Im März wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. Doch wie geht es nach zwei Legislaturen mit einer kleinen "Großen Koalition" zwischen CDU und SPD weiter? Bleibt alles wie gewohnt oder kommt es zu Rot-Rot-Grün? Und falls ja, wer wird die Regierung in welcher Konstellation anführen? Fragen, die die Presse schon seit Monaten nur allzu gerne in den Mittelpunkt stellt, deren Beantwortung den Gefragten aber sichtlich schwer fällt. Klar ist nur eins: Alle wollen irgendwie mitregieren. CDU, SPD und DIE LINKE gerne führend.
Die SPD Sachsen-Anhalt steht dabei zwangsläufig immer im Fokus, denn sie dürfte erneut das Zünglein an der Waage spielen: Katrin Budde, in Personalunion Fraktions- und Landesvorsitzende, will auf jeden Fall Ministerpräsidentin werden - und betont gerne selbstbewusst, damit die erste Frau in Sachsen-Anhalt zu sein. Dabei präsentierte sich der Verband dahinter bis zuletzt nicht gerade selbstsicher. Der Magdeburger Oberbürgermeister Lutz Trümper, der noch im März 2015 die Oberbürgermeisterwahl in der Landeshauptstadt souverän gewonnen und die Genossinnen und Genossen damit verzückt hatte, verließ die Partei im Oktober Hals über Kopf - angeblich aufgrund eines Zerwürfnisses mit der SPD-Landeschefin über die Flüchtlingspolitik. Zwei andere führende Männer im Landesverband, SPD-Finanzminister Jens Bullerjahn und der Magdeburger Bundestagsabgeordnete Burkhard Lischka, warben gegen alle Verabredungen über die Vermeidung von Koalitionsaussagen ungeniert mittels Pressestatement für eine Fortsetzung der Koalition mit der CDU.
Rot-Rot-Grün als bloße Machtoption
Fehlt da der Glaube an den Erfolg? Souveränität sieht jedenfalls anders aus. Und wenn sie schon mit sich selbst nicht ganz im Reinen ist: Wie hält es die SPD Sachsen-Anhalt dann mit der Partei DIE LINKE? Auf einem Landesparteitag 2013 in Quedlinburg erklärte Katrin Budde noch, dass die Basis darüber doch bis zur Wahl intensiv beraten solle. Seitdem lässt sich in dieser Frage vor allem eines vernehmen: Schweigen. Eine wie auch immer geartete Aufbruchstimmung aus der erdrückenden Umarmung der Union heraus und hinein in ein Projekt für einen sozialen Politikwechsel in Sachsen-Anhalt lässt auf sich warten. Rot-Rot-Grün wird lediglich als Machtoption genannt - mit dem Ziel, in einer Regierung nicht auf Dauer die zweite Geige spielen zu müssen. Darüber können auch die wahlkämpfenden Absetzbewegungen der SPD von der CDU nicht hinwegtäuschen: Diese lassen nicht unbedingt eine politische Richtung erkennen - wie zum Beispiels Buddes eher plumper Versuch beim 2015er Jahrestreffen der SPD-Linken in Magdeburg, die wirtschaftliche Schwäche des Landes allein der CDU anzulasten.
Wäre Rot-Rot-Grün für die SPD ein Projekt für einen politischen Wandel, so müssten Inhalte die Diskussionen darüber bestimmen, wie es nach dem Frühjahr 2016 mit dem Land eigentlich weitergehen soll. Arbeitsgruppen, die gemeinsame Konzepte für das unterfinanzierte, strukturschwache Flächenland entwickeln? Fehlanzeige. Eine ernsthafte Diskussion darüber, wie es mit dem Lieblingsprojekt von SPD-Finanzminister Jens Bullerjahn, dem sogenannten Personalentwicklungskonzept, weitergehen soll? Weißes Rauschen. Dabei droht dieses in neoliberale Sprachwatte gepackte Personalabbauprogramm den Öffentlichen Dienst im Land vollends zu verschleißen: Immer weniger, immer ältere Menschen müssen immer mehr und immer komplexere Aufgaben in immer größeren Bewegungsräumen erledigen.
Ein zielgeleiteter politischer Austausch dürfte ohnehin gerade für jene SPD-Mitglieder mit Regierungserfahrung ein schmerzlicher Prozess sein, müssten sie doch viele eigene Entscheidungen der mittlerweile wieder langjährigen Mitregierung kritisch hinterfragen bzw. sich viele kritische Fragen von potenziellen Diskussionspartnern gefallen lassen. Mal ganz abgesehen davon, dass viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Sachsen-Anhalt vorgeblich massive Probleme damit haben, mit den vermeintlichen politischen Erben der SED in der Partei DIE LINKE zusammenzuarbeiten. Es würde deutlich werden, dass die Bullerjahn-SPD mit ihrer Miniaturausgabe der deutschen Austeritätspolitik entgegen dem trotzigen, bei jeder Gelegenheit wiederholten Eigenlob gescheitert ist; dass mit Bildungs- und Kulturkürzungen, mit einer provinziellen, vom Landesrechnungshof in Teilen gerügten und affairenbelasteten Wirtschaftsförderung, die das durchaus beachtliche wissenschaftliche Knowhow im Land größtenteils links liegen lässt, und einem gnadenlosen Aushungern der Kommunen nicht nur sprichwörtlich kein Staat zu machen ist.
Angst vor Bedeutungsverlust
Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass es in der laufenden Legislaturperiode durchaus den ein oder anderen Versuch gab, partei- und lagerübergreifend zentrale Probleme abzuräumen. So handelte Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) mit der CDU und den beiden Oppositionsparteien, Grünen und LINKEN, Ende 2014 einen “Schulfrieden” aus, der insbesondere umstrittene Fragen zum Schulnetz beantworten sollte. Das mühevoll ausgehandelte Ergebnis fand allseits Beachtung - außer bei der eigenen Fraktionschefin. Eben jener Katrin Budde, die gerade mitten in der Vorbereitung steckte, sich zur Spitzenkandidatin zu küren. Und, den Eindruck konnte man damals gewinnen, in dieser Zeit niemand anderem in der SPD-Spitze einen politischen Erfolg gönnte.
Nicht zuletzt zeigt auch dieses Beispiel, und damit schließt sich der Kreis: In der SPD Sachsen-Anhalt dominieren zu sehr Machtstreben, persönliche Befindlichkeiten und die Angst vor dem Verlust des Zuganges zu den begehrten Fleischtöpfen einer sicheren Regierungsbeteiligung, als dass der konstruktive inhaltliche Streit und Austausch zur Umsetzung der propagierten politischen Ziele mit Partnern, die solchen Zielen zur Mehrheit verhelfen könnten, eine Chance hätte.
Das ist auch generell die besondere Tragik der Katrin Budde: Sie erkämpfte sich den Landesvorsitz vom angesichts schlechter Wahlergebnisse schwächelnden Vorgänger und damaligen Innenminster Holger Hövelmann. Sie wollte den Landesverband zu alter Stärke führen und schaffte letztlich nur eines: die SPD ganz auf den eigenen Führungsanspruch auszurichten. Dabei hat sie sich selbst in eine politische Sackgasse geführt, aus der sie nur auf einem Weg wieder unbeschadet heraus kommt: Sie muss die SPD mit einem verbesserten Ergebnis auf Platz zwei in Sachsen-Anhalt hieven. Dies dürfte angesichts der jüngsten Umfragen und Trends allerdings einem Sechser im Lotto gleichkommen. Die Partei muss sich wohl eher ernsthaft Sorgen machen, nicht auf Platz vier zu rutschen - noch hinter eine erschreckend starke AfD, die derzeit unter anderem auch von populistischen Aussagen aus dem CDU-Landesverband profitiert. Und für den Fall, dass DIE LINKE wieder stärker als die SPD aus der Wahl hervorgehen sollte, hat Katrin Budde auf die eigenen Reihen Druck aufgebaut: Unter einem linken Ministerpräsidenten werde sie kein herausragendes Amt übernehmen. Für eine Landesvorsitzende mit Führungsanspruch ist das eine schon recht zentrale Einschränkung.
Keine inhaltliche Alternative zu Schwarz-Rot
Wie so die in Sachsen-Anhalt recht müden Wählerinnen und Wähler davon überzeugt werden sollen, dass es jenseits der schwarz-roten Koalition noch denkbare inhaltliche Alternativen gibt, ist und bleibt ein Rätsel. Zudem wollen der Wunsch(traum), Ministerpräsidentin zu werden, und eine fehlende Wandlungsfähigkeit sowohl in zentralen Fragen der Landesentwicklung als auch hinsichtlich der Bildung von Koalitionen nicht wirklich zusammenpassen. Alles oder nichts? Kein guter Plan.
Nein, Rot-Rot-Grün ist auch 2016 wohl keine Option für Sachsen-Anhalt. Denn es mangelt am politischen, am inhaltlichen Projekt. Zuallererst auf Seiten der SPD, der aufgrund der unüberwindbaren Unverträglichkeit von CDU und LINKE voraussichtlich wieder die Entscheidung zufällt, wer in die Regierung eintreten darf - sofern die Wählerinnen und Wähler ihr überhaupt noch eine Wahl lassen. Sollte es überraschend doch zu einem Bündnis jenseits der CDU kommen, dürfte der politische Wandel in Sachsen-Anhalt wohl dennoch weiter auf sich warten lassen. Denn schon allein aufgrund ihrer unreflektierten Kürzungsgläubigkeit würde die SPD in einer solchen Konstellation wohl jene Rolle einnehmen, die sie jetzt noch der CDU vorwirft: die veränderungsresistente. Das könnte dem Projekt als solchem mehr schaden, als eine zweite rot-rot-grüne Landesregierung in Deutschland an Gewinn zu versprechen vermag.
Clemens Wagner und Felix Peter
Kommentare 13
Ich tippe mal, dass am Wahlabend alle "demokratischen Parteien" erschrocken über die Prozente für die Nichtwähler und die Prozente für die AfD sein werden. Dann wird man (wieder) dies in den Gremien beraten wollen, zurücktreten und Respekt zollen, über gute Politik reden und darüber, dass man den Wähler nicht erreicht habe und die Unterschiede nicht genügend Verdeutlicht wurden. Danken werden alle ... aber aus R2G mit Backreförmchen Gallert wird nix.
Lokalpatriotische Grüße an den Juso-Stadtvorstand Halle, der hier öffentlich mit der eigenen Partei fremdelt. Wobei es leider nur um Machtpositionen und Pfründe geht. Kein Wort von sozialen Problemen, dem Skandal um die ehemalige Jobcenter-Chefin, der Novellierung der Hartz-IV-Gesetze, zweckentfremdeter Fluthilfe (Stichwort: Gummistiefel von Dior). Aber Katrin Budde niederschreiben! Die Steigerung "Feind, Todfeind, Parteifreund" wird zum ungünstigsten Zeitpunkt auf die Spitze getrieben. Wer solch eine Jugendorganisation hat, braucht keine politischen Gegner mehr.
Und die DuMont-Presse (FDP) produziert dazu Schlagzeilen wie "Die Problem-Kandidatin" oder "Pleiten, Pech und Budde". Eine geschwächte SPD wird am Ende wohl wieder mit der CDU "ins Bett" müssen, mglw. mit der FDP als drittem Mann?
Ein kleiner Hinweis: Die Autoren sind nicht Mitglieder der Jusos oder der SPD. Da haben Sie unsauber recherchiert. Den Juso-Stadtvorstand finden Sie mit wenigen Klicks unter www.jusos-halle.de. Da der Rest Ihres Kommentares größtenteils aus Ihrer Fehlannahme folgt, werden wir den nicht weiter kommentieren. Nur so viel vielleicht: Die SPD ist für ihre eigene Schwäche in erster Linie selbst verantwortlich.
Um nicht irgend eine Objektivität vorzutäuschen, über die ich nicht verfüge - Das Schicksal der SPD, der entschiedenen HIV-Partei, liegt mir nicht wirklich am Herzen. Bei dem von Ihnen kritisierten Autoren des Bloggs vermute ich da etwas anderes.
Aber ehrlich, der Kern Ihrer Kritik blieb mir unverständlich. Die Distanz zur Vorsitzenden wurde deutlich. Aber doch keine Feindschaft? Und sich vorbehaltlos hinter die Führung zu stellen, ist doch eigentlich etwas, was man als konstituierend für stalinistische Kaderpartein voraussetzt.
Könnte eigentlich eine interessante Debatte sein, in der ich als unbeteiligter Zuschauer vielleicht sogar Spaß hätte. Hat den der Autor, jenseits der Frage über was und warum er nichts geschrieben hat, Positionen bewusst falsch dagestellt? Das schreiben sie an sich auch nicht.
Warum ich niemals SPD Wählen würde, könnte ich ziemlich genau beschreiben. Warum in Sachsen-Anhalt 80% der Wählenden und fast 90% der Wahlberechtigten das genau so halten, ist vielleicht eine für Sie sehr interessante Frage? Wenn sie es für eine Folge des "Niederschreibens" halten, dann können Sie ja eh nichts machen, die schreiben trotzdem was sie wollen. Genauer gesagt, was deren Besitzer wollen. Vielleicht aber gibt es auch andere Gründe und einige davon stehen im Beitrag?
Ich weiß es nicht.
Die Autoren sind nicht Mitglieder der Jusos oder der SPD.
... weil sie inzwischen "mit Gebrüll" ausgetreten sind.
Die SPD ist für ihre eigene Schwäche in erster Linie selbst verantwortlich.
Das stimmt leider, die Organisation SPD ist inzwischen ein Selbstbedienungsladen für Karrieristen und Turbo-Atlantiker. Und die zu kurz Gekommenen steigen rasch wieder aus, wenn der Fahrstuhl nach unten unterwegs ist.
Nicht vergessen: Der Ostwähler hat die Demokratie noch immer nicht verstanden und deshalb ganz undemokratisch falsch gewählt. Nicht massenhafte Schulschließungen, die Verhinderung des Baus von Wohnheimen für Menschen mit Behinderung, die unerträgliche Ausdünnung der Kulturlandschft, die Lahmlegung der Sicherheitskräfte durch massiven Stellenabbau, die fortschreitende Protestantisierung der Staatsorgane, nein, die Unmündigkeit des Wählers ist Schuld am Wahlergebnis.
Der Ostwähler hat die Demokratie noch immer nicht verstanden ... die Unmündigkeit des Wählers ist Schuld am Wahlergebnis.
Der Typus Deines Feindbildes ist schuld, weil er zu wenig Linkspartei gewählt hat? Was ist denn los z. B. in Thürigens Theaterlandschaft? War gestern bei einer Wahldiskussion in Halle und durfte feststellen, dass die Altparteien die 15% für AfD und ALFA längst "eingepreist" haben, sogar die Ministerposten werden schon verteilt, wie die Volksstimme heute so schön berichtet: Die meisten Plätze sind schon besetzt.
"eingepreist" ... auf dem Wühltisch der demokratischen Parteien. Schwillt der Linken jetzt eigentlich die Brust, wenn sie bei den demokratischen Parteien mitgezählt wird, gleichzeitig auch als Altpartei gilt? Mein Bauchgefühl sagt mir, dass die Schlipse immer größer und die Reden immer schwülstiger werden. Politischer Schlussverkauf eben. Präambel: SALE.
Eine recht oberflächliche Analyse, aber Sie können es auch nicht besser wissen.
Man steckt eben nicht drin und würde sich auch nur die Finger schmutzig machen. Die Rahmenbedingungen ihrer Analyse einmal dahingestellt, halte ich Frau Budde immer noch für das kleinere Übel gegenüber dem nur noch neoliberalen Herrn Bullerjahn. Oder wie gestern jemand in der Diskussion sagte: "Seit das Land in dieser Weise kürzt, blähen sich die Kassenkredite der Städte und Gemeinden auf."
Erwartest Du von Budde, Haseloff usw. etwa andere, vielleicht sogar sachliche Argumente? Ich nicht. Als Magdeburger weiß ich bislang nicht, wen ich wählen soll. Und das sich eine Partei DIE LINKE nennt, heißt noch lange nicht, daß sie das auch ist. Wagenknecht würde ich wählen. Aber Gallert?
Frau Budde ist SPD-Landesvorsitzenden und Fraktionsvorsitzende, Sie hätte das Kürzen jederzeit beenden können. Eine Mehrheit jenseits der CDU hätte Sie dafür auch 5 Jahre lang im Landtag gehabt. Wenn diese verloren gehen sollte, ist das auch der Strategie von Frau Budde, lieber mit der CDU zu arbeiten, geschuldet.
Wen Sie wählen, ist allein Ihre Entscheidung. Und ich denke, aus der Perspektive von Frau Budde, Herrn Haseloff oder anderen sind deren Argumente sicher auch sachlich. Inwiefern Sie richtig sind, darüber lässt sich dann streiten.