Zum Wohle der Versicherungswirtschaft

Pflege Die schwarz-gelbe Koalition stellt einen Zuschuss von fünf Euro im Monat für private Zusatzpflegeversicherungen in Aussicht. Aus Sicht der Bürger ist das Unsinn

Viel war es nicht, was die Koalition bei ihrem Koalitionsgipfel zustande brachte. Aber immerhin klappt die Zusammenarbeit, wenn es um die Interessen der Wirtschaft im Allgemeinen und der Versicherungen im Bunde mit den Banken im Besonderen geht. Da verständigen sich CSU und FDP doch gerne auf ein gedeihliches Geben und Nehmen: Lässt du mir das Betreuungsgeld, dann darfst du die Versicherungswirtschaft mit einem Wahlgeschenk beglücken.

Der jüngste Geniestreich der existenzgefährdeten Freidemokraten lautet also: Fünf Euro von unseren Steuergeldern gehen monatlich an uns zurück, wenn wir im Gegenzug eine private Pflegeversicherung abschließen. Ist das nicht mal ein echtes Geschenk des Staates an seine Bürger? Nein, ist es nicht. Die Regierung setzt mit diesem Plan auf unsere Schnäppchenmentalität und den oberflächlichen Instinkt, bei einer vermeintlichen Prämie nicht mehr so genau hinzusehen, was darunter verborgen ist.

"Geschenk" aus der eigenen Tasche

Denn zunächst sind wir es selbst als Steuerzahler, die es einer Regierung erst ermöglichen, solche „Geschenke“ zu verteilen. Und zum anderen kostet die zusätzliche private Pflegeversicherung vornehmlich eigenes Geld – und zwar so viel, dass sich Niedriglöhner, Arbeitslose oder Hartz IV-Empfänger dies erst gar nicht leisten können. Das Prinzip ist ähnlich wie bei der Riester-Rente: Zugute kommt die staatliche Förderung jenen, die ohnehin relativ gut abgesichert sind.

Ältere und Menschen mit Behinderung würden dagegen benachteiligt, rechnet der Sozialverband VdK vor. „Je älter und kränker, desto höher wären die Beiträge, die monatlich zu zahlen sind“, warnt die Vorsitzende Ulrike Mascher. Dabei sei es „komplett unverständlich“, dass man angesichts der Eurokrise und der aktuellen Turbulenzen an der Börse noch auf Kapitaldeckung zur Finanzierung eines allgemeinen Lebensrisikos setze. „Schon heute müssen viele Lebensversicherer ihre Zinsversprechen von Jahr zu Jahr nach unten korrigieren“, führt Mascher an. Das Vorhaben sei daher „wider jede ökonomische Vernunft".

Der VdK schlägt stattdessen eine etwas stärkere Anhebung des Pflegeversicherungsbeitrags vor. Dabei würden auch die Arbeitgeber in die Pflicht genommen – nicht, wie bei der Privatvorsorge, die Arbeitnehmer und Rentner allein. Darüber hinaus sollten die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige in Zukunft aus Steuern finanziert werden. Ferner hält der VdK einen Solidarausgleich zwischen privater und gesetzlicher Pflegeversicherung für notwendig.

Bundesrat ist gefordert

Den Versicherungskonzernen und den mit ihnen verflochtenen Banken dürften solche Vorschläge gar nicht schmecken. Sie wittern ein milliardenschweres neues Geschäftsfeld. Kassieren sie doch, wie auch bei der privaten Rentenversicherung, erst einmal enorme Provisionen in Größenordnungen von 15, 20 oder noch mehr Prozent der Versicherungssumme, ehe sie eine Gegenleistung erbringen müssen. Das bedeutet, dass Kunden in den ersten ein oder zwei Jahren allein dafür einzahlen, diese Provisionen zu finanzieren und sich erst dann Kapital für die einmal benötigte Pflege ansammelt.

Eine zusätzliche private Pflegeversicherung ist demnach oft ein höchst einseitiges Geschäft. Bleibt zu hoffen, dass die Oppositionsparteien dem Herzensanliegen der FDP im Bundesrat, der nach Auffassung der SPD auf diesem Feld ein Mitspracherecht hat, einen Riegel vorschieben, wie es die Sozialdemokraten in ersten Reaktionen ankündigten. Gelingt dies nicht, hätte wieder einmal die Klientelpolitik über das Allgemeinwohl gesiegt.

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Geschrieben von

Wolfgang Heininger

Der 53-Jährige war bereits mit 16 als Journalist tätig. Nach dem Studium kam er 1987 zur Frankfurter Rundschau. Zuletzt war er Nachrichtenredakteur.

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