Tödlicher Entschluss

Zum Film Die Entführung des 16-jährigen Paul Getty schockiert Menschen auf der ganzen Welt. Die Entführer fordern 17 Millionen Dollar Lösegeld. Doch der Unternehmer Jean Paul Getty weigert sich, für die Freilassung seines Enkels zu zahlen
Pauls Mutter Gail Harris ist nicht bereit, den Kampf um das Leben ihres Sohnes aufzugeben
Pauls Mutter Gail Harris ist nicht bereit, den Kampf um das Leben ihres Sohnes aufzugeben

TOBIS Presse

Rom im Sommer 1973. Ein junger Amerikaner schlendert über die nächtliche Via Veneto. Plötzlich hält ein mit mehreren vermummten Männern besetzter VW-Bus am Straßenrand, zerrt den jungen Mann in den Wagen und braust davon. Der Entführte ist kein geringerer als John Paul Getty III (Charlie Plummer), Lieblingsenkel des legendären Unternehmers J. Paul Getty (Christopher Plummer), der mit Ölgeschäften in Saudi-Arabien nach dem Zweiten Weltkrieg den Grundstein für sein Vermögen gelegt hat und seitdem für seine Milliarden genauso berühmt ist wie für seinen Geiz. Als Chef von Getty Oil gilt er als der reichste Mann der Welt, und auf dieses Geld haben es natürlich viele abgesehen. Als sich die Nachricht von Pauls Verschwinden über die Medien verbreitet, gehen prompt unzählige Forderungen von vermeintlichen Entführern in der Getty Oil Zentrale ein.

Nachdem die Gruppe um Anführer Cinquanta (Romain Duris) den verängstigten Paul im ländlichen Kalabrien in ihr Versteck gebracht hat, klingelt endlich auch bei Pauls Mutter Gail (Michelle Williams) in Rom das Telefon. Als Cinquanta ihr mitteilt, dass sich Paul in seiner Obhut befindet, reagiert sie zunächst erleichtert. Doch ganz ohne Gegenleistung soll sie ihren geliebten Sohn natürlich nicht zurückbekommen. Die Entführer fordern stolze 17 Millionen Dollar Lösegeld für seine Freilassung, schließlich würde Pauls Großvater über alles Geld der Welt verfügen.

Währenddessen gibt J. Paul Getty eine spontane Pressekonferenz vor seinem englischen Landsitz. Der Milliardär bleibt völlig gelassen und analysiert die Situation rein logisch, obwohl er die Summe eigentlich locker aus der Portokasse begleichen könnte: Seiner Ansicht nach sei kein junger Mensch so viel Geld wert, auch nicht sein Enkel, und schließlich gäbe es noch 13 weitere Getty-Enkel, für die er keinen Präzedenzfall schaffen will. Gail, die sein Statement live am Fernseher verfolgt, ist geschockt und entsetzt zugleich. Es geht hier um das Leben ihres Sohnes! Dafür wäre sie bereit, alles zu geben. Nur leider ist sie, der der Reichtum der Getty-Familie nie etwas bedeutete, komplett mittellos und gar nicht in der Lage, die immense Lösegeldsumme allein aufzubringen. Also spricht sie mit der Polizei, telefoniert immer wieder mit Cinquanta und versucht, wenigstens etwas Zeit zu gewinnen. Doch es führt kein Weg daran vorbei: Sie muss nach England fliegen und den alten Geizhals zur Rede stellen. Denn wenn es ihr nicht gelingt, ihn umzustimmen, besteht keine Chance mehr, ihren Sohn lebend wiederzusehen.

Verschroben

Rückblick: Auf menschliche Beziehungen legt der alte Getty immer weniger Wert, zu oft hat man ihn zuvor enttäuscht. Schwach wird er nur noch, wenn es um schöne Dinge geht: Skulpturen, Gemälde und Kunstwerke aller Art, die er bei jeder Gelegenheit seiner beträchtlichen Sammlung hinzufügt. Auch von seinem mittlerweile erwachsenen Sohn John Paul Getty II (Andrew Buchan) hat er sich früh entfremdet, den Kontakt aber wiederaufleben lassen, als der klamme Getty II ihn Mitte der 1960er Jahre auf Drängen seiner Frau Gail Harris brieflich um einen Job bittet. Der knorrige Patriarch lässt die Familie nach Rom kommen und gibt dem Junior die Chance, ins mittlere Management des Konzerns einzusteigen. Gleichzeitig lernt der Senior so auch seinen Enkel, den jungen John Paul Getty III (Charlie Shotwell), kennen und schätzen.

Doch schon wenige Jahre später ist das Familienglück wieder zerbrochen. Anfang der 70er hat John Paul Getty II Gail verlassen und feiert Drogenpartys in Marokko. Im September 1971 führt Gail in San Francisco die Scheidungsverhandlungen mit dem alten J. Paul. Sie verzichtet auf jegliche finanzielle Unterstützung, verlangt aber das Sorgerecht für ihre Kinder. Es ist ein Angebot, das der alte Geizkragen nicht ablehnen kann. Erst nach der Entführung ihres Sohnes sieht sich Gail gezwungen, wieder Kontakt mit der Getty Familie aufzunehmen.

Auf dem Familienanwesen im britischen Sutton Place angekommen, kann Gail trotzdem kaum etwas ausrichten. Ihre Appelle an J. Paul verhallen scheinbar ungehört, doch hinter den Kulissen mischt sich der Ölmagnat durchaus ein. Er schickt Fletcher Chace (Mark Wahlberg), seinen Sicherheitsbeauftragten und Mann für alle Fälle, mit nach Rom, um sich der Sache anzunehmen. Der Ex-CIA-Agent findet dann auch schnell eine heiße Spur zu einer Terrorzelle der Roten Brigaden. Die Terroristen hatten Kontakt zum jungen Paul und berichten von dessen Plan, die eigene Entführung vorzutäuschen. Wo er jetzt steckt, wissen sie aber nicht. Fletcher schließt daraus, dass es gar kein Kidnapping gegeben hat. Für ihn ist der Fall damit erledigt und auch J. Paul ist sofort von dieser Theorie überzeugt und fühlt sich bestätigt.

Gail hingegen hat Chace’ Aktivitäten von Anfang an mit Skepsis betrachtet und denkt gar nicht daran, die Suche aufzugeben. Unermüdlich kämpft sie für das Leben ihres Sohnes. Paul wird währenddessen von den Kidnappern immer noch einigermaßen anständig behandelt, leidet aber unter der monatelangen Gefangenschaft. Dann gibt es endlich eine neue Spur! Die Polizei hat eine stark verkohlte Leiche entdeckt und vermutet, dass es sich dabei um Paul handelt. Gail und Fletcher fahren nach Kalabrien, um den Leichnam zu identifizieren. Doch Gail ist sich sofort sicher, dass dies nicht ihr Sohn sein kann. Und schnell bestätigt sich, dass der Tote ein polizeibekannter Aktivist ist, der zur Gruppe um Cinquanta gehört. Dadurch ist dann auch das Versteck der Entführer schnell ausgemacht. Aber das sofort ausrückende Spezialkommando ist leider zu spät am richtigen Ort: Paul ist längst verschwunden, ebenso wie der größte Teil der Entführergruppe.

Cinquanta ist die Sache allmählich zu heiß geworden, darum „verkauft“ er seine Geisel an die Mafia weiter, die ein Millionengeschäft wittert. Und anders als der geduldige Cinquanta haben die Mafiosi keine Zeit zu verlieren. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, greifen sie zu einem extremen Mittel: Sie schneiden Paul ein Ohr ab und schicken es zusammen mit einem Foto des Entführungsopfers an eine italienische Tageszeitung. Ein Rennen gegen die Zeit beginnt...

14.02.2018, 11:22

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