"Die Kategorien sind in der schändlichsten Verwirrung" lässt Georg Büchner König Peter in seinem Stück "Leonce und Lena" sagen und umschreibt damit treffend auch unsere Gegenwart: Zum einen die Unüberschaubarkeit einer gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Gemengelage, die nicht so leicht in "links" und "rechts" zu ordnen ist, andererseits der Glauben daran, dass eben jenes klare Freund–Feind-Schema, jene Positionierbarkeit zu erfüllen sein müsste. Unsere Zeit ist also geprägt von einer Angst vor Unübersichtlichkeit, einer Angst vor Veränderung, zeitgleich aber von dem Bewusstsein davon, dass es so wie es ist, immer weniger bleiben kann.
Von dieser Situation profitieren nun diejenigen, die klare Verhältnisse versprechen und eine Welt zurücksehnen, die es so homogen und klar in Wahrheit nie gab. Wann und wie diese Welt nun gewesen sei, kann so genau dann auch nicht gesagt werden und man verliert sich in der Wut über diejenigen die zu viel Veränderung einerseits zuließen, anderseits nichts getan hätten. Wie diesem diffusen Gefühl und den sehr klaren Machtfantasien nach Einheit und Reinheit entgegenwirken?
Mit Hannah Arendt könnte man sagen, dem Wirken stehe zunächst das Verstehen gegenüber: Dem unbedingten Widersprechen und dem blinden Kampf gegen eine Bewegung, die unter allen Umständen eben jenen Kampf selbst heraufbeschwören will, ist zunächst ein Verständnis darüber voranzustellen, was überhaupt auf dem Spiel steht. Was bedeutet es denn eigentlich "rechts" zu sein? Welches Gesellschafts- und Menschenbild liegt den Bestrebungen rechter Bewegungen zu Grunde? Und vielleicht entscheidender: Was steht dem gegenüber? Was für eine Gesellschaft wollen wir? Bei allem Willen zur Abgrenzung muss also zumindest geklärt werden: Wogegen.
All zu groß scheint die Angst, sich im Verstehen-Wollen schon schuldig zu machen und so wird dabei leicht übersehen, dass Empörung ohne Verstehen ebenso unheilvoll ist wie Verstehen ohne Empörung.
Programm vom 21. September
12.00 - 13.30 UHR – NEUES HAUS
WAS HEISST RECHTS? WAS HEISST LINKS? EIN DEFINITIONSVERSUCH POLITISCHER KATEGORIEN - Vorträge und Podiumsgespräch
Seit der französischen Revolution 1789 werden die beiden politischen Grundgegensätze mit "links" und "rechts" bezeichnet. Doch was meinen diese Zuschreibungen überhaupt? Welche Weltbilder und welches Menschenbild stehen hinter diesen politischen Standpunkten? Und wie sehen sich die Gruppierungen selbst?
Mit Liane Bednarz (Juristin & Autorin), Silke van Dyk (Soziologin)
Moderation Mladen Gladic (Der Freitag)
EINTRITT FREI
14.00 - 15.30 UHR – NEUES HAUS
ENTSICHERTE JAHRZEHNTE - Vortrag und Podiumsgespräch
Wo liegen die Gründe und Ursachen für das Erstarken der Aufmerksamkeit für rechte und reaktionäre Bewegungen? Welche historisch-ideologischen Grundlagen, politischen Paradigmen und gesellschaftlichen Prozesse bereiten Populist*innen des rechten Spektrums den Boden, sich auch bei breiten Bevölkerungsschichten Gehör verschaffen zu können?
Mit Paula Diehl (Politikwissenschaftlerin), Wilhelm Heitmeyer (Soziologe), Volker Weiss (Historiker)
Moderation Malene Gürgen (taz)
EINTRITT FREI
14.30 - 16.00 UHR– WERKRAUM
AUSLÖSCHUNG DER GRAUZONE - Workshop
Der Workshop vollzieht die jüngere Geschichte performativer rechter Medienstrategien im Internet nach und stellt ihre Bedeutung für repräsentatives Theaterschaffen einerseits, das Konzept eines umfassenden demokratischen Dialogs andererseits, zur Diskussion.
Von & mit Arne Vogelgesang (Regisseur)
(Begrenzte Platzzahl. Anmeldung unter: dramaturgie@berliner-ensemble.de)
EINTRITT FREI
16.00 - 17.30 UHR – NEUES HAUS
POPULISMUS & IRRITATIONSTRATEGIEN DER "NEUEN" RECHTEN UND MÖGLICHE GEGENSTRATEGIEN - Vortrag und Podiumsdiskussion
Wie gelingt es Rechten ihre Gegner als jene darzustellen, die Meinungsfreiheit und Lebensweisen einschränken und sich selbst als Opfer zu stilisieren? Welche Rolle spielen dabei die Digitalisierung und die Infragestellung traditioneller Informationskanäle? Was kann man dagegen tun? Wie dieser Vereinnahmung des öffentlichen Raums entgegenwirken?
Mit Oliver Decker (Sozialpsychologe), Per Leo (Historiker), Simone Raffael (Journalistin)
Moderation Andreas Speit (Journalist)
EINTRITT FREI
18.00 - 19.30 UHR – WERKRAUM
HASS - Vortrag und Podiumsdiskussion
Ausgehend von einem Impulsvortrag von Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke über die Entwicklung und Strategien der sogenannten "neuen" Rechten und insbesondere die Rolle der Frau im rechten Spektrum, diskutiert die Regisseurin von "Mütter und Söhne" Karen Breece mit Aussteiger*innen über das Leben in der rechten Szene, den schwierigen Ausstieg und die Zeit danach.
Vortrag Andrea Röpke (Journalistin, Autorin)
Mit Felix Benneckenstein (Aussteiger), Karen Breece (Regisseurin), Christoph Sorge (Aussteiger)
Moderation Clara Topic-Matutin
EINTRITT FREI
20.00 UHR – NEUES HAUS
MÜTTER & SÖHNE
ANSCHL. PUBLIKUMSGESPRÄCH