Thema und Gespür

Biographie In gewisser Weise aus dem journalistischen "Nichts" kommend, wurde Schirrmacher im Alter von 30 Jahren der Nachfolger von Marcel Reich-Ranicki als Leiter der Literatur-Redaktion der FAZ
Thema und Gespür

Foto: Verlag/Tim Wegner

Frank Schirrmacher wurde am 5. September 1959 in Wiesbaden als Sohn eines Ministerialrates geboren. Sein Vater stammt aus Ostpreußen, seine Mutter ist polnischer Herkunft. Schirrmacher hat eine ältere Schwester. Er legte 1979 das Abitur an der privaten Humboldt-Schule in Wiesbaden ab. Schirrmacher studierte bis 1984 Germanistik und Anglistik an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg sowie am Clare College der Universität Cambridge in Cambridge (England) Literatur und Philosophie. Seine Studien schloss der Philologe mit dem Magister ab. Es folgten kurze Studienaufenthalte an der Universität Montpellier und an der Yale University in New Haven (Connecticut).

1988 wurde Schirrmacher, bereits als Redakteur in der Redaktion des FAZ-Feuilletons tätig, mit der 180-seitigen Dissertation "Schrift als Tradition – die Dekonstruktion des literarischen Kanons bei Kafka und Harold Bloom" an der Universität-Gesamthochschule Siegen zum Dr. phil promoviert. Das Verfahren wurde in der Folge Gegenstand einer kritisch geführten öffentlichen Diskussion.

Von 1989 bis 1993 war er in der Nachfolge von Marcel Reich-Ranicki Leiter der Redaktion "Literatur und literarisches Leben". Seit 1. Januar 1994 stand er als Nachfolger von Joachim Fest als einer der fünf Herausgeber, zuständig für das Feuilleton, in der journalistischen Gesamtverantwortung für die FAZ. Die Redakteure der FAZ nannten ihn niemals beim Namen, sondern stets den "Herausgeber".

Die US-Zeitschrift Newsweek rühmte Schirrmacher als einen der führenden Intellektuellen. Jakob Augstein nannte ihn 2006 in der Wochenzeitung Die Zeit den "Dirty Harry des Feuilletons".

Im Jahr 2000 weitete Schirrmacher das Feuilleton der FAZ erheblich aus und warb namhafte Journalisten von anderen Zeitungen ab. Doch schon zwei Jahre später mussten wegen der allgemeinen Zeitungskrise die Seitenumfänge reduziert und Mitarbeiter entlassen werden, ein bisher einmaliger Vorgang in der Geschichte der FAZ. Außerdem wurden die von Schirrmacher ins Leben gerufenen "Berliner Seiten" im Jahr 2003 eingestellt. Auch sein Versuch, die Feuilleton-Redaktion nach Berlin umzusiedeln, scheiterte.

Schirrmacher öffnete früh die Bereiche Wissenschaftsgeschichte und Technikphilosophie für das Feuilleton in Deutschland und brachte die Ideen etwa von Bill Joy, Ray Kurzweil, V. S. Ramachandran, Patrick Bateson, James Watson und Craig Venter in den Vordergrund der öffentlichen Diskussion. Schirrmacher förderte David Gelernter, Evgeny Morozov, Constanze Kurz, George Dyson und Jaron Lanier, Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2014. Sie bekamen im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Raum, um ihre Gedanken in einem Umfang und über eine Dauer hinweg zu entwickeln, die es sonst nur in akademischen Journalen gab.

Als einer der Herausgeber war Frank Schirrmacher daran beteiligt, dass die Tätigkeit von Hugo Müller-Vogg als Herausgeber der FAZ am 21. Juni 2001 endete. Die vier weiteren Herausgeber Günther Nonnenmacher, Jürgen Jeske, Berthold Kohler und Frank Schirrmacher hatten am 20. Juni 2001 entschieden, die Zusammenarbeit mit Müller-Vogg, der seit 1988 in der Position eines der Herausgeber tätig war, wegen zerstörter Vertrauensbasis mit sofortiger Wirkung zu beenden. Die Gründe für diese Personalentscheidung wurden nicht extern kommuniziert.

Schirrmacher war in zweiter Ehe mit der Journalistin und Schriftstellerin Rebecca Casati verheiratet. Er lebte mit seiner Ehefrau in Potsdam und hatte einen zweiten Wohnsitz im Frankfurter Westend. In Potsdam gehörte er dem Beirat des M100 Sanssouci Colloquiums an.

Schirrmacher starb 2014 an den Folgen eines Herzinfarkts. Er hinterließ seine Ehefrau und die gemeinsame Tochter sowie einen Sohn aus der früheren Ehe mit der Schriftstellerin Angelika Klüssendorf. Die Trauerfeier fand in der Heilandskirche am Port von Sacrow statt. An der Feier und der Beisetzung auf dem Friedhof seines Wohnortes, Potsdam-Sacrow, nahmen zahlreiche Gäste teil.

---

Teile dieses Textes basieren auf dem Artikel Frank Schirrmacher aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und stehen unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung).

14.05.2015, 13:13

Buch: Weitere Artikel


Leicht entzündlich

Leicht entzündlich

Leseprobe "Ja, wie ein einziges Rasen, so kommt einem dieses Leben im Rückblick vor: diese ganze, große Fülle und Überfülle von Themen, Texten, Thesen. Ein rasender Reporter der Ideen, das war Schirrmacher."
Öffentliche Meinung

Öffentliche Meinung

Einblicke Der frühe Aufstieg des späteren Mitherausgebers der FAZ war nur der Auftakt einer fulminanten Karriere, die das geistige Leben in der Bundesrepublik lange Zeit begleitete und (mit-)prägte
Puls und Wandel

Puls und Wandel

Netzschau Rezensionen und Texte zum Thema: "Augstein hat Schirrmacher mit diesem Diskursbuch ein unverzichtbares Denkmal für einen 'unwahrscheinlichen Menschen' gesetzt."

Abschied von Frank Schirrmacher

Video Frank Schirrmacher war ein leidenschaftlicher Publizist, ein produktiver Querdenker – am 12. Juni 2014 starb der Mitherausgeber der FAZ im Alter von nur 54 Jahren

Sternstunde Philosophie

Video Das Zeitungssterben und die Verschiebungen im Mediensektor waren das Thema des Gesprächs, das Roger de Weck mit FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher am 5. Juli 2009 führte


IM DIALOG

Video IM DIALOG spricht Alfred Schier mit dem Mitherausgeber der FAZ Frank Schirrmacher. Der Autor und Journalist hatte zuletzt mit seinem Buch "EGO – Das Spiel des Lebens" Aufsehen erregt


Club 2 mit Frank Schirrmacher

Video Wie wichtig ist das Internet heute als Kommunikationsmittel? Datenschützer warnen, Kritiker bezeichnen Facebook, Twitter und Co. als Zeitfresser und Suchtmittel (ORF 5.5.2010)


"Wir wollen Aufklärung" | ZAPP | NDR

Video Im Interview kurz vor seinem Tod erklärte Frank Schirrmacher, Herausgeber der FAZ, dass es bei der Debatte um Google darum ginge, "uns allen die Augen zu öffnen". Er wolle nicht Politik machen