Revolutionäre?
Offen revolutionär sind sie nun wirklich nicht, die jungen Leute. Sie erscheinen schon in ihrer Jugend angepasster, als es die 68er als Rentner sind. Doch der Schein trügt. Die heute 15- bis 30-Jährigen verändern unsere Welt radikal. Sie haben in kurzer Zeit den strukturellen Wandel in Politik, Wirtschaft, Arbeitsleben, Familie, Technik und Freizeit eingeleitet. Allerdings nicht gewaltsam und mit militanten Mitteln, ohne die lautstarken Proteste, unter denen andere Generationen sich ihren Platz in der Gesellschaft erkämpft haben.
Sie agieren still und leise, gewissermaßen aus der zweiten Reihe heraus, wirken im Verborgenen hinter den Kulissen. Deshalb sind die Umwälzungen, die sie anstoßen, auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen. Sie werden oft unbemerkt übernommen und setzen sich wie selbstverständlich im Alltag durch. Die junge Generation, die »Generation Y«, wie sie meist genannt wird, besteht aus »heimlichen« Revolutionären. Die strukturellen Umwälzungen, die sie initiiert, werden in ihrer Tragweite unterschätzt, eben weil sie sie nicht mit militantem Gehabe, ja noch nicht einmal mit befreiter Aufbruchsstimmung angeht. Sie lebt sie einfach, so als wären sie selbstverständlich.
Die Generation Y schlägt damit eine besonders wirkungsvolle und nachhaltige Strategie ein, um die Welt zu verändern. Sie hat ihre Gründe dafür. Schon lange stand keine junge Generation mehr vor so gewaltigen Herausforderungen wie die Generation Y. Von ihren Eltern behütet und gefördert wie keine andere vor ihr, könnten die Ypsiloner die Ersten seit dem Zweiten Weltkrieg sein, für die das Versprechen auf immer mehr Wohlstand tatsächlich nicht mehr gilt: Die Zahl sozialversicherter Vollzeitjobs für Berufseinsteiger nimmt ab, die Mieten steigen, und das Versprechen, die Renten seien sicher, scheint heute aus einer anderen Zeit. Eine Kette von Krisen hat schon die Jugend im vergangenen Jahrzehnt geprägt: Der 11. September, der Beinahe-Zusammenbruch des Weltfinanzsystems nach der Lehman-Pleite, Fukushima und unzählige Klimakatastrophen. Die Generation Y hat daraus zweierlei gelernt: Nichts ist mehr sicher. Und: Es geht immer irgendwie weiter.
Junge Menschen blicken heute pragmatisch und optimistisch auf ihr Leben. Der Eindruck, dass alle großen Krisen der vergangenen zwei Jahrzehnte zumindest in Deutschland vergleichsweise glimpflich ausgegangen sind, gibt ihnen Zuversicht für die eigene Zukunft. Die Erkenntnis, dass die gesellschaftliche Ordnung nicht in Stein gemeißelt ist, macht sie zu Pragmatikern. Wenn sich alles ändern kann, rüstet nur eine möglichst gute Bildung für den Ernstfall.
Das »Y« – im Englischen ausgesprochen wie »why« – ist der Buchstabe, der diese Generation medial auf den Punkt bringen soll. Die Frage nach dem Sinn wird zum Merkmal einer Generation. Die Generation Y ist die kleinste, die die Bundesrepublik je gesehen hat. Und doch lohnt es sich, sie ernst zu nehmen, denn ein Blick auf die Jugend ist immer auch ein Blick in die Zukunft. Globalisierung, Digitalisierung, Wandel der Arbeitswelt – die deutsche Gesellschaft erlebt gewaltige Umbrüche. Niemand hat diese intuitiv so gründlich erfasst wie die Generation Y. Schließlich muss sie als Erste ihr Leben unter den neuen Bedingungen gestalten. Die Ypsiloner finden Wege, trotz aller Flexibilität und Unsicherheit glücklich zu werden.
Derzeit zerbrechen sich Soziologen, Psychologen und Journalisten gleich reihenweise den Kopf darüber, was die Generation Y eigentlich will. Immerhin wird sie einmal das Ruder übernehmen: in der Politik und in der Wirtschaft, aber auch in den Familien und im Konsum und natürlich in den Medien.
Wir zeichnen in diesem Buch unser Porträt der Generation Y, das die Klischees hinter sich lässt. Wir skizzieren anhand von empirischen Studien, Selbstzeugnissen und Interviews mit Jugendlichen, wie sie wirklich sind. Wir bieten unsere freimütige Interpretation, warum die Generation Y genau so ist, wie sie ist, und wie sie unsere Gesellschaft verändern wird. Dabei stützen wir uns auf zahlreiche Untersuchungen und Studien, die die Generation Y beim Erwachsenwerden begleitet haben.
(...)
Wir beiden Autoren gehören unterschiedlichen Generationen an. Klaus Hurrelmann ist 70, Erik Albrecht 35 Jahre alt. In »Die heimlichen Revolutionäre« zeichnen wir ein Porträt der Generation Y, das zeigt, was junge Menschen heute bewegt und wie sie sich ihre Zukunft vorstellen. In den folgenden Kapiteln werden wir zeigen, wie die Generation Y unsere Welt verändert – ohne viel Aufheben, aber stetig und unaufhaltsam. Wie sie Bildung und Beruf revolutioniert, das Familienleben neu erfindet, die traditionellen politischen Strukturen unterwandert und neue Maßstäbe für die Freizeit setzt. Wie sie mit Pragmatismus und Gelassenheit auf die neuen Unsicherheiten reagiert, sich ihren Lebenslauf neu gestaltet und kreative Wege findet, mit dem Stress der heutigen Zeit umzugehen.