Gewalt, Hetze und Brutalität

Zum Stück „Glaube und Heimat“ erzählt die Geschichte eines Dorfes, welches vom Glauben geteilt wird. Während manche Dorfbewohner katholisch leben, sind andere Protestanten. Ein kaiserliches Dekret will diese beiden Religionen nun gewaltsam trennen
Gewalt, Hetze und Brutalität

Foto: Hulton Archive/Getty Images

Von einer autoritären Regierung in einer Hetzjagd gebrandmarkt, werden Menschen vor die grausame Wahl gestellt, ihre Glaubensfreiheit oder ihr Zuhause aufzugeben. Für die Familie Rott eine unmenschliche Zerreißprobe. Großvater und Sohn leben ihren Glauben im Verborgenen. Nun geht es auf einmal um nichts weniger als um die existenzielle Beziehung jedes Familienmitglieds zur Welt. Welche Bindung ist die (über-)lebenswichtigste: diejenige an Menschen, an Räume, an Dinge, an Werte oder Überzeugungen?

Angeregt wurde Karl Schönherr zu „Glaube und Heimat“ von einer bildlichen Darstellung der Vertreibung der Zillertaler Protestant*innen im Jahre 1837 durch die katholische Obrigkeit. Die Handlung seines Dramas verlegte er in die Zeit der Gegenreformation, bezieht sich dabei jedoch nicht auf eine konkrete Verfolgungs- und Emigrationswelle, sondern konzentriert sich generell auf das Thema der Vertreibung von Christ*innen durch Christ*innen mitten in Europa, das er in aller Drastik vorführt. Als historisches Vorbild für die Figur des kaiserlichen Reiters diente Schönherr Ferdinand II., von 1619 bis 1637 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, der in seinem Gebiet einen harten gegenreformatorischen Kurs verfolgte. Das im Stück ausgesprochene Verbot, minderjährige Kinder mitzunehmen, spielte in den Austreibungen von 1684 und 1686 eine entscheidende Rolle. Uraufgeführt wurde das Stück 1910 am Volkstheater in Wien. Ein Jahr später erhielt Schönherr dafür den Grillparzer-Preis.

06.12.2019, 08:39

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