Hintergründe
Die erste erfolgreiche Herztransplantation gelingt dem südafrikanischen Chirurgen Christiaan N. Barnard 1967. Seither entwickelt sich der medizinische Fortschritt in der Behandlung durch Organspenden rasant. Überlebte Barnards Patient nur 18 Tage mit neuem Herzen, so können Betroffene heute Jahrzehnte mit einem transplantierten Organ weiterleben.
Seit 1997 regelt in Deutschland das Transplantationsgesetz die rechtlichen Voraussetzungen für Organ- und Gewebespenden. Zu dessen 20-jährigem Jubiläum veröffentlichte die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) jedoch alarmierende Zahlen: Auf 10.000 schwerkranke Patienten kommen 2017 lediglich 797 postmortale Organspender. Im Jahr 2018 sind es 955. (Jahresbericht der DSO, 2018). Dazu gehören auch viele Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) stirbt jedes dritte Kind, während es auf ein neues Herz oder eine neue Lunge wartet.
Aktuelle Diskussion um die gesetzliche Regelung der Organspende
Die Politik scheint dieses Problem erkannt zu haben und kündigt umfangreiche Reformen für das Transplantationsgesetz in seiner aktuellen Legislaturperiode an.
Eine der diskutierten Änderungen betrifft die mögliche Einführung der sogenannten doppelten Widerspruchslösung. In einem ersten Schritt ist das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende beschlossen worden, das am 1. April in Kraft getreten ist. Eine mögliche Gesetzesänderung in eine Widerspruchslösung wird derzeit diskutiert.
Aktuell haben wir in Deutschland die Entscheidungslösung auf Basis einer Zustimmungsregelung, d.h. bisher kann in Deutschland Organspender werden, wer zu Lebzeiten einer Organspende mündlich oder schriftlich z.B. in einem Organspendeausweis zugestimmt hat. Wer es verdrängt oder versäumt, über eine mögliche Organspende zu sprechen, hinterlässt diese schwere Entscheidung seinen Angehörigen, die sich damit in einer ohnehin dramatischen Situation oftmals überfordert fühlen. In Deutschland besitzen laut einer Umfrage der BZgA aus dem Jahr 2018 36% der Menschen einen Organspendeausweis. Eine Organspende kann nur in vergleichsweise seltenen Fällen erfolgen, nämlich dann, wenn der irreversible Hirnfunktionsausfall (Hirntod) eingetreten ist. Dies bedeutet, dass alle Hirnfunktionen unwiderruflich ausgefallen sind, während das Herzkreislaufsystem mittels künstlicher Beatmung und intensivmedizinischer Maßnahmen aufrechterhalten wird. In Deutschland gibt es laut Schätzungen etwa 4.500 Hirntote pro Jahr.
Während in Deutschland die Entscheidungslösung gilt, praktizieren zahlreiche andere Länder die Widerspruchslösung. Hierbei gilt jeder als potentieller Organspender, solange er der Entnahme seiner Organe nicht ausdrücklich widersprochen hat. Allerdings werden auch hier
vor einer Organentnahme die Angehörigen befragt. Die Widerspruchsregelung gilt beispielsweise in allen Ländern, die neben Deutschland dem Eurotransplant-Verbund (Benelux-Länder, Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn) angehören. In vielen dieser Länder ist die Zahl der Organspender größer; allerdings gibt es hier auch unterschiedliche Strukturen in den Krankenhäusern. Darüber hinaus lassen einige Länder auch die Organentnahme nach dem Herztod (besser: nach Herz-Kreislaufversagen) zu, so dass grundsätzlich mehr Verstorbene für eine Organspende in Frage kommen.
Ob eine eventuelle Einführung der Widerspruchslösung in Deutschland tatsächlich dazu führt, dass sich mehr Menschen mit diesem Thema auseinandersetzen, bleibt offen.
Grundsätzlich ist die Bereitschaft zur Organspende in Deutschland hoch; allerdings haben nur wenige Menschen ihre Entscheidung auch dokumentiert.
Neben einer Steigerung der Zahl der dokumentierten Entscheidungen ist es für eine Verbesserung des Systems zudem dringend notwendig, die Abläufe und Rahmenbedingungen selbst zu reformieren. Denn Zahlen der DSO belegen auch, dass doppelt so viele Transplantationen durchgeführt werden könnten, wenn alle Möglichkeiten einer Spende in den Kliniken erkannt und ausgeschöpft würden. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende (GZSO) zum 1. April 2019 hat der Gesetzgeber viele Rahmenbedingungen für die Organspende deutlich verbessert: Die Position der Transplantationsbeauftragten wurde u.a. gestärkt und für eine aufwandsgerechte Vergütung der Kliniken gesorgt. Auch die Angehörigenbetreuung der Spender ist erstmals gesetzlich verankert.
Was, wenn sich die Spenderzahlen nicht verbessern?
Es gibt bisher keine Erhebungen darüber, wie viele Menschen versuchen, sich illegal Organe zu kaufen. Empfänger illegaler Organspenden machen sich zudem strafbar. Trotzdem gehört der Handel mit Organen schon heute hinter dem Waffengeschäft und noch vor dem Drogenschmuggel zum zweit-lukrativsten Geschäft weltweit. In afrikanischen oder einigen osteuropäischen Ländern, wie Rumänien beispielsweise, verkaufen arme Menschen vorwiegend eine ihrer Nieren an die Organmafia. In der Wüste Sinais werden Flüchtlinge aus Eritrea, Äthiopien oder dem Sudan abgefangen und regelrecht ausgenommen. Amnesty International und die WHO sprechen von einem international operierenden Netzwerk, das von Ägypten aus organisiert ist. In China werden Mord und Organhandel gar staatlich gedeckt. Die Ärztevereinigung DAFOH (Doctors Against Forced Organ Harvesting) berichtet seit Jahren über den systematischen Organraub an politischen Gefangenen und wurde 2016 für den Friedensnobelpreis nominiert.
Prominentes Beispiel eines Käufers illegal gehandelter Organe ist der deutsche Journalist Willi Germund. In seinem 2015 erschienenem Buch „Geld gegen Niere“ erzählt er, wie er für 30.000$ die Niere eines jungen Afrikaners erwarb. Die Erfahrungen aus der Dialyse- Behandlung hätten seine letzten ethischen und moralischen Vorbehalte schwinden lassen. Willi Germund lebt im Ausland; in Deutschland drohen ihm für den illegalen Organdeal bis zu fünf Jahre Haft.
Gäbe es genügend Spenderorgane, würde dem illegalen Organhandel der Boden entzogen ...
Die Wahrscheinlichkeit, eines Tages ein Spenderorgan zu benötigen, ist wesentlich höher, als selbst als Spender in Frage zu kommen. Breite Aufklärung über die Möglichkeiten zur Spende, über die Folgen eines Organmangels und das Schaffen von Vertrauen in die Transplantationsmedizin sowie deren strukturelle Stärkung sollten allein aus diesem Grund in unser aller Interesse sein.
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Das Infotelefon Organspende (Tel.: 0800 90 40 400) ist ein Gemeinschaftsprojekt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). Es dient als wichtige Anlaufstelle für alle Fragen zur Organ- und Gewebespende und zur Unterstützung bei der individuellen Entscheidungsfindung.