Haben und Sein
"Man sagt, jemand sei ein bekanntes Gesicht, nicht, jemand habe eines. Das ist ein verräterisches Detail der Sprache, das die Identität von Innerem und Äußerem, von Sein und Schein unterstellt. Oder vielleicht auch, dass der Mensch, der nicht angeschaut wird, gar nichts sei, dass die Suche nach einem Wesenskern des Individuums hinter jeder Fassade, unter der Haut vergebens ist. Was ist Maske, was Identität? In Peter Stamms neuem Roman 'Nacht ist der Tag' hat eine Frau ihr Gesicht verloren." Die Welt
Wie viel vom Ich?
"Die Ausgangsfrage – wie viel von meinem Ich steckt in meiner Erscheinung, wie viel in meinem Ausdruck – bestimmt nur noch den ersten Teil des Romans, der dann eine neue Richtung einschlägt. 'Nacht ist der Tag' gehört deshalb nicht in die Reihe der Romane, in denen die Krankheit als Erkenntnismittel dient. Das neue Gesicht, das die Hauptfigur Gillian nach etlichen Operationen erhält, nimmt eher die Entwicklung vorweg, die sie innerlich vollziehen wird – vollziehen muss, was ihr ohne den Unfall erspart geblieben wäre. Oder vielmehr: vorenthalten." Tages-Anzeiger
Wunsch und Wahrheit
"Radikal, rigoros und auch etwas erbarmungslos führte Max Frisch vor, dass der Wunsch nach einem Leben in Wahrheit und Authentizität mit einem Namenswechsel nicht zu erfüllen ist. Peter Stamms Roman bietet dazu – nun als Schwundstufe der Literatur – das Gegenprogramm: Ein Autounfall mit immerhin fatalen Folgen oder eine Lebens- und Schaffenskrise mit nachfolgendem Zusammenbruch reichen zur Umkehr in die Wahrhaftigkeit aus. Das ist die höhere Kunst der Lebenshilfe." NZZ.ch
Leise und unaufgeregt
"Nicht erst seit seiner Nominierung für den Man Booker International im Frühjahr gehört Peter Stamm zu den auch im Ausland erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren. Dass gerade ein so leiser, unaufgeregter Schriftsteller global verstanden wird, hat nicht nur mit der Qualität und Intensität seiner kammerspielhaften Prosa zu tun, sondern ebenso mit dem, was über die Literatur hinausreicht. In unserer durchleuchteten Zeit drohen die Wünsche, Träume und Ziele zu banalen Datensätzen zu werden. Indem er die Gewöhnlichkeit unserer inneren Ausnahmezustände nicht leugnet, sondern genau und ohne Überheblichkeit beschreibt, gibt Peter Stamm seinen Figuren und mit ihnen seinen Lesern ihr Geheimnis zurück." FAZ.net