Zeitgemäß

Leseprobe "Es geht um einen Begriff von Freiheit, Freiheit zu schauen, zu machen, zu spielen, zu leben, zu lieben. Die Ausstellung in der Fondation Beyerle hat etwas sehr Positives. Das ist wichtig in dieser Zeit."
Wolfgang Tillmans: Nite Queen, 2013
Wolfgang Tillmans: Nite Queen, 2013

Foto: Courtesy Galerie Buchholz, Berlin/Cologne, Maureen Paley, London, David Zwirner, New York

Vorwort und Dank

Das Werk von Wolfgang Tillmans wird gerne in Verbindung mit seiner Persönlichkeit wahrgenommen. Sein Engagement und seine Position in verschiedenen sozialen Kontexten ergeben ein Narrativ, das oft allzu selbstverständlich zum Leitfaden für das Verständnis seiner Arbeiten wird. Darüber gerät das, was die Bilder von Tillmans wirklich sind, was sie einmalig macht, was jedoch weniger direkt fassbar ist und sich schwer beschreiben lässt, in den Hintergrund.

Die Ausstellung in der Fondation Beyeler sucht wohl zum ersten Mal eine andere Annäherung an das Schaffen von Tillmans. Nicht ein Thema oder ein narrativer Zusammenhang prägen die Ausstellung; Ausgangs- und Angelpunkt sind die Bilder selbst. Die Fondation Beyeler mit ihrer Sammlung herausragender Werke der klassischen Moderne und Gegenwart erschien als idealer Kontext, um zu zeigen, wie Tillmans das mechanische Medium der Fotografie in eine ausdrucksstarke, eigenständige Bildsprache verwandelt hat. Eine Bildsprache, in der das Sehen als solches und damit auch die Wahrnehmung der Welt zum Thema werden.

Bekannt und berühmt wurde Tillmans in den frühen 1990er Jahren mit heute zum Teil ikonischen Bildern, welche das Lebensgefühl einer ganzen Generation und Jugendkultur zum Ausdruck brachten, die er selbst miterlebte. Bald erweiterte er den Fokus und nutzte auf kreative, teils gewagte und gleichzeitig souveräne Weise das Experimentieren mit den Mitteln der Fotografie zum Erfinden neuer Bildtypen – abstrakte Arbeiten, die ohne Kamera entstehen und zu denen die Xerox, Silver, Lighter und Freischwimmer/Greifbar genannten Arbeiten gehören. So erneuert er nicht nur traditionelle Genres wie Porträts, Stillleben oder Landschaftsbilder, er macht sich auch das ganze Spektrum zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion zunutze.

Gleichzeitig entwickelte Tillmans eine spezifische Form der Installation. Die Fotografien hängen selten auf gleicher Höhe nebeneinander, vielmehr sind sie in loser Anordnung auf einer Wand verteilt, grosse und kleine Formate, figürlich und abstrakt, ungerahmt und gerahmt. Es ist eine Art der Präsentation, in der die visuellen Beziehungen zwischen den Bildern ebenso wichtig sind wie das einzelne Bild, das damit immer auch als Teil einer zusammenhängenden Erzählung gesehen werden kann.

Die in der Ausstellung in der Fondation Beyeler gezeigten fotografischen Bilder ebenso wie die Installation in den Räumen des Museums führen eindrücklich vor Augen, wie Tillmans die Möglichkeiten der Fotografie nutzt, um Sichtbarkeit zu evozieren und eine Bildstrategie zu entwickeln, die der Wahrnehmung der Welt eine neue, menschliche Qualität zu geben vermag.

2014 konnten wir im Museum zwölf Werke von Wolfgang Tillmans zeigen, die neu in die Sammlung gekommen waren. Tillmans hatte jedoch nicht nur diesen Raum eingerichtet; auf Einladung des Museums kuratierte er zugleich einen Raum mit Werken aus der Sammlung von Cézanne, Monet, Picasso, Max Ernst, Giacometti und Arp und zwei eigenen Arbeiten – Ostgut Freischwimmer, left und Ostgut Freischwimmer, right. Diese Präsentation und mit ihr die Werke von Tillmans in der Sammlung der Fondation Beyeler waren der Ausgangspunkt für die umfassende Ausstellung im Sommer 2017.

Unser erster und grosser Dank gilt Wolfgang Tillmans, einem der wichtigsten und innovativsten Künstler heute, dessen Werk einen bedeutenden Beitrag für das Verständnis unserer Zeit liefert. Wir sind dankbar, dass Wolfgang Tillmans sich darauf eingelassen hat, eine aussergewöhnliche Ausstellung und damit verbunden eine Publikation zu entwickeln, die nicht von einem bewährten Konzept, sondern von einer Neubetrachtung seiner Bilder ausgegangen ist.

Realisierung von Ausstellung und Katalog sind zu einem entscheidenden Teil dem Künstler und dem Team im Studio Tillmans in Berlin zu verdanken, namentlich Silja Addý, Michael Amstad, Eugen Ivan Bergmann, Maria Anna Bierwirth, Sarah Bohn, Anna Brinkmann, Eric Freier, Federico Gargaglione, Konstantin Gebser, Armin Lorenz Gerold, Lisa Herfeldt, Paul Hutchinson, Dan Ipp, Samuel Jeffery, Annett Kottek, Marc Krether, Evelyn Marwehe, Marilyn Meerschiff und Shahin Zarinbal sowie Anders Clausen und Juan Pablo Echeverri während der Einrichtung der Ausstellung in Basel. Für ihren enormen Einsatz sowie ihre immer grosszügige und professionelle Unterstützung gebührt ihnen unser herzlicher Dank. Für weitere Hilfe und Rat danken wir Lena Zimmermann von der Galerie Buchholz in Berlin, Oliver Evans von Maureen Paley, London, und Branwen Jones von David Zwirner, New York.

Zahlreiche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus allen Bereichen des Museums waren an der Planung und Realisierung der Ausstellung beteiligt. Wir sind dankbar, auf ihre Kompetenz, ihr Engagement und Interesse zählen zu können. Rahel Schrohe hat als kuratorische Assistenz die Vorbereitungen zu Ausstellung und Katalog tatkräftig begleitet. Delia Ciuha und Franziska Stegmann haben den Katalog auf der Seite der Fondation Beyeler betreut. Ihnen allen sowie den für Übersetzungen und Lektorat verantwortlichen Personen und dem Hatje Cantz Verlag gilt unser herzlicher Dank.

Dass die Fondation Beyeler ihr Ausstellungsprogramm durchführen kann, verdankt sie in erster Linie der Beyeler-Stiftung und der Wyss Foundation, der Unterstützung durch die Kantone Basel-Stadt und Basel-Land und die Gemeinde Riehen sowie Sponsoren und Mäzenen. Die Ausstellung Wolfgang Tillmans und die dazugehörige Publikation werden grosszügig unterstützt von der LUMA Foundation.

Mit der Antwort, die Wolfgang Tillmans in einem im Vorfeld der Ausstellung im Kunstmagazin art abgedruckten Gespräch auf die Frage gab, worum es in der Ausstellung der Fondation Beyeler gehen würde, beschliessen wir diesen Dank: "Es geht um einen Begriff von Freiheit, Freiheit zu schauen, zu machen, zu spielen, zu leben, zu lieben. Die Ausstellung hat etwas sehr Positives. Das ist wichtig in dieser Zeit."

Sam Keller, Direktor Fondation Beyeler
Theodora Vischer, Senior Curator Fondation Beyeler

08.06.2017, 12:52

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