Theorie und Praxis

Zum Film Regisseur und Darsteller Josh Lawson über die Entstehung seines Films und dessen Funktion als Kommentar auf die heutige Gesellschaft und deren Vorstellung von Normalität
Theorie und Praxis

Foto: Weltkino Filmverleih

Kommentar des Regisseurs

Ich begann vor sechseinhalb Jahren während eines Jobs in Los Angeles an DER KLEINE TOD zu schreiben. Während dieser Zeit und auch danach hatte ich das Glück, andere Kreative zu treffen, die die Geschichte und ihre subtilen Untertöne genauso liebten wie ich. Diese gemeinsame Leidenschaft und die Zusammenarbeit machten den Film zu dem, was er heute ist. Der Großteil des Skripts ist reine Fiktion. Doch ich hatte das Gefühl, dass sich das Script parallel zu der Lebenserfahrung, die ich in der Zeit sammelte, weiterentwickelte und wuchs. Manchmal geschah das selbst noch an dem Tag, an dem die entsprechende Szene gedreht werden sollte. Zurückblickend fiel es mir schon sehr schwer, mich vollständig auf die Fiktion einzulassen. Ich glaube, man schöpft beim Filmemachen immer auch aus persönlichen Erfahrungen.

DER KLEINE TOD dreht sich um Moral, Normalität, Monogamie, Beziehungen, Liebe, Betrug – alles mit einer sexy roten Schleife verbunden. Die Geschichte legt dem Zuschauer (hoffentlich) nahe, dass wir Sex nicht immer so ernst nehmen sollten. Es ist Teil des täglichen Lebens! Es ist eine normale Funktion des menschlichen Körpers, und aus diesem Grund denke ich nicht unbedingt, dass der Film besonders gewagt ist.

Sex ist eine schöne Sache, die aber auch sehr gefährlich sein kann. Er kann romantisch sein, er kann eine Menge verschiedener Dinge sein, aber er kann auch lustig sein. Das Tolle an DER KLEINE TOD ist, dass er zeigt, dass Sex lustig sein kann, ihn aber trotzdem ernst nimmt. Sex kann auch traurig sein – zum Beispiel wenn man ihn nicht hat oder wenn man die Person, mit der man ihn hat, anlügt. Sex ist eine sehr komplizierte Sache – er weckt mehr Emotionen als jede andere Aktivität und kann deshalb nicht bloß mit einem einzigen Etikett auskommen.

DER KLEINE TOD ist auch ein Kommentar auf die heutige Gesellschaft und über unsere Vorstellung von Normalität. Ich glaube, dass die moderne Gesellschaft – vor allem dank des Internets – den Menschen erlaubt, aus sich heraus zu gehen und sich auszudrücken (wenn auch anonym und privat). Das Internet gibt den Menschen ein Forum, um ihre Sexualität mehr zu erkunden. Das ist eine gute Sache. Sexualität verändert sich ständig und ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, die sie umgibt. Sexuelle Befriedigung bedeutet heute etwas ganz anderes als vor 100 Jahren – sie bedarf viel mehr Anstrengung und Entschlossenheit aufgrund der grenzenlosen Thematisierung von Sex, der wir heute ausgesetzt sind. Ständig verändert sich alles und nichts scheint normal zu sein.

Der Castingprozess des Films war ziemlich schwierig, denn ich wollte, dass sich das Publikum wirklich in die Figuren hineinversetzen kann. Deshalb war es mir wichtig, unbekannte Schauspieler bzw. Schauspieler, die sich verwandeln können, auszuwählen. Wir suchten überall nach der richtigen Besetzung, die vor allem auch die langen und oft sehr dialogintensiven Szenen tragen konnte. Letztendlich gelang uns dies nur mithilfe unserer Casting-Agentin Nikki Barrett.

Das erste Mal Regie zu führen stellte mich vor viele Herausforderungen. Das Schwierigste war für mich, diese drei Hüte – Drehbuchautor, Regisseur und Schauspieler – zu jonglieren. Drehbuchautor zu sein war dabei das Haarsträubendste, weil sich das Script ständig veränderte. Ich schrieb am laufenden Band, fügte Szenen hinzu und bastelte an den Dialogen herum. Aber vor allem war es auch eine Gemeinschaftsarbeit. Ich setzte stark auf die Anmerkungen anderer Leute für die Authentizität der Figuren. Ich wollte unbedingt, dass sich jeder in diesem Film wiederfinden kann.

08.04.2015, 17:00

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