Wahrheit und Varianz

Leseprobe "Und wer ich überhaupt bin? Ich war es. Ich habe die Doktorarbeit geschrieben. Und nicht nur die! Ich bin das, was nie ans Licht kommen durfte: Guttenbergs Geist. Ich habe die Arbeit geschrieben, und ja, ich habe es schlampig gemacht."
Wahrheit und Varianz

Kugler/Bundesregierung-Pool via Getty Images

Ich erzähle Ihnen jetzt, wie es wirklich war. Sie wollten doch unbedingt wissen, wer Guttenbergs Doktorarbeit geschrieben hat? Also. Ich erzähle Ihnen das, weil ich will, dass die Wahrheit ans Licht kommt und dass die Menschen da draußen etwas lernen, eventuell.

Wenn Sie das hier lesen, sitzen die beiden immer noch in Amerika. Oder: ER sitzt in Amerika, SIE ist schon wieder zurück. Hat sich getrennt und die Mädchen mitgenommen, wundern würde es mich nicht. Oder aber: ER ist auch wieder da, rackert sich wieder hoch, immer in Richtung Kanzleramt …

Unmöglich, nach allem, was vorgefallen ist?

Warten Sie mal ab, Sie werden sich wundern, was alles möglich ist. Er arbeitet weiter an seinem Comeback, höre ich. Das Buch neulich war nur ein Testballon, das können Sie mir glauben. Haben Sie das Buch gesehen? Seine Beichte? Allein das Titelfoto hat mich schon erschüttert: um Jahre gealtert, und ein bisschen füllig scheint er mir geworden zu sein. Sind das Frustpfunde? Steht der da etwa in Connecticut nachts vor dem Kühlschrank und futtert heimlich gegen den Ärger an, dass er in Deutschland so bitter verkannt worden ist? Die arme Stephanie. Auch darum ist sie nicht zu beneiden. Wissen Sie, woran ich bei dem Bild denken musste? An Hugh Grant! Das Polizeifoto, als sie ihn gerade mit einer Prostituierten im Auto erwischt hatten. Genauso schaut Guttenberg da auch, so leicht zerzaust, als sei keine Zeit gewesen für Gel und Brille, und so von unten nach oben, mit dieser Mischung aus Zerknirschung und »Ihr sollt mich aber trotzdem lieb haben«!

Und wissen Sie auch, was das Perfide daran ist? Es wird funktionieren! Ich weiß das einfach. Selbst mich hatte er irgendwann gekriegt; und dabei kenne ich ihn lange genug. Auch ich hatte zunächst immer gedacht, der hat aber mal ein merkwürdiges Benehmen. Ich habe Guttenberg, ganz offen, zuerst für ein bisschen überkandidelt gehalten – und dann für einen politischen Messias. Heute weiß ich natürlich, dass das eine nur die Voraussetzung für das andere war, aber dazu kommen wir noch.

Was drinsteht in dem Buch, also: in seinem? Keine Ahnung, ehrlich. Aber ich gehe jede Wette ein: Die Leute werden es ihm glauben, ganz gleich, was die Zeitungen jetzt schreiben. Ganz einfach, weil sie ihm glauben wollen. Und schon bald wird die Wahrheit nicht mehr wahr sein. Die strafrechtlichen Ermittlungen sind ja bereits eingestellt. Was hatten Sie denn erwartet? 20 000 Euro für die Kinderkrebshilfe, das war alles. Das kann er verschmerzen, so viel hat Stephanie manchmal an einem Nachmittag für seine Loro-Piana-Socken ausgegeben. Schon bald wird es die ganze unselige Geschichte mit der Dissertation nie gegeben haben, und Guttenbergs Karriere kann weitergehen. Er braucht doch sein Publikum, und wer soll ihm denn zuhören da drüben in Amerika? Dort gibt es doch noch nicht mal Bierzelte. Dort gibt es doch nur Country Clubs, und das ist kein Ersatz für die CSU oder jedenfalls kein richtiger.

Wie gesagt: Ich weiß nicht, was drinsteht in Guttenbergs Beichte, aber eines kann ich trotzdem schon mal sagen: Es war anders. Irgendwann, das sehe ich ganz genau vor mir, werden die Akten zugeklappt, seine hartnäckigen Verfolger aus der Presse werden irgendeine andere Sau durchs Dorf jagen, die Sache wird in Vergessenheit geraten … Tja, und dann wird es nur noch diese Seiten hier geben, die die Wahrheit erzählen.

Welche Wahrheit?

Und wer ich überhaupt bin?

Ich war es. Ich habe die Doktorarbeit geschrieben. Und nicht nur die!

Ich bin das, was nie ans Licht kommen durfte: Guttenbergs Geist.

Ich habe die Arbeit geschrieben, und ja, ich habe es schlampig gemacht: Nicht, weil mich »meine Situation als Politiker und junger Familienvater überfordert« hätte, ich habe nämlich gar keine Familie, jedenfalls keine, die den Namen verdient, und meine politische Karriere hat es nie gegeben. Ich habe geschlampt, weil ich selbst betrogen wurde.

Und weil ich ehrlich gesagt nie gedacht hätte, dass je wieder jemand in diese Arbeit schaut. Ich hatte angenommen, dass der Professor nur das schleimige Vorwort liest, das ich ihm geschrieben habe. Ich dachte, aus dem Karl-Theodor wird in diesem Leben ja wohl sicher kein Professor mehr, sondern eher ein Bundeskanzler oder König oder Papst, jedenfalls für den Anfang der Karriere, und dann schaut erst recht keiner in die Doktorarbeit. Dachte ich! Aber ich hatte ja keine Ahnung. Und ich brauchte das Geld. Und so gut hat er die Sache jetzt auch wieder nicht bezahlt.

Der kann doch nichts, dachte ich. Nichts außer Reden schwingen. Aber genau das war es offenbar, was zählte …

Ich dachte sogar, wozu überhaupt noch den Doktortitel, als er kurz nach der Abgabe der Arbeit auch so Nachfolger von Schnappauf in Oberfranken wurde und dann gleich Generalsekretär. Ich meine, nicht dass ich es nicht hätte wissen können, ich kenne ihn ja lange genug, aber als er 2009 Nachfolger von Glos wurde, bekam ich es wegen des Tempos doch mit der Angst zu tun. »KT«, habe ich da dann gesagt, »du machst hier Sachen – Wirtschaftsministerium –, wie wäre es, wenn du sogar noch eine zweite Doktorarbeit schreibst, also, ich dir, Wirtschaftsrecht – dann wärst du Doppeldoktor …« Aber er hat nur gelacht und gesagt: »Mit Verlaub, bist du bescheuert?« Und dann sind wir in Berlin in dieses Restaurant mit den teuren Steaks gegangen, unten am Wasser, wo der Helmut Dietl saß und so komisch schaute, als ahnte der was, und immer rief die Merkel auf dem Mobiltelefon an, die Merkel beim KT, ich konnte es immer noch nicht glauben, und danach wollte er auch noch tanzen gehen, Techno!, ich bitte Sie, aber das ist eine Geschichte für sich.

Ich mag Techno nicht, und ich habe meine Gründe dafür, das werden Sie schon noch sehen; ich mag noch nicht einmal Berlin besonders, die Stadt ist mir zu dunkel, zu dreckig, ich mag die Leute dort nicht, sie sehen in jeder Hinsicht unterbelichtet aus, und zwar sowohl die blassen Gestalten, die ihre weißen Laptops auf bierverklebten Kiefernholztischen aufklappen, als auch die Betriebsnudeln der Nacht, diese eigentlich stämmigen Provinzmädchen, die sich auf Hauptstadtgrößen heruntergehungert und beim Pilates oder beim Yoga in Form gebracht haben …

Für mich hätte es das alles nicht gebraucht, von mir aus hätte er mich nicht nach Berlin locken müssen, mir war München schon große weite Welt genug. Ich meine: »Schumann’s Bar« und so, haben Sie sicher schon mal gehört davon, das ist doch auch etwas, da muss man doch auch erst einmal reingelassen werden. Ich zum Beispiel bin oft genug nicht reingelassen worden, beziehungsweise sogar rausgeflogen, stand da rum, suchte einen Tisch, aber alle waren »reserviert«, und dann kam dieser Mensch aus der Küche, so eine mürrische alte Frau mit langen weißen Haaren, und sagte: »Is leider voll, Jungs« oder so etwas in der Art, und dabei machte sie mit den Fingern Bewegungen, als ob sie Krümel vom Tisch fegt. Da war ich schon ganz schön beeindruckt, ich meine, die Frau sagt, es ist voll, dabei war es gar nicht voll; und was das Beste daran war: Die Frau, habe ich später gehört, war der Chef, dieser Herr Schumann, persönlich. Genau genommen habe ich überhaupt nur einmal da einen Platz bekommen, und das war mit dem KT. Da sehen Sie mal, so kann es kommen. Da war er gerade Generalsekretär geworden, und einem Generalsekretär der CSU, bitte schön, dem räumen sie sogar im Schumann’s ganz eilig das »Reserviert«-Schild beiseite.

Aber KT – was macht der? Statt sich zu freuen, dass er es geschafft hat in München und einen Tisch kriegt im Schumann’s? KT erzählt die ganze Zeit, dass er »weiter« wolle. Nach »Berlin«. In die »Bundeshauptstadt«. Um »Verantwortung zu übernehmen«, wie er sich ausdrückte. »In München steht ein Hofbräuhaus« trällerte er, sodass ich dachte: O Gott, jetzt fängt er schon zu singen an, was wird Oma Schumann dazu sagen? »Aber in Berlin«, fuhr er dann fort, in so einem vertraulichen, raunenden Tonfall, »aber in Berlin – da steht ein Kanzleramt, verstehst?« Und dabei blinzelte er mir verschwörerisch zu. In Berlin »bedürfe« es eines politischen Geistes wie seines, mit seinem »transatlantischen Weitblick zumal«. Und während er mit dem Zeigefinger versonnen den oberen Rand seiner Biertulpe streichelte, bis das Glas ganz merkwürdig zu singen anfing, sagte er, er sei halt so, so ein richtiges »zoon politikon«, das sei Altgriechisch und bedeute …

»Ich weiß«, sagte ich, »ich bin ja nicht doof«, und er nickte überrascht, dann sagte er: »Natürlich.« Und dann noch anderthalbmal: »Natürlich. Türlich.« Und zum Abschluss knuffte er mich mit der Faust in die Wange und sagte: »Ach, Hoppe. Mensch!« Und ich schaute möglicherweise ein bisschen deprimiert in mein Bier. Offen gesagt hatte ich zuerst einen Cocktail bestellen wollen, einen schönen bunten, mit Schirmchen obendrauf, schließlich gehe ich nicht jeden Tag in eine Cocktailbar, aber KT war mir über den Mund gefahren und hatte gesagt: »Bier!« und »Das gehört sich so, fraglos, gerade hier«. Tja, dachte ich da, er wird es wohl wissen, und wahrscheinlich wird diese Art von Wissen auch der Grund gewesen sein, weshalb er ein geborener Politiker war, im Gegensatz zu mir zum Beispiel.

Auch ich hatte einmal geglaubt, ich könne es schaffen, Spitzenpolitiker, mein Deutschlehrer hatte es mit vorausgesagt: »Wenn es einer von diesen Gestalten hier in meinem Kurs schafft«, hatte er gesagt, »dann du. Du musst mal in die Politik, du kannst logisch argumentieren, du bist gründlich, zu dir können die Leute Vertrauen fassen, du bist kein Blender.« Aber ich weiß auch, was das heißt. Ich mache mir keine Illusionen. Ich bin nicht das, was man als gut aussehend bezeichnet. KT sieht fantastisch aus. Er muss gar nichts sagen, er muss nur dastehen und lachen, und die Leute mögen ihn. Er kann sogar diese bekloppte Geste machen, am Times Square, Sie erinnern sich: die Arme so auseinander wie ein Hampelmann, dem sie gerade einen Dollar in den Popo geschoben haben. Stellen Sie sich mal die Nahles, den Gauweiler oder Stoiber mit dieser Geste vor, die Leute hätten sich totgelacht, nur KT nahm man das ab.

Kennen Sie die Jugendbilder von ihm? KT mit einem Maikäfer auf der Hand, mit einem Bundeswehrparka, acht Jahre alt, vor der Familienburg, da lacht er so hinreißend, da sieht er aus wie das Brandt-Männchen von der Zwiebackpackung. Die Leute mochten ihn einfach. Die Frauen fummelten immer in ihren Haaren herum und warfen den Kopf hin und her, wenn er irgendwo auftauchte, und zupften ihre Röcke zurecht; sie waren aufgeregt von seinem Anblick. Er war ein Junge, der gleichzeitig vollkommen seriös erscheinen konnte, ein eisenharter Lenker, der sich seinen jungenhaften Charme erhalten hatte, so sah man das. Erinnern Sie sich bitte an die Artikel über ihn! Deutschlands Kennedy. Oder: »Sind Sie die deutsche Angelina Jolie, Frau zu Guttenberg?« Er war Brad Pitt, jedenfalls.

Über mich hat nie jemand gesagt, ich sähe gut aus. Es wäre auch eine Lüge, das zu behaupten. Ich wiege zu viel, ich bin blass, ich versuche, aus meinen sehr dünnen blonden Haaren das Beste zu machen, ich habe einen guten Friseur, aber mein Gesicht ist rund, »pfannkuchenartig«, hat mal ein Mädchen zu mir gesagt, die Augen säßen darin »wie zwei verschreckte Hasen in ihren Höhlen«, und ich weiß nicht, ob das ein Kompliment gewesen sein soll … Ich habe Allergien, meine Haut schuppt schnell, und wenn ich nervös bin, was bei Auftritten, selbst im allerkleinsten Kreis, immer der Fall ist, bekomme ich rote Flecken auf der Stirn. Frauen interessieren sich nicht für mich, und wenn doch, dann auf eine mütterlich besorgte Art. In der Schule war ich derjenige, der die Mädchen trösten durfte, wenn sie Liebeskummer hatten, aber nie der Anlass dafür. Ich dachte eine Zeit lang, dass ich trotzdem ein Spitzenpolitiker werden könnte, so wie Genscher, wie Kohl, wie Wehner, alles keine gut aussehenden Menschen, aber darauf kommt es ja in der Politik nicht an, dachte ich, und zwischen Merkel und Steinbrück wäre ich nicht dumm aufgefallen.

Aber dann kam diese Obama-Manie, erinnern Sie sich, und ER, KT, sah immer glänzend aus. Wenn einer Obama auf Deutsch konnte, dann er. Zumindest optisch. So wurde es jedenfalls wahrgenommen: Der Retter! Adel rettet Deutschland aus bürgerlich-bürokratischem Sumpf. Alle wollten, dass dieses Bild für immer bleibt, niemand wollte die Wahrheit wissen.

Aber wollen sie jetzt überhaupt die Wahrheit wissen? Im Augenblick hacken sie alle auf ihm herum und tun so, als hätten sie es schon immer gewusst. Damals haben sie ihn verehrt, und das werden sie garantiert auch wieder tun, wenn er wieder ins Geschäft einsteigt. Sie werden ihn wieder genauso abgöttisch lieben, schon wegen dieser entwaffnenden Manieren. Kein Journalist, das dürfen Sie mir glauben, der nicht umgekippt wäre, wenn Guttenberg ihm gleich am Eingang die Tasche abnahm. Die meisten dachten, das tut der nur für sie, und ihre Texte gerieten ja dann auch dementsprechend verzückt und hymnisch. Aber das war seine Masche. Ich war doch immer dabei. Ich habe ihn in der Schule erlebt, wo er den Lehrerinnen die Taschen trug, und im Studium und in der CSU, wo er ebenfalls immer den anderen die Taschen trug. Wehe, es hatte mal einer keine Tasche dabei, die KT ihm abnehmen konnte!

Ich war sein Schatten, verstehen Sie, ich war immer da. Wir waren zusammen in Bayreuth, ich war dabei, als er Katharina Wagner kennenlernte, eigentlich ist sie an allem Schuld, mit ihrem Lohengrin und ihren Pornofingernägeln: Wenn sie nicht da gewesen wäre, wäre das alles nicht passiert, dann hätte KT in Ruhe seine Arbeit schreiben können und Stephanie hätte nicht immer erzählen müssen, er sei noch auf einer Parteiveranstaltung – dann wäre er vielleicht ein besserer Politiker geworden, und am Ende noch Kanzler, und dann hätte ich mich, wenn er beim G8-Gipfel oder in Kandahar oder Brüssel gewesen wäre, um die einsame, schöne, traurige Stephanie kümmern können.

Ich habe ein Foto von ihr, eigentlich war es ein Familienfoto, aber ich habe die Familie weggeschnitten, jetzt steht sie allein da und schaut über die linke Schulter zu mir, sie trägt ihr Haar offen und eine Jeans, die ihren fantastischen Hintern betont.

Stattdessen hasst sie mich jetzt. Ich habe Schande über die Familie gebracht, es gab dieses letzte Treffen mit ihr, da hat sie mir das gesagt, aber auch noch etwas anderes, aber davon erzähle ich Ihnen später. Ich bin sozusagen schuld, dass KT jetzt irgendwo in Connecticut mit der Heckenschere in der Hand seine Zeit vertrödelt oder in Brüssel mit dieser Internetkommissarin herumfuhrwerkt und dass Stephanie nicht mehr auf die Bälle und Empfänge von Berlin gehen kann, und keiner weiß es, weil mich keiner kennt. Bis jetzt jedenfalls.

Ich kann mir schon vorstellen, wie das jetzt aussehen wird, das neue Leben in Amerika. Sie wird reiten gehen und die alten Stühle aus dem Shaker-Laden grün streichen, sie wird Gardinenstoffe aussuchen und den Range Rover zur Inspektion bringen, während er sich in Manhattan herumdrückt, Sekretärinnen schwachmacht mit seinem »von« und seinem »zu« und seinem Adel und der schneidigen Gelmatte: ein fränkischer Don Draper mit Geld in Eimern.

Dazu hätte es vielleicht gar nicht kommen müssen, die Sache hätte auch anders ausgehen können, wenn, tja wenn ich mich nicht hätte hinreißen lassen an jenem Abend auf Schloss Guttenberg, vor dem Kamin …

Es waren ein paar Leute da, der Bresonius, der den Kauder berät, die Plentuschat mit ihrer schiefen roten Brille und diesem sagenhaft dummen »Für-einen-Job-in-deinem-Ministerium-kannst-du-alles-mit-mir-machen«-Blick, sogenannte Vertraute. Die Winde heulten in den Fensterlöchern, das Feuer knisterte vor sich hin, und in unseren Gläsern klackerte im Whiskey leise das Eis. Ein Bild tiefen Friedens eigentlich, wenn Karl-Theodor nicht vor dem Feuer auf und ab geschritten wäre, als hätte er ein Zäpfchen aus Kokain im Hintern. Er marschierte ein paar Schritte, hielt sein Glas gegen das Licht, marschierte wieder zurück und sprach von Verantwortung, mit anderen Worten von sich. »Wir sind es gewohnt, Verantwortung zu übernehmen. Wer denn, wenn nicht wir? Adel verantwortet! Oder sollte ich sagen …«

»Adel adelt?«, sagte eifrig die Plentuschat.

»Unfug!«, schimpfte Guttenberg.

»Verpflichtung verpflichtet?«, versuchte es der kleine Stolzenburg, denn der war auch wieder mit von der Partie.

»Verantwortung verpflichtet.« Das war dann ich.

Und Guttenberg sagte: »Das ist es!« Und dass der Stolzenburg das gefälligst gleich mal als Motto auf die Website setzen solle. Und dann setzte er sie fort, auf und ab gehend, seine Monologe vorm Kamin: »Verantwortung verpflichtet! Aber wie? Und wen? Und zu was? Das steht gänzlich außer Frage, meine Damen und Herren. Verteilungsgerechtigkeit, ich höre immer Verteilungsgerechtigkeit, indes: Leistungsgerechtigkeit? Verantwortungsgerechtigkeit? Quo vadis! Oder etwa nicht?«

Die Hunde und die Kinder lagen in den Polstern und schliefen. Auch Stephanie schien weit, weit weg. Sie träumte, schien es mir, von Berlin, von kleinen Einkaufsbummeleien auf dem Kurfürstendamm, einem schönen Glas Prosecco bei ihrem Lieblingsitaliener im Westend oder vielleicht auch von einem Abendempfang in der Landesvertretung von Baden-Württemberg, und ich gönnte ihr alles, alles, was sie sich wünschte. Ich setzte mich so auf das Sofa, dass mein Knie unauffällig ihres berührte, sie öffnete kurz die Augen und lächelte, ihre linke Wade ruhte auf einem Jahresbericht der »Karl-Kübel-Stiftung für Kind und Familie« – und ihr Haar, ihr herrliches, himmlisches Haar, es fiel wie ein Wasserfall aus Gold auf die Sofalehne, und alles wäre vielleicht anders, ganz anders gekommen, wenn ich in diesem Moment nicht …

Aber der Reihe nach!

Sie wollten ja wissen, wer die Arbeit geschrieben hat. Sie wollten wissen, wer ich bin.

Ich bin kein junger Familienvater, ich habe auch keinen Adelstitel und mein Vater kein Schloss. Mein Vater ist 1960 aus der DDR geflohen, nach Bayern, so war das. Dort hat er meine Mutter kennengelernt, Tochter eines Bauern, dreißig Kühe, ein paar Wiesen, zwei Traktoren. Ich bin in Rosenheim aufgewachsen, und den Karl-Theodor habe ich auf der Schule kennengelernt, ich war, so kann man das sagen, befreundet mit ihm.

Das heißt: nein.

Er hat mich gezwungen, mit ihm befreundet zu sein. Weil er mich brauchte. Weil ich ihm schon die Schulaufgaben machen musste. Er hat bei mir abgeschrieben und mir fünf Mark hingeworfen, damit ich den Mund halte. Was sollte ich tun? Ich durfte ihn KT nennen, wie die anderen Idioten auch, die dachten, sie sind seine Freunde. Aber er ließ sich nur KT nennen, weil er die Namen nicht mochte, alle neun Namen mochte er nicht, Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester. Einer war dämlicher als der andere, und später, nachdem er kurz in Amerika gewesen war, nannte er sich Kay-Tee, wie Katie Holmes. Mein Gott, ich frage mich, wie die das gemacht haben, als er dauernd mit dem Tom Cruise im Garten saß, damals, als der da in Berlin die »Operation Walküre« drehte und Guttenberg plötzlich immer so eine Aktentasche dabeihatte, wenn er, wie ein Kriegsversehrter, zu Merkel ins Kanzleramt ging. Cruise war Stauffenberg, aber Guttenberg ja irgendwie auch; und wenn Cruise nach Katie rief, dann kam seine Frau gelaufen – aber Guttenberg auch. Ich war nicht dabei, mir hat er nachher immer erzählt, »der Tom« habe zu ihm aufgeschaut, was immerhin sein kann, Tom Cruise ist ja nur halb so groß wie Guttenberg. »Der Tom« habe sich bei ihm, Guttenberg, noch ein paar Sachen abschauen wollen für seine Rolle, was ich ihm sogar ebenfalls glaube – einen deutschen Adligen spielen, das konnte KT nun wirklich ziemlich gut.

Man kann sich heute ja nicht mal mehr sicher sein, ob er den nicht wirklich nur gespielt hat, das heißt: ob er sich den Titel nicht am Ende auch nur erschwindelt hat; vielleicht ist der Karl-Theodor zu Guttenberg auch einfach nur irgendein Lutz Meier, der zu viele Heftchenromane gelesen hat? Ich habe das damals als Schüler zuerst häufiger mal gedacht, muss ich zugeben, aber ich bin dann doch zu dem Ergebnis gekommen, dass es gar nicht sein kann. Warum? Ganz einfach: Wenn KT in Wahrheit gar kein Freiherr wäre, dann hätte er sich mit einem popeligen »Freiherrn« niemals zufriedengegeben, so gut dürften ja sogar Sie ihn kennengelernt haben in den letzten paar Jahren. Er wäre gleich viel höher eingestiegen, als Fürst oder Herzog. Aber Freiherr? So ein Freiherr ist ja adelstechnisch ein Nichts, allerunterstes Adelsproletariat, da ist ein Studienrat praktisch schon wieder mehr wert; deshalb ja auch dieser Fimmel mit dem Doktortitel. Unser Sportlehrer hatte ihn immer »Wohlgeboren« genannt, aber da der Mann aus Berlin gebürtig war, klang das bei ihm immer wie eine Beleidigung, so wie »wohl verrückt geworden?«. Dann weinte der KT oft und stampfte mit dem Fuß und sagte, das müsse er sich nicht bieten lassen, und dann sagte der Sportlehrer »Na, geboren wirste wohl sein«, und dann blies er Luft durch seine Trillerpfeife, und wir mussten laufen gehen oder über den Bock springen oder über das Pferd oder solche Sachen. Die Stephanie jedenfalls, die hat ihn immer damit aufgezogen, die ist ja selbst Gräfin, die hat also nach unten geheiratet. Rein adelstechnisch müsste man die Stephanie glatt ein gefallenes Mädchen nennen. Sie hat ihm das auch immer mal wieder aufs Brot geschmiert, ganz buchstäblich übrigens, meistens nämlich zum Frühstück, ich war ja oft genug dabei; Freundinnen hätten ihr geraten, sie hätte den Schaumburg-Lippe nehmen sollen, schmollte sie oft, wenn sie ihm seinen Orangensaft bereitete und die Milch warm machte. »Der sieht doch aus wie ein Karpfen«, höhnte dann Guttenberg hinter seiner FAZ. »Aber der ist immerhin ein Fürst«, gab dann die tapfere Stephanie zurück, »und du bist noch nicht mal Bundeskanzler!«

Dann ließ der KT seine FAZ kurz sinken (so wie er sie sich vor das Gesicht gehalten hatte, sah es aus wie in der Werbekampagne »Dahinter steckt immer ein kluger Kopf«) und erwiderte, seine Großmutter hätte immer gesagt: »Ein fränkischer Freiherr spuckt auf einen bayrischen Grafen.«

So ging das zu.

Das glauben Sie jetzt vielleicht nicht, weil Sie immer nur den netten, höflichen Herrn Guttenberg kennen wollten, den Schwiegersohn und Heiratsschwindlertypen, der den anderen die Taschen trägt, egal ob die das wollen oder nicht, aber, doch doch, er konnte schon auch ganz schön schroff und herrisch sein, der gute KT, zuweilen.

Er hat mich sogar geschlagen. Ziemlich heftig sogar. Ich war ja auch kleiner, aber immer wenn ich mich bei den Lehrern beschweren wollte, hat er mich zu sich nach Hause eingeladen und mir Playmobilschiffe geschenkt oder eine Ritterburg mit Fahnen; auf die Fahnen hat er sein Wappen gemalt, damals schon, und allen erzählt, die gäbe es so zu kaufen. Er war ein noch schlechterer Fälscher als ich. Aber er war laut und hat gar keinen Widerspruch zugelassen. In den Pausen, und später zunehmend auch im Unterricht, hat KT immer Stimmen imitiert, den Ton von Nachrichtensprechern, Politikern, Schuldirektoren. »Dieses Fehlverhalten bedarf einer Ahndung und wird diese fraglos auch zu finden wissen!«, sagte er zum Beispiel in die Gesichter von herumtobenden Fünftklässlern hinein, denen er dabei am Ohr zog; dann weinten die Kinder, und er räusperte sich streng. Er war nichts, sprach aber wie einer, der was war. Das war schon damals sein Trick, und damit wäre er fast Kanzler geworden, das muss man sich mal vorstellen bitte.

Das Radio war praktisch immer an. Er hatte diesen Ton. Dabei muss man sagen, vorauszusehen war das nicht. Am Anfang war er noch ganz kleinlaut, als er in unsere Klasse kam, wir waren da ja schon im Dritten, als die Lehrerin nach den großen Ferien diesen Burschen zu uns ins Zimmer schob, strahlend vor Glück, weil sie ihm ihre Tasche zum Tragen gegeben hatte. Das nun also sei der kleine Karl-Theodor, sagte die Lehrerin, die Finger auf seine schmalen Schultern gestützt, und dabei schaute sie abwechselnd zu dem immer noch selig ihre Tasche tragenden Kind herunter und sagte in die Klasse hinein: »Nicht wahr, ihr werdet lieb zu ihm sein, bitte.« Und weil neben mir immer keiner hatte sitzen wollen, weil neben mir also aus Gründen der unter Kindern üblichen Demütigung noch ein Platz frei war, setzte sie ihn eben neben mich, wobei schwer zu sagen war, wessen Standing in der Klasse das nun mehr nach unten zog, denn ich war bis zu diesem Tag derjenige in der Klasse gewesen, der in der Pause immer die Prügel bezog, aber nun war ER gekommen und schien mir sogar diese Position noch streitig machen zu wollen. Ich meine: Er trug Lehrern die Tasche hinterher, war angezogen wie Gustav Gans, und als er sagen sollte, wer er sei und wo er herkomme, sagte er, er heiße Guttenberg und komme aus Guttenberg.

Nennen Sie uns kindisch, nennen Sie uns von mir aus auch provinziell, aber Sie können sich ja vorstellen, was danach los war.

Der Müller Stefan krakeelte »Und ich heiße Müller und komme aus Müller«, und alle lachten sich halb tot, wie man in dem Alter eben so ist. Und die Huber Barbara schrie, sie heiße Huber und komme aus Huber, und so ging das reihum. Da staunte der kleine Guttenberg, denn das war er offensichtlich nicht gewöhnt, und dann trommelte er vor Wut mit seinen kleinen Fäusten auf den Tisch, und er hörte erst wieder damit auf, als ich auch anfing, mich an der Gaudi zu beteiligen: »Und ich bin der Hoppe Norbert und komme aus Norbert …«

Da hielt der KT kurz inne und fing dann auch an zu lachen, mit den anderen, und zwar über mich. Ich will gar nicht erst behaupten, dass das Absicht gewesen sei. Dass ich einen Scherz hatte machen wollen, das glaubt mir sowieso keiner, ich habe es nämlich nicht so mit Scherzen, generell mit Humor, das Lustige liegt mir nicht, ich hatte mich hier in der Aufregung ganz einfach fürchterlich verhauen. Peinlich war das. Aber der KT, der hatte Antennen dafür, damals schon, wenn einer im Raum gerade der noch größere Depp ist als er, Guttenberg, selber.

Trotzdem hatte ihm der Müller Stefan in der großen Pause erst einmal eins auf die Nase geboxt, vorsichtshalber, aus Prinzip, und weil der KT behauptet hatte, er habe, da wo er herkomme, eine Ritterburg und die Huber Barbara könne er sich gut als Burgfräulein vorstellen, dabei wohnte er in Wirklichkeit drüben in Neubeuern, auf der anderen Seite der A 8, und das Haus war zwar groß, aber eine Ritterburg war es ganz bestimmt nicht.

Keine Ahnung, warum der Vater mit den beiden Jungs ausgerechnet in unsere Gegend gezogen war, wo er doch da oben in Franken angeblich eine ganze Burg besaß. Jedenfalls saß er da nun mit den Söhnen, dem KT und seinem jüngeren Bruder, und die Mutter war irgendwie nicht mit dabei. Die Ehe sei »annulliert« worden, munkelte man, und man kann sich ja vorstellen, dass sehr viel darüber gemunkelt wurde, auf dem Dorf und in der kleinen Stadt; uns Jüngeren ging das Wort »annulliert« dunkel im Kopf herum, und später haben die Älteren ihn auf dem Schulhof manchmal aufgezogen damit, die Ehe seiner Eltern sei null und nicht, und dies sei folglich auch er. »Euer Hoch-wohl-doch-nicht-geboren!« Dann rannten sie lachend fort, denn dann konnte der kleine Guttenberg platzen vor Wut, dann schrie und zeterte er ganz fürchterlich, und einmal zog er sogar eine rote Karte aus der Tasche, die hatte er sich für den Sportunterricht selbst gebastelt, und versuchte alle, die ihm übelwollten, des Schulhofes zu verweisen. Damit durfte man ihm jedenfalls nicht kommen, anzweifeln, dass er wer sei und in gebührendem Maße vorkommt in der Welt. Ansonsten war Karl-Theodor zu Guttenberg nämlich kein besonders weiches Kind, das vor allem träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt – ganz im Gegenteil, der Guttenberg war eigentlich schon damals eher der geborene Übertan, ein Souverän, einer, der anderen sagt, wo es seiner Ansicht nach langzugehen hat. Wir nannten ihn am Anfang immer den »Gutber«, das war sein Spitzname, bis er dann eben anfing, sich KT nennen zu lassen, unglaublich eigentlich, dass man sich den Spitznamen selber aussuchen kann, so was kenn ich eigentlich nur vom Papst, und eben vom KT. Ich hätte auch gern einen schöneren Spitznamen gehabt, aber mich haben sie bis zum Abitur Pfannkuchen genannt, und ich konnte nichts dagegen machen. Jedenfalls war schon am nächsten Tag ich wieder der, der vom Müller Stefan auf die Nase geboxt bekam. Aber schon da kam der KT zu Hilfe, räusperte sich, tippte dem Müller Stefan auf die Schulter und sprach: Mit Verlaub, lieber Müller, das gehört sich nicht! Der Müller Stefan, ein grober Mensch mit einfachem Gemüt, hatte so etwas noch nie gehört: »WOAS wuisst?« Und in dem Moment sah ich, dass jenseits des gusseisernen Zauns, der den Schulhof von der Straße trennte, ein Mann mit machtvoller Frisur stand und zu dirigieren schien – das war, wie sich herausstellen sollte, der alte Enoch zu Guttenberg, KTs Vaters, vor dem schien der KT noch mehr zu zittern als vorm Müller Stefan, und deshalb sagte er, das gehöre sich so, dass er jetzt hier an dieser Stelle einmal feststelle, das gehöre sich nicht … Müller machte »Humpf?«. Das war zu viel für den stumpfsinnigen Schläger, und wenn Guttenberg noch weiter so geredet hätte, dann wäre dem Müller sein Bauernschädel in tausend Stücke gesprungen, das konnte man ganz deutlich sehen. Jedenfalls ließ er ab von mir und sagte, das sei ihm jetzt aber alles zu blöd, und er trottete schimpfend von dannen, und der KT schaute zum Zaun rüber, wo der Mann mit der großen Frisur sich nun verneigte, wie beim Schlussapplaus, und dann zupfte KT mir gönnerhaft den Hemdkragen zurecht, eine Geste, die er überhaupt gerne zur Anwendung brachte, auch später noch und auch wenn man gar keinen Hemdkragen hatte, Hauptsache bisschen rumzupfen. Kleine, subtile Gesten waren das, um zu zeigen, wer der Souverän war, wie ich natürlich erst viel später begriff; damals, auf dem Schulhof, war ich ja noch viel zu klein und auch viel zu perplex von den dauernden Das-gehört-sich und Das-gehört-sich-nicht, damals wusste ich ja noch nicht, dass er das dauernd sagt, sagen muss, immer, mindestens dreimal pro Stunde, weil das so ein Tick von ihm ist, das ist genetisch. Damals habe ich auch noch nicht überblickt, dass diese komischen Wörter auch inhaltlich miteinander zusammenhängen: Manche Dinge gehören sich, andere gehören sich nicht, und ich gehöre ihm. Ganz im Ernst, so sah er das nämlich. Hoppe, sagte er feierlich, willst du fortan mein Knappe sein?

Natürlich habe ihn gefragt, ob er noch ganz bei Trost sei: Knappe! Wo sind wir denn? Aber er ließ sich da gar nicht beirren: Wieso denn nicht, das wäre doch eine feine Sache für uns beide. Seine Vorfahren seien ja nun einmal »vom Ursprung her Reichsritter« gewesen, mit Ritterburg und allem, was dazugehört. Er werde jetzt jedenfalls mal ein bisschen auf mich aufpassen, hatte er dann noch gesagt, und das klang ehrlich gesagt nur zur Hälfte wie ein Versprechen, zur anderen Hälfte klang es wie eine Drohung.

Warum lässt man sich so was gefallen? Warum hört man sich so was an und starrt nur fassungslos? Warum prustet man nicht wenigstens laut los? Warum kommt so einer wie Guttenberg am Ende sogar mit so was durch? Ich weiß es nicht. Jedenfalls hat Guttenberg das irgendwie immer wieder so hinbekommen. Dieses zwanghafte Händeschütteln und Taschentragen – erst dachten alle, das sei irgendein lästiger nervöser Tick, aber als sich das einfach nicht legen wollte, galt es dann einfach als besonders gute Manieren.

Irgendwie so funktionierte sein System. Und bei mir hat es ja auch funktioniert: Ich dachte, der Arme, der kann ja nichts dafür, auf den muss man mal ein bisschen Rücksicht nehmen – und am Ende freute sich der KT, wie gut seine Untergebenen mit der Zeit alle so spuren … Heute würde ich auch sagen: der helle Wahnsinn. Möglicherweise fast schon die Art von Wahnsinn, bei der die Insassen von geschlossenen Anstalten sich gegenseitig einreden, sie seien deren Direktor. Damals haben wir uns alle gesagt: möglicherweise Wahnsinn, vielleicht aber auch Genie! Beides liegt ja, wie man sagt, eng zusammen, und gerade in einer Stadt wie Rosenheim, gerade in der bayrischen Provinz, will man sich natürlich am wenigsten nachsagen lassen, die Genies von morgen hinterwäldlerisch verkannt zu haben. Wenn ich heute immer wieder lesen darf, Guttenberg habe sich sogar noch bei seinem Rücktritt als Minister so trotzig und uneinsichtig verhalten wie ein Schulbub, dann kann ich, als jemand, der dabei war, wirklich nur sagen: Der Guttenberg verhielt sich schon als Schulbub so, als sei er ein Minister. Er erzählte so lange irgendwas von »Führungsstärke« und »Richtlinienkompetenz«, bis er sich unsere verdrehten Augen einfach als Zustimmung zuguteschrieb.

Ich hatte jedenfalls wirklich nicht danach verlangt, aber irgendwie hat er es geschafft, dass ich tatsächlich wie sein Schützling und Helferlein neben ihm herlief. Ich meine, bitte, ich hatte keine Lanze für ihn zu tragen, ich hatte nur jeden Morgen meine Hausaufgaben zum Abschreiben bereitzulegen, und ich musste für ihn beim Skat kiebitzen, in den großen Pausen spielte er nämlich »gerne mal einen Skat«, wie er sich ausdrückte, vielleicht weil ihm das irgendwie volksnah vorkam, obwohl er das Spiel gar nicht beherrschte, ich meine: mitrechnen – er doch nicht! Aber die Sprüche, die hatte er drauf: »Mit vollen Hosen ist gut stinken« und »Hinten sind die Enten fett«, solche Sachen. Natürlich hat er eigentlich immer verloren, schon deshalb, weil er ausschließlich Grand spielen wollte, grundsätzlich, ganz egal, wie das Blatt war, aber das hat ihn irgendwie nicht gestört, er hat es immer irgendwie so hingedreht, dass er trotzdem der Sieger war, fragen Sie mich nicht, wie; wenn er nur lange genug redete, klang es sogar für mich überzeugend.

Mein Vater fand das ja gut, dass wir befreundet waren. »Guttenberg?«, brummte er, als der KT mal mit zu Besuch bei uns war, »Guttenberg, Karl-Theodor, der saß doch für die CSU im Bundestag!« – »Mein Großvater, verehrter Herr«, sagte KT, und dabei verbeugte er sich, als wollte er meinem Vater das guttenbergsche Haupt in den Bauch rammen, »das war mein Großvater, Karl-Theodor ohne Bindestrich …« Mein Vater nickte: »Guter Mann! Hat dem Brandt gezeigt, wo es langgeht. Hat versucht, den Brandt da wieder rauszuholen, aus dem Hintern der Sowjets, mein ich«, knurrte mein Vater in seiner etwas handfesten Art, denn er stammte ja aus dem Osten und war den dortigen Machthabern gegenüber nicht besonders aufgeschlossen, »verdammte Ostverträge! Brandt, pah!« Und Guttenberg machte wieder so eine Verbeugung, dass ich schon dachte, er hätte was verloren und hält auf dem Fußboden Ausschau danach, und dabei murmelte er so Sachen: »Kante zeigen … Unverbrüchlichkeit … großes Vorbild … auch persönlich … völlig außer Frage … großes, großes, äh, fragloses Vorbild«, und dabei hielt er nicht nur mit der Rechten die Hand meines Vaters umklammert, nein, mit der Linken fasste er ihn zusätzlich noch am Ellenbogen an, bis mein Vater sagte, nun sei es aber mal bitte wieder gut. Und dann gingen wir in den Wald Frösche fangen und solche Sachen, das heißt, ich musste sie fangen, und der KT summte dazu das Halali und hielt ihnen dann Vorträge, wozu er sie in eine Reihe setzte, in der die armen Frösche begreiflicherweise aber nicht sitzen bleiben wollten, was den KT fürchterlich in Zorn versetzte, aber so waren die Frösche nun mal.

In der Schule erzählte man sich, das Vorträgehalten liege an dem Vater, diesem Dirigenten. Dauernd zwang er KT und seinen kleinen Bruder, Reden zu halten in der Öffentlichkeit, ganz egal worüber und ganz egal vor wem. Hauptsache reden, reden, reden, denn das sollte irgendwie gut sein für den Charakter. »Ein Guttenberg schafft es, ein Bierzelt zum Schweigen zu bringen«, sagte der alte Guttenberg, »in fünf Minuten haben wir ein Bierzelt im Griff.« Und ob Sie es glauben oder nicht, er hat tatsächlich mit der Stoppuhr danebengestanden, selbst als der KT noch gar nicht in ein Bierzelt durfte. Da musste er eben auf dem Markt in Rosenheim Ansprachen halten, im Wartezimmer beim Arzt oder auch im Bus. Wo mehr als drei Menschen zusammenkamen, so hatte der Vater ihnen eingebläut, soll ein Guttenberg unter ihnen sein und laut das Wort ergreifen … Also musste KT ran, und ich sollte ihm dabei helfen; »Hoppe«, sagte KT dann immer, »mein Alter sitzt mir im Nacken, stell du dich mal unter die Leute und sag ›Hört, hört‹, wenn ich drei Minuten rumhab, und zum Schluss schreist du ›vivat!‹, o. k.?«

Ein komischer Typ war das, der Vater, berühmter Dirigent, hieß es, aber wir in Rosenheim hatten ja von klassischer Musik jetzt nicht so wahnsinnig viel Ahnung, manchmal sah man ihn gestikulierend durch die Felder streifen. »Na, dirigierste wieder?«, fragten die Bauern dann, dabei schimpfte er bloß, weil sie Dünger ausgefahren hatten. Die Leute sagten, das sei so ein Grüner, so ein Naturschutzfanatiker, der den Bauern ihre Traktoren wegnehmen will und gegen Lasttiere austauschen, aber das war vermutlich übertrieben, wenn auch nicht sehr. Man muss dazu sagen: Manufactum kannte damals noch niemand. Ich habe das zuerst in München gesehen und dann natürlich in Berlin, da an diesem Ernst-Reuter-Platz, ausgerechnet, ein Platz voller Neubauten, ein Kreisverkehr mit lauter Hochhäusern drum herum, hässlich sage ich Ihnen, wie Dortmund, nur eben in Berlin, und ausgerechnet dort war diese Zurück-zur-Natur-Bude. Ich war da mal mit KT und Stephanie, zum Gartengerätekaufen, ich hatte gesagt: Da komm ich mit, ich bin auch vom Land, mich interessiert das auch. Natürlich nur, um Stephanie nah zu sein. Landwirtschaft interessiert mich ansonsten eigentlich wirklich nicht, aber ich habe von zu Hause her genug davon mitbekommen, um mich doch sehr wundern zu müssen in diesem Geschäft. Sachen gab es da, ich glaube, fast alle Kleidungsstücke dort waren aus Filz. Die Leute liefen herum wie die Amish People und bewegten sich in Zeitlupe. Wo sind wir denn hier gelandet, wollte ich von KT wissen, im Völkerkundemuseum? Aber der war schon bei den Spaten und Grubbern und grub zur Probe die Luft um. Der hier ist handgedengelt und luftgetrocknet, sagte er fachmännisch, den nehmen wir; aber als wir an der Kasse waren, sagte der Mann, der dahintersaß, er sah aus wie unser alter Erdkundelehrer, dass der Spaten 130 Euro kosten sollte. »Handgedengelt und luftgetrocknet«, wiederholte da der KT und zog ein Gesicht, als ob der Spaten ein alter Rotwein wäre, während er seine Kreditkarte hinhielt. Und ganz genauso war der alte Guttenberg auch. Die Landwirte hatten dafür natürlich überhaupt kein Verständnis, die wollten es so modern wie möglich; aber er zog zeternd über die Wiesen und wünschte uns alle ins neunzehnte Jahrhundert zurück, als man sich sein Essen doch auch noch nicht industriell herstellen ließ, sondern auf gesunde und naturnahe Art und Weise bei der Jagd erlegte. So war das, da muss sich keiner groß wundern, so ist das mit dem Adel, ich habe einiges gelesen darüber inzwischen: dieses herablassende Bescheidenheitsgetue, diese belästigende Höflichkeit, das Reiten … Dauernd erzählte KT, er habe keine Zeit für die Hausaufgaben, er müsse zum Reiten. Der Müller Stefan, grob wie er war, hatte ihn schon im Verdacht, schwul zu sein. »Reiten« – das täten doch nur Mädchen … Aber er ritt eben gern, und wenn er nicht reiten war, dann war er bei Beerdigungen, Verwandtschaft oder wildfremde Leute – völlig egal, der Enoch schickte ihn dahin, zum Redenhalten, dann schob er den Pfarrer beiseite und warf mit beiden Händen seine Phrasen aufs Grab, aber die Omas waren meistens ganz dankbar, immerhin sah er grundsätzlich besser aus als der Pfarrer.

Überhaupt schien ihm das Weihevolle wichtig in der Kirche, wir waren ja zusammen Ministranten, keinerlei Missbrauch seitens des Pfarrers übrigens. Jedenfalls ist meine Frömmigkeit – lachen Sie ruhig darüber –, ich will mal sagen: sachbezogener, ich glaub halt wirklich dran; dem KT schien bei der ganzen Sache der Weihrauch das Heilsentscheidende, der hat damit rumgewedelt, dass es in der Kirche aussah wie später vorm Bayrischen Hof, bei der Münchner Sicherheitskonferenz, wenn die Polizei mit dem Tränengas kommt. Einmal hat er dann ja sogar eine ganze lateinische Liturgie gesungen in der Schule, Latein ging ihm über alles, er sprach es, sooft er konnte, er bat um »Dispens«, wenn er mal aufs Klo musste, und er sagte »in refectorium sum«, wenn er was essen ging; das war dann schon auf dem Gymnasium, und dort geriet er dann auch an diesen Friedel, Dieter Friedel, Lehrer für Altgriechisch, der hatte immer so Jungs um sich geschart und zog sich mit denen zurück, um Plato zu lesen und darüber zu diskutieren, auf Altgriechisch natürlich, das war so ein richtiger Kreis von Jüngern, wie bei Stefan George, falls Sie von dem schon mal gehört haben. Das hat dem armen KT dann den Rest gegeben, hinterher hatte er sie wirklich nicht mehr alle, dauernd ließ er dann altgriechische Ausdrücke fallen, egal ob die passten oder nicht, er war da wie so ein bekokster Koch, der mit beiden Händen das Salz ins Essen schmeißt, Hauptsache viel und flächendeckend. Sein Lieblingswort war Kairos. Erst dachten alle, er redet von Ägypten, aber Kairos, erklärte er uns – man sah, dass es ihn anstank, es erklären zu müssen, denn das nahm der Sache doch irgendwie die Wirkung, aber was sollte er tun, wenn es keiner verstand? –, Kairos also, erklärte er, sei »der günstige Augenblick«, den gelte es zu erkennen, und wie zum Beweis, dass er das selber nicht draufhatte, fand er in der Folgezeit immer exakt den falschen Augenblick, um das Wort einzustreuen. Das Vorwort zu der Doktorarbeit habe ich zum Beispiel voll davon geschrieben, der KT war dermaßen begeistert, dass er inzwischen glaubte, er habe das geschrieben. Ah, Kairos, murmelte er immer wieder beim Lesen, sehr gut, sehr gut, Kairos!, hervorragend …

Eigentlich erstaunlich, dass er nicht nach Sparta ging für ein Austauschjahr, sondern nach Amerika, in der elften Klasse, irgendwo bei New York, eine Privatschule natürlich, irrsinnig teuer, soweit ich weiß; die anderen, die für ein Jahr in die Highschool nach Amerika gingen, wurden irgendwo in der Pampa untergebracht, im Mittleren Westen, bei Viehzüchtern und wiedergeborenen Christen, wo sie früh, mittags und abends beten mussten, und zwischendurch war Schießtraining. Wenn die nach einem Jahr wiederkamen, waren sie doppelt so breit wie vorher, trugen weite Basketballhemden und hatten eine mörderische Akne. Nicht so Guttenberg. KT brachte aus Amerika exakt drei Dinge mit: 1) Haargel. 2) einen amerikanischen Akzent. (»Wie sagt man noch auf Deutsch?« war in dieser Zeit eine beliebte Formulierung von ihm, er tat so, als hätte er unser provinzielles Deutsch im Grunde längst hinter sich gelassen, als er »drüben« war, er tat so, als spräche er es genau genommen nur noch uns zuliebe, so gut es ging; er war nun auch einer von denen, die »einmal mehr« sagten statt »wieder einmal« und »realisieren«, wenn sie »bemerken« meinen, und manchmal konnte er sich auch ein »question tag« nicht verkneifen: »Wie sagt man noch auf Deutsch? ›Realisieren‹, ist es nicht?«) Er klang wie einer, der klingen will wie sein eigener Onkel aus Amerika.Vor allem aber, und das ist Punkt drei, vor allem kam er mit der Botschaft zurück, ein »überzeugter Transatlantiker« zu sein. »Oan woas wuist sein?«, brüllte der Müller Stefan, »oan Transenficker« – und ob man davon denn leben könne. Aber Guttenberg lächelte nur und sagte, da seien geostrategisch Sachen am Laufen, da würden wir noch staunen, er habe Informationen, er könne nicht sagen, woher, es würden Dinge passieren, er könne nur leider nicht sagen, welche, das sei zu geheim, das würden wir sicher verstehen, und da taten wir ihm den Gefallen und nickten, als würden wir es schon verstehen. Damals hatte er schon angefangen, immer so herumzulaufen, als käme er gerade von der Entenjagd, in Knickerbockern und Tweedsakkos und in Wachsjacken, so als müsse er nach der Schule noch irgendwo in Schottland einen Deich reparieren, mit so einem Seidentuch um den Hals, das nach vorne ganz aufgeplustert in seinem Hemdkragen hockte, ich glaube heute, er wollte aussehen wie der Karajan, der hatte so was in den Achtzigern auch manchmal, aber wir in Rosenheim, ich bitte Sie, wir kannten so etwas doch damals nicht, für uns sah er aus wie ein Truthahn, und die älteren Lehrer stellten ihm sogar Jod hin, weil sie dachten, er hätte einen Kropf, so was kam damals häufiger vor in Bayern. Aber er ließ sich darin nicht beirren, er sagte, das gehöre sich so, man trage das so, das sei man sich schuldig, und überhaupt sprach er damals eigentlich schon durchgängig so, als hätte er unter seinem aufgeplusterten Halstuch einen Leitartikelschreiber aus der Lokalzeitung wohnen. Das waren inzwischen nämlich schon keine Parodien mehr, ab der Oberstufe sprach der KT auch privat keinen einzigen Satz mehr, in dem nicht die Wörter »freilich« und »indes« und »fraglos« vorkamen. Das war keine Attitüde mehr, der konnte gar nicht mehr anders, dazu dann noch dauernd Begriffe aus dem Altgriechischen und zur Krönung seine transatlantischen Weisheiten … Es ist mir bis heute unbegreiflich, wie die Berliner Republik diese Mischung als »geschliffenen Stil« wahrnehmen konnte; für uns damals war es der Beweis, dass der Junge jetzt leider endgültig den Verstand verloren hatte. Wir hielten das ehrlich gesagt für eine Erbkrankheit, Adel halt, Sie wissen schon, da kann es zu so was ja schon mal kommen. Ansonsten haben wir aber versucht, das mit dem Adel gar nicht groß zu erwähnen, schon um niemanden wegen seiner Herkunft zu diskriminieren, denn für seine Herkunft, so hatten wir ja auch in Bezug auf ausländische Mitbürger immer gesagt bekommen, könne schließlich niemand was, nur ein paar mitteleuropäische Umgangsformen sollte man auch von Einwanderern und Adligen erwarten dürfen, das war so der gute demokratische Konsens bei uns. Nur einmal, erinnere ich mich, da waren wir schon auf der Oberstufe, einmal gab es ein bisschen Ärger, da hatten ihn ein paar Ältere auf dem Schulhof so ein bisschen von der Seite her angepflaumt, so von wegen »der feine Herr Baron« und so, sogar das grausliche Wort »Guillotine« fiel, und dann drohten sie ihm mit der Faust, aber das waren die paar Punks, die wir an der Schule hatten, ich bitte Sie, selbst im beschaulichen Rosenheim gab es Linke, mit Palästinensertüchern und solchen Dingen, ungepflegte Erscheinungen und an sich nicht weiter der Rede wert, ich glaube, zwei von denen sind heute selber in der CSU, aber dem KT ging das richtig an die Nieren. Der KT rannte nicht einfach weg, der KT sagte: Ein KT rennt nicht einfach weg! Sondern er stellte sich hin und sagte: Ich stelle mich der Situation! Es war, als ob er die Szene für sehbehinderte Zuschauer noch einmal mitspricht. Dann hob er den Zeigefinger und sagte: »Wir tragen unseren Namen nicht wie eine Monstranz vor uns her, sondern versuchen, vorauseilenden Klischees mit Leistung zu begegnen.« Er sagte, Adel sei kein Privileg, sondern eine Verpflichtung. Und dazu gehöre, für seine Überzeugungen im Notfall auch sterben zu können … Ja, das klang sehr pathetisch und ergreifend. Allerdings war ich mir erst nicht sicher, ob die linken Stänkerer das auch hören konnten, denn der KT stand vorsichtshalber schon ein gutes Stück weit weg, als er das sagte. Tatsächlich hatten sie es aber sehr wohl hören können und lachten gemein, und einer von ihnen rief: »Aber es gibt euch doch gar nicht mehr – und zwar schon seit dem 11. 8. 1919!« Irgend so ein Schlauberger aus dem Leistungskurs Geschichte, was weiß ich. Aber das schien KT nun ernsthaft zuzusetzen. »Was?«, stammelte er, »wie jetzt?« Und dann musste er sich am Kiosk gegenüber erst einmal versichern, dass es den Adel nach seiner Abschaffung natürlich doch noch gab, und sei es, um mit seinen Hochzeiten die vielen Rentnerinnen beim Durchblättern ihrer bunten Zeitschriften in den Wartezimmern beim Arzt ein wenig zu erfreuen …

Das letzte Bild, das ich aus der Schulzeit von ihm vor Augen habe, hat sich mir eingebrannt, das muss kurz vor dem Abitur gewesen sein; da steht er auf dem Schulhof, einen schwarzen Diplomatenkoffer mit Aufklebern von der Jungen Union und vom Rhön-Klinikum in der Hand, und spricht auf ein Mädchen aus der Zwölften ein, ich weiß nicht genau, was er ihr da erzählt, aber im Vorbeigehen waren die Wörter »Klaus Kinkel« und »politische Agenda« zu verstehen, und das schien selbst mir, Kinkel hin, seine Agenda her, gemessen an dem schmachtenden Blick, den das Mädchen in KTs pomadisierte Haarwellen warf, nicht ganz das, was sie vermutlich hören wollte; aber das war ihm offensichtlich egal, enthusiastisch stach er immer wieder mit dem Finger in die Luft oder drehte beim Erklären der Sachverhalte imaginäre Glühbirnen in imaginäre Fassungen ein; und das Mädchen? Schaute verknallt seinen klugen Händen hinterher.

Da schwante mir schon was. Ich wusste nur noch nicht, was genau.

25.07.2012, 18:04

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