Vorzeigekommunistin?

Biographie Sahra Wagenknecht ist einer der umstrittensten Menschen in der deutschen Politik. Jedoch wird die konsequente Kapitalismuskritik der Publizistin im Zeichen der Krise immer salonfähiger
Vorzeigekommunistin?

Foto: Verlag

Sahra Wagenknecht (geboren am 16. Juli 1969 in Jena, amtlich zunächst Sarah Wagenknecht) ist eine deutsche Volkswirtin, Publizistin und Politikerin (PDS, Die Linke).

Ab der frühen 1990er Jahre hatte sie maßgebliche Funktionen in verschiedenen Vorstandsgremien der PDS inne. Nach der 2007 erfolgten Vereinigung der PDS mit der SPD-Abspaltung WASG konnte sie ihren Einfluss in der Nachfolgepartei Die Linke, in der Wagenknecht als Protagonistin des linken Parteiflügels gilt, erweitern.

Von 2010 bis 2014 war sie eine der stellvertretenden Parteivorsitzenden. Davor vertrat sie die PDS bzw. Die Linke von 2004 bis 2009 als Mandatsträgerin im Europäischen Parlament. Seit September 2009 ist Wagenknecht Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Ab 2011 war sie dort stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion. Am 13. Oktober 2015 löste sie zusammen mit Dietmar Bartsch den bis dahin amtierenden Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi ab und ist damit zur Oppositionsführerin des 18. Bundestags aufgerückt.

Wagenknecht ist Tochter einer Deutschen und eines Iraners und besitzt deshalb nach eigenen Angaben gemäß iranischem Gesetz auch die iranische Staatsbürgerschaft. Sie lernte ihren Vater nur kurz kennen, da er in Wagenknechts drittem Lebensjahr aus West-Berlin in den Iran ausreisen musste. Seitdem ist nichts über sein weiteres Leben bekannt. Ihre Mutter arbeitete für den staatlichen Kunsthandel. Wagenknecht wuchs zunächst bei ihren Großeltern in Jena auf, mit Schulbeginn zog sie zu ihrer Mutter nach Ost-Berlin. Während ihrer Schulzeit wurde sie Mitglied der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und schloss 1988 die Erweiterte Oberschule in Berlin-Marzahn mit dem Abitur ab. Während des in der DDR obligatorischen Wehrunterrichts verweigerte Wagenknecht die Nahrungsaufnahme, was ihr von den Behörden als Hungerstreik ausgelegt wurde. Sie durfte in der DDR zunächst nicht studieren. Als Begründung wurde genannt, sie sei „nicht genügend aufgeschlossen ... fürs Kollektiv“. Ihr wurde eine Arbeitsstelle als Sekretärin zugewiesen. Diese kündigte sie nach drei Monaten. Dennoch trat sie 1989, ein halbes Jahr vor dem Mauerfall, in die SED ein.

Ab 1990 studierte sie an den Universitäten Jena, Berlin sowie Groningen Philosophie (bei Hans Heinz Holz) und Neuere Deutsche Literatur und schloss ihr Studium im September 1996 in Groningen mit einer Arbeit über die Hegelrezeption des jungen Marx ab. Nach eigenen Angaben schreibt sie seit 2005 an einer Dissertation zum Thema „The Limits of Choice. Saving Decisions and Basic Needs in Developed Countries“ („Die Grenzen der Wahl. Sparentscheidungen und Grundbedürfnisse in entwickelten Ländern“) im Fach Volkswirtschaftslehre. Seit 1997 ist sie mit dem Journalisten, Filmproduzenten und Geschäftsmann Ralph-Thomas Niemeyer verheiratet. Wagenknecht hatte ihren Hauptwohnsitz in Düsseldorf-Oberbilk und ihren Zweitwohnsitz in Berlin-Karlshorst, inzwischen ist sie in Saarbrücken gemeldet. Oskar Lafontaine erklärte am 12. November 2011, er und Wagenknecht seien „eng befreundet“, beide Seiten lebten getrennt von ihren Ehepartnern.

In den Jahren 1991 bis 1995 war Sahra Wagenknecht Mitglied des Parteivorstandes der PDS, seit 1991 war sie auch Mitglied der Leitung der Kommunistischen Plattform der PDS. Seit Juni 2007 ist Sahra Wagenknecht Mitglied des Parteivorstandes der Partei Die Linke und seit Oktober 2007 Mitglied der Programmkommission. Ihren innerparteilichen Vorstoß, eine Kandidatur für den Vize-Parteivorsitz der Linken beim ersten Parteitag der fusionierten Partei im Mai 2008 zu erwägen, beendete sie nach der Ablehnung durch den Parteivorsitzenden Lothar Bisky sowie durch den Fraktionsvorsitzenden der Linken im Deutschen Bundestag Gregor Gysi und erklärte in einer Pressemitteilung, nicht als stellvertretende Vorsitzende zu kandidieren. Sie wurde auf dem Parteitag mit 70 Prozent der Stimmen erneut in den Parteivorstand gewählt. Auf Vorschlag Gysis und des Parteivorstands wurde Wagenknecht auf dem Bundesparteitag der Linken Anfang Mai 2010 mit 75,3 Prozent der Stimmen zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Am 8. November 2011 wurde sie mit 61,8 % der Stimmen zur 1. Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt.

Im Jahr 1998 trat Wagenknecht als Direktkandidatin der PDS zur Bundestagswahl in Dortmund an. Sie errang in ihrem Wahlkreis 3,25 Prozent der Erst- und 2,2 Prozent der Zweitstimmen. 2000 wurde sie erneut in den Parteivorstand der PDS und am 13. Juni 2004 als Abgeordnete ins Europaparlament gewählt, nachdem sie in einer parteiinternen Kampfabstimmung auf die Kandidatenliste gekommen war.

Bei der Bundestagswahl 2009 kandidierte Wagenknecht für das Direktmandat im Wahlkreis Düsseldorf-Süd. Am 18. März 2009 wurde sie dafür vom Kreisverband der Linken in Düsseldorf nominiert. Wagenknecht wurde vom Landesparteitag auf Platz 5 der Landesliste in Nordrhein-Westfalen gewählt. Sie erhielt am 27. September 2009 9,7 % der Erststimmen. Über die Landesliste zog sie in den Bundestag ein.

Wagenknecht kritisierte die Kompromisse der Partei bei den Regierungsbeteiligungen in den Ländern, wie z. B. das Kürzen sozialer Leistungen und die Privatisierungen in Berlin. Die Regierungsbeteiligungen der Partei und ein „Schmusekurs gegenüber Rot-Grün“ werden von ihr aufgrund der „tiefen politischen Differenz“ mit der SPD bzw. Rot-Grün abgelehnt. Wagenknecht gehörte lange Zeit zur Antikapitalistischen Linken und zur Kommunistischen Plattform, wo sie auch Mitglied im Bundeskoordinierungsrat war. Seit Februar 2010 ruht ihre Mitgliedschaft in dieser Parteiströmung. Heute sieht sie sich „in der Mitte der LINKEN“.

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Teile dieses Textes basieren auf dem Artikel Sahra Wagenknecht aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und stehen unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung).

17.03.2016, 15:52

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