte man damals gewinnen, in dieser Zeit niemand anderem in der SPD-Spitze einen politischen Erfolg gönnte.

Nicht zuletzt zeigt auch dieses Beispiel, und damit schließt sich der Kreis: In der SPD Sachsen-Anhalt dominieren zu sehr Machtstreben, persönliche Befindlichkeiten und die Angst vor dem Verlust des Zuganges zu den begehrten Fleischtöpfen einer sicheren Regierungsbeteiligung, als dass der konstruktive inhaltliche Streit und Austausch zur Umsetzung der propagierten politischen Ziele mit Partnern, die solchen Zielen zur Mehrheit verhelfen könnten, eine Chance hätte.

Das ist auch generell die besondere Tragik der Katrin Budde: Sie erkämpfte sich den Landesvorsitz vom angesichts schlechter Wahlergebnisse schwächelnden Vorgänger und damaligen Innenminster Holger Hövelmann. Sie wollte den Landesverband zu alter Stärke führen und schaffte letztlich nur eines: die SPD ganz auf den eigenen Führungsanspruch auszurichten. Dabei hat sie sich selbst in eine politische Sackgasse geführt, aus der sie nur auf einem Weg wieder unbeschadet heraus kommt: Sie muss die SPD mit einem verbesserten Ergebnis auf Platz zwei in Sachsen-Anhalt hieven. Dies dürfte angesichts der jüngsten Umfragen und Trends allerdings einem Sechser im Lotto gleichkommen. Die Partei muss sich wohl eher ernsthaft Sorgen machen, nicht auf Platz vier zu rutschen - noch hinter eine erschreckend starke AfD, die derzeit unter anderem auch von populistischen Aussagen aus dem CDU-Landesverband profitiert. Und für den Fall, dass DIE LINKE wieder stärker als die SPD aus der Wahl hervorgehen sollte, hat Katrin Budde auf die eigenen Reihen Druck aufgebaut: Unter einem linken Ministerpräsidenten werde sie kein herausragendes Amt übernehmen. Für eine Landesvorsitzende mit Führungsanspruch ist das eine schon recht zentrale Einschränkung.

Keine inhaltliche Alternative zu Schwarz-Rot

Wie so die in Sachsen-Anhalt recht müden Wählerinnen und Wähler davon überzeugt werden sollen, dass es jenseits der schwarz-roten Koalition noch denkbare inhaltliche Alternativen gibt, ist und bleibt ein Rätsel. Zudem wollen der Wunsch(traum), Ministerpräsidentin zu werden, und eine fehlende Wandlungsfähigkeit sowohl in zentralen Fragen der Landesentwicklung als auch hinsichtlich der Bildung von Koalitionen nicht wirklich zusammenpassen. Alles oder nichts? Kein guter Plan.

Nein, Rot-Rot-Grün ist auch 2016 wohl keine Option für Sachsen-Anhalt. Denn es mangelt am politischen, am inhaltlichen Projekt. Zuallererst auf Seiten der SPD, der aufgrund der unüberwindbaren Unverträglichkeit von CDU und LINKE voraussichtlich wieder die Entscheidung zufällt, wer in die Regierung eintreten darf - sofern die Wählerinnen und Wähler ihr überhaupt noch eine Wahl lassen. Sollte es überraschend doch zu einem Bündnis jenseits der CDU kommen, dürfte der politische Wandel in Sachsen-Anhalt wohl dennoch weiter auf sich warten lassen. Denn schon allein aufgrund ihrer unreflektierten Kürzungsgläubigkeit würde die SPD in einer solchen Konstellation wohl jene Rolle einnehmen, die sie jetzt noch der CDU vorwirft: die veränderungsresistente. Das könnte dem Projekt als solchem mehr schaden, als eine zweite rot-rot-grüne Landesregierung in Deutschland an Gewinn zu versprechen vermag.

Clemens Wagner und Felix Peter

Clemens Wagner & Felix Peter
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