In ihrem Film „Das Leben meiner Tochter“ gestalten Sie einen sensiblen detaillierten Einblick in die Situation einer jungen Familie, die auf ein Spenderherz für ihre Tochter Jana wartet. Wie sind Sie zu der Idee für Ihren Film gekommen? Was hat Sie an der Thematik gereizt?
S. W.: Ausgangspunkt war ein kurzer Artikel über ein Mädchen, das mit Hilfe eines Assist-Devices, also eines Herzunterstützungssystems, die Zeit überbrückt, bis ein Spenderherz für sie gefunden ist. Und dann habe ich angefangen mir zu überlegen, wie es der Familie damit geht, insbesondere den Eltern. Wie gehen sie mit der Ungewissheit und der langen Wartezeit um? Was würden sie unternehmen, um diese Wartezeit zu verkürzen? Das Grundgerüst für die Geschichte war schnell gefunden. Die Ausarbeitung hat dann doch etwas länger gedauert, da ich die richtige Balance finden musste. Sowohl in der Tonalität – es gibt ja auch heitere Momente im Film – als auch in Bezug auf die medizinischen Fakten. Die mussten natürlich stimmen, durften aber keinesfalls im Vordergrund stehen.
Gereizt an der Thematik hat mich, eine Geschichte zu erzählen, die die moralischen Grenzen auslotet. Wenn man jemanden fragt, was würdest du tun, um das Leben deines Kindes zu retten, bekommt man ja fast immer die Antwort: alles. Wenn man die Sache aber mal wirklich zu Ende denkt, kommt man vielleicht zu einem anderen Ergebnis. Davon handelt der Film.
Wie haben Sie sich vorbereitet?
Während des Schreibens habe ich viel recherchiert, vor allem über Organhandel, aber auch über viele medizinische Details. Für ein anderes Projekt hatte ich ein paar Jahre zuvor sehr viele Erfahrungsberichte von Kindern gelesen, die wissen, dass sie bald sterben werden. Das hat mir für die Rolle Jana dann sehr geholfen. Auf den Dreh an sich musste ich mich dann nicht mehr so intensiv vorbereiten, weil ich mir das meiste ja bereits während des Drehbuchschreibens erarbeitet hatte.
Neben der Arbeit am Film ist auch ein Buch entstanden. War das eine besondere Herausforderung?
Ja, das war durchaus eine Herausforderung. Der Kurzroman basiert auf einer früheren Drehbuchversion und die Schwierigkeit war, zu einer Geschichte, die an und für sich schon dicht und stimmig ist, noch zusätzliches Material dazu zu erfinden. Ansonsten hat mir die Arbeit am Roman für den Film eher geholfen, weil jedes Kapitel entweder aus der Perspektive von Mutter, Vater oder Kind geschrieben ist und ich so gezwungen war, mir über die Motivationen und Gefühle der einzelnen Figuren noch mehr Gedanken zu machen, was dann schließlich auch ins Drehbuch eingeflossen ist.
Auch der Konflikt zwischen den beiden Eltern spielt eine zentrale Rolle in Ihrem Film. Wie würden Sie diesen beschreiben?
Der Vater verkörpert für mich den Typus homo faber, einen Menschen also, der fest an die technische Machbarkeit glaubt und daran, dass es für wirklich jedes Problem eine Lösung gibt. Dass sein Kind sterben könnte, kommt in seiner Möglichkeitswelt nicht vor. Die Mutter lebt eher im Hier und geht viel mehr auf Janas momentane Bedürfnisse ein. Auch wägt sie sorgfältiger die verschiedenen Möglichkeiten ab, die sie haben, und ändert ihre Meinung, wenn sie neue Informationen bekommt. Im Gegensatz zu Micha, der fast bis zum Schluss auf seinem Standpunkt beharrt und alles andere ausblendet, was nicht in sein Weltbild passt. Aus diesem Gegensatz speist sich im Wesentlichen der Konflikt zwischen den beiden.
Gab es besondere Momente/Herausforderungen, die sich während des Drehs ergeben haben?
Mit Kindern zu drehen ist immer eine Herausforderung, weil sie nur fünf Stunden am Set sein dürfen, drei davon vor der Kamera. Die Uhr tickt also von Anfang an und man muss vorher sehr genau wissen, was man machen will. Aber da Maggie so gut war, hat das alles prima geklappt.
Gibt es eine Rolle, mit der Sie sich besonders identifizieren können?
Eigentlich nicht. Aber ich kann mich in alle Figuren einfühlen und verstehe, warum sie so handeln, wie sie es tun. Sonst könnte ich sie auch nicht schreiben und die Schauspieler nicht dementsprechend inszenieren.
Wie war die Zusammenarbeit mit Alwara Höfels und Christoph Bach, was war Ihnen besonders wichtig in ihren Verkörperungen der Eltern?
Den Vater hatte ich immer als jemanden gesehen, der nach einem Jahr Warten extrem ungeduldig und angespannt ist, der einfach unter Strom steht, das aber so gut wie möglich vor seiner Umwelt verstecken möchte. Und der auch jemand ist, der die Dinge lieber allein mit sich ausmacht, als andere in seine Entscheidungen miteinzubeziehen. Die Mutter sollte einerseits so stark sein, dass sie ihrem Mann Kontra geben kann, andererseits aber auch verletzlich und merklich emotional am Limit, aber gegenüber ihren Kindern trotzdem liebevoll und humorvoll.
Ich bin sehr froh, dass wir mit Alwara und Christoph die ideale Besetzung für das Elternpaar gefunden haben und die Zusammenarbeit mit ihnen war sehr gut, unkompliziert und es hat wirklich Spaß gemacht. Auch nach Drehschluss. Wir waren ja größtenteils in einem Hotel im Schwarzwald, also ein bisschen wie Ferienlager. Da hilft es ungemein, wenn man sich mag und gut versteht.
Die Rolle der Jana wird von der sehr jungen Maggie Valentina Salomon gespielt. Wie haben Sie sie entdeckt, und sie bei Ihrem Spiel unterstützen können?
Wir hatten ein E-Casting für die Rolle ausgeschrieben und darauf dann ungefähr 150 Bewerbungen bekommen. Diese Videos haben wir alle gesichtet und einige der Mädchen zu einer ersten Castingrunde eingeladen. Dann die besten aus dieser Runde zu einer weiteren Castingrunde und so weiter. Danach gab es noch ein Konstellationscasting mit Christoph Bach. Und am Ende ist Maggie übrig geblieben. In der Vorbereitung und während des Drehs wurde sie dann größtenteils von unserer Kindercoachin Lena-Marie-Seyfarth unterstützt. Mit ihr hat Maggie den Text gelernt und sich auf den jeweiligen Drehtag vorbereitet. Das hat alles sehr gut geklappt, obwohl Maggie mehr als 20 Drehtage hatte, was für ein Kind in ihrem Alter wirklich viel ist.
In Ihrem Film möchte die Vaterfigur Micha Faber nicht, dass seine Tochter über den Tod liest. Warum ist das Thema Tod Ihrer Meinung nach, vor allem in den europäischen Kulturen, so ein Tabu?
Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich, weil es angenehmere Dinge gibt, als sich mit der eigenen Endlichkeit auseinander zu setzen. Im Film ist es ja eigentlich auch nur der Vater, der Berührungsängste mit dem Tod hat und das aus dem Grund, weil er sich nicht eingestehen will, dass sein Kind sterben könnte. Jana, zum Beispiel, ist da ja viel unvoreingenommener und nähert sich dem Thema mit kindlicher Neugier.
Was würden Sie sich wünschen, das Kinobesucher*Innen aus Ihrem Film mitnehmen?
In erster Linie hoffe ich, dass der Film ein emotionales Erlebnis ist und man mit dem Schicksal der Familie mitfiebert. Wenn er darüber hinaus auch noch Anstoß ist, über die im Film verhandelten Themen nachzudenken, umso besser.
Wie stehen Sie persönlich zum Thema Organspende? Haben Sie damit Erfahrung gemacht?
Ich habe einen Organspendeausweis und bin für die Einführung der Widerspruchslösung. Eigene Erfahrungen habe ich darüber hinaus bisher aber nicht gemacht.