„Hohoho!“ brüllen die jemenitischen Anti-Terror-Kämpfer, wenn sie zum nächsten Schiessstand rennen. Das Geschrei gebe Energie, meint einer der Kommandeure und lasse die Gefahren vergessen. Denn die seien unverzichtbar, wenn sie der Einsatz dorthin verschlage, wo al Qaida seine Positionen habe. Am Schiessstand angekommen, werfen sich die Soldaten auf den Boden. Ein Offizier ruft: „Ermu!“ Das heißt soviel wie: „Schießt!“ Dann prasseln Schüsse aus Maschinengewehren oder Pistolen. Durch die Luft wirbeln Patronenhülsen, es gibt einen regelrechten Feuersturm, dass sich die Zuschauer am Rand des Trainingsgeländes die Ohren zuhalten. Ein Kämpfer spielt einen Verletzten, wirft sich gekrümmt auf den steinigen Boden
den, bis ein anderer ihn schultert und in Sicherheit bringt. Die Offiziere brüllen: „Weiter! Macht nur weiter!“„Wir wissen, dass es den jemenitischen Streitkräften an Ausdauer mangelt“, meint die Offizierin Arwa Ahmed. Dabei sei die am wichtigsten, wolle man gegen Al-Qaida-Kader bestehen. „Wir waren noch bei der Polizei, als das Angebot kam, uns für die Counterterror-Unit ausbilden zu lassen.“Steil und steinig Hört man auf Yahya Saleh, den Kommandanten dieser Spezialeinheit mit der Abkürzung CTU, dann ist der Terrorismus ein neues Phänomen im Jemen. „Bis vor kurzem war es bei uns friedlich“, sagt er in seinem Büro in Sanaa und faltet die Hände über dem Bauch. Daniel Benjamin von der amerikanischen Jamestown-Foundation für Sicherheit ist anderer Meinung: „Al Qaida befindet sich seit langem in diesem Land. Ihr erstes Attentat verübten sie 1992 in der Hafenstadt Aden.“Tatsache ist, dass viele Gotteskrieger, die sich zuvor in Afghanistan und Pakistan aufhielten, nun den Jemen unterwandern. Benjamin ist der Ansicht, inzwischen versuchten diese Kader, in die Counterterror-Units einzudringen. Deshalb reiste er im Vorjahr – vor dem am 25. Dezember 2009 vereitelten Anschlag auf ein US-Zivilflugzeug – mit hohen amerikanischen Militärberatern nach Jemen. Sie überzeugten Präsident Ali Saleh, dass es notwendig sei, sich der Al Qaida of the Arabian Peninsula (AQAP) gemeinsam zu erwehren. Auch Saudi-Arabien bot Hilfe an, trotz der alles andere als entspannten Beziehungen zwischen Sanaa und Riad. Die Amerikaner versprachen, ihre Entwicklungs- und Sicherheitshilfe von 40 Millionen Dollar auf 63 Millionen in diesem Jahr anzuheben. Der größte Teil davon sollte in Gestalt von Ausbildern und Material, vorrangig Waffen, den Antiterror-Einheiten zugute kommen. „Wir werden darin ausgebildet, in Häuser einzudringen – wir lernen, Militärwagen und Panzer zu führen“, sagt Arwa Ahmed. Das Haupttraining findet knapp 50 Kilometer südöstlich von Sanaa statt. Ob die Gegend dort zufällig kahl, steil und steinig wie in den afghanischen Bergen ist?Al-Qaida-Resident Awlaqi „Für uns Frauen waren die Härte der Ausbildung und das Konditionstraining völlig neu“, sagt Faten Abduh. Eine Erklärung dafür, dass Soldatinnen sehr viel hingebungsvoller als Männer bei der Sache seien, liegt für Yahya Saleh, den CTU-Kommandeur, in den patriarchalischen Verhältnissen der eigenen Gesellschaft, jemenitischen Männern falle Gehorsam einfach schwerer.In die CTU würden auch deshalb Jemenitinnen einbezogen, weil sich Terroristen manchmal als Frauen verkleiden, sagt ein Offizier. Doch nehme das CTU-Kommando bei den Uniformen Rücksicht auf die „besonderen religiösen Bedürfnisse“ der Rekrutierten. Soldatinnen tragen keine Jacken, sondern dünne kurze Militärmantel, und unter der Mütze sind sie verschleiert. Im Übrigen wird auf weibliche Zartheit keine Rücksicht genommen. Männer und Frauen haben die gleichen Waffen und müssen in gleicher Weise hart trainieren.Die Anfänge der CTU reichen bis ins Jahr 2003 zurück. „Inzwischen ist aus ihr eine ernstzunehmende Einheit geworden, eine Reaktion auf die Präsenz von Al Qaida im Jemen“, so Yahya Saleh. Einer der wichtigsten Führer des Netzwerkes in der Region, ist Awlaqi, ein Jemenite, der sich lange in den USA aufhielt und sich seit 2006 bei Shabwa, rund 600 Kilometer östlich von Sanaa, niedergelassen hat. Die USA stufen ihn als hochgefährlich ein, während die jemenitische Regierung beschwichtigt, Awlaqi sei nicht mehr als „ein Durchschnittsbürger“.„Falls wir aus Washington den Befehl erhalten, Awlaqi zu jagen, tun wir das natürlich“, versichert Vizeaußenminister Rashed al-Alimi. Jede andere Erklärung eines jemenistischen Regierungsvertreters würde die Kooperation mit den USA im Anti-Terror-Kampf unterlaufen. Wichtiger sei Vorbeugung, glaubt Benjamin. Und die gäbe es nur durch eine Modernisierung des Landes „Bei wohlhabenden Jemeniten wird al Qaida keine Resonanz finden.“