Geschichte und Identität

Einblicke Im Folgenden werden drei Produktionen vorgestellt, die beispielhaft einen kleinen Ausschnitt der vielfältigen Varianten der Auseinandersetzung mit dem Thema des diesjährigen Festivals zeigen
Jan Lauwers, Needcompany – All the good
Jan Lauwers, Needcompany – All the good

Foto: Ruhrtriennale

ALL THE GOOD

JAN LAUWERS, NEEDCOMPANY
>> All the good [Link] ist eine Chronik von Verlust und Hoffnung zu einer Zeit, in der Europa seine Werte opfert und eine große Gruppe von Menschen Hass und Ignoranz erliegt. 2014 trifft Jan Lauwers den israelischen Elitesoldaten und Kriegsveteranen Elik Niv, der nach einem schweren Unfall und langer Rehabilitation professioneller Tänzer wurde. Sie diskutieren über seine Militäreinsätze und seine Entwicklung als Tänzer in der subventionierten Welt der darstellenden Künste in Deutschland. In die Zeit dieser Gespräche fallen die Brüsseler Bombenanschläge am Flughafen Zaventem und am U-Bahnhof Maalbeek.

All the good ist eine Geschichte mit doppeltem autobiographischen Hintergrund, auf der einen Seite Eliks Leben, auf der anderen das von Jan Lauwers, Grace Ellen Barkey und ihren Kindern: eine Künstlerfamilie zwischen Alltagssorgen und der Allgegenwärtigkeit von Krieg und Terror.

All the good handelt auch von der jungen Romy, die überzeugt ist, die Welt sei gut. Auf einer Chinareise trifft sie den Soldaten Elik. Diese Begegnung verändert ihr Leben.

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NACH DEN LETZTEN TAGEN. EIN SPÄTABEND

CHRISTOPH MARTHALER, ULI FUSSENEGGER, STEFANIE CARP, DURI BISCHOFF, SARAH SCHITTEK

Christoph Marthalers neue Kreation >>
Nach den letzten Tagen. Ein Spätabend [Link] ist im musikalischen Zentrum den aus Prag und Wien vertriebenen Komponisten wie Pavel Haas, Viktor Ullmann, Alexandre Tansman, Józef Koffler, Erwin Schulhoff, Szymon Laks und Fritz Kreisler gewidmet. Sie wurden deportiert, ermordet oder gingen in die Emigration. Viele der Kompositionen sind im Konzentrationslager Theresienstadt entstanden, teilweise sind sie Fragmente geblieben. Viktor Ullmann schrieb die Noten seiner letzten Komposition unmittelbar vor der Deportation nach Auschwitz. Die Musik erklingt in einem imaginierten Parlament, in dem Abgeordnete dokumentierte Reden aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, der Gegenwart und der nahen Zukunft halten, die katastrophale Zivilisationsbrüche bezeugen. Die Produktion wird für das Auditorium Maximum der Ruhr-Universität Bochum kreiert, das sich in ein fiktives zukünftiges Weltparlament verwandelt, in dem wir als Zuschauer*innen aus der Gegenwart und einer erkennbaren Zukunft auf ein zerstörtes Europa blicken.

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EVOLUTION

GYÖRGY LIGETI, KORNÉL MUNDRUCZÓ, STEVEN SLOANE, BOCHUMER SYMPHONIKER, STAATSCHOR LATVIJA, PROTON THEATER

Im Zentrum der >> Aufführung [Link] steht György Ligetis
Requiem aus dem Jahr 1965. Von der klassischen Form wählte der Komponist nur die Teile, die der Trauer und dem Zorn gewidmet sind. Kornél Mundruczó, ungarischer Film und Theaterregisseur, dessen verstörend realistische Erzählweise ihn international berühmt machte und der im vergangenen Jahr Hans Werner Henzes Oratorium Das Floß der Medusa für die Ruhrtriennale szenisch befragte, stellt mit diesem gewaltigen Werk das Thema der Wiederholung ins Zentrum seiner Auseinandersetzung. Diese versteht er wie Sören Kierkegaard nicht als Erinnerung, sondern als ein nach vorne gerichtetem Denken, das sich mit der Vergangenheit beschäftigt. In der Inszenierung durchlaufen wir drei Zeiten: Die Begegnung mit dem Grauen der Vergangenheit, das traumatisierte Schweigen in der Gegenwart und eine Ahnung von einer zukünftigen Welt, in welcher die künstliche Intelligenz dem Begriff des Gedenkens, Erinnerns und der Sprache – scheinbar unschuldig – keinen Raum mehr lässt. Die Uraufführung wird sich zwischen Konzert und Theater bewegen; entwickelt wird sie mit der freien Theatergruppe Proton Theater und den Texten der Dramatikerin Kata Wéber.
16.08.2019, 14:14

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