Offener Himmel

Israel Für Luftangriffe auf iranische Atomanlagen würden regionale ­Partner gebraucht oder zumindest Staaten wie Saudi-Arabien oder Aserbaidschan, die Überflugrechte gewähren

Wer sich israelische Luftschläge gegen iranische Atomanlagen vorstellt, sucht notgedrungen nach einem vergleichbaren Vorgang und wird bei der Erinnerung an den 7. Juni 1981 fündig. Es dauerte an jenem Tag nur wenige Minuten, als ein Geschwader israelischer Jagdbomber gegen 17.30 GMT den Kernreaktor Osirak bei Bagdad bombardierte. Was an dieser Operation neben der Präzision der Abwürfe verblüffte, war der Anmarsch zur Aktion: In Israel gestartet, hatten die Kampfjets des Typs F-16 etwa 1.100 Kilometer bis zum Ziel zurückgelegt und dabei jordanischen und saudischen Luftraum durchquert. Sie flogen, ohne entdeckt – oder entdeckt, aber nicht attackiert – zu werden. Bis heute sind die Gründe für dieses Phänomen des Offenen Himmels (Open Skies) nicht geklärt, auch wenn die israelische Luftwaffe ein Überraschungsmoment auf ihrer Seite wusste.

Krieg führen, Zeit kaufen

Für einen Schlag gegen iranische Nuklear­objekte vom Forschungsreaktor bei Teheran bis zum Kernkraftwerk Buschehr (s. Karte) wäre kaum mit einem derart störungsfreien Anflug zu rechnen. Abgesehen davon, dass sich die Flugdistanz, verglichen mit der Operation Babylon von 1981, teilweise verdoppeln würde, dürften die Luftkorridore von einst verriegelt bleiben. So zerrüttet das Verhältnis zwischen Saudi-Arabien und Iran auch immer sein mag – ob Riad Überflugrechte einräumt oder eine Verletzung seines Luftraums toleriert, ist unwahrscheinlich. Das saudische Regime müsste um seinen Ruf im arabischen Raum fürchten, wollte es Israel beim Krieg gegen ein islamisches Land gefällig sein. Ebenso wird Jordanien seinen Himmel nicht freiwillig öffnen.

Naheliegend erscheint daher ein Ausweichen der Israelis nach Aserbaidschan, um die Luftwaffenbasis Sitalcay zu nutzen, die etwa 500 Kilometer von der iranischen Nordgrenze entfernt liegt. Sollten Angreifer von dort starten, könnten sie leichter, weil mit weniger Treibstoff abheben und müssten in der Luft nicht betankt werden. Zwar hat die Regierung von Präsident Ilham Alijew bisher ausgeschlossen, es irgendwem zu erlauben, „den Boden oder den Luftraum Aserbaidschans für Angriffe gegen die Islamische Republik Iran zu nutzen, die wir als Freund und Bruder betrachten“. Doch gilt das gleichsam für die Landung israelischer Kampfjets nach einem Angriff, um sie für den Rückflug mit Treibstoff zu versorgen? Und wie verhält sich Baku, falls Israel in Sitalcay Einheiten parken will, um per Helikopter zur Suche nach im Iran vermissten Maschinen und Piloten aufzubrechen? Oder zu Kampfeinsätzen, falls eine Konfrontation nicht auf Luftschläge begrenzt bleibt? Immerhin ist es einem Vertrag zwischen beiden Staaten zu danken, dass ein Embargo gegen Baku, das alle EU-Staaten wegen des Konflikts zwischen Aserbaidschan und Armenien um die Enklave Berg Karabach verhängt haben, durch israelische Waffen umgangen wird. Im Gegenzug erhält der jüdische Staat aserbaidschanisches Öl, sodass jede Abhängigkeit von arabischen Förderländern vermieden wird.

Nach dem USA-Besuch von Benjamin Netanjahu Anfang März hieß es, Israels Premier habe bei den Amerikanern um bunkerbrechende Waffen gebeten, etwa die Bombe GBU-28, mit der sich meterdicker Beton durchschlagen lasse. Ein Ansinnen, um Entschlossenheit zu beweisen und wie so oft im Konflikt mit Teheran Tatsachen zu suggerieren, die erfunden sind. Tatsächlich betreiben die Iraner 90 Prozent ihrer Anlagen als überirdische Komplexe, was auch die israelische Regierung indirekt zugibt, wenn sie insistiert, es gäbe nur mehr ein Zeitfenster von sechs Monaten, danach werde die Urananreicherung unter die Erde verlagert sein. Ohnehin könnte ein Luftschlag nur einigen Standorten gelten, nicht allen – je nachdem, ob sich die USA beteiligen oder nicht. Man würde sich lediglich Zeit kaufen, zwei Jahre maximal, und dafür die Kriegsfurie in dem Bewusstsein von der Kette lassen, dass sie eine ganze Region abzugrasen droht.

Die fünf Vetomächte der UNO und Deutschland verhandeln ab dem 13. April wieder mit Teheran über dessen Nuklearprogramm. Doch es droht weiter der von Israel favorisierte Militärschlag. Wer den anstrebt, gefährdet nicht nur eine ganz Region, sondern braucht auch Luftkorridore und einen langen Atem. Den die Atomanlagen sind über den gesamten Iran verteilt. Die gesamte Karte mit allen Erläuterungen können Sie sich durch einen Klick auf die Miniaturansicht herunterladen.








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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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