Fernab von allem?
"In 'Notre-Dame du Nil' thematisiert Scholastique Mukasonga die aufkommende ethnische Gewalt in ihrem Heimatland der 70er Jahre. Töchter ranghoher Politiker, Militärs, Geschäftsleute und Diplomaten einerseits, sowie mittelloser Bauern andererseits leben im christlichen Mädcheninternat Notre-Dame-du-Nil zusammen. Hoch in den Bergen, nahe einer der Quellen des Nils erhalten sie unter strenger katholischer Aufsicht, fernab allen Verführungen der Großstadt, ihre Schulbildung. Sie sind größtenteils Hutus, die Aufnahme der Tutsi ist durch eine 10% Quote geregelt. Die schon angespannte Lage spitzt sich weiter zu, als zur Weihung einer neuen Marienstatue an der Nilquelle auch die militante Ruandische Jugend geladen wird." Carlstadt.de
Abstrakt und konkret
"Mukasonga gelingt es, der ebenso grausamen wie abstrakten Vorstellung eines von mörderischem Hass getriebenen Konfliktes ein alltägliches und an Situationen festgemachtes Gesicht zu geben. Für 'Die Heilige Jungfrau vom Nil' wurde sie 2012 mit dem renommierten Prix Renaudot ausgezeichnet. Mukasonga ist, wie sie selbst in einem Interview sagte, überhaupt erst Schriftstellerin geworden, um die Erfahrung des Genozids zu verarbeiten. 1994 hat sie einen Großteil ihrer ruandischen Familie verloren. Ihr Roman ist damit auch Zeugnis eines mutigen Umgangs mit der eigenen Vergangenheit." taz.de
Das eigentliche Wunder
"Genau darin liegt das eigentliche Wunder dieses schmalen Romans: Er ist poetisch trotz seines erschreckenden Themas. Er zeigt im Spiegel eines Mikrokosmos die Mechanismen der Gewalt und des Hasses. Er entlarvt den ethnischen Wahn und die kolonialen Altschulden - ohne eine Seite blind zu verurteilen. Man kann diesem so mutigen wie feinsinnigen Roman insofern gar nicht genug Leser wünschen – und hoffen, dass weitere solcher Bücher aus Ruanda folgen." NDR.de
Differenziert gezeichnet
"Die Stärke von Mukasongas Roman aber liegt in den differenziert gezeichneten Figuren: der eigenwilligen Immaculée, die sich der üblen Hetze entzieht, der unseligen, duckmäuserischen Modesta, die sich aus schierer Furcht an Gloriosa schmiegt, der klugen Virginia, die – vielleicht als Einzige unter den Tutsi-Schülerinnen – die 'Säuberung' des Internats überlebt." NZZ.ch
Erschreckende Einblicke
"Mukasongas viertes Buch erzählt episodenhaft aus dem Alltag der Eliteschule und entlarvt nebenbei die Doppelmoral der christlich geführten Institution. (...) Der Leser lernt in diesem Buch viel über Rassismus in Ruanda und koloniale Hochmut. Aber auch über Riten, Kulte und die perfekt gegrillte Banane. (...) Mukasonga eröffnet erschreckende Einblicke in eine Mädchenwelt, die sich anfangs noch um die Frage nach dem Busen dreht. Am Ende beginnt eine Treibjagd auf Menschen. Tutsi oder Hutu? Die falsche Antwort ist tödlich." Kulturaustausch
Identität und Unheil
"Ihr Roman bedient sich der Schreibform des Tagebuchs. Er ist fiktional wie auch schildernd. Die Autorin ist keine Zeugin mit dem Außenblick, sondern ist seit ihrer Kindheit mit ihrem Innersten dabei gewesen. Schon in den 60er Jahren erlebte sie, ab 3 bis 4 Jahren, Diskriminierung. Tutsis wurden nach und nach deportiert. Es bahnte sich also schon damals etwas Unheilvolles an. Fest eingeprägt ist ihr die vom gegnerischen Klientel aufgedrückte 'Identität', die sie mit dem Wort 'Kakerlaken' wiedergibt – durch Hutus ausgesprochen." Kulturexpress.de